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Präsidenten, Tapeten und Stellungnahmen

Vorbemerkung Nr. 1

Dies ist eine persönliche Meinung von MIR (!!!), sie ist nicht mit den beiden anderen Bloggern abgestimmt und trifft deswegen nicht zwingend deren Meinung. Es heißt aber auch nicht, dass sie zwingend anderer Meinung sind.

„Mir“ ist gleich ich ist gleich Norbert, ist gleich @teddytria.

Ich stehe für eine Diskussion gerne zur Verfügung. ABER nur unter folgenden Grundvoraussetzungen:

  1. Ihr lest und versteht den gesamten Text.
    und
  2. Ihr wollt diesen Text kommentieren, nicht die Tapete.
    und
  3. Ihr seid einer Graustufung fähig.

Kontakt findet ihr am besten unter der genannten Twitterhandle oder bei E-Mail -> magischediskussion äääätt gmx Pünkchen de. Spart euch einfach „Die Tapete ist aber Scheiße“-Kommentare. Weiß ich im Notfall schon.

Die E-Mail wird parallel zur Veröffentlichung des Artikels eingerichtet, sodass sie eventuell noch nicht funktioniert, wenn der Artikel online geht.

Da es meine Kapazitäten nicht zulassen, mich an Facebook-Diskussionen und/oder Kommentaren hier zu beteiligen, werde ich diese unkommentiert lassen. Das hat einfach etwas mit Zeit und anderen Aufgaben zu tun, ich bitte dies zu entschuldigen. Ach ja: Die Kommentare hier sind moderiert und auch auf Facebook kann jeder dummer Scheiß schlichtweg gelöscht werden. Also lasst es gleich.

Vorbemerkung Nr. 2

Es kann bei den Maßstäben, die ich gleich ansetze, ganz vernünftig sein, sich vorher zwei Millernton-Folgen anzuhören. Und zwar die Nr. 25 mit unserem Präsidenten Oke Göttlich und die Nr. 37 mit unserer Aufsichtsratschefin Sandra Schwedler.

Warum schreibe ich das? Weil beide für den Verein eine Art der Diskussionskultur und Umgangskultur darlegen, die man hier als Maßstab nehmen sollte. Diese Umgangskultur ist nicht zwingend, sie ist aber unsere gut gepflegte.

Sachverhalt

Wichtig ist, dass wir uns klar werden, worüber wir hier sprechen. Wir sprechen über eine Äußerung des Vorstandsvorsitzenden (und Haupteigentümer) von Under Armour, Kevin Planck (hier nachzulesen) und die Reaktion des FCSP darauf (hier nachzulesen) . Wichtig: Artikel mit den Zitaten 07.02.2017, Stellungnahme Verein 10.02.17.

Und wir reden hier über eine Tapete, die mit den Buchstaben USP unterschrieben war und die ihr u. a. hier nachlesen könnt:

(ich fand gerade keine Quelle, die nicht sofort kommentiert) und die Stellungnahme des Vereins und des FCSR vom gleichen Tag (12.02.17).

Nur um das Ganze in einen Kontext zu setzen, sei hier noch eine Tapete vom Spiel vorher erwähnt, die sich an einen Herrn Dijkgraaf in seiner Muttersprache wendet. Zum Hintergrund: Der junge Mann posiert ständig in FCSP-Hoodies und ist – freundlich ausgedrückt – rechtspopulistischer Politiker in den Niederlanden. Sinngemäße Übersetzung: „Zieh den Pulli aus, sonst ziehen wir dir den Kopf aus.“ Warum diese Erwähnung, weil zumindest in meiner Wolke dieses Plakat relativ unbeachtet blieb, während das Plakat vom Dresden-Spiel große Wellen jenseits der Filterblasen schlug. Und man vielleicht mal einen Vergleich überlegen könnte.

