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Impact

Liebste Lesende.

Der Kosmos des FCSP wird um eine Genossenschaft reicher; darüber wollen wir schreiben. Das nun folgende Stück ist ein Werk unseres Seniors, denn so etwas ist nun mal sein Spezialbereich. Wir beziehen uns dabei auf die bisher öffentlich vorhandenen Infos und auch auf das, was auf der Veranstaltung vom 24.09.2024 so gesagt wurde. 

Eines vorweg: Der Weg der Genossenschaft ist ein guter Weg und die Idee ist zu unterstützen. Was Oke da angeleiert hat und was nun umgesetzt wird, ist wirklich ein „anderer Fußball“. Chapeau dafür. Es ist aber kein Freibier, auch eine Genossenschaft hat Fragen und Nachteile. Das ist einfach so und das sollte man auch ehrlich zugeben. Wir verkaufen uns an einen Investor. Punkt. Da gibt es nix zu beschönigen. Nur verkaufen wir uns an einen bestmöglichen Investor, den, der am besten zu uns passt. Im Einzelnen werdet Ihr das jetzt in unzähligen Worten lesen. Der Artikel ist – wie immer – bei solchen Themen viel zu lang geraten. 

Einige Dinge ändern sich eben nie.   

Wir haben in einem Artikel wahrscheinlich noch nie so häufig „haben wir schon drüber geschrieben“ geschrieben, aber lasst uns bitte mal unser „haben wir schon immer gesagt“. 

Wir? 

Es ist sowieso schon immer kompliziert zu definieren, worüber man gerade spricht im Kosmos des FC St. Pauli. Wenn man von „dem Verein“ spricht, dann sind das gefühlt schon 200 Persönlichkeiten. Dies wird mit der Genossenschaft nicht einfacher. Ein Redner bei der Veranstaltung benutze die Analogie des erwachsenen Kindes. Die ist gar nicht schlecht. Sie zeigt, dass man verwandt ist, dass man in gewissen Bedürfnissen zueinandersteht und dass man aber auch mal Streit haben kann. Wir sprechen also im Folgenden immer vom e.V. und Genossenschaft/eG. Damit meinen wir dann den FC St. Pauli von 1910 e.V. und eben die Football Cooperative St. Pauli von 2024 eG. Denn diese Abgrenzungen sollte man immer mitdenken. 

Warum? 

Weil wir es müssen. Wir können auch ohne überleben. Aber wir sind im schnelllebigen Fußballgeschäft nicht handlungsfähig. Das ist eine große Gefahr. Unser Hemmschuh heißt „Eigenkapital“. Leser*innen dieses Blogs ist diese Problematik nicht neu. Wir schrieben schon diverse Male darüber.

Das mag alles abstrakt sein, aber wir haben im Verein zum Glück mit Wilken einen Menschen, der das sehr lebendig und verständlich erklären kann. Wilken: Kannst Du irgendwann bitte bei der Maus anfangen und dort Wirtschaft erklären? Dein Talent, sowas verständlich zu erklären, ist wirklich selten und sehr beneidenswert. 

Weil wir darüber schon mehrfach schrieben, hier nur noch in einer groben Zusammenfassung: Je mehr Eigenkapital, je gesünder ein Unternehmen. Man kann zwar fremdes Kapital (Bankkredite etc.) verwenden, und das machen auch die gesündesten Unternehmen, aber man sollte eine gesunde Quote haben. Sonst leihen einem Banken auch nix mehr zu vernünftigen Konditionen und jede Krise killt dich als Unternehmen sofort. Vor der Pandemie waren wir da halbwegs gut aufgestellt, nun sind wir es aufgrund der Pandemie nicht mehr. 

Um das mal ganz klar zu sagen: „Schulden“ im Sinne von geliehenem Geld sind überhaupt kein Maßstab dafür, ob ein Verein gesund ist oder nicht. Bayern München hat über EUR 200 Millionen an Krediten. Die sind trotzdem arschgesund. 

Wir haben irgendwas um die EUR 29 Millionen geliehen. Und sind eben nicht gesund. Auch nicht kränkelnd, aber wir stehen barfuß im Herbst. Und das ist immer eine Gefahr. 

