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Was ist ihr Kunde ihnen wert? Teil 1

oder

Bullenstall

Vorwort

Liebe Leser, man kann lange darüber philosophieren, warum der FC St. Pauli von 1910 e.V. 15.000 Dauerkarten verkaufen kann und gut 12.000 Bewerbungen auf grob 3.500 neue Dauerkarten bekommt, obwohl die sportlichen Aussichten bestenfalls durchwachsen sind und man das Training mit gerade mal 15 Feldspielern beginnt. Darüber ist viel gesprochen worden und es ist wahrscheinlich noch nie wirklich endgültig erforscht worden. Vieles ist Klischee, vieles aber auch ein wirkliches anders sein. Nun verändert sich der FC. Das ist zwangsläufig so bei einem neuem Stadion. Das muss nicht zwingend etwas schlechtes sein, denn in einer progressiven Denke ist Stillstand Rückschritt und gerade „linke“ Kreise neigen gerne auch mal zu einem Konservatismus, der grauenhaft ist.

Auf den ersten Blick haben die Polizeiwache im Stadion und die Modalitäten nichts miteinander zu tun. Auf den zweiten Blick begründen sie die gleiche Frage: Was ist dem FC St. Pauli seine Kunden und insbesondere seine treuen Kunden wert? Aufgrund der Länge werden wir das ganze in zwei Blogartikel spalten. Hier nun gleich Teil 1

Bevor wir uns aber mit dieser Frage beschäftigen, wollen wir noch kurz erläutern, warum wir die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (Igel) unterstützen. Wir halten uns normalerweise stark mit allgemein politischen Aussagen zurück, wenn sie nicht irgendwo Fußballbezug haben. Auch unterstützen wir normalerweise solche offenen Aufrufe nicht, weil wir immer wieder Bauchschmerzen haben, wenn da Leute dabei sind, die für uns nicht bündnisfähig sind. Und auch bei dieser Initiative kann man bei einigen Unterstützern bedenken haben, denn Google macht das garantiert nicht aus Liebe zur Menschheit.

Jedoch: Wenn wir nicht mehr einzelne Sätze zitieren und zerlegen dürfen, bzw. das nur unter Inkaufnahme eines hohen Abmahnungsrisikos, dann wäre uns eine Medienkritik unmöglich. Und eben diese ist traditionell ein großer Teil dieses Blogs. Es wird hier ein Recht geschaffen, was eine Medienkritik durch nicht Medienschaffende zumindest erschwert. Das ist nicht sinnvoll und es trifft uns in unserem Dasein als „Hobbyjournalisten“. Daher unterstützen wir diese Initiative und verweisen für Details auf die verlinkte Seite.

Nun aber zurück zu unserer Frage: Was ist dem FC seine Kundschaft wert?

Dann trampeln wir der Polizei halt auf dem Dach herum

600.000 Euro sind dem FC seine Kundschaft allemal nicht wert. Der zentrale Satz des Interviews mit Stenger ist folgender:

„Der Neubau bzw. die erhebliche Sanierung der Wache wäre eine Zusatzinvestition, bei der nach optimistischster Rechnung eine Unterdeckung von 600.000 Euro anfallen würde plus eine deutliche permanente Unterdeckung bei der laufenden Vermietung. „

Aber holen wir doch mal ein bisschen aus: Es wäre Unsinn dem jetzigen Präsidium eine Alleinschuld zu geben, denn Schuld sind wir erstmal alle. Warum? Weil 2006 die Wenigsten wirklich laut und deutlich auf das Problem hingewiesen haben. Damals herrschte eine Stadioneuphorie, welche kritische Stimmen vollkommen verdrängten und wir erinnern nur zu gut, wie die erste Stadionbau-AG von weiten Teilen der Fanszene als überflüssig angesehen wurde und veräppelt wurde. „Aber Corny baut uns doch das Stadion“ sagte eine Bekannte immer ironisch und damit wurden viele Diskussionen beendet.

So wurde auch eine Kritik an der Polizeiwache nie wirklich laut. Und nur so kam es überhaupt zu dem städtebaulichem Vertrag, den wir nun erfüllen müssen. Das darf und sollte man nie vergessen. Bereits damals hätte über eine Verlagerung der Domwache in die Nordkurve und damit weg aus der Sichtachse Südkurve/Gegengerade nachgedacht werden müssen. Und das hätte auch damals erkannt werden können. Auch wenn das Konfliktpotential Polizei gegen FC St. Pauli Fans damals noch nicht aus ausgeprägt war, wie heutzutage.

