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Zahlen, Zahlen, Zahlen und ein bisschen Statistik-Trickserei

Wie jedes Jahr veröffentlichte die Zentrale Informationstelle Sporteinsätze (ZIS) ihren Jahresbericht zur vergangenen Fußballsaison. Der Bericht der Saison 2022/23 bezieht sich auf den Zeitraum vom 01.07.2022 bis 30.06.2023. Alle unsere Erkenntnisse daraus beziehen sich auf den Stand vom 15.11.2023.

Disclaimer
Erstens: Glaube keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast. Das gilt immer. Besonders aber bei Polizeistatistiken und Fußball. Den am Ende des Tages ist diese Statistik die Rechtfertigung für die ganzen Wasserwerfer, Hubschrauber und Hundertschaften, an die wir uns inzwischen leider schon gewöhnt haben. Sie ist die Rechtfertigung für den Polizeieinsatz im Gästeblock gegen Hannover und für die Forderung nach Kostenübernahme durch die Vereine. Dementsprechend sind manche Statistiken in dem Bericht etwas komisch dargestellt und Zahlen in interessanten Kategorien zusammengefasst.

Zweiter Disclaimer: Wir sind keine Statistiker. Wir haben uns den Bericht durchgelesen, uns die Zahlen angeschaut und daraus unsere Schlüsse gezogen. Ja, auch das ist nicht neutral. Aber wir sind ja auch ein kommunistischer Pöbelblog und keine staatliche Stelle. Es kann gut sein, dass wir uns irgendwo verrechnet haben. Seht uns das nach.

Dritter Disclaimer: Wir schreiben von Straftaten, Tatorten und ähnlichem. Uns ist bewusst, dass wir hiermit die Sprache der Cops übernehmen. Um für euch den Abgleich mit dem Bericht zu erleichtern und Verwirrungen und Missverständnisse vorzubeugen haben wir uns entschlossen das Vokabular zu adoptieren. Seid euch sicher, dass wir die Begriffe und Definitionen der Polizei mindestens genauso kritisch sehen wie ihr. Bedenkt dabei auch immer, dass die Cops eingeleitete Strafverfahren erfassen. Was am Ende daraus wird, ob die zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen, ob die eingestellt werden oder sich sofort als Blödsinn entpuppen, ergibt sich aus den Zahlen nicht.

Vierter Disclaimer: Wir haben versucht das alles so aufzuschreiben, dass es auch ohne den Bericht verständlich ist. Wir empfehlen euch aber natürlich euch den Bericht selbst runterzuladen und durch zu lesen. Ihr findet den auf der Seite der Polizei NRW, die wir hier aus Gründen nicht direkt verlinken.

Grundlagen


Die Berichte der ZIS vergleichen normalerweise immer die Zahlen der abgelaufenen Saison mit der davor. Da die Saison 2022/23 die erste Saison war ohne Corona Einschränkungen werden die aktuellen Zahlen immer mit der Vorcorona-Saison 2018/19 verglichen. Der Bericht legt die Statistiken für die ersten drei Ligen, den DFB Pokal, die fünf Regionalligen, die europäischen Wettbewerbe, ausgetragen an Standorten der ersten drei Ligen und sonstige Spiele dar. Sonstiges ist eine Kategorie, die einem in dem Bericht öfters über den Weg läuft und die nur einmal halbwegs zufriedenstellend erklärt wird. Aber dazu später mehr. Insgesamt bezieht sich der Bericht auf 1157 Spiele, bei 54 Vereinen und 56 Mannschaften, mit insgesamt 26,48 Millionen Zuschauer*innen. Dies ist ein Anstieg bei der Zuschauer*innenzahl um 2,63%. In der 2. Liga stieg die Zahl der Zuschauer*innen um eine Million Menschen an. Wohingegen in der 1.Liga die Zuschauer*innenzahl um 200 000 zurückging. Wichtige Anmerkung: Bei der Anzahl der Zuschauer*innen handelt es sich nicht um 26,48 Millionen einzelne Menschen. Heißt, wenn man eine goldene Saison fährt, ist man automatisch 34-mal in dieser Zuschauer*innenstatistik vertreten. Deswegen muss man aufpassen, wenn man zum Beispiel die Anzahl der Kategorie B Fans auf die gesamte Anzahl der Zuschauer*innen rechnet. Rechnet man die 26,48 Millionen runter auf einen Spieltag ergibt das im Schnitt 778.823 Zuschauer*innen jedes Wochenende.

