Liebe Erstligist*innen,
wir sind in der Bundesliga. Es ist zu lange her, dass wir dieses Gefühl hatten. Wir haben vor der Veröffentlichung dieses Artikels noch einmal lange die Tabelle durchgerechnet: Uns kann wirklich niemand mehr verdrängen. Wir sind erstklassig!
Gefühle
Der Tag war von Gefühlen geprägt. Nervösität, Vorfreude, Übersprungshandlungen, Ungeduld begannen den Tag gemeinsam. Marsch? Oder Erste*r am Eingang? Wir machten es wie wahrscheinlich viele andere Gruppen und teilten uns auf.
Der Marsch war stimmungsvoll und langsamer als der zum Derby, und falls im Valentinskamp heute Morgen irgendwelche Büros nach Rauch stanken, dann war das garantiert nicht die Schuld dieses Ereignisses. Gehen tat gut, Ablenkung tat gut, denn ab ca. 12:30 Uhr guckten wir alle ständig auf dieselbige. 12:31… War wirklich erst eine Minute vergangen? Es kam allen alles wie Ewigkeiten vor.
Rein und drin
Zu wenig Ordner*innen für das Abtasten von weiblich gelesenen Menschen? Dann wird halt nicht kontrolliert. Wir wissen, dass Personal schwierig zu bekommen ist, aber so richtig rund ist das nicht. Aber außer ein paar Sektflaschen wollte heute sowieso niemand irgendwas schmuggeln.
Kurzer trauriger Gedanke: Die Aufgabe, den Sekt zu schmuggeln, hatte eigentlich immer unsere Lieblingsfotografin. Wir hoffen, Du und die vielen anderen Menschen, die diesen Tag leider nicht mit uns erleben konnten und die wir zu gerne gedrückt hätten, haben entspannt von oben zugesehen.
Die Stehplätze waren knüppeldicke voll. Man sah, was eine vollständige Nutzung aller Karten ausmacht, und man sah, wie selten diese stattfindet. Selbst in den Ecken standen Menschen eng beieinander – ein Zustand, der sehr selten herrscht.
Vorfreude kam als Gefühl hinzu, das Stadion wurde regelmäßig lauter. Endlich mal wieder ein hörbarer Kanon zwischen GG und Süd. Das hat in letzter Zeit gefehlt.
An dieser Stelle mal ein lautes „Respekt“ nach Osnabrück. In dieser Situation den Gästeblock voll zu machen, laut zu sein, eigene Fantasietore richtig zu feiern, das war schon ein gelungener Auftritt. Auch auf dem Rasen gab es für den FCSP nix geschenkt, man wird in Osnabrück aber einsehen müssen, dass die Qualität des Daches und der Truppe auf dem Platz die ganze Saison lang nicht zweitligareif gewesen sind.
PS: Immer noch kein Derby!
Auf dem Platz
Wie langsam können 90 Minuten vorbei gehen? Wir haben es getestet; die Blicke auf die Uhren wurden immer häufiger. Ein schnelles 1-0 beruhigte die Nerven deutlich, in der Folgezeit war es um die Konzentration bei unseren Jungs geschehen und Osnabrück hatte gute Ausgleichschancen, um dann in Halbzeit 2 einzubrechen. Es wurde immer mehr ein Trainingsspiel und unsere Jungs spielten das entspannt und mit zwei weiteren Toren runter.
Als das halbe Stadion schon auf dem Platz stand, bekam Osnabrück noch einen VAR-Elfmeter und verwandelte diesen, aber das haben wahrscheinlich nur ca. 20 % aller Anwesenden mitbekommen, und wahrscheinlich passte „hatte nur noch statistischen Wert“ nie besser.
Geschichte wiederholt sich doch immer mal wieder ein wenig. Die Älteren werden sich an den Aufstieg 1995 erinnern, als Schiedsrichter Brandt-Colle einen Elfmeter in der 87. Minute pfiff, die Meute sich nicht zurück hielt und los lief und er diesen – ebenso nur noch statistisch wichtigen Fakt – unter den Tisch fallen ließ. Dieses Jahr guckte man sich die VAR-Minuten und die Ausführung entspannt an. Nikola hätte ihn beinah noch gehabt, aber so setzte Osnabrück den Schlusspunkt.
