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Bewährte Mittel der bürgerlichen Mitte

Wir schrieben in unserem Derbybericht: 

„Zu dem Stadionverbotsplakatgrind enthalten wir uns jetzt ganz bewusst mal. Haben wir gesehen. Denken wir mal in Ruhe drüber nach und nicht verkatert einen Tag nach dem Derby.“

Also schreiben wir mal was über Stadionverbote. Eher theoretisch als auf die konkreten Fälle beim FCSP gemünzt. Was klar sein muss: Das ist ein hochemotionales Thema, das wenig Zwischentöne zulässt, sie aber benötigt. Erwartet daher von uns keine Schwarz-Weiße Lösung. Eher ein paar Gedanken.

Rechtliches und Gedanken vorweg 

Stadionverbote sind ein zivilrechtliches Mittel der Gefahrenabwehr bei eventuellen Straftäter*innen. Die Jurist*innen unter euch werden nun sagen „Hä, sind die beim magischenfc nun komplett durch?“ (Antwort ist nebenbei: Ja), denn da ist in einem Satz etwas aus dem Zivilrecht, dem öffentlichen Recht und dem Strafrecht (insbesondere Strafprozessrecht) zusammen gemischt.

Und das macht Stadionverbote schon juristisch so absurd. Denn im Endeffekt lagert man hier eine Gefahrenabwehr (klassische Aufgabe eines Staates) und eine Bestrafung (ebenso klassische Aufgabe des Staates) aus und privatisiert sie. Warum tut man das? Weil das Strafrecht so doofe Ideen wie „man muss das bewiesen haben“ kennt und auch noch strafrechtliche Verfahrensformen, wie z.B. „man muss sich nicht selber belasten“. Hinzu kommt auch noch das sehr populäre Märchen von der verweichlichten Justiz und der Abschreckung durch harte Strafen. 

Die Polizeigewerkschaften und mit ihnen die Innenminister*innen umgehen dieses angeblich so weiche Strafrecht immer mehr mit dem öffentlichen Recht, in dem sie die Begriffe „Störer“ und „Gefahrenabwehr“ immer mehr ausdehnen und mit ihnen langfristige persönliche Folgen verknüpfen. Früher war so eine Gefahrenabwehr „oh da ist ein Hooligan, der hat schon Schaum vor Mund, sperre ich den mal zwei Stunden zur Abkühlung ein“, heute ist das eine bis zu zweimonatige Ingewahrsamnahme, weil man ggf. mal eine Tube Kleber im Gepäck hatte und vielleicht nicht die Welt per Klimawandel untergehen sehen will. Das Gefahrenabwehrrecht ist gefährlich, denn es hat immer etwas von Minority Report, man macht Prognosen. Früher wollte man das daher eng begrenzen; nun ist es uferlos. 

Und genau hier kommen die Stadionverbote ins Spiel. Da man den bösen Hooligan nicht in den Knast bekommt, dachte man sich diese Verbote aus. Und sagte, dass dies ja nur Prävention sei. Die dann aber häufig an laufende Ermittlungsverfahren (!) oder noch besser abgeschlossene Ermittlungsverfahren (!) geknüpft wird. Da sind wir dann ganz schnell beim Ersatzstrafrecht per Stadionverbot. Alles ohne diese lästigen „du musst dich nicht selber belasten“-Grundsätze. 

Nebenbei: Es gibt im Jugendstrafrecht sogenannte Erziehungsmaßregeln, da gibt es u.a. auch „den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen“. Es ist also nicht so, als ob es nicht zumindest bei heranwachsenden Täter*innen auch strafrechtlich so etwas wie „Stadionverbot“ geben könnte. 

Juristisch ist das ausgesungen. Das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09) hält Stadionverbote dann für okay, wenn es sachliche Gründe gäbe und man vorher angehört wird und eine Begründung bekommt. Jurist*innen schreiben auch so etwas wie das nun Zitierte: 

„Stadionverbote sind ein bewährtes Mittel, um Störer von dieser Art Großveranstaltungen fernzuhalten.“

(Amélie Heldt in NVwZ 2018, 813 als Anmerkung zum Urteil)

Lange Rede, kurzer Sinn: Das ist zur Zeit juristisch ausgesungen. Leider in die falsche Richtung, wenn ihr uns fragt. Auf das bewährte Mittel kommen wir noch zurück. Versteht uns nicht falsch, wir zitieren Fr. Heldt ein bisschen aus dem Kontext (sie möge uns das verzeihen), die Anmerkung ist sonst lesenswert, aber über den Satz stolperten wir dann doch. 