Wir haben uns besonders die Liga-Wettbewerbe mit Fokus auf die 2. Liga, angeschaut. Da wir erst nächste Saison europäisch spielen, ist das noch ein Zukunftsproblem und sind wir ehrlich, wir sind froh, dass wir uns nicht mehr mit der Regionalliga beschäftigen müssen.

Das Problem mit der Vergleichbarkeit

Wie bereits beschrieben vergleicht der Bericht die Saisons 2022/23 und 2018/19 da beide ohne Corona Einschränkungen abliefen umso eine Vergleichbarkeit zu schaffen. Allen sollte aber beim Lesen des Berichts klar sein, dass es bei einer so heterogenen Gruppe wie Fußballfans keine 100 % Vergleichbarkeit geben kann und Veränderungen in den vorgelegten Zahlen immer mit Vorsicht zu genießen sind. Schon die Zusammensetzung der Liga macht einen Unterschied. Von den Vereinen die in der Saison 18/19 noch in der 2. Liga gespielt haben sind im Vergleich zu 22/23 acht Mannschaften auf oder abgestiegen. Oder andersherum formuliert: Nur zehn der hier verglichenen Fanszenen waren in beiden Jahren in der 2. Liga vertreten. Aber selbst wenn in beiden Jahren dieselben Mannschaften in der 2. Liga gespielt hätten, unterliegen Fanszenen einer Fluktuation. Und vier Jahre sind eine lange Zeit. Externe und interne Faktoren beeinflussen wie Fanszenen und besonders einzelne Menschen in ihnen agieren, sodass ein Vergleich niemals exakt sein kann. Wie die Rauten am 32. Spieltag agieren wird stark davon abhängig sein, wie die Tabellensituation dann ist. Wenn wir in ihrer Schüssel aufsteigen und die in die 3. Liga müssen hat das eine ganz andere Dynamik, als wenn dann der Tabellen 9. gegen den 10. spielt. Das ist aber ein Faktor, der sich nur schwer statistisch erheben lässt und somit auch nicht berücksichtigt wird, der aber einen indirekten Einfluss auf das Ergebnis der Statistik hat. Genauso kaum erfassbar aber einen starken Einfluss habend ist das Verhalten der Polizei. Ein aktuelles Beispiel: Nach dem Spiel gegen Hannover gingen in die Verletzten-Statistik viele Verletzte durch „Störer“ und „PVB“ ein. Dies geschieht aber nur, weil die Cops mit Schlagstock und Pfefferspray in den Block reinprügeln. Bleiben sie weg, geht der Abend komplett anders aus und die Statistik bleibt für den Abend höchstwahrscheinlich leer bzw. sehr klein.

Gewaltpotential

Weiterhin teilt die Polizei Fußballfans in drei Kategorien ein. Kategorie A friedlicher Fan, Kategorie B gewaltbereiter/- geneigter Fan und Kategorie C der gewaltsuchende Fan. Kategorie B Fans sind also Fans, die zwar zu Gewalt bereit sind aber sie nicht aktiv suchen. Kategorie C Fans sind aktiv auf der Suche nach Gewalt. Ja, wir fragen uns auch, wie die Cops das unterscheiden und ob wir, wenn wir im Block mal wieder „Der hätte tot sein können“ brüllen auch schon in Kategorie B fallen. Was sofort auffällt: Der Bericht spricht in allen drei Kategorien von „Fans“. Also nicht nur, dass wir die Unterteilung in Fans und „Fans“ für vollkommen sinnlos und nicht zielführend halten, wenn selbst der friedliche Fan nur „Fan“ ist, wer ist dann noch Fan? Und in welche Kategorie fallen Schreiber*innen eines kommunistischen Pöbelblogs? Wir sind verwirrt und haben Fragen. Aber kommen wir zurück zu den „Problem“fans. Laut dem Bericht fallen in Liga 2 insgesamt 4.517 Personen in die Kategorie B und C.