Eigenkapital erhöht man über Gewinne und/oder indem man es sich extern besorgt. Gewinne im Fußball? Eher spärlich. In dem genannten Beispiel (seiner Prognose) ging Wilken von grob einer Million Gewinn pro Geschäftsjahr aus. Wenn man diesen Gewinn komplett in die Rücklagen wirft, dann steigert man das Eigenkapital um eine Million jedes Jahr. Wenn man nun ein Verhältnis von 1/3 Eigenkapital und 2/3 Fremdkapital anstrebt (dies sah Wilken als Ziel an) und mal bei grob der gleichen Höhe des geliehenen Geldes bleibt, dann brauchen wir ca. 10 Jahre lang solche Gewinne, bis wir wieder unser Eigenkapital in diese Höhe gebracht haben. Treue Leser*innen werden sich daran erinnern, dass ich mal 30 % Eigenkapital als Untergrenze für ein „gesundes“ Unternehmen genannt hatte. Was grob in der gleichen Größenordnung ist wie 1/3. 

Und was man da nie vergessen darf: 10 Jahre nur, wenn zwischendurch keine Katastrophe passiert. D.h.: Keine Pandemie, kein Arminia Bielefeld (sprich Abstieg in die 3. Liga) etc. 

In dieser Zeit wären Investitionen schwerlich darstellbar, denn diese kosten Geld. Geliehen bekämen wir das nur noch schwerlich, mal ganz davon ab, dass noch mehr Geld zu leihen die oben genannte Quote noch unerreichbar machen würde. Und wir brauchen Investitionen. Weniger in den Wunderstürmer als in die Kollaustraße und auch ins Stadion. Unser Trainingsgelände ist nicht mehr konkurrenzfähig. Wir schrieben drüber. 

Unser Stadion kommt ebenfalls in die Jahre. Auf der Veranstaltung wurde der Unterbau des Rasens genannt, auch die Beleuchtung ließe sich mit LED-Technik umweltfreundlicher und kostensparender machen. Von so etwas wie PV-Anlagen oder ähnlichen Zukunftsinvestionen ganz zu schweigen. 

Natürlich können wir das alles noch 10 Jahre aufschieben. Oder uns heillos verschulden. Aber sinnvoll wäre das nicht. Und es würde auch keine Perspektive, keine Vision bieten. 

10 Jahre MVen mit „wir haben das Eigenkapital um EUR 1 Million gesteigert, investieren können wir nicht und es bröckelt alles“? Das klingt zu sehr nach der schwarzen Null auf Krampf, während jegliche Infrastruktur vergammelt.

Wieso?

Auch darf man das Umfeld nicht außer Acht lassen. Fußball ist purer ungebremster Kapitalismus. Wir könnten uns dem verweigern, dann wären wir sehr schnell aus jeglichem professionellen Fußball raus. Auch über diese ganzen unangenehmen Begleitumstände haben wir schon häufig genug geschrieben. 

Hier noch mal schnell zusammengefasst: 

1. Fernsehgelder

Als Aufsteiger in der Bundesliga sind wir heillos finanziell unterlegen. Mainz, Augsburg bekommen zweistellig mehr Geld vom Fernsehen als wir. Zu einem Verein wie Freiburg besteht eine Differenz von EUR 38 Millionen (EUR33 Mio. zu EUR 71 Mio.). Und da haben wir noch gar nicht von den Vereinen gesprochen, die von der Champions League, Club WM etc. profitieren. 

2. Konstrukte

Ob es nun Leipzig ist oder Leverkusen, Wolfsburg oder aber auch Augsburg und Union: Spannende Finanzkonstruktionen begegnen uns immer mehr. Die haben dann das Eigenkapital, um zu investieren. Wir nicht. Und da spielen auch unsere Freund*innen aus dem Volkspark mit. Die haben nämlich gar nicht so viel „Schulden“, auch wenn das die gemeinen Fußballfans immer denken. Der Anteilseigner aus der Schweiz mit fragwürdiger Firmengeschichte ist „schuld“. 

