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Ein Update zu Martin 

Am 29.02.2024 hat der Bundesgerichtshof  die Revision im Fall Martin Kind vs Hannover 96 e.V. zugelassen. Wir hatten uns mit diesem Rechtsstreit schon im Jahre 2022 befasst, als das Landgericht Hannover der Klage von Martin Kind gegen seine Abberufung statt gab. Den alten Artikel als Grundlage für diesen könnt Ihr Euch gern nochmal durchlesen. 

Das OLG Celle hatte dann im Jahre 2023 die Berufung des e.V. verworfen und in dem Fall auch keine Revision zugelassen

Daraufhin hatte der e.V. eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und diese führte nun dazu, dass die Revision vom BGH zugelassen wurde. 

Was ist da denn passiert? 

Die BRD hat ihre Zivilgerichtsbarkeit mit vier Gerichten aufgebaut: Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und oben drüber thront der BGH. Jetzt mal von Ausnahmefällen wie Bayern oder abstrusen Rechtsgebieten abgesehen, ist die Zuständigkeit grob, dass die Amts- und Landgerichte Sachen in der ersten Instanz bearbeiten und die Oberlandesgerichte die erste Rechtsmittelinstanz sind. Teilweise ist auch das Landgericht Rechtsmittelinstanz. Details sollen uns jetzt hier mal nicht interessieren. Ich habe eben „thront“ geschrieben, denn der BGH hat als Aufgabe „die Rechtseinheit zu sichern, grundsätzliche Rechtsfragen zu klären und das Recht fortzubilden“. Dabei klärt er nur Rechtsfragen. 

So ein bisschen müsst Ihr Euch das wie den Chef vorstellen, der Euch die ganze Präsentation machen lässt und dann hinterher klugscheißt. Wenn wir jetzt mal nicht so gemein sein wollen, dann könnte man auch sagen, er sorgt dafür, dass in Bayern grob das gleiche Recht gesprochen wird wie in Schleswig-Holstein. Oder er entscheidet Fragen, die sich vorher noch niemand gestellt hat. Dafür gibt es dann die sogenannte Revision. (Liebe Jurist*innen: Das ist natürlich alles ein bisschen vereinfacht in diesen beiden Absätzen, aber das versteht sonst ja gar kein Mensch mehr, der nicht unsere Wissenschaft studiert hat.) 

Nehmen wir als Beispiel für eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung den Rechtsstreit Moses P. vs. Kraftwerk. Moses P hatte zwei Sekunden aus einem Kraftwerksong gesampelt und dies sah Kraftwerk als Urheberrechtsverletzung. Die unbeantwortete Rechtsfrage war „Reicht das für eine Verletzung?“. Was wie ein einfaches „Jo“ oder „Nö“ wirkt, hat den BGH bereits fünf mal beschäftigt und auch nach 20 Jahren gibt es keine Antwort. Ja, Ihr lest richtig. Warum ist das so wichtig? Weil Sampling in der modernen Musik ständig passiert. 

Wenn wir so eine ungeklärte Rechtsfrage haben, dann soll das OLG die Revision zulassen. Wenn es aber der Meinung ist, dass eine solche ungeklärte Rechtsfrage nicht vorliegt und es auch nicht von der Rechtsprechung des BGH abweichen will (Einheitlichkeit der Rechtsprechung), dann lässt es die eben nicht zu. 

Dagegen kann man nun eine Beschwerde einlegen. Diese kann nur damit begründet werden, dass es sich entweder um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt oder ein Widerspruch mit der Rechtsprechung des BGH besteht. 

Zulassung eher die Ausnahme

Und da an so einem OLG schon Jurist*innen sitzen, die ihr Handwer-, äh, ihre Wissenschaft verstehen, sind die Erfolgsaussichten einer solchen Beschwerde eher gering. Wenn wir jetzt mal das Jahr 2023 nehmen, dann waren in diesem Jahr von 3.241 Nichtzulassungsbeschwerden nur 422 erfolgreich. Auch in den Vorjahren sah das nicht viel anders aus. Man kann grob sagen, dass nur irgendwas zwischen 10 bis 15 Prozent aller Nichtzulassungsbeschwerden zu dem Erfolg „Revision“ führen. 

Also ist die Zulassung der Revision durch den BGH in diesem Fall schon mal bemerkenswert. Es ist auch deswegen bemerkenswert, weil die anschließenden Revisionen sehr häufig zu einem (Teil-) Erfolg führen. Sprich das vorherige Urteil wird aufgehoben und/oder geändert. Im Jahr 2023 hat der BGH 268 selber zugelassene Revisionen bearbeitet und in 220 Fällen kam es zu so einem Teilerfolg. 

(Das ist jedoch auch nur menschlich. Da sitzen die gleichen Richter, die eben noch über die Zulassung der Revision entschieden haben. Die zuzulassen und dann zu sagen „war aber alles gut, was das OLG da gemacht hat“ ist eher ungewöhnlich. Da kann man sich und allen anderen auch gleich die Arbeit sparen und sagen „Ne, lass mal“.)

ABER: Es ist eben auch keine Entscheidung gefallen über die Revision. Es kann immer noch sein, dass der BGH am Ende die Rechtsmeinung der beiden anderen Gerichte bestätigt. 

Aber was stört den BGH nun? 

Das wissen wir nicht. Denn das muss er bei einer Zulassung der Revision nicht sagen. Eine Begründung muss er dann nicht veröffentlichen.

Wir können also nur spekulieren. Jurist*innen haben bei den Urteilen des LG und des OLG immer wieder Bauchweh gehabt mit der Annahme der Nichtigkeit des Beschlusses. Die Stimmrechtsbindung durch den sogenannten Hannover-Vertrag hat nach diesen Stimmen eben nur schuldrechtliche Wirkung und kann einen Beschluss nicht nichtig machen (siehe Kablitz in EWiR 2023, 521-523).

Vielleicht lag der Autor dieser Zeilen im Jahr 2022  mit den Bauchweh über diesen Hannover-Vertrag gar nicht falsch? Immerhin ist eine Stimmrechtsbindung mit einem Nichtgesellschafter gesellschaftsrechtlich umstritten. Und der BGH hat diese Frage nicht bzw. lange nicht zu fassen gehabt. 

Es bleibt also spannend in Hannover. Und es bleibt spannend, wie lange Martin Kind noch Investorendeals beschließen kann. (Was noch einen eigenen Artikel wert ist.)

Zuletzt ist aber eine Sache ein bisschen lustig, denn der OLG Senat schreibt in seinem Beschluss folgendes: 

„Die Beklagte übersieht insoweit, dass der Senat sich auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützt hat, durch die seiner Auffassung nach die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen bereits beantwortet sind.“ 

Das sah der BGH dann anscheinend doch anders. 

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