Wir haben damit Probleme

Wie ihr euch vorstellen könnt, haben wir mit Stadionverboten als Ersatzstrafrecht durch die Hintertür unsere Probleme. Das ist alles zusammengeschustert, und ein „sachlicher Grund“ ist gerade, wenn es um Vermutungen der Täterschaft geht (oder wie im BVerfG-Fall die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einfach eingestellt wurden und damit kein* Täter*in endgültig ermittelt wird) sehr dünne. Und dabei ist es aus unserer Sicht egal, ob man dieses Stadionverbot während eines laufenden Strafverfahrens bekommt oder nach einem abgeschlossenen Strafverfahren.

Denn noch etwas sollte der Welt klar sein: Stadionverbote sind eben kein „bewährtes Mittel, um fernzuhalten“. Wir kennen genügende Menschen, die drei Jahre vor Stadien gestanden haben (also nicht „fern“ waren) und danach wieder ins Stadion gegangen sind. Es führt auch immer zu einem Solidarisierungseffekt, weil sich Fankurven eben falsch behandelt fühlen. Und wahrscheinlich häufig auch sind. 

Vereinsperspektive

Trotzdem sollte man auch immer die Vereinsperspektive mitdenken. Wir leben ja nicht auf einer Insel. Unser Verein hat jeden Tag den Innensenator in der Leitung und wahrscheinlich DFB und DFL auch. Drohungen wie „Alkoholverbot“ oder „Beteiligung an den Kosten“ werden immer wieder zu passenden und unpassenden Zeitpunkten in den Raum gestellt. 

Und da wird dann auch nach der Anzahl der Stadionverbote gefragt – können wir uns zumindest vorstellen; wir verweisen alleine schon auf den ZIS-Bericht und unseren Artikel dazu. 

Auch findet der Verein nicht alles cool, was wir so als Fanszene cool finden oder auch dulden. Er hat wahrscheinlich bürgerlichere Grenzen als wir. Müssen wir mal agreen zu disagreen. Kann man selbst hier bei aller Emotionalität. 

Müssen wir also nicht gut finden, dass der Verein mal zu diesem Mittel greift, aber man sollte diese Perspektive mitdenken…

Daher

… und das auch bei einem möglichen Protest mitdenken. Insbesondere ist es bei dieser Sandwichposition des Vereines ziemlich egal, ob der Präsident Oke oder Klaus heißt, persönliche Angriffe sind daher echt Unsinn. Es liegt nicht an der bösen Person, die das Stadionverbot unterschrieben hat. Unser Verein (wie so viele andere Vereine auch) überlegt es sich schon zweimal, ob er Stadionverbote vergibt. Wir glauben nicht, dass das beim FCSP per Giesskanne geht und haben das Gefühl, dass das niemand gerne macht. Aber irgendwann wird der äußere Druck halt auch mal zu stark. Und die Alternativen zu dunkel. Nur mal rein hypothetisch: Ist auch irgendwie super uncool, wenn die Cops eine Inaktivität zum Anlass nehmen, noch präsenter innerhalb des Stadions zu sein und noch mehr in die Bereiche der Stadionbesuchenden einzudringen, als sie es ohnehin schon tun. 

Diesen ganzen Zielkonflikt bekämen wir nur weg, wenn sich das gesellschaftliche Klima des „hart durchgreifen!!!!“ ändern würde. Hahahahaha, glauben wir im Traum nicht dran. „Hate the game, not the player“ mögen wir ein bisschen platt und verkürzt rufen. 

Und noch was: Gewisse Dinge mögen ihre absolute Berechtigung haben, sie sind aber in dieser bürgerlichen Gesellschaft verboten. Wenn man mal unvorsichtig war und erwischt wurde, dann ist das auch ein bisschen „fair game“, dann kann man auch mal „okay, hab ich mal Pech gehabt, danke für eure Solidarität“ sagen. Oder auch „Digga, das war nun nicht sehr clever, aber ich liebe dich trotzdem“. Unser Senior hat mal zwei Menschen einen ausgegeben, weil sie mal was Richtiges getan haben, das verboten war und zu Stadionverboten führte. 