Bei dem was die Cops in der letzten Zeit bei Spielen so aufgefahren haben, denkt ihr jetzt bestimmt „Oh mein Gott, dass sind bestimmt 50 % aller Zuschauer*innen“. Schauen wir uns das einmal an. Die 2. Liga hatte letzte Saison insgesamt 6.800.000 Zuschauer*innen. Das sind 200.000 Menschen pro Spieltag und knapp 22.222 pro Spiel. Insgesamt fallen an einem Spieltag 2,2% der Zuschauer*innen in die Kategorie B und C. 1,8% in Kategorie B (3.681) und 0,4% in Kategorie C (836). Wichtig dabei ist, dass dies keine absoluten Zahlen sind, sondern diese auch nur von den Cops geschätzt werden. Also selbst, wenn wir diese Zahlen mal glauben wollen, dann sind 97,8 % aller Zuschauer*innen an einem Spieltag für die Cops „friedlich“. Aber mit „97,8 % aller Fußballfans sind friedlich“ lässt sich halt kein Wasserwerfer bestellen. Und dabei haben wir vollkommen außer Acht gelassen, dass diese Kategorien und wie die Polizei da einteilt höchst undurchsichtig und fragwürdig ist.

Verletzte Personen, Strafverfahren und freiheitsentziehende/-beschränkende Maßnahmen

Wenn wir euch Fragen würden, was ihr schätzen würdet, wie viele Polizist*innen an 34 Spieltagen in allen drei Ligen insgesamt egal durch was(!) verletzt wurden, was wäre eure Antwort?
*Hier Jeopardy-Musik einfügen*
Richtig: 220.
Das ist Rückgang um 19,11%.

Die Statistik der ZIS unterteilt die Verletzten in PVB (Polizeivollstreckungsbeamt*innen – mussten wir auch erst googeln), Störer, Ordner und Unbeteiligte/Geschädigte. Was ist, wenn ich Unbeteiligte bin aber sonst unter Störer*in gezählt werde? Naja egal, diese vier Oberkategorien werden im Bericht nochmal in vier Unterkategorien geteilt. 220 Verletzte davon Bundesliga, davon 2. Bundesliga, davon 3. Liga, davon Bundespolizei (BPol). Da, laut Bericht, auf Anreisewegen nicht klar zu differenzieren sei, zu welcher Liga die Verletzte gehören werden die Verletzten im Zuständigkeitsbereich der BPol gesondert ausgewiesen. Naja, wir sind uns eigentlich relativ sicher, dass auch die Cops erkennen ob da nun Borussia Dortmund oder Ingolstadt vor ihnen steht. Aber okay.

Juristischer Einschub: Störer ist erstmal ein polizeirechtlicher Begriff, der nix mit einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu tun hat. Die Polizei nutzt solche Begriffe bewusst, da Störer im Polizeirecht auch der zufällig im Weg stehende sein kann und sie so den „die haben das verdient, weil sie was gemacht haben“ Reflex der Öffentlichkeit bedienen können. Und Zahlen so auch manipulieren können.

Die Verletzten werden neben Liga und BPol noch in „davon Pyrotechnik“, „polizeilicher Reizstoff“ und „Sonstiges“ unterschieden.

„Ja, aber liebster Pöbelblock“ sagt ihr jetzt bestimmt, „dass war bestimmt alles Pyro“ dann müssen wir euch enttäuschen. Von den 220 verletzten Beamt*innen wurden 12 durch Pyrotechnik verletzt. 30 Cops durch ihr eigenes oder das Pfefferspray ihrer Kolleg*innen. Am meisten Verletzte hat die Kategorie „Sonstiges“. Der Bericht weist leider nicht aus, was alles in diese Kategorie fällt. Von gestolpert, gegen die Wand gelaufen, sich an Papier geschnitten oder Becher auf den Kopf kann das alles sein. Auch in der Überkategorien „Störer“ und „Ordner“ (wir hatten schon erwähnt, dass der Bericht nur bei Beamt*innen gendert oder?) ging die Zahl der Verletzten deutlich zurück. Bei den Störer*innen um 24,47% und bei den Order*innen um 8,9%. Spannender weiße nahm die Anzahl der in der Kategorie „Unbeteiligte/Geschädigte“ mit einem Plus von 43,6% deutlich zu. Der Bericht erklärt leider nicht, woran das liegt. Er erklärt außerdem nicht, wie genau diese Zahlen erfasst werden. Insgesamt ist die Zuschauer*innen Zahl in den Ligen angestiegen. Es kann auch mit der Zusammensetzung der Ligen zu tun haben *hust Rostock hust*. Und natürlich bleibt immer die Frage, was als Verletzung registriert wird. Der Bericht impliziert hier, durch die vorherige Kategorisierung „Pyrotechnik“ und „pol. Reizstoff“, dass die Verletzungen durch einen anderen Menschen beigeführt wurden. Es ist aber genauso möglich, dass „ist betrunken die Treppe heruntergefallen“ auch in die Kategorie „Sonstiges“ fällt.