Vielleicht auch lesenswert ist der Hintergrund des Ganzen. Oder anders ausgedrückt: Was meint eigentlich Opfermythos? Und was ist eigentlich das Problematische am Gedenken an den 13.02.1945? Das kann man hier nachlesen. Ausdrücklich mache ich mir den Text nicht zu eigen, aber er ist schon ein wichtiger Diskussionsbeitrag und lesenswert.

Vorbemerkung Nr. 3

Ich halte prinzipiell wenig von Stellungnahmen. Schon gar nicht, wenn man in einem Kosmos zusammen sitzt, in dem Gespräche möglich sind. Und das gilt sowohl bei einem Sponsor, als auch bei einer Fanvereinigung.

Zu Recht setzt man bei vielen Vereinen auf Gespräche außerhalb der Öffentlichkeit, wenn es darum geht, Probleme innerhalb des fragilen Gebildes „Fußballverein“ zu klären. Zuviele gegensätzliche Interessen, Ideen und Gedanken verweben sich in einem Fußballverein und diese zu moderieren, auszugleichen und zu kanalisieren, ist eine der sensibelsten Aufgaben, die alle Menschen in Vereinen haben.

Stellungnahmen richten sich nie (ähnlich wie offene Briefe) an die vermeintlichen Adressaten. Und wenn sie es tun, dann hätten wir ein ziemlich großes Problem im Verein. Denn dann ist ein Gesprächskanal nicht mehr offen. Stellungnahmen richten sich meistens an eine empörte (!) Öffentlichkeit und sollen meistens Luft verschaffen. Oder anders ausgedrückt: Ich kann mir die Anzahl der Interaktionen bei beiden Themen in Richtung Verein vorstellen. Und das werden nicht nur sachliche und freundliche Interaktionen gewesen sein. Sei dies nun Pressebericht oder sei dies nun Social-Media-Interaktion.

Man muss bei einer Stellungnahme immer abwägen, ob man diesem Druck nachgeben will (der meistens von Leuten kommt, deren Druck man eigentlich ignorieren sollte) oder ob man reagieren will.

Oder anders ausgedrückt: Wenn die Bildzeitung was von „verhöhnt“ schreibt oder „der aufrechte Patriot“ den FC St. Pauli auf Twitter mentioned, dann sollte das einem genau so am Arsch vorbei gehen, als wenn irgendwelche Fiktionsschreiber wieder ihren fiktiven Roman ins Internet hauen und Jolly-Rouge-Aktionen herbei träumen.

Ja, es gibt auch eine andere Art der Stellungnahme, die sehr viel mehr Sinn ergibt: Nämlich die interessierte Öffentlichkeit über eine Diskussion und einen Konsens oder einen Dissens zu informieren. Nur geht diese in dem medialen Rauschen der heutigen Zeit unter, denn sie braucht Zeit, man muss sie nämlich vorbereiten und reden.

Was halte ich nun von den Äußerungen und Gegenäußerungen…

… in Sachen Under Armour?

Soll ich euch mal eine Rechtfertigung der Aussage von Herrn Planck erdenken? Herr Planck meint in seinen Aussagen wirklich ausschließlich die versprochene geringere Regulierung und damit die Möglichkeit, noch mehr Geld zu machen. Das Rassistische, Diktatorische wollte er nicht kommentieren. Eine solche Relativierung hat UA nebenbei dann auch rausgehauen. Hier zitiert.

Was würdet ihr mit einer solchen Rechtfertigung machen? Sie wahrscheinlich in der Luft zerreißen und dies wahrscheinlich zu Recht. Aber ausdrücklich schreibe ich hier „wahrscheinlich“, denn wir wissen nicht, was Herr Planck sagen wollte. Wir wissen nur, wie es bei uns ankam. Und wir wissen nebenbei auch nicht, was Herr Planck so dem Donald gesagt hat unter vier Augen. Zwar besteht eine 99-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass es Bullshit war; aber man sollte immer auch das eine Prozent im Auge behalten.