Dazu kommen noch sogenannte „Multi Club Ownership“, bei denen ein Eigentümer (gewollt nicht gegendert) mehrere Vereine besitzt oder kontrolliert. Und sich so Spieler hin- und her schieben, Ablösen aus dem Nichts generieren, aber auch Spielern ein Gesamtpaket bieten kann, das wir als FCSP nicht bieten können. 

3. Kosten

Dass Oke hier bei der Veranstaltung „Pyro“ nannte, nehmen wir ihm krumm. Sorry, aber diese Diskussion auf das Materielle runterzubringen umgeht das Problem, gegen das sich die Vereine massiv wehren müssten. DFB-Gerichte schweben nicht frei im Raum – auch sie werden gewählt. Dass die Strafen kompletter Unsinn sind und nix bringen, sollte langsam auch den letzten Menschen klar sein. Und nein, da ändern auch Punktabzüge, standrechtliche Hinrichtungen und Lizenzentzüge nichts (oder was noch alles irgendwelche komischen Innenminister auf der Suche nach Schlagzeilen so gefordert haben). 

Aber klar: Auch die Nichtkaderkosten explodieren. Das wissen wir alle und das macht die Welt nicht einfacher. 

Wie? 

Wir gründen also eine Genossenschaft. Da ist es wieder, das schwer zu definierende „Wir“.

Exkurs / HÄ? Genossenschaft? Kann man das essen? Ist das DDR? Und wie sieht unsere aus?  

Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) beschreibt die Genossenschaft auf seiner Seite wie folgt: 

„Ziel der Genossenschaft ist es, die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Genossenschaften gibt es in ganz unterschiedlichen Bereichen, etwa im Finanzwesen, im Wohnungsbau oder der Landwirtschaft.

Die Kernidee einer Genossenschaft besteht darin, positive Wechselwirkungen aus dem Zusammenschluss der Mitglieder zu nutzen. Gemeinsame Ziele können so leichter erreicht werden. Bei Genossenschaften steht nicht im Vordergrund, Gewinne zu erzielen. Für Genossenschaften wesentlich ist vielmehr die Mitgliederförderung durch einen gemeinsamen Geschäftsbetrieb.

[…]

Eine Genossenschaft dient in erster Linie der Selbstversorgung ihrer Mitglieder. Genossenschaften können aber auch in größerem Umfang Geschäftsbeziehungen mit Personen unterhalten, die nicht Mitglied sind, wie etwa genossenschaftlich organisierte Unternehmen des Einzelhandels mit ihren Kunden und Kundinnen.“

Viele von Euch werden Mitglied einer Genossenschaft sein. Sei es nun bei Eurer Bank, im Rahmen Eures Wohnens oder woanders. 

Ihr merkt aber schon, dass die Genossenschaft FC St. Pauli etwas hinkt. Denn „Selbstversorgung ihrer Mitglieder“ ist gerade nicht der Zweck der Genossenschaft. Jedoch: § 1 des Genossenschaftsgesetzes (im Folgenden GNG) ist da schon etwas offener als die Beschreibung auf der Internetseite des BMJ. Das passt schon. 

Oder wie es die zur Zeit im Genossenschaftsregister (das ist öffentlich, daher auch hier zitierbar) abrufbare Version des Zwecks (so ein Register ist nicht immer sofort auf dem neuesten Stand!) formuliert: 

„(1) Zweck der Genossenschaft ist die Förderung der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Belange ihrer Mitglieder. 

Sie tut dies insbesondere durch Stärkung der kulturellen, sozialen und sportlichen Aktivitäten des 

Fußball-Clubs St. Pauli von 1910 e.V. (im Folgenden: FCSP Verein), wobei maßgeblich die wirtschaftliche und sonstige Unabhängigkeit des FCSP

Vereins gewährleistet und gefördert werden soll.“ 

Das ist ein bisschen gedehnt, Purist*innen im Gesellschaftsrecht wird das nicht gefallen, aber die wollen auch in einem e.V. keinen Profifußball. 

Genossenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr demokratisch aufgebaut sind. 

