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Rechts des Sports / Warum die Hoffenheim-Strafe nur aus DFB-Sicht konsequent ist

Liebste Lesende, 

vor ein paar Tagen ist die TSG Hoffenheim zu einer Strafe von EUR 20.000 vom DFB-Sportgericht verurteilt worden. Kurz zuvor haben die beiden Hamburger Vereine jeweils gut EUR 100.000 für diverse Pyroshows beim Derby bezahlt. 

Beim Strafenlotto des DFB wäre dies eigentlich keinen Artikel wert, jedoch ist etwas bemerkenswert, denn der Hoffenheimer Vorfall führte zu (je nach Quelle) 11 bis 13 Verletzten und sorgte für ein lautes Medienecho. 

Was war passiert? Ein Knallkörper (ich vermeide mal ganz bewusst das Wort „Böller“, weil dann die meisten an Silvesterböller mit BAM-Kennzeichen denken; meistens handelt es sich aber um andere Knallkörper) wurde aus dem Gästeblock der TSG in Augsburg geworfen, explodierte und 11 bis 13 Personen erlitten Verletzungen (wahrscheinlich zumeist Knalltraumen). Bei den Pyroshows beim Derby hat es ggf. Menschen mit Atemproblemen gegeben; Details oder so sind diesem Autor nicht bekannt. 

Man kann sich aber fragen, warum die Strafen sich um Faktor 5 unterscheiden. 

Im Strafrecht erfolgt die Strafzumessung nach einer Abwägung der Umstände von Tat, Täter und dessen Schuld (das ist jetzt vereinfacht). Wenn man diese Maßstäbe heranzieht, dann ist der Faktor 5 aus den uns bekannten Faktoren nicht erklärbar. Denken wir es mal durch:  

Täter? Denken wir mal klischeehaft und vereinfacht:  Wahrscheinlich in allen Fällen junge Menschen, die wahrscheinlich männlich sind, wahrscheinlich unter Rauschmitteln standen und Knallkörper oder Pyro für eine gute Idee hielten. Tat? Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass eine bengalische Fackel in der Hand garantiert nicht ohne Risiko ist, auch Folgen haben kann, aber ein Knallkörper in die Menge doch eine Stufe härter ist, oder? Hinzu kommt, dass im Augsburger Fall konkrete Verletzte bekannt sind. Ja, auch bei der Strafzumessung  gilt in gewissen Grenzen „Es ist ja gut gegangen“. Schuld? In beiden Fällen wohl auch ähnlich. 

Aber darum geht es dem DFB nicht, und das sagt er auch sehr öffentlich. 

Täterorientiert ist nicht tatorientiert

Wichtig ist, dass der BGH 2016 die Weitergabe von DFB-Strafen an ermittelte Täter*innen ziemlich unkritisch durchgewunken hat. Es gibt in der Juristerei einige Stimmen, die diese Praxis kritisieren (siehe als Beispiel Martens NJW 2016, 3691), aber die meisten Stimmen empfinden das Vorgehen als richtig. Es ist kein Geheimnis, dass auch ich erhebliche Probleme mit dieser Weiterreichung habe, weil dies einfach ein Ersatzstrafrecht neben dem als zu weich empfundenen eigentlichen Strafrecht ist. Man kann sich nebenbei fragen, ob das Strafrecht wirklich „zu weich“ ist, immerhin sitzt einer der Tatverdächtigen des Augsburger Vorfalles immer noch in Untersuchungshaft. Eine Zeitspanne, die selbst der Kicker (!) in einer Überschrift „bemerkenswert lang“ findet. 

Auch in dem BGH-Urteil findet man gerne mal Hinweise auf eine „wertende“ Betrachtung, und ich habe immer das Gefühl, dass man ein bisschen Angst hat, dass der DFB übertreibt und man dann irgendeinen Exit haben möchte. 

Der DFB selber sagt in seinen „Richtlinien Kontrollausschuss“  die gleich folgenden Passagen. Und ja, die muss man mal so gelesen haben, um den Wahnsinn zu verstehen (Hervorhebungen durch mich): 

„Entsprechend dem zentralen Leitgedanken der Beschlüsse des DFB-Bundestages 2013 zur Bewährungsstrafe und Auflagenverhängung bei Zuschauerfehlverhalten richten der DFB Kontrollausschuss und die DFB-Rechtsorgane ihre Arbeit vorrangig „täterorientiert“ aus. Das heißt, die Ermittlung der verantwortlichen Täter durch den Heim- und den Gastverein und deren Sanktionierung bzw. Inregressnahme durch die Vereine und dadurch die Verhinderung zukünftiger Ordnungsverstöße sind das primäre Ziel des sportstrafrechtlichen Handelns der DFB Rechtsorgane.“ 

„Effektive Tataufklärung und Täterermittlung durch die Vereine stellen daher zentrale Pflichten des Heimvereins und des Gastvereins dar.“