Insgesamt gab es 82 Verletzte durch Pyrotechnik und 89 Verletzte durch pol. Reizstoff. In die Kategorie Sonstiges fallen 1032 Verletze. Was – wie oben schon erwähnt – immer richtig gute Statistik ist, wenn „Sonstige“ die mit Abstand größte Zahl ist. Zieht daraus eure eigenen Schlüsse. Aber vielleicht ist Pyrotechnik nicht das große Problem so wie es immer dargestellt wird?

Der Bericht stellt nun die Anzahl der eingeleiteten Strafverfahren dar, unterteilt dadurch wer das Strafverfahren eingeleitet hat (Länderpolizeien vs. Bundespolizei). Strafverfahren innerhalb oder um die Stadien herum werden meist durch die Länderpolizeien eingeleitet, Strafverfahren auf dem Anreiseweg durch die Bundespolizei.

Der Bericht gibt aus, dass es inklusive DFB Pokal 5.810 eingeleitete Strafverfahren gab, das sind 3,25% mehr. Spannenderweise wird hier der DFB Pokal mit in die Statistik genommen wohingegen er bei den Verletzen hinausfällt wegen der Unvergleichbarkeit, weil sich die Teampaarungen jede Saison ändern.

Siehst man sich die Zahlen genau an, dann fällt auf, dass die eingeleiteten Verfahren durch die Länderpolizeien in der Bundesliga (-4,7%), 3. Liga (-28%) und DFB-Pokal (-14,2%) deutlich zurückgegangen sind. Einzig in der zweiten Liga sind die Strafverfahren deutlich in die Höhe gegangen um 25% bei 17,2% mehr Zuschauenden. Wie sich dies erklären lässt? Auch hier können wir nur mutmaßen. Die Zusammensetzung der Liga und auch die Schnelligkeit mit dem Strafverfahren eingeleitet wurden, kann ein Erklärungsansatz sein.

Die Zahlen der Länderpolizeien weisen insgesamt über alle vier Wettbewerbe einen Rückgang der Strafverfahren von 3,2% aus. Der deutliche Anstieg ergibt sich durch die gestiegene Anzahl der Verfahren durch die Bundespolizei. Diese sind in Liga 1 und 2 deutlich angestiegen. In der 2. Bundesliga waren es 2018/19 234 Verfahren. 2022/23 waren es hingegen 516. Das sind 282 mehr. Was man hier natürlich auch nie vergessen darf: Eine Regiofahrt, bei der alle Anwesenden einer mittelgroßen Fanszene eine Anzeige wegen Landfriedensbruch kassieren, kann bei diesen Zahlen schon die ganze Statistik auf den Kopf stellen.

Bei der Art der Strafverfahren belegt die Körperverletzung mit 378 Fällen den ersten Platz. Darauf folgt die Kategorie Sonstiges mit 314 Fällen. Diesmal wird in dem Bericht die Kategorie aber immerhin teilweise erklärt. Hierbei handelt es sich unter anderem, um Verstöße gegen § 145d Vortäuschen einer Straftat (Der Jurist des Kollektivs war erstmal sprachlos!), § 185 Beleidigung und § 315c Gefährdung des Straßenverkehrs. Anschließend folgen 281 Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz. Der Bericht weist hier darauf hin, dass die „Dunkelziffer“ deutlich höher liegt, da Pyrotechnik auf Grund der Menge an Fällen in vielen Ländern zunehmend als Ordnungswidrigkeit gewertet werde. (Dazu zwei Anmerkungen des Hausjuristen: 1. eigentlich kann man sich nicht als Land aussuchen, ob das eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit ist. Was der Bericht da schreibt ist irgendwie komisch. 2. Was so ein Pyro eigentlich juristisch ist, steht schon sehr lange auf meiner To Do Liste für einen Artikel) Es folgen Sachbeschädigung (ja, das ist Toilettenzertreten aber auch Sticker) mit 116 Fällen und der Verstoß gegen da Betäubungsmittelgesetz mit 110 Fällen. Übrigens wurden laut der Statistik nur 15 Leute beim Schwarzfahren erwischt („Erschleichen von Leistungen“, ja das ist immer noch eine Straftat) was uns dann irgendwie etwas wenig vorkommt so auf eine ganze Saison gesehen. Rechtsmotivierte Straftaten wurden 31 registriert. Insgesamt kommt die 2. Liga damit auf 1.520 Strafverfahren.

