Liebste Lesende,
Eigentlich wollten wir mal gemeinsam Sonderzug fahren, das hat dann leider nicht geklappt, sodass wir doch wieder auf unterschiedlichen Wegen am Start waren. Nix für Ungut liebste Ultras, klar muss man irgendwann aussuchen, wenn drölfmillionen Leute mitfahren wollen, aber eine Begründung die mehr oder minder von „ihr fahrt nicht genug auswärts“ war dann doch ein bisschen sehr weit weg von der Realität.
Klar sollte auch sein: Das wird hier erwähnt, weil es uns 0,68 Sekunden (was bekanntlich für einen Androiden eine Ewigkeit ist) ein klitzekleines bisschen geärgert hat. Den Rest der Zeit überwiegt aber die Freude, dass in unserer Fanszene Risiko und Eigeninitiative ergriffen wird. Und das so etwas auf die Beine gestellt wird. Danke dafür.
Erwähnt sei noch, dass wir wieder nicht in voller Stärke waren. Freitag hat halt nicht jede*r frei. Im Herzen dabei.
Nun denn. Im PKW Teil der Anreise lernten wir „Die Knappen“ kennen. Eine Metal Band, die Lieder über Schalke macht. Alles nur, weil ein Herr mit dem schönen Künstlernamen Tom Angelripper neben seinem Beruf als Frontnase von Sodom noch Schalker ist. Nebenbei: Herr Angelripper hat in seiner Jugend noch Grubenschlosser gelernt und unter Tage gearbeitet. Mehr Schalke Klischee geht nicht.
Das passt schon irgendwie zu diesem Phänomen Schalke. Der Spruch, dass man in Gelsenkirchen nur das Flutlicht anmachen muss, dann kommen 60.000 Leute wird diese Saison massiv auf die Probe gestellt. Und wahrscheinlich an keinem anderen Standort der Welt würden sich alle zwei Wochen über 60.000 Menschen diesen Murks angucken. Man kann vor dieser Treue und dieser engen Verwurzelung von Schalke mit seiner Stadt nur den Hut ziehen. Gelsenkirchen ohne Schalke? Undenkbar!
Schalke 04 hat 180.000 Mitglieder, Gelsenkirchen gerade einmal 260.000 Einwohner*innen. Noch Fragen?
Bei Schalke gibt es garantiert genügend Menschen die in der vierten oder fünften Generation zu Schalke gehen. Schalke ist eine eigene Religion und eigentlich gehört dieser Verein überall hin, aber nicht ans Ende der 2. Liga.
Misswirtschaft und Chaos haben ihn dort hingebracht. Und dies ist schade. Wie schon gesagt: man muss die nicht mögen, aber sie sind immer noch besser als jeder Verein, der seine 30.000 Personen Stadion nur an guten Tagen in der 1. Liga voll bekommt. Wir nennen jetzt keine Namen.
Obwohl der Nahverkehr bestreikt wird, bleibt an diesem Freitag nahezu kein Platz frei. Auch das wäre woanders anders.
Parkplatz? Gefunden. Es ist ja schön, da ungefähr 1.000 Ordner*innen zu haben. Aber eine Person mit Überblick, wo noch Platz ist, würde das ganze abrunden.
Bekannte Gesichter grüßen und ab zum Eingang. Was hier auffällt: es gibt normal aussehende Order*innen und es gibt die Marke „ne lass mal mit dir trinke ich kein Bier“. Letzere sind für Materialdurchsuchung zuständig und die Fanhilfe wusste vom Einlass auch unangenehmes zu berichten. Unsere Ordner*innen waren freundlich, aber wir hatten eben auch kein Material.
In der Halle fanden sich dann knapp unter 6.000 braun-weiße ein und sagen wir, wie es ist: Nur die wenigsten erreichten Normalform.
