Liebe Leser*innen,
bevor wir zu einem wichtigen Sieg kommen, müssen wir reden. Nein, wir müssen uns aufregen. Über Männer. Beim Spiel gegen Kiel war der „Aktionsspieltag gegen Gewalt an Frauen“. Dies wurde vom Verein groß angekündigt, es gab eine angekündigte Sammlung, einen wirklich guten Film mit Hauke Wahl (endlich mal ein Männerprofi, der für klare Worte vor einer Kamera steht, danke Hauke), es gab Tapeten der Fanszene und so weiter.
Und dann gibt es so fucking Männer, die sich wie folgt verhalten. Was ihr jetzt lest, ist ein Text, der bei uns intern am Spieltag rum ging. Wir haben ihn bewusst nur leicht verändert, und ihn so vor dem Bericht gestellt, weil wir einfach deutlich machen, wie groß das Problem „Männer“ auch am Millerntor ist.
„Wenn dir nichts besseres einfällt, als zu Stöhnen und die Augen zu verdrehen, wenn es um Gewalt an Flinta geht, verpiss dich aus diesem Stadion. Wenn dir nichts besseres einfällt als Witze zu machen „ich weiß schon, warum ich nicht mehr Diversitätsbeauftragter werde“ „Hast du gehört Joachim, du sollst deine Frau nicht schlagen“ verpiss dich einfach. Wenn du Flinta für einen lateinischen Fachbegriff hältst für den du „keinen Speicherplatz im Hirn frei machen willst“ verpiss dich. Wenn du dich über eine Frau mit der Trisomie 21 lustig machst „die sieht ja aus wie ein Kind“, dann verpiss dich einfach. Verpisst euch alle!“
Wir denken, das muss nicht erklärt werden. Weitere Details behalten wir bewusst für uns. Daher habt bitte Verständnis, dass wir auf Nachfragen nicht reagieren. Dieser Spieltag ist groß angekündigt. Menschen geben sich unfassbar Mühe Banner zu malen, Menschen sammeln ehrenamtlich Geld für wirklich wichtige Dinge. Diese Sammlung war super gut zu erkennen. Und gut 80 % aller Menschen, die wir beobachten gehen an der Sammlung vorbei, als ob es ein Verkäufer von Tickets für Hoffenheim wäre. Das kann doch nicht sein. Wo soll denn das besondere in diesem Stadion sein, wenn bei so einer Sammlung nicht die Eimer überquellen? Wo soll denn das besondere sein, wenn Männer, wie die oben geschilderten, immer noch meinen ins Millerntor gehen zu können und ihren Müll absondern zu können? Haben wir denn nur die Südkurve und ein zwei kleinere Inseln in den anderen Bereichen, wo unsere Vereinswerte wirklich gelebt werden? Geht es sonst nur um Saufen? Und darum, dass Männer Frauen von ihren Plätzen weg drängeln können, weil sie ja auf diesem Platz stehen müssen? (auch das ist beim Kiel Spiel passiert). ES NERVT!
Nun zum eher unwichtigen Rest. Ja, liebe Leser*innen unsere Werte sind wichtiger, als ob wir Platz 11 oder Platz 18 belegen. Sportlicher Erfolg soll, laut unserem Präsidenten, unsere Werte transportieren. Wenn wir unsere Werte aber nicht leben, dann sind wir nur ein normaler Rotzverein.
Einlass
Die Lösung um 18:30 mit der GG zu beginnen war sehr gut. Es nahm sehr viel Druck aus dem beim Dom sehr engen Vorplatz. Das die Hamburger Polizei meinte gegen 18:20 unbedingt Fahrzeuge durch diesen Bereich fahren zu müssen, ist im besten Fall Ignoranz, im wahrscheinlichsten Fall absichtliche Provokation, um wegen der Gegenreaktion ein Fest zu veranstalten.
Es nervt.
Klar, fragt mal den Eisbeutel auf dem Knie des Seniors, was dieses vom langen Stehen hält, aber das ist ein Detail.
Aktionen
Danke für das klare Transparent in der Süd. Wer nix macht, macht keine Fehler. Aber nix machen ändert nix an den herrschenden Verhältnissen. Umso wichtiger ist so ein deutliches, großes und Zeichen setzendes Plakat. Danke an die Macher*innen !.
Wie bereits erwähnt: Der Film mit Hauke Wahl ist wirklich gut. Die komische Smart Fanbox ist an uns – wider erwarten – vorbei gegangen. Vielleicht gut so.
Auf dem Platz
Eggestein mit Vorlagen, Eggestein mit Tor. „Man of the match“. Die Vorlage zum 2-0? Zucker! Das Tor? Jaja, haltbar, egal. Die ganze Truppe rennt nach dem Tor zu ihm. Was auch dafür spricht, wie das Team mit seinen Stürmern leidet und lebt.