Über die drei Ligen hinweg betrachtet, weißt die 2.Liga den höchsten Prozentualen Anteil an Verstößen gegen das Sprengstoffgesetzt aus: 2.Bundesliga: 15,4%, Bundesliga: 12,7%, 3. Liga: 10,4%. Auch im Bereich rechtsmotivierte Straftaten führt die 2. Bundesliga mit einem prozentualen Anteil von 2,2% knapp vor der 3. Liga (2,1%) und der Bundesliga (1,2%). Die prozentual meisten Körperverletzungsdelikte gibt es in der Bundesliga: 26,4%. Auch im Bereich Sonstiges führt die Bundesliga den Vergleich an (48,4%). Im Vergleich ist die 3. Liga bei Widerstand (3,1%), Landfriedensbruch (2,3%) und Sachbeschädigung (17,2%) führend.

Kommen wir zu einer guten Nachricht: Die Anzahl der strafprozessualen und gefahrenabwehrenden Maßnahmen durch die Länderpolizeien sind in allen Ligen und im DFB-Pokal stark rückläufig. Über alle vier Wettbewerbe hinweg liegt der Rückgang bei einem Minus von 87%. Der größte Rückgang bei den strafprozessualen Maßnahmen verzeichnet hierbei der DFB-Pokal mit -60,3%. Ja, wir haben uns auch gefragt was in der Saison 18/19 im DFB Pokal so lief. War das Rostock – Nürnberg? Bei den gefahrenabwehrenden Maßnahmen führt die 2. Bundesliga mit einem Minus von 79,9%.

Woran das liegt? Zum einen natürlich wieder an der Vergleichbarkeit und der Zusammensetzung der Liga in den beiden Saisons. Zum anderen an der Datei Gewalttäter Sport. Über die Coronasaisons waren keine bis nur sehr wenige Fans im Stadion. Folglich wurden konnten auch keine neuen Namen erfasst werden. Zudem werden immer mal wieder Einträge gelöscht. Am 31.12.2019 lag die Anzahl der in der Datei erfassten Personen noch bei 9.500. Am 31.12.20222 waren es „nur noch“ 5.016. Mitten des Jahres lag die Zahl übrigens schon wieder bei 5.712. (https://www.sportschau.de/fussball/bundesliga/fussball-datei-gewalttaeter-sport-rekordtief-100.html#:~:text=Ende%202022%20waren%205.416%20Fu%C3%9Fballfans,als%206.000%20gespeicherte%20Anh%C3%A4nger%20gegeben.).

Jetzt werdet ihr Fragen, wo der Zusammenhang ist. Ganz einfach: Ob und bei wem die Polizei also gefahrenabwehrende Maßnahmen ergreift, hängt stark davon ab, wer und wie viele in ihrer „tollen“ Datei stehen und lässt erstmal wenig Rückschlüsse zu, ob die Saison friedlicher abgelaufen ist als die andere. Zumal auch hier, dass Verhalten der Cops eine große Rolle spielt. Der Bericht selbst nennt als Beispiel das Spiel der Bayern in Bremen am 31. Spieltag der Saison 22/23. Bei dem „nach massivem Missbrauch von Pyrotechnik nach dem Spiel eine Kontrollstelle eingerichtet worden war“. Was das genau heißt? 400 Identitätsfeststellungen bei den Bayern Fans. Das heißt das. Solche Aktionen haben natürlich Einfluss auf die Statistik.

Interessant ist die Diskrepanz zwischen Länderpolizeien und der Bundespolizei im Bezug auf die strafprozessualen und gefahrenabwehrenden Maßnahmen. Während sie bei den Länderpolizeien in allen Bereichen rückläufig sind, haben die strafpozessualen bei der Bundespolizei in Liga 1 und 2 massiv zugenommen. Insgesamt reden wir hier von einem Anstieg um 57% (von 1.483 auf 2.329). In der Bundesliga von 537 Maßnahmen auf 1.653, was einem Anstieg von 202% entspricht. In der zweiten Liga ist der Anstieg nicht ganz so heftig. Hier reden wir von einem Plus von 60%. Spannenderweise gingen in der 3. Liga die prozessualen Maßnahmen um 73% zurück.