Insbesondere § 43 Abs. 3 S. 1 GNG macht sie interessant für den FCSP. Denn dort ist bestimmt, dass grundsätzlich jedes Mitglied eine Stimme hat. Und diese z.B. nicht wie bei Aktiengesellschaften nach gehaltenen Anteilen gewichtet. Das wird dann auch in § 25 der im Genossenschaftsregister abrufbaren Satzung (folgend sprechen wir nur von „der Satzung“) noch mal wiederholt. Auf die Satzung kommen wir später noch mal zurück. 

Hier versteckt sich aber auch das Fragezeichen, das man haben muss. Wir als e.V. schaffen uns da eben eine demokratisch geführte aber unabhängige Schwester, die ihren eigenen Willen haben kann. Wer Geschwister hat, weiß dies. Nun wurde auf der Veranstaltung immer darauf hingewiesen, dass man Verträge hat, die entsprechende Dinge (z.B. Verkauf Stadionname, Stadion blau anmalen etc.) regeln und das kann auch viele dieser Sorgen besänftigen, aber wir müssen das einfach zur Kenntnis nehmen. Im besten Fall sind eG und e.V. immer ein „wir“, im schlechtesten Fall ist es ein Familienstreit. Um die Familie zusammenzuhalten, steht in der Genossenschaftssatzung in § 23 Abs. 2 auch, dass der Verein 1/3 der Aufsichtsratsmitglieder stellen kann.  

Genossenschaften sammeln von ihren Mitgliedern Geld ein, mit denen sie dann ihr Geschäft betreiben. Klassisches Eigenkapital also. Was man bei Genossenschaften aber wissen muss: Ich kann meinen Anteil kündigen und mein Geld dann zurückbekommen. Anders als z.B. bei einer Aktiengesellschaft, wo das deutlich komplexer ist, das eingezahlte Geld wieder aus der Gesellschaft zu bekommen. Das macht so eine Gesellschaft für kleine Anleger*innen natürlich auch interessant, denn falls ich mein Geld doch mal brauche, bekomme ich es zurück. Zu den Fristen und so kommen wir gleich. 

Auch charmant für unsere Zwecke ist: Man kann mehr als einen Anteil erwerben. Sagen wir mal, es gäbe einen Gönner, der dem FCSP 1.910 Millionen Euro zukommen lassen will. Spende? Dann kann man es nicht für Profifußball verwenden. Schenkung? Die Steuer freut sich. Kauf von Genossenschaftsanteilen? OH YEAH! Etwas schwarz-weiß formuliert. 

Hier liegt aber natürlich auch ein bisschen die Gefahr einer Genossenschaft. Man kann kündigen. Der Gönner könnte sein Geld also dem Kreislauf entziehen. „Ich bekomme mehr Macht im e.V. oder mein Geld ist weg!“ ist zumindest eine theoretische Möglichkeit. Und ja, der e.V. und auch die Vertreter*innen der eG versuchen deutlich zu machen, dass vieles vertraglich festgezurrt ist. Aber Verträge kann man ändern. Das Druckmittel besteht. Zumindest theoretisch. 

Umso wichtiger wäre es, wenn die Anteile in möglichst vielen verschiedenen Händen liegen. Auch so etwas wie ein Abstieg könnte hier immer ein Problem werden. „Ne, in der dritten Liga will ich nicht mehr in die Genossenschaft investieren“ ist zumindest theoretisch ein Sachverhalt und könnte zu einer Rückzahlungswelle führen. 

Jetzt ist es bei Genossenschaften nicht so, dass man kündigt und sofort das Geld zurückerstattet bekommt. Es gilt eine relativ lange Frist. In der Satzung der eG ist eine Kündigungsfrist von einem Jahr (!) vorgesehen und eine Frist zur Auszahlung von 9 Monaten nach Wirksamwerden der Kündigung. Das Gesetz (§ 73 Abs. 4 GNG) sieht für Genossenschaften vor, dass solche langen Fristen in den Satzungen verankert werden können. Dies ist nebenbei auch absolut sinnvoll, da Genossenschaften ihr Geld häufig genug in Steine investiert haben und nicht sofort flüssig sind. Das passt auf unsere Konstruktion schon ganz gut. 