Lange Rede, kurzer Sinn: In einer Zeit, in der viele CEOs auf Distanz zu der neuen Regierung gehen, siehen diese Aussagen von Herrn Planck zumindest im Empfängerhorizont äußerst unglücklich aus. Das ist bitte die freundliche Formulierung. Die unfreundliche: Was für ein Vollhonk!

Der Verein formuliert hier eine Stellungnahme, die nach meiner Einschätzung mit Bedacht formuliert ist und sich Zeit lässt (zwei Wochen nach einem Brief, drei Tage nach Veröffentlichung der Zitate).

Warum tut er das?

  1. Weil er einen gültigen Vertrag hat, den man aufgrund einer Äußerung eines Vorstandsvorsitzenden eher nicht fristlos kündigen kann. Kurzer juristischer Exkurs. (arbeitsrechtlicher Text) Es wird wahrscheinlich schon am wichtigen Grund scheitern, denn eine Meinung eines Chefs wird nicht dazu führen, dass der Vertrag mit seiner Firma unzumutbar geworden ist. Insbesondere, da man sich schon bei Vertragsabschluss sehr klar über Differenzen war (siehe Millernton-Folge mit Oke). Deswegen empfinde ich diese Stellungnahme sehr gelungen. Sie hat etwas Abstand, sie ist ruhig formuliert und erfolgt zwei Wochen nachdem man intern (innerhalb der Familie, des Kosmos etc. pp) seinen Unmut formuliert hat, wie die Stellungnahme deutlich macht.
  2. Weil er Gehör finden will. Was in einem guten Sinne gelingt. Selbst in der WaPo findet sich ein Artikel.

Ich persönlich würde sie nach den Maßstäben oben als eine nützliche Stellungnahme sehen.

Und ich sehe sie auch ausdrücklich als eine, die unseren Maßstäben (siehe Millernton), nämlich vieles intern zu klären, in der Familie zu reden und dann abzuwägen, absolut entspricht. Oke äußert im Millernton sinngemäß, dass öffentliches Äußern häufig nix bringt, weil es nur verhärtet. Ich verkürze den Ärmsten nun.

Wisst ihr was? Wäre dies die einzige Stellungnahme gewesen, die der Verein rausgehauen hätte in letzter Zeit, ich hätte mir ein Bier aufgemacht und ein bisschen über gewisse Reaktionen den Kopf geschüttelt, aber ich hätte euch nicht mit dieser Bleiwüste genervt. Aber es geht ja noch weiter.

Kurzer Exkurs:

Warum fehlt hier die Auto-Thomsen-Bande und die Reaktion? Weil das keine Stellungnahme auf Handeln eines anderen war, sondern der Handelnde (Vermarktung U!Sports) selber ein Bedürfnis der Klarstellung gehabt hat. Niemand würde irgendetwas kritisieren, wenn USP gestern Abend geschrieben hätte: „War scheisze.“

… die Tapete und ihre Reaktion

Mal so in die Welt gefragt: Was genau ist denn eure Kritik an dieser Tapete? Die Verallgemeinerung? Die „Verhöhnung“? Die persönliche Betroffenheit (weil ihr, eure Großeltern aus Dresden stammen z. B.)? Oder was sonst? Geschmacklos?

Keine Sorge, meine Wertung kommt.

Vorweg aber folgendes: Wenn ihr in der Kategorie „Ich finde Tapeten, die verallgemeinern, personifizieren und dann versuchen zu beleidigen, insgesamt nicht gut und nicht unser Stil“ seid, dann kann ich das nachvollziehen, dass ihr auch diese Tapete nicht gut findet. Es ist nicht meine Meinung, auch wenn ich am Gegner abarbeitende Tapeten eigentlich zu 99 Prozent überflüssig und doof finde. Jedoch: Hier wird sich ja eher nicht am sportlichen Gegner abgearbeitet. Etwas, was nebenbei im Empfängerhorizont aus meiner Sicht missverstanden wird. Aber! Der Empfängerhorizont ist ein absolut legitimer Horizont, um dies klarzustellen.