Angepfiffen wurde nicht mehr.
Auf dem Platz dann nur noch Jubel, Trubel, Heiterkeit. In diesen Situationen immer etwas peinlich: Wenn irgendwer beginnt, gegen den Gästeblock zu prollen. Waren zum Glück nur ganz vereinzelte Herren (!), die meinten, so ihrer Freude Ausdruck verleihen zu müssen.
Auch wenn einige von uns sich ganz sicher waren, dass wir hier und heute aufsteigen würden, war es nach Abpfiff doch etwas unwirklich, und wir brauchten einen Moment, bis wir zur verabredeten Stelle auf dem Platz gingen, um Menschen anderer Kurven zu umarmen. Klingt nach einer dummen Idee? Sagen wir so, wir trafen nicht alle und einige auch auch erst später – unvergessliche Umarmungen, die bleiben.
So ein Platzsturm führt auch immer zu gewissen Schäden, so hat der Platz nun definitiv keinen Mittelkreis mehr, es fehlt ein Tor, ein paar Werbebanden sahen auch nicht mehr gut aus, und leider meinten auch Leute, die Wappen aus den Auswechselbänken herausschneiden zu müssen. Letzteres ist uns dann doch wieder ein bisschen too much.
Menschen feiern unterschiedlich. Wir standen auf dem Rasen, auf unserem Platz oder spazierten durchs Viertel. Irgendwo muss die Energie hin. Das Viertel nahm den Aufstieg eher sachlich zur Kenntnis. Kein Autokorso, keine gesperrte Reeperbahn, eher Kaffee in der Sonne.
Später wurden dann noch grob alle Bengalovorräte von Trainern und Spielern aufgebraucht und auch die unvermeidlichen C-Promis der Marke Elton wurden gesichtet.
Wir versicherten uns im Chat noch ungefähr 100 Mal, dass wir wirklich aufgestiegen sind, und dann war auch schon Bettruhe (wir verschweigen hier Dinge, immerhin müssen alle heute wieder arbeiten). Die äh-, Fotogalerie des Müdeseins im internen Chat werdet ihr nie zu sehen bekommen. Sonnenbrille auf der Arbeit? Leider geil!
Fazit?
Entwicklung ist nicht linear. Und so hat es Jahre gedauert, bis unsere Arbeit am Erfolg (Oke) auch endlich Früchte trägt. Diese Arbeit war von guten Wegen und Irrwegen geprägt, wie sich das gehört. Fabian erwähnte in seinen Anmerkungen Schulle und Loïc und hat damit wahrscheinlich Recht. Immerhin sind große Teile der Truppe damals schon hier gewesen.
Aber eigentlich begann es schon früher: Mit dem Ringen nach Professionalisierung, mit dem Umbau des Vereines, mit Okes Mut, Zöpfe zu erkennen und einige davon abzuschneiden. Und auch mit dem Mut der Mitglieder (also Euch allen da draußen!), eine Führung zu wählen, die nicht „sportliche Kompetenz“ im Sinne der Fußballberichterstattung verkörpert (und die diese immer nur männlichen Ex-Profis zuschreibt), sondern die jung, weiblich und nach vorne gerichtet ist.
Oder anders ausgedrückt: Glaubt Ihr, dass ein Aufsichtsrat mit der eben definierten „sportlichen Kompetenz“ dem Plan, Fabian zum Chef zu machen, so zugestimmt hätte? Wir nicht.
Ja, es gehört am Ende auch immer Glück dazu. Und nicht immer schlägt ein Spieler von einer schottischen Ersatzbank menschlich und fußballerisch so ein. Aber WOW! ist er eingeschlagen! Und muss in Hamburg wahrscheinlich nie wieder ein Getränk zahlen. Aber das muss hoffentlich niemand mehr aus der Truppe. Love u all!
Und nun?
Wir sind noch lange nicht fertig.
Wir wollen zeigen, dass ein anderer Fußball möglich ist, und wir machen das auch in Liga 1. Gemeinsam, geschlossen, und als einzige Möglichkeit. Wir sind St. Pauli. Wir träumen vom Europapokal und spielen doch woanders.
Nämlich in Liga 1.
Tiocfaidh ár lá