Und natürlich wäre so ein Stadionverbot immer auch eine Gelegenheit, Vergangenes zu reflektieren, sich selbstkritisch zu zeigen und vielleicht auch mal zu fragen „war es alles wirklich so cool oder war es vielleicht auch einfach mal drüber?“ Es ist eben nicht schwarz-weiß. 

Als Gemeinschaft tun sich Fanszenen mit dieser eben angeregten Reflektion auch immer sehr schwer. Sie sind nicht gut darin, sich zu fragen, wo eigentlich die Grenzen sind.  Auch tun sie sich schwer damit zu diskutieren, wie man dann handelt. Diese Diskussion wird eigentlich nie und nirgendwo geführt, und einer der Gründe ist eben auch, dass es Stadionverbote gibt. Und dieses Druckmittel von unliebsamen Stellen eignet sich sehr gut dazu, die Reihen zu schließen und sich zu solidarisieren. Diese Solidarisierung wird eigentlich nie reflektiert. Es wird sich solidarisiert. Aus den genannten Gründen. Das muss nicht immer zielführend sein. Aber es ist das sprichwörtliche „ich hasse meine Familie, aber wenn du sie angreifst, dann ist es immer noch meine Familie“. Selbst wenn diese ganze Diskussion mal geführt wurde: Im ganzen Fußball hat eigentlich niemand wirksame Grenzen definiert bekommen. 

Es ist also bitter, wenn sich Vereine aus den oben genannten Gründen gezwungen sehen, zu dieser Eskalationsstufe zu greifen. Dies zu verhindern wäre immer besser. Und der letzte Satz geht eben nicht nur an die Stadionverbot aussprechenden Vereine. 

Gartenzaun

Und am Ende gibt es da noch etwas, das ihr immer beachten solltet. Überall Kameras, nirgendwo Gerechtigkeit. Oder um es mit „Waving the Guns“ zu sagen: 

Und die Frage ist nicht, warum ich vermummt bin,

Die Frage ist: Warum bist du’s nicht, du Dummchen?

4 Kommentare

  1. Heiko Heiko

    Zum Fremdschämen der Beitrag zu den Stadionverboten.
    Habe aber auch nicht anderes erwartet.

  2. Gerd Gerd

    Also gerüchteweise sind die SVs zumindest zum Teil für Menschen die das Stadion mit einer gültigen Karte betreten haben, und dann durch ein nicht näher spezifiziertes Verhalten Beihilfe geleistet haben sollen, dass andere Personen das Stadion ohne Karte betreten haben. Dies würde einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Stadionordnung darstellen. Bei dem Sachverhalt halte ich es schon für fraglich ob es bundesweites SV welches eventuell Grundlage für weiter Repressionen sein könnte, das letzte Mittel des Vereins war. Wenn ich mir alleine angucke wie viele Becher bei jedem Spiel fliegen und damit ernsthaft Leute in den unteren Reihen gefährden…

  3. Blogrentner Blogrentner

    Moin, wir schrieben schon zu Beginn des Artikels, dass wir das allgemein und weniger auf die konkreten Fälle meinten. Wir wollen uns an Gerüchten auch ganz bewusst nicht beteiligen.

  4. Gerd Gerd

    Dann versteh ich euren Text einfach nicht. Als Reaktion auf die recht deutliche Kritik beim Derby sagt ihr, ihr nehmt euch Zeit, schreibt dann 2 Monate später einen Artikel. Im ersten Teil kritisiert ihr SVs im zweiten verteidigt ihr explizit Oke der damals einiges der Kritik abbekommen hat. Dann soll der Text aber gar nichts mit der aktuellen Situation zutun haben ?

    Zitat: „ Es ist also bitter, wenn sich Vereine aus den oben genannten Gründen gezwungen sehen, zu dieser Eskalationsstufe zu greifen.“

    Wo war denn der Verein bei der aktuellen Lage zu den SVs gezwungen ? Das würde mich mal interessieren….

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