Ihr seid persönlich betroffen, weil eure Großeltern (weil vielleicht auch einfach zu jung?) zwar in Dresden waren, aber schlichtweg keine Nazis waren und auch sonst definitiv an nix „schuld“ waren? Da kann ich eine Ablehnung nachvollziehen. (Das ist etwas Anderes als zuzustimmen, zu teilen, richtig zu finden. Man kann nämlich auch mal eine Meinung einfach als mögliche Meinung akzeptieren, ohne gleich durchzudrehen.)
Das ist das Problem der Verallgemeinerung und der Verschlagwortung. Man muss sich bei solchen Plakaten (von diesem Wort stammt ja nicht zu Unrecht „plakativ“ ab) dieser Gefahr immer bewusst sein. Auf der einen Seite: „Wenn eure Eltern Nazis waren und beim Angriff auf Dresden verbrannt sind, dann solltet ihr euch mal fragen, ob euer ‚Bäh, die sind aber Opfer des Bombenterrors‘ nicht vielleicht ein bisschen ein komischer Ansatz ist“, passt nur bedingt auf Plakate. Auf der anderen Seite: Man muss nicht alles auf Plakate bannen und diese noch halb personalisieren. Hätten sich Leute über ein „Dresden 13.02.1945; Gegen den deutschen Opfermythos!“ beschwert? Aber ja natürlich! Hätte es die Leute getroffen, wie oben beschrieben? Wahrscheinlich nicht. Frodo vom Übersteiger haut da in eine ähnliche Kerbe. (Auch hier: Ich mache mir den Text nicht zu eigen.)

Um es deutlich zu machen: Es gibt in Dresden genug Leute, die Ahnenforschung betreiben, die Sachen aufbereiten und die gegen Pegida und Co im wahrsten Sinne des Wortes ihre Wange hinhalten. Und wenn auch nur einer von diesen sich aufgrund so eines Plakates schlecht fühlt, dann ist das eine Sache, die ich nicht gut finde. Von seinem bequemen Sessel im Schanzenviertel diese Gefühle als falsch oder albern hinzustellen oder die ganze (!Dies ist ungleich die Mehrzahl, dies ist ungleich „Alle waren unschuldig.“!) Großelterngeneration in einen Topf zu werfen, ist mir a) viel zu schwarz/weiß und b) viel zu klinisch dogmatisch.

Verhöhnt? Wenn man der Bildzeitung glauben will, dann ist Verhöhnung nach Mord ungefähr das Schlimmste was es gibt. Dazu folgende Feststellungen:

  1. Hier wird bewusst das Wort „beleidigen“ gerne vermieden. Warum? Weil das höchstwahrscheinlich keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne ist. Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung setzt u. a. einen überschaubaren Personenkreis voraus, bei dem die dazu gehörigen Personen individualisierbar sind. (siehe ausführlich hier) „Eure Großeltern …“ Dann fangt mal bei der Überschaubarkeit an und ihr werdet wahrscheinlich scheitern. Alleine schon, weil da z. B. ein eingrenzendes „Hey Dynamofans, da im Gästeblock:“ fehlt. Ach ja: Tote zu beleidigen ist eher schwierig. Bzw. juristisch nicht möglich. Es gibt jedoch § 189 StGB „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“, der entgegen seiner Überschrift das Verunglimpfen EINES Verstorbenen verlangt. Und da kommen wir genau in die gleiche Überschaubarkeit, die hier fehlt.
  2. Nimmt man doch lieber den nicht juristischen Begriff „verhöhnen“. Was heißt das eigentlich? Google findet da „auf herausfordernde Weise verspotten und vor anderen lächerlich machen“. Das ist im Rahmen der oben benannten Grenzen nicht strafbar. Und mal ganz davon ab: Wer ist denn hier der Adressat der „Verhöhnung“? Die deutschen Opfer? Jo, das schreiben die aufrechten Patrioten auch immer. Keine gute Gesellschaft! Und da sind wir nämlich mitten drin im „Opfermythos“. Siehe Link oben zum nachlesen oben. Oder anders ausgedrückt: Das Problem besteht ja wohl nicht darin, dass ich den Nazi, der da verbrannt ist, verhöhne, oder? Dem pisse ich noch aufs Grab, dem Arsch! Eher die Pauschalität kann ein Problem sein. Jedoch: Man pauschalisiert halt gegen ein pauschales „den Opfern des allierten Bombenterrors“. Ob Pauschales gegen Pauschales sinnvoll ist? Können wir pauschal mal drüber diskutieren.