„Kommt ein Verein den ihn treffenden zentralen Pflichten zur Tataufklärung und Täterermittlung nach, vermag dies sanktionsmindernd wirken, insbesondere dann, wenn ihn am Zuschauerfehlverhalten selbst kein eigenes Verschulden trifft (verschuldensunabhängige Haftung; st. Rechtsprechung des Internationalen Sport-Schiedsgerichts (CAS) und des Ständigen Schiedsgerichts für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen). Durch Maßnahmen, die der Tataufklärung und der Täterermittlung dienen, eröffnet sich den Vereinen und ihren rechtstreuen Fans die Chance, gravierende Strafen wegen Taten, die sie selbst nicht verschuldet haben, zu vermeiden oder zumindest abzumildern. Umgekehrt können und sollen schwerwiegende Sanktionen vor allem dann verhängt werden, wenn die Vereine ihrer Pflicht zur Tataufklärung und Täterermittlung nicht in dem gebotenen Umfang nachkommen. Denn in einem solchen Fall liegt nach der Rechtsprechung des Internationalen Sport Schiedsgerichts (CAS) auch ein (schuldhafter) Pflichtenverstoß vor.“

Im Hoffenheimer Fall wurden die mutmaßlichen Täter noch im Stadion ermittelt und sowohl Verein als auch die örtlichen Ultras  haben sich sehr deutlich distanziert. 

Und da liegt der entscheidende Unterschied für den DFB. Der DFB will genau dieses Verhalten belohnen und tut es in diesem Fall mit einer extrem milden Strafe. Dies sieht selbst der Kontrollausschuss so, dessen Antrag dem Urteil zugrunde liegt und mit veröffentlicht ist.

Der entscheidende Passus (Hervorhebung auch im Original!): 

„Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgesichtspunkte beantragt der DFB-Kontrollausschuss eine Geldstrafe in Höhe von nur 20.000,- Euro, die im summarischen Verfahren gerade noch vertretbar erscheint“

Was will der DFB?

Denunziantentum. Ganz einfach. Er will „rechtstreue Fans“ und „Täterermittlung“ erpressen. Er will mit einem Praxisfall unterstreichen, was er in der oben zitierten Richtlinie in der Theorie erklärt. Er ruft laut: 

„Seht her, ihr Vereine, wenn ihr wie Hoffenheim euch sofort distanziert und alle Täter*innen ermittelt, dann könnt auch ihr eine „gerade noch vertretbare“ Strafe erhalten!“ 

Dies ist die Message an alle Vereine. Der Fall eignet sich dafür aber auch zu gut. Die Täter waren auf Videoaufnahmen gut zu erkennen, es ist also nun nicht so, als ob Hoffenheim Pinkerton Privatdetektive mit umfassenden Ermittlungen beauftragen musste. Oder anders ausgedrückt: Eine effektive Tataufklärung als zentrale Pflicht hat Hoffenheim hier gar nicht machen müssen. Und auch der Hoffenheimer Szene fiel es auch nicht gerade schwer, sich von Knallkörpern zu distanzieren, sind diese doch in den meisten Szenen ein absolutes No Go. 

Man kann sich wirklich fragen, ob das so sinnvoll ist. Die Schritte der Eskalation kann man sich vorstellen, sollte nun irgendein Verein anfangen, nach Pyroshows eben doch Pinkerton zu beauftragen. Der Dialog mit der örtlichen Szene ist wahrscheinlich genau in diesem Moment beendet. Und zwar für immer. 

Stört das den DFB? Natürlich nicht! Wer will da schon in der Otto-Fleck-Schneise und anderen Frankfurter Büros mit Fans reden? Die Schwesterorganisation DFL schon gar nicht. Da drückt man Investoren ja auch lieber durch und wundert sich dann über Tennisbälle. 

Insofern ist das alles aus DFB-Sicht sehr konsequent. Wird es das Pyro“problem“ lösen? Nein, natürlich nicht. Es führt eher noch zu mehr Auseinandersetzungen und Ärger. 

Zwei weitere Aspekte sind zu bedenken

Dem DFB ist in seiner Rechtsprechung immer wieder die Unterbrechung oder Verzögerung des Spieles wichtig. Es geht nicht um Verletzte oder andere Zuschauer*innen. Das ist egal. Aber wenn nicht alle Spiele gleichzeitig angepfiffen werden, nachdem die aggressive Sportwettenwerbung den geneigten Skyzusehenden die letzten Gehirnzellen rausgebrannt hat, dann brennt der Baum! 

Und was oben gesagt wurde: Natürlich hätte der DFB hier auch die richtig fette Strafe verhängen können, die Täter sind wahrscheinlich ermittelt, die TSG kann in den Regress gehen. Trägt dabei aber das Risiko, dass die Täter nicht zahlen können. Und es gibt eben doch ein Restrisiko, dass bei den deutschen Zivilgerichten irgendwann mal Vernunft eintritt und die DFB-Urteile doch auf eine Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Dies verhindert man natürlich, wenn man eine Summe wie eben EUR 20.000 verhängt, die ein einzelner Mensch über eine gewisse Zeit zurückzahlen kann. Bei EUR 100.000 und nur einem ermittelten Täter wäre das eher zweifelhaft. 

Nun spannend

Aus FCSP-Sicht ist nun natürlich spannend, wie unser Böllerwurf abgehandelt wird. Ich würde jetzt beinah eine Wette eingehen wollen, dass der irgendwo mit eingebunden wird und nicht eine einzelne Strafe erhält. 

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