Stimmung im Gästeblock eher durchwachsen. So sehr man sich unten mit dem Megaphon bemühte, vieles kam nicht mal halbhoch beim Gästeblock Steh an. Und laut wird der Gästeblock dann ausgerechnet bei „Wir sind Zecken“. Wo unten was anderes angestimmt wird und von oben übersungen wird. Erst dann wird es unten übernommen. Nicht nur wir, sondern auch viele andere Stimmen haben schon mehrfach darauf hingewiesen, wie schwierig dieses Lied ist und man es lieber sein lassen sollte. Es hat schon massiv „nix darf man mehr sagen“ Vibes, wenn ausgerechnet hier plötzlich Menschen singen, die 90 Minuten sonst eher nicht singen.
Ach ja: Die Schalker haben das auch im Programm. Macht es nicht besser.
Der Auftritt auf dem Rasen war einfach schlecht. Die Schalker in jeder Situation schneller und auch körperlicher. Bei jedem Zweikampf wirkte es, als ob unsere Spieler Flummis wären, die an einer Wand abprallen. War das überheblich? Gegner unterschätzt? Hürzeler sprach von „man sei überrascht worden“. Was überrascht, denn Schalke hatte so ein Pressing schon zuvor gespielt.
Der Ausfall von Eric machte dann noch den Rest kaputt. An dieser Stelle hoffen wir auf eine schnelle Genesung. Ja, das ist ein super wichtiger Spieler und ja wir sind ohne ihn schlechter. Aber gerade dann muss ich mich doch rein hauen und nicht noch mehr zurücknehmen.
Schalke gewann komplett verdient. Immerhin mussten wir diesmal nur den (Ersatz-) Spielern und nicht dem ganzen Stadion beim Platzsturm zusehen.
Das war gar nix und die Leistung schlichtweg erschreckend. Denn Schalke kämpfte zwar mit allem, was sie hatten, aber großer Fußball war das auch nicht. Für uns hat es aber locker gereicht.
Erinnert ihr euch, wie Kiel und Darmstadt uns unter Schultz abgeschossen haben? Und wir danach unser Spiel nicht anpassen konnten und eine fürchterliche Rückrunde spielten? Gute Trainer zeigen sich genau in solchen Situationen. Wenn es nicht läuft, gilt es die Truppe wieder aufzubauen, das Spiel anzupassen und darauf zu lernen. Wir werden nun also lernen, ob Hürzeler wirklich der gute Trainer ist, für den alle ihn halten. Kann er neue Impulse setzen? Ja? Nein? Das wird nun entscheidend sein.
Wir müssen leider erneut über Verhalten im Block sprechen. Sich schon vor dem Spiel betrunken bei Fremden anlehnen zu müssen, ist nicht gut. Ebenso (und wir sprechen hier von jemand anderem) ist es uncool betrunken mehrere Reihen runter zu torkeln, weil man sich nicht mehr halten kann. Und fremde Menschen sind kein Geländer zum Abstützen.
Schnell weg hier. Der Weg zur Autobahn ist kurz. Und lang. Viel warten. Dann sind wir da raus. Und schnell wieder zu Hause.
Ich träum von dir. In meinen Träumen gewinnst du auch mal auf Schalke.
PS: Was im Sonderzug passiert bleibt im Sonderzug. Schon klar. Aber liebe (Cis) Männers, wenn es FLINTA* gekennzeichnete Klos im Zug gibt, auf deren Schildern extra „Keine Männer“ steht und du zu betrunken bist, um das Schild zu lesen TRINK WENIGER oder du nach Hinweis dennoch wieder dort rauskommend erwischt wirst, hast du IMMERNOCH NICHTS VERSTANDEN. Das ist ein Safe Space. Gebt den Flinta* den wenigen Raum, den wir uns nehmen und seid solidarisch. Respektloses Verhalten hat bei uns nichts zu suchen.
Danke für den Bericht! 🙂
Warum ist es berichtenswert, dass ein Betrunkener sich bei einem Freitag-Abend-Spiel im Steh-Block angelehnt und abgestützt hat (und auch getorkelt ist)?
Weil es einfach ein super beschissenes Verhalten ist. As easy as that.