Man muss natürlich immer fragen, ob es wirklich einen Unterschied macht, ob die Polizei nun IN der Gegengerade oder DIREKT DANEBEN residiert. Beides ist mehr oder minder unerträglich und beides wird bei Risikospielen und Dom noch zu ganz neuen Problemen führen. Das reine Symbol ist eventuell wirklich keine 600.000 Euro wert, aber auch hier erscheint uns viel zu spät in eine Richtung „Verlagerung in die Nordkurve“ gedacht worden zu sein. Ein Neubau der Domwache hätte zumindest noch den Vorteil gehabt, dass man die Blickrichtung und die Ausgänge in die Richtung Bunker hätte verlagern können. Ohne jetzt Sicherheitslogik übernehmen zu wollen: Das hätte auch die Erreichbarkeit der Wache deutlich verbessert. Die Idee, dass ein Wachensturm versucht wird und man durch das Domgedrängel Kräfte zur Wache bekommen muss, muss jedem Sicherheitsplaner Schweißperlen in das Gesicht treiben. Gerade bei dem sehr engen Zugang zwischen GG und Dom.

Oder nehmen wir einen anderen Fall: Nicht nur wir Fans stehen ja so unter Beobachtung, nein, auch die Polizei. Und jeder Verhaftete muss durch das Blickfeld der vor den Fanräumen stehenden Menschen gebracht werden. Das das nun vollkommen konfliktfrei passieren soll, das behaupten nur Träumer.

Und hier muss man sich fragen: Was ist es wert, all diese Konflikte, diese Bauchschmerzen und diesen direkten Einfluss auf das sich frei fühlen vor der Gegengerade auszuschalten und damit für meinen Kunden ein sehr viel stressfreieres, entspannteres und damit auch besser verkaufbares Stadionerlebnis zu schaffen?

All dies hätte auch aufgrund der Fehler in der Vergangenheit nun halt 600.000€ gekostet. Wir können und wollen diese Summe nicht überprüfen. Nehmen wir sie mal als gegeben. Wir sprechen hier also von Mehrkosten im Bereich von 5 % des Gesamtvolumens. Wir sprechen hier von Mehrkosten von ca. 60.000 Euro auf ca. 20 Jahre, wenn wir mal eine Finanzierungs- und Tilgungsrate von 10 % nehmen (man entschuldige uns bitte unsere finanzmathematischen Schwächen, wir denken, es reicht hier eine grobe Zahl). Kurz: Wir sprechen hier nicht über Unsummen. Und wenn eine Anleihe problemlos von 6 Millionen auf 8 Millionen erhöht werden kann, dann haben wir doch erhebliche Bauchschmerzen, wenn man sagt „das wäre nicht finanzierbar gewesen“.

Noch größere Bauchschmerzen haben wir, wenn von permanenten Unterdeckungen aus der Vermietung geredet wird. Der Verein muss dringend nein, er muss DRINGEND an der Vermarktung seiner Flächen arbeiten. Es kann nicht sein, dass man hier eine Unterdeckung fürchtet, aber das Clubheim seelenruhig über Jahre durch Missmanagment und Ignoranz in eine Unattraktivität führt, die mehr kostet, als jede Polizeiwache der Welt an Miete zahlt. Und anscheinend begreift niemand, welche Goldgrube ein gutes Museum wäre. Und auf 500qm² wäre auch eine entsprechende (Achtung Unwort!) Erlebnisgastronomie perfekt einzubringen. Wir denken da beispielsweise an eine Mikrobrauerei oder so. So etwas clever verpachtet und clever vermarktet hätte viel mehr Geld gebracht, als jede Polizeiwache der Welt.

Was immer wieder beim „etwas anderen Verein“ FC St. Pauli bemerkenswert ist, ist die Unfähigkeit unkonventionelle Ideen und unkonventionelle Lösungen zu finden, es wird immer und ständig der bequemste Weg gegangen. Hier auch.

Es gab auch schon die Idee, dass man doch Dauerkartenpreise erhöhen könne, Stadionnamen verkaufen könne oder das Geld anders sammeln könne. Man muss hier mal etwas deutlich sagen: Der Verein kann nicht immer nur die eine Melkkuh, die er hat noch mehr melken. Er muss Investitionen in die Zukunft auch mal eigenständig aus seinen Einnahmen vorfinanzieren und er muss hier auch mal eine indirekte Auswirkung auf den Profietat akzeptieren. Immerhin werden hier längerfristige Strukturen geschaffen, die längerfristig Kunden anlocken und begeistern sollen.

Uns Fans bleibt also nur eine Möglichkeit, auch wenn das noch mehr Geld kosten wird: Uns von der Polizei nicht vertreiben lassen, sondern die Polizei vertreiben. Trampeln wir ihr und unserem Präsidium also so lange auf dem Kopf herum, bis sie dort wieder verschwindet.

Ergänzend weisen wir auf den Artikel vom Tödchen hin, der vieles gleich und einiges anders geschrieben hat zu diesem Thema.

5 Kommentare

  1. […] wir nicht. Kollegen haben es getan, wir haben es getan, Kollegen haben konkrete Hinweise für die Verlagerung der Goliathwache gemacht und […]

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