Mal ganz davon ab: Die sind mausetot und wie eben angemerkt nicht alle unschuldige Opfer (nebenbei: Es gibt auch schuldige Opfer!); wenn man die „verhöhnt“, dann zwickt das die wahrscheinlich nur noch bedingt. Ja, das ist pietätlos und ja, persönliche Betroffenheit kann hier zu einer anderen Wertung führen, siehe oben. Ich für meinen Teil werde meinen Großvater nicht als „unschuldig“ darstellen. Der war nicht einen Tag an der Front, sondern hier mit „kriegswichtigen Aufgaben“ vertraut und hat nie drüber geredet. Da kann ich mir eins und eins zusammenzählen. Und ja, er war vor und nach dem Krieg überzeugter, solidarischer Gewerkschafter. Nur entschuldigt ihn das null.

Hier auch noch eine kleine Anmerkung, die immer gerne vergessen wird, wenn es um die Handlungen der anderen Seite geht: Krieg ist dreckig, Krieg bringt Menschen um und zwar nicht klinisch nur Schuldige oder Beteiligte oder so. Krieg ist kein faires Ding auf dem Acker, auch wenn es sich die Haager Landkriegsordnung bzw. die Idee dahinter so vorstellt und die Videoshow des Golfkrieges 1 diesen Eindruck vermittelte. Krieg ist schlichtweg Ressourcen des Feindes bei möglichst geringen eigenen Verlusten möglichst schnell zu vernichten. Und Ressource ist dabei auch jeder Mensch, der beim Feind lebt. Wer hier eine Entmenschlichung sieht und deswegen Krieg fragwürdig findet, der sei hiermit umarmt.

Jedoch: Man wälze mal ein Geschichtsbuch, warum es den Zweiten Weltkrieg gegeben hat. Und warum irgendwann nur noch die bedingungslose Kapitulation eine Lösung war und warum diese mit aller Macht erzwungen wurde. Auch das gehört zuerst dazu, bevor man über das „Andenken der deutschen Opfer“ diskutiert.

Oder um es mit einem Opfer des Faschismus zu formulieren:

„Wir weinten vor Freude, als wir den roten Schein am Himmel sahen. Dresden brennt, die Allierten sind nicht mehr weit!“

Nebenbei: Daher und aufgrund der üblichen „Wir brennen für XYZ“-Sprüche von Fußballfans kommt die Formulierung. Dies sollte man vielleicht auch noch bedenken.

Muss man sich deswegen bei Dynamo Dresden und seinen Fans entschuldigen? Puh, will ich gar nicht abschließend drüber urteilen. Nur folgende Gedanken:

Seien wir ehrlich. Das mit dem Beleidigen, Verhöhnen, Anmachen ist – und man kann absolut zu Recht sagen „leider“ – ein Geben und Nehmen im Fußball. Man kann da konkret an Tapeten beim Hinspiel erinnern, die nicht nur „verhöhnen“, sondern auch viel direkter an Lebende, im Stadion vorhandene Personen gerichtet und dazu noch homophob sind. Reaktion? Stellungnahme? Shitstorm? Jo, die linken Paulis haben sich aufgeregt, mehr aber auch nicht.

Nein, das ist jetzt keine Rechtfertigung à la „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, denn wir sind nicht so dem Alten Testament verbunden. Mal ganz davon ab, dass das nur zahnlose Blinde produziert.