Song 2 Bann? Gebrochen! Vor dem Spiel passieren zwei Dinge. Einer unserer Nebensteher sagt vor dem Spiel, dass er 4-1 tippe, weil er mache jetzt den Ewald Lienen mit positiven Spiegelneuronen. Ein anderer merkt an, dass ihm Manolis Abschlüsse mit Überzeugung fehlen. Wir haben beide nicht nach den Lottozahlen gefragt. Manolis hämmert den Ball so perfekt an den Innenpfosten. Solche Tore sind einfach schön anzusehen. Der Torjubel ist ungefähr so ekstatisch, als ob wir gerade die Champions League gewonnen haben. Ja, er verursacht später den Kieler Elfmeter, aber das war ja im Skript vorgesehen, als „Entscheidender Moment“. Es ist schon gut, einen der besten Torhüter der Liga im Tor zu haben. Der war nicht plaziert geschossen, aber so elegant fischt den auch nicht jeder Torhüter der Liga.
Wer uns sehr gut gefiel? Nemeth! Die Szene wo er einen Kieler abläuft? Zucker! Sicher auch im Passspiel! Eine wirkliche Alternative zu Mets. In einem Kader in dem wir auf wenigen Positionen wirkliche Alternativen haben.
Was uns auch gut gefiel? Der Außenbahnseitenwechsel. Einmal Dapo und Morgan tauschen und schon sieht alles anders aus. Das Durcheinander der Positionen vorne drin war letztes Jahr eine unserer großen Stärken.
Klar kannst du das in der Bundesliga nicht so vogelwild spielen, aber kleine Ansätze davon? Gefallen! Wir wünschten uns nach dem Gladbachspiel ja ein bisschen mehr Mut. Hier war davon ein Ansatz. Klar, ein Trainer wird viele „gegen Leverkusen geht das schief“ Momente in unserem Spiel gesehen haben und das wird er garantiert auch mit der Truppe besprechen. Aber Leverkusen ist ein Zukunftsproblem. Kiel war heute.
Neben dem Platz
Wir müssen über Support sprechen. Es kann nicht sein, dass die größte Stehtribüne in weiten Teilen am Spiel nicht teilnimmt. Niemand verlangt 90 Minuten Support, aber wenn auf Aktionen nahezu nicht mehr reagiert wird, wenn kein Gesang der Süd mehr aufgenommen wird, wenn alles ein schwarzes Loch ist, dann ist irgendwann auch die Grundlage für eine Existenz als billige Stehtribüne zweifelhaft. Das schreibt nun bewusst unser Part, der selber auf der Gegengerade steht. Loide, so geht es nicht. Das natürlich wieder Männer (!) meinen auch noch den gemeinsamen Support zu torpedieren, indem sie gegen die Süd und die Nord mit anderen Liedern ansingen, passt da ins Bild. Wir stehen nicht beim Supportblock, aber wir möchten diese Insel des Bemühens stellvertretend für die wenigen, die es gibt, mit Liebe überschütten. Euer unermütlicher Einsatz gegen das schwarze Loch anzusingen gibt uns immer ein bisschen Hoffnung. Danke dafür.
Laut der Pressekonferenz hat ein Kieler Spieler nach der Diskussion am Gästezaun Tränen in den Augen gehabt. Der Kieler Trainer will dort nur Support wahrgenommen haben und meinte, er sei ratlos, als in der PK nachgefragt wurde. Wir wissen natürlich nicht, was Kiel untereinander zu besprechen hatte, aber nach Support sah das nicht aus. Aber eigentlich war die Niederlage auch nur die Strafe dafür, dass sie in ihrer Choreo mit „Don’t stop believing“ ungefähr das abgelutschteste Lied ever genutzt haben und dieses Zitat auch noch mit den Dürer Händen (ungefähr auch abgelutscht ohne Ende, insbesondere als Tattoo) abrundeten.
Wichtig!
Der Sieg war sehr wichtig. Klar, er verändert unsere Position nicht vollständig, aber wir haben einen direkten Konkurrenten geschlagen. Weiter immer weiter! Für unsere Werte! Für unseren Erfolg! Wir sind St. Pauli! Wir sind die einzige Möglichkeit!
Moin!
Zuerst einmal: Danke allgemein für die Beiträge.
Und wieso ich jetzt schreibe: Der erste Teil dieses Beitrags ist so wahr. Männer am Millerntor haben mir leider (und unverständlicherweise) schon desöfteren die Stimmung vermiest und lassen mich jedes Mal wieder überlegen, ob ich mich als Frau alleine in die GG stelle. Nur ein Beispiel: Es wollte ein Herr an mir vorbei. Wir alle wissen wie eng beieinander man auf der GG steht, wie schwierig es manchmal ist sich den Weg zu bahnen. Ich fragte den Mann kurz „hinten oder vorne?“, um zu wissen wie ich Platz machen kann. Seine Antwort mit einem grinsen „Na, wenn du so fragst…“ Und auch alle Männer drumherum grinsten genau so süffisant. Leider war das ein Moment, wo ich sprachlos war. Und genau das war auch einer dieser Momente, wo mir ein Sitzplatz lieber gewesen wäre, obwohl ich liebe stehe.