(Nachtrag 04.10.24: Ein aufmerksamer Leser machte uns darauf aufmerksam, dass die Satzung der Genossenschaft diese theoretischen Fälle und eine Auszahlung von Guthaben dann streckt, wenn 95 % der Geschäftsguthaben des letzten Jahres unterschritten werden. Siehe § 36 Abs. 2 der Satzung. Das entkräftet diese Thematik nicht ganz, federt dies aber natürlich ab. Bedeutet aber auch, dass man als „kleiner“ Genosse ggf. auf sein Geld länger warten muss. Solche Regelungen sind nach dem Genossenschaftsgesetz auch ausdrücklich zulässig. Danke für den Hinweis!)

Was auch ganz wichtig ist: Genossenschaften unterliegen einer besonderen Kontrolle durch Prüfungsverbände (§§53 ff GNG). Ganz vereinfacht gesagt übernehmen diese Verbände die Aufgaben von Wirtschaftsprüfern für die Genossenschaften.

Wer mit wem? 

„Die Genossenschaft kauft mit den Einlagen der Genossenschaftsmitglieder das Stadion des Vereins“ heißt es auf der Internetseite der Genossenschaft. 

Das ist etwas ungenau, denn erstmal hat „der Verein“ kein Stadion. Dieses gehört schon immer einer ausgegliederten Gesellschaft, die meistens als „MSB“ (Millerntor Stadion Betriebs/Besitz-what ever, auch keine Ahnung, ob sie aktuell noch so heißt) bezeichnet wird. An dieser hält der Verein zwar die überwiegende Mehrheit (gut über 90 %) an Anteilen, aber zumindest bei der letzten öffentlichen Diskussion über das Thema waren noch mehrere andere Personen und Fanräume e.V. an der MSB beteiligt UND es war verabredet, dass man nur einstimmig entscheidet. Letzteres hat steuerliche Gründe. Im Detail könnt Ihr das hier nachlesen.

Wenn wir es denn alles richtig verstanden haben, will nun der Verein 54 % der Anteile an die Genossenschaft verkaufen. Also nicht das Stadion selbst, sondern Anteile an der Gesellschaft, die das Stadion hält. Ohne jetzt über Details spekulieren zu wollen, aber mein (Senior) Gefühl sagt mir, dass auch dies steuerliche Gründe hat. Ein direkter Verkauf des Stadions mit anschließender Liquidation der MSB wäre wahrscheinlich steuerlich deutlich komplexer. Ich habe das aber ehrlich gesagt nicht bis zum Ende durch überlegt, alleine weil das wahrscheinlich nur ungefähr 0,1 Prozent aller Leser*innen überhaupt interessieren würde. Ich gehe aber fest davon aus, dass der Verein da cleveren Menschen einiges an Geld überwiesen hat, die solche Fragen bis zum den letzten Millimeter durchdenken. Steuerrecht? Nervig!  

Damit würde die MSB dann aus dem Konzern (Verein plus Tochtergesellschaften) ausscheiden und damit auch nicht mehr in der Konzernbilanz abgebildet werden. In der das Stadion zur Zeit noch mit einem ordentlichen Wert drin steht. Man tauscht also vereinfacht gesagt Steine gegen Cash in der Konzernbilanz. Und da das Stadion eventuell nicht mit seinem Verkaufswert in der Bilanz steht, erhöht man dadurch auch noch das Eigenkapital. „Stille Reserven heben“ ist das Stichwort. Man könnte das hämisch einen Bilanztrick nennen, ist es aber nicht nur, weil man eben auch Bargeld erhält. 

Steine, die man als Verein braucht und die man laut Internetseite der Genossenschaft an den Verein „für einen fairen Preis“ vermietet. 

Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Für so eine Konstruktion gibt es einen Namen. Und der Name ist „sale & lease back“, und wenn Ihr nun sofort an das Karstadt-Debakel denkt, habt Ihr Recht. Steine zu verkaufen, die man für sein Geschäft braucht, und diese dann zurück zu mieten ist nie ohne Risiko. 