Ja, wir müssen diskutieren, was eine angemessene Form des Umgangs ist, und wir müssen auch überlegen, ob es immer härter werden muss. (Ich würde sagen: Nein!) Wir müssen aber uns klar machen, dass ich eine solche Diskussion nur abstrakt und generell führen würde, sonst springen wir alle nur emotional in die Schützengräben.

Hinzu kommt: Inwieweit war hier wirklich eine direkte Beleidigung des Gegners gemeint? Puh, Empfängerhorizont vs. Erstellerhorizont? Da können wir lange deuten. Und vielleicht muss man sich über die Deutungsmöglichkeiten als Ersteller auch im Klaren sein.

Und damit kommen wir zu der Stellungnahme des Vereines. Und sorry, lieber FCSP. Die ist misslungen. „Verhöhnung der Opfer“, schreibt der Verein. Aber damit läuft er genau in den Opfermythos, von dem er sich dann absetzen will, siehe oben. Wenn man sich so die Mentions durchsieht, dann wird das auch genau vom Typ „aufrechte Patrioten“ bejubelt in den sozialen Netzwerken (Durchsicht Stand 12.02.17 Abends).

Was wäre besser gewesen? „Sensibles Thema, kann man so nicht mit umgehen …“ „Personalisierung und Verallgemeinerung dem Thema nicht angemessen“ „Bitten deswegen um Entschuldigung“ und dann Hinweis auf Opfermythos, Verklärung etc. pp wären Formulierungen, die ich für deutlich besser gehalten hätte. Ob das nun meine Meinung wäre, steht dabei gar nicht zur Debatte, aber solche Formulierungen wären ein Debattenöffner gewesen, kein Beender.

Nebenbei: In der Stellungnahme entschuldigt man sich gerade nicht bei Dynamo Dresden, aber im entsprechenden Tweet tut man das.

Eine Entschuldigung bei Dynamo aufgrund von Empfängerhorizont (siehe oben) wäre eventuell angemessen, hätten Fans und/oder Vereinsoffizielle das als Beleidigung von sich selbst oder als Verhöhnung konkret ihrer Angehörigen (unschuldig) verstanden. Aber das genau sagt die Stellungnahme dann ja nicht aus. Da wird nur von Opfern und Angehörigen gesprochen und zwar pauschal. Dieser Widerspruch ist zumindest unglücklich.

Und ich hätte es sehr begrüßt, wenn man bei seinen Prinzipien geblieben wäre. Nämlich ruhig zu reagieren. Und ruhig ist für mich ungleich „am Spieltag“. Gespräche soll es gegeben haben und es hat garantiert auch genügend Druck von außen gegeben. Gespräche: Ich weiß nicht, Freudetrunken und Biertrunken nach so einem Spiel halte ich Gespräche für nicht sinnvoll. Aber das ist eine These, die ich von außen ohne Inhalt und ohne Gesprächsverlauf aufstelle.

Und wenn ich bei einem Werbepartner zwei Wochen Zeit lasse und bei einer Fanaktion sofort reagiere, dann setze ich damit beim Empfänger auch gewisse Zeichen, die vielleicht nicht gewollt waren, aber sehr schnell falsch verstanden werden können. Und der Empfängerhorizont ist nun mal ein legitimer Horizont.

Nebenbei: Die letzte ordentlich saftige Pyrostrafe hat der FCSP nicht mal per Pressemitteilung verkündet. Warum nicht? Siehe Millernton mit Oke. Ist das ein guter Ansatz? Ja! Diese ritualisierte Verurteilung und dieses ritualisierte „Wir werden Täter zur Rechenschaft zwingen, bla blupp blupp!“ bringt gar nix. Internes Reden vielleicht aber. Wenn auch nicht sofort.

Druck von außen? Siehe oben!