Ein Portal wo sich Frauen, die alleine ins Stadion gehen, finden können, wäre super. Ich weiß, dass der Vorschlag schon mal bei jemandem gemacht wurde, der sich dem Thema annehmen wollte, aber passiert ist leider nichts.
Viele Grüße,
Anne
Moin
Ich lese Euch wirklich immer gerne, mag Eure Leidenschaft und respektiere das stetige Auswärtsfahren (ich weiß, was für ein zeitlicher und auch finanzieller Aufwand das bedeutet). Und bin immer wieder erschrocken über die offensichtlichen vielen männlichen Vollidioten, die in unserem Stadion stehen/sitzen.
Aber euer dauerndes und verallgemeinerndes Gegengeraden-Bashing finde ich mittlerweile etwas anstrengend. Ich stehe selbst seit Ewigkeiten dort (Höhe 5er Richtung Nord). Und wir – und auch viele um uns herum – supporten. Natürlich nicht 90. Minuten durchgehend, aber viel, voller Energie und spielbezogen.
Wie wollt Ihr – 5 Leute? – denn den Support-Level über die gesamte GG beurteilen? Und günstige Stehplatz-Tickets mit der Pflicht zu Supporten zu verknüpfen entspricht sicherlich auch nicht den Werten unseres Vereins. Was ist mit alten Menschen, für die es vielleicht körperlich anstrengend ist, zu Supporten? Menschen, die einfach nicht „schreien“ wollen. Und vor allen Dingen Menschen, die nicht Supporten aber sich Sitzplätze nicht leisten können?
Wie gesagt, vollen Respekt für euren Blog – aber Widerspruch aus der GG.
Moin,
es ist sehr lobenswert, dass du/ihr supportet. Aber mal Hand aufs Herz. Damit seid ihr nach allen Beobachtungen die löbliche Ausnahme zu einer toten Tribüne. Wir haben mal die GG mit so vielen Stehern ausgerüstet, weil sie eine eigene Kultur und auch einen eigenen Support hatte. Deswegen steht ein Teil von uns da, weil er das mochte. Aber das ist verloren gegangen. Und das ist bitter. Es ist nicht mal mehr eine Reaktion auf das Spielfeld vorhanden. Wie viele Leute das zu einem Kneipenabend mit lauschigem Gespräch machen, ist erschreckend. Aber wenn nicht mal mehr eine gute Aktion auf dem Platz irgendeine geschlossene Reaktion hervorruft, ist das extrem bitter.
Und hinzu kommt halt, dass gerade auf der GG beinah geschlossen an Sammlungen vorbei gelatscht wird, dass Flyer ignoriert werden etc. Das ist dann eine Kultur der Ignoranz. Und das ist bitter. Und irgendwie aucht nicht das, was mal Sinn der Sache war.
Wir freuen uns über jeden, der da das Maul aufmacht oder mal nen Taler in die Sammlung wirft. Und nicht nur die 5 Stadionbiere bezahlt. Aber das ist die weitestgehende Mehrheit.
Und ja, wir trauen uns das zu dies zu beurteilen. Dafür stehen wir lange genug da und kennen es halt auch anders. Aber in den letzten Spielen ist das echt brutal.
Moin zusammen,
zur Stimmung GG stimme ich komplett zu. Stehe nun dort seit 12 Jahren, Ecke 16er zur Süd und bin fast der Einzige, der 90 Minuten den kompletten Support der Süd mitgeht. Klar – bei mehr „stimmungsvollen“ Lieder sind es auch schon mehr Leute, aber generell ist es mehr tot als lebendig. Schade drum. aber vielleicht erreicht ihr ein paar Leute.
Cheerz
Find ich gut, was ihr zum Kiel Spiel schreibt. Habe selbst Spenden gesammelt – und zum Glück haben die, die gespendet haben, richtig große Scheine in den Eimer geworfen. Und Personen, die stehen bleiben, um noch das letzte Kleingeld zusammen zu kratzen. Wo offensichtlich war, das sie um die Sammlung wissen und sich beteiligen wollen. Die sind noch da. Aber ja, mein Eindruck deckt sich einigermaßen mit Eurem, dass dies abgenommen hat. Und eben auch stattgefunden hat, dass Personen verächtlich weg schauen und sich belästigt geben. Eine Person aus unserem Spenden-Samnel-Kreis berichtete folgenden Kommentar: (grob zitiert) ..und was tut ihr für die Männer? Bzw. Und wann tut ihr was für die Männer..
— * hier Sprachlosigkeit einfügen * —