  1. Aber: Keine Panik, liebe Leute. Es ist schon etwas anderes, ob ich meine Immobilien an irgendeinen komischen Fond verkaufe oder an eine Genossenschaft, die ich mir selber gestalte und die am Ende auch Gewinn machen will, aber garantiert nicht irgendwas Turbokapitalistisches sabbelt wie „wir brauchen mindestens 25 % Rendite auf das eingesetzte Kapital“. 

Trotzdem ist es immer besser, Steine behalten zu können und sie nicht liquide machen zu müssen. Aber aus den oben genannten Gründen haben wir diese Möglichkeit nicht. 

Quanto Costa? 

EUR 850 wird ein Anteil kosten – EUR 750 Anteil plus EUR 100 Kosten (zu den EUR 100 später mehr). Wenn man nun EUR 30 Mio. (die genannte Zielgröße) durch 750 teilt, dann müssen wir also 40.000 Anteile verkaufen. Das klingt sehr viel. Aber bedenkt: Der Erwerb von mehr als einem Anteil ist möglich. Wir brauchen also nicht 40.000 verschiedene Menschen (oder auch Firmen). 

Ja, das ist viel Geld für einen Anteil, aber es wurde eine Ansparoption versprochen. Begründet wurde dieser hohe Einstiegspreis damit, dass a. die Marktforschung ergeben hätte, dass dies eine Größenordnung sei, die viele Menschen zahlen wollten, und b. man auch eine Balance zu den Kosten der Geldbeschaffung schaffen müsse, weil das besorgte Geld ja billiger werden müsse als andere Quellen. 

Den Punkt b. können und wollen wir nicht überprüfen. Klar ist, wenn man zu kleinteilig einsammelt, wird die Verwaltung der Anteile immer teurer. Ob der Sweetspot wirklich so weit oben ist? Wir haben keine Ahnung.

Auch klar ist: So etwas ist immer nur etwas für Menschen, die Geld übrig haben. Wenn man Geld einsammeln will, dann schließt man Menschen ohne Geld aus. Und wenn man eine demokratische Genossenschaft gründet, bei der der Eintritt Geld kostet, dann schließt man Menschen aus diesem Prozess aus. Das kann man in Kauf nehmen, man sollte es sich aber auch klar machen. Wir als Verein müssen so etwas immer diskutieren und abwägen. 

Marktforschung? Haben wir keine Ahnung von. Wenn das der Markt sagt, dann ist das wahrscheinlich so. Man muss sich dann immer nur fragen, ob der Markt, der das sagt, auch der Markt ist, der unsere Werte verteidigen will. Etwas überspitzt gesagt: Wenn am Ende 99 % der Genossenschaftsanteile vom CDU-Wirtschaftsrat gehalten werden, dann wird es lustig. 

Wir hoffen, dass so etwas überlegt und diskutiert wurde und trotz der Einstiegshürden eine Genossenschaft zusammenkommt, die breit im Verein aufgestellt ist. 

Sozusagen vom Punker bis zum Banker.  

Hast Du mal 100 Euro? 

Was sollen eigentlich diese komischen EUR 100 Aufschlag? Das macht schon Sinn: Die Genossenschaft hat Kosten. Das Stadion muss gepflegt, die Anteile vertrieben und auch vielleicht mal ein Brief an alle Genoss*innen geschrieben werden. Wenn man dann nicht von Beginn an Mittel hat, die zur freien Verfügung stehen, dann hat man ein Problem. Das sind EUR 68 von EUR 100 laut Auskunft in der Veranstaltung. Die weiteren 32 Euro sind für die Vertriebskosten. 

Köpfe

Nun schreiben wir bis hierhin ja relativ theoretisch. Das sollte man auch tun. Köpfe sind sehr schnell austauschbar. Trotzdem ist die Erstbesetzung des Vorstandes erstmal gut. Miriam ist bekannt, bewährt und absolut auf der richtigen Seite der Macht. Und weiß sich durchzusetzen. Glaubt es uns einfach 😉 (Ist doch auch immer schön, wenn man Menschen schon über 20 Jahre kennt und sie dann in so einer Rolle auftauchen.) 