Strafe vom DFB? Fick dich, Digga! Seit wann ist das denn Maßstab des Handelns? No way! Da das Duckmäuschen zu machen, geht nie und nimmer klar. Oder anders gesagt: Das regeln wir immer noch unter uns und der DFB kann uns mal. Externe in einem Familienstreit? Vergiss es! Mal ganz davon ab: Strafbarkeit nach StGB? Eher nein, siehe oben. Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten (so Dynamo Dresden)? Diese liegen in den zitierten Strafparagraphen und in der Volksverhetzung. Alles hier nicht einschlägig. Also Meinungsfreiheit. Moralapostel ziehen da keine Grenzen, lieber Dresdener. Ersatzstrafrecht durch den DFB? Hier wäre der FCSP gut beraten, mal vor ordentliche Gerichte zu ziehen, wenn wir nicht eine Herrschaft des „Gefällt uns nicht und was uns nicht gefällt, bestrafen wir!“ im Fußball haben wollen.

Und vielleicht wäre der FCSP, der DFB und alle anderen Leute wirklich mal gut daran gelegen, abstrakt zu diskutieren, was in Ordnung ist und was nicht. Liebe Le äh Ey ihr Arschnasen von der Bildzeitung: Doppelmoral ist dann aber nicht, ja? Denn ihr habt euch in solchen Sachen eigentlich schon immer disqualifiziert mit euren „Ekelrentner“-Formulierungen. Ihr „verhöhnt“ nämlich viel mehr, als es jedes Ultrà-Plakat kann. Also trollt euch und spielt hier nicht den Moralapostel.

… und zu guter Letzt

Kann ich vielleicht zusammenfassen, dass ich das Plakat nicht gelungen finde und eine andere Formulierung, eine andere Herangehensweise mir besser gefallen hätte. Jedoch kann ich die Aufregung von persönlich nicht betroffenen Leuten (siehe oben und ich will das gar nicht klein reden) nur bedingt verstehen und frage mich, ob man nicht genau in diesen Opfermythos reinläuft.

Denn da kommen wir zu der Tapete gegen diesen niederländischen Flachköpper. Das ist die konkrete Androhung von „aufs Maul“ an einen Lebenden, also Gewalt (!!!!!!einself!!!!!), Beleidigung und sowieso. Aufregung? Stellungnahme? Kontrollausschuss? Ist an mir vorbei gegangen. Ebenso bei der Crystalmeth-Tapete gegen Nürnberg, etc. pp. Nein, das ist keine Verurteilung dieser Tapeten, aber waren die alle zwingend besser weniger „verhöhnend“ als diese? Oder bei den ganzen Tapeten gegen Minderheiten, Schwule etc bei anderen Vereinen? Und jetzt dreht man plötzlich frei? Hmmmm … entlarvend, oder?

… und zu allerletzt

Ultras sind für mich immer noch gelebte Jugendkultur. Und auch wenn wir alle immer so tun, als ob wir in unserer Jugend nie Mist gebaut hätten, nie etwas zu radikal gesehen hätten oder immer gute weise Worte gewählt hätten, so ist das doch eine Lebenslüge, die wir mit uns tragen. Wer ohne diese Schuld ist, der werfe bitte den ersten Stein. Ich bin da raus, denn ich habe riesige Scheiße gebaut und viel schlimmere Dinge gemacht, als eine Tapete gemalt, die vielleicht nicht passend ist, daher folgender abschließender Satz:

Mir sind Jugendliche, die zu einem politischen Thema eine Tapete schreiben, die über ein Ziel hinaus geht, eine Million mal lieber, als Jugendliche, die irgendwo besoffen eine Bushaltestelle zerstören, weil sie meinen dies sei cool (oder dumme Tapeten gegen Dosenvereine schreiben).

Nicht vorenthalten will ich euch, was das – nebenbei sehr coole – Dynamo-Blog Spuckelchen draus gemacht hat.

In diesem Sinne.

(Und die Beleuchtung aus Historiker-Perspektive.)

4 Kommentare

  1. […] bei Dynamo gibt, die sich mit Kräften gegen rechte Einflüsse im Verein und der Kurve wehren.) Wie mein Blogger-Kollege schon ansprach, ist es eine gängige Praxis, dass verschiedene Fan-Gruppen sich durch Spruchbänder etc. […]

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