Die anderen drei sind zwar alte weiße Männer, aber mit Kompetenzen und Verbindungen zum e.V., so dass sie absolut geeignet erscheinen. Hier muss aber trotzdem Kritik geäußert werden. Es ist sehr schade, dass sich in der Satzung der Genossenschaft keine dem § 12a der Vereinssatzung entsprechende Regelung findet und dass die Quote des Vereines auch im ersten Vorstand der eG nicht erfüllt wird. Das wäre bei einem solchen Vorzeigeprojekt einfach ein sehr starkes Zeichen gewesen. Schade! Eine Quote auch in der Genossenschaft einzuführen, sollte die Genoss*innenversammlung als Auftrag und Gebot mitnehmen. 

Die Satzung

Da wir schon wieder viel zu viel geschrieben haben, nur kurz: Die Satzung der Genossenschaft unterscheidet sich in vielen kleinen Dingen von der des Vereines. Einiges davon ist natürlich dadurch bedingt, dass es ein anderes Tierchen ist, aber es ist trotzdem spannend. Hier ein paar Beispiele, die bei der Durchsicht sofort auffielen: 

Virtuelle Versammlungen sind in der Genossenschaftssatzung ausdrücklich geregelt und – ACHTUNG – laut Aussage in der Vorstellungsveranstaltung auch angestrebt. Wann wird dort der erste Antrag auf Entlassung von Bornemann gestellt? 

Auch die Zustimmung des Aufsichtsrates zu Geschäften ist mit anderen Beträgen und Laufzeiten belegt als im Verein. Siehe § 22 Nr. 3 c der Vereinssatzung vs. § 22 Abs. 2 Buchstabe C der Genossenschaftssatzung. Das fällt erstmal auf, wir haben aber nun nicht weiter darüber nachgedacht, ob es dafür einen sofort ersichtlichen Grund gibt. 

Die Generalversammlung der Genossenschaft ist nur beschlussfähig, wenn mindestens 0,5 % aller Genoss*innen teilnehmen. Bei den fiktiven 40.000 sind dies immerhin 200 Nasen. Das ist beim Verein bekanntermaßen anders. 

Das Protokoll der Generalversammlung kann von jede*r*m Genoss*in dauerhaft eingesehen werden. Das ist beim Verein auch anders. 

Was bringt mir das? 

Kommen wir aber zur wichtigsten Frage zuletzt. Was bringt mir das, wenn ich da EUR 850  reinwerfe? Ggf. eine kleine Gewinnausschüttung. Bedenkt aber, dass dies eher nicht das Ziel der Genossenschaft ist. Die eG wird wahrscheinlich nicht mit anderen Anlageformen konkurrieren können. Auch kann eine Generalversammlung immer beschließen, Gewinne anders zu verwenden, und dies ist vielleicht auch gar nicht so falsch, immerhin wird die Immobilie der Genossenschaft immer älter und wird auch weiterhin immer mal wieder große Investitionen brauchen. Da einen Sparstrumpf anzulegen, wäre wahrscheinlich gar nicht falsch. Von der Möglichkeit, mit den Gewinnen andere Projekte zu fördern, ganz zu schweigen. 

Was es Dir noch bringt? Einmal wie Hopp fühlen und in Deinen eigenen Verein richtig fett investieren. Wenn Ihr in diesem Satz Ironie findet, könnt Ihr sie behalten. 

Die Mehrheit an Deinem Stadion mitbesitzen. 

Würde uns eigentlich schon reichen. 

PS: Ein richtiger Meckerpunkt wurde aber durch den neuesten Newsletter geschaffen. Es ist gut, über das breite Medieninteresse zu schreiben und Artikel zu verlinken. Jedoch: Wenn man das Hetzorgan der neuen deutschen Rechten namens Blöd ganz normal da mit aufnimmt, dann normalisiert man so das Erstarken der neuen Rechten. Und das sollte keine Institution machen, die irgendwas mit dem Millerntor, dem FC St. Pauli und seinen Werten zu tun hat. 

Lieber wäre es uns immer noch, wenn Blödzeitungsmenschen dieses Stadion und das Trainingsgelände nie wieder betreten dürften. 

PPS: Die Frage nach den möglichen Alternativen blenden wir mal aus.

Rein technisch hätte es die MSB KGaA auch getan. Aber den Diskurs über den Verkauf von Aktien (die in einer KGaA nebenbei kein Stimmrecht haben) können wir uns nur ausmalen; der wäre so anstrengend gewesen. 

10 Kommentare

  1. Dominik Dominik

    Hallo Senior,

    wie immer eine inhaltlich gute Zusammenfassung des komplexen Themas.

    Eine Sache, die nicht erwähnt hast..

    Anders als Spareinlagen bei Banken unterliegen Genossenschaftsanteile nicht der Einlagensicherung. Das heißt, bei Insolvenz der Genossenschaft ist das investierte Geld der Mitglieder nicht geschützt. In den Satzungen mancher Genossenschaften ist eine Nachschusspflicht vermerkt. Wie sieht es mit dieser Nachschusspflicht konkret bei uns aus?

    Viele Grüße
    Dominik

  2. Blogrentner Blogrentner

    Moin,

    die Nachschusspflicht ist ausdrücklich ausgeschlossen in der Satzung. Ansonsten ist das ein guter Hinweis.

    Grüße

  3. Raphael Raphael

    Danke für die Darstellung der Thematik. Klingt alles schlüssig, also sowohl dein Text als auch das Konzept unserer Genossenschaft.

    Nur noch zwei eher halbernste Anmerkungen. Du schreibst:

    „Anders als z.B. bei einer Aktiengesellschaft, wo das deutlich komplexer ist, das eingezahlte Geld wieder aus der Gesellschaft zu bekommen.“

    Das verstehe ich nicht so recht. Aktien kann man problemlos verkaufen und erhält in sehr kurzer Zeit den Gegenwert. Das einzige (und meistens größte) Problem ist eher, dass der Kurs im Keller sein könnte, wenn man sie versilbern will.

    „Wenn am Ende 99 % der Genossenschaftsanteile vom CDU-Wirtschaftsrat gehalten werden, dann wird es lustig.“

    Sagen wir mal so: Sollte das der Fall sein, dann hätten wir alle noch sehr viel Geld im Portemonnaie und könnten damit eine zweite Genossenschaft für die Kollau gründen. Der CDU-Wirtschaftsrat muss dann wohl passen 😉

  4. goodsoul goodsoul

    Danke für die Einschätzungen!

    Du hast es mit der „CDU, die 99% hält“ ja kurz angesprochen. Ich finde diesen Punkt in der Tat (zumindest in meiner pessimistischen Theorie) etwas heikel. Wer bzw. was schützt uns vor der feindlichen Übernahme unseres Stadions?

    Forza St. Pauli!

    Saluti!

  5. Snief Snief

    Danke dir für dieses detailreiche Aufschlüsselung.
    Ein kurzer Hinweis zu dem „lease back“. MW zählt der Verein auch heute schon eine Miete an die MSB. Da ändert sich also vom Prinzip her nix – die Miete wird nur teurer. Rechnet sich für den Verein aber trotzdem. 😉
    LG snief

  6. Jens Jens

    Vielen Dank für die detailreiche Aufschlüsselung und Einschätzungen!

  7. karo4tel karo4tel

    Im AR der eG ist die Quote schon mal mehr als erfüllt. 3 weiblich gelesene Menschen.,,

  8. Snief Snief

    @goodsoul: aufgrund der „1 Mensch/Unternehmen = 1 Stimme“- Regel müssten schon sehr viele CDUler zusammenkommen…😉
    Eine „feindliche Übernahme“ des eV durch HSVer erscheint mit da schon einfacher und das passiert auch nicht.😉

  9. Blogrentner Blogrentner

    Das eine Abstimmung eher nur theoretisch der Hebel ist, steht im Text. Das es zumindest andere praktischer Hebel gibt, steht da auch.

  10. Blogrentner Blogrentner

    Auch das steht genauso im Text. Unterschied ist aber die Konzernbetrachtung.

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