Bei den gefahrendabwehrenden Maßnahmen verzeichnet auch die Bundespolizei deutliche Rückgänge. Insgesamt wurden nur 72 gefahrenabwehrende Maßnahmen über alle vier Wettbewerbe hinweg ergriffen, was einem Rückgang von 84% entspricht. In der Bundesliga wurden im Vergleich zu den 283 Maßnahmen in der Saison 18/19 nur 9 Maßnahmen (-97%) ergriffen. In der 2. Bundesliga gab es ein Minus von 119 Fällen (133 zu 14) was ein Minus von 89% bedeutet. In der 3. Liga (49 Maßnahmen) und im DFB Pokal (0 Maßnahmen) blieben die Zahlen gleich.

Warum dies so ist? Wir haben keine Erklärung.

Wichtig zu wissen bei den Zahlen ist, dass eine Person erst einer gefahrendabwehrenden und dann einer strafprozessualen Maßnahme unterzogen werden kann und dies in der statistisch separat erfasst wird, und somit eine Person beim gleichen Sachverhalt zweimal in der Statistik auftauchen kann.

Insgesamt gingen auch die Stadionverbote deutlich zurück. Im Bericht ist zu lesen, das im August 2023 340 Stadionverbote in den ersten drei Ligen aktiv waren. Der Bericht erklärt dies damit, das „Verbände und Vereine die Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten nur selten anwenden und somit dieses präventive Instrument weitestgehend ungenutzt lassen.“ Wir halten dies nicht für den richtigen Erklärungsansatz. Der Rückgang um 75% ist aus unserer Sicht auch mit den Coronamaßnahmen zu erklären. Stadionverbote sind befristet. Während Corona sind viele ausgelaufen und da keine Zuschauenden in den Stadien waren, konnten auch keine neuen erfasst werden.

Von Tatorten und Drittortauseinandersetzungen

Wo finden denn nun eigentlich diese ganzen Straftaten statt, die die Polizei so fröhlich erfasst hat? Bei den Länderpolizeien finden die meisten Straftaten im Stadion, ums Stadion oder ums Stadion herum (Stadtgebiet) statt. Die Bundespolizei erfasste vor allem Straftaten an und um Bahnhöfen und in Zügen.

In der 2. Bundesliga finden die meisten Straftaten im Stadion statt, 42,2%. Anschließend folgen Bahnhöfe (19,1%), das Stadionumfeld + Parkplatz (15,9%, das Stadtgebiet (14,9%) und der Reiseweg Schiene mit 7,7%. Ist Reiseweg Schiene nicht eine herrliche Formulierung? „Wie seid ihr nach Fürth gefahren?“ – „Wir wählten den Reiseweg Schiene.“ Im Stadion, Stadionumfeld + Parkplatz und an Bahnhöfen nahm der prozentuale Anteil der Straftaten damit zu. Auf dem Reiseweg Schiene blieb er gleich. Im Stadtgebiet nahmen die Straftaten hingegen deutlich ab. Dies lässt sich durch das Ende der Coronamaßnahmen und die damit verbundene Verlagerung der Fans zurück in die Stadien erklären.

Betrachtet man die Statistik Liga übergreifend. So ist der prozentuale Anteil an Straftaten im Stadion (48,0%) und im unmittelbaren Stadionumfeld + Parkplätze (22,2%) in der 1. Liga am höchsten. Die zweite Liga führt bei den prozentualen Anteilen im Bereich Stadtgebiete und Bahnhöfe. Die prozentual meisten Straftaten auf dem Reiseweg Schiene finden in der 3. Liga statt (9,4%).

Unser absoluter Lieblingsabschnitt im kompletten Bericht ist der Absatz zu Drittortauseinandersetzung. Wir zitieren direkt: „Solche Störer gehen vielfach planmäßig und konspirativ vor, um polizeiliche Maßnahmen zu entgehen und körperliche Auseinandersetzungen verabredet mit Gleichgesinnten der gegnerischen Lager vollziehen zu können. Von einem Dunkelfeld muss in diesem Zusammenhang ausgegangen werden“ Yeah, no shit Sherlock. Wir sind ja der Meinung, wenn sich zwei Leute (oder mehr) auf die Nase hauen wollen, alle damit einverstanden sind (Consent und so) und es klare Regeln gibt, sollen sie das tun. Man darf nie vergessen: Dritte stören sie damit nicht. Der Gesetzgeber (und die BGH Rechtsprechung) sieht das allerdings etwas anders.

Überstunden, muss das sein?

Ach ja, haben wir es nicht alle in den Ohren: Das Gejammer der Cops und der Gewerkschaften über die vielen Überstunden und wie schrecklich es doch alles sei und dass doch nur nichts passiert ist, weil sie so präsent waren. (Ahahaha siehe Hannover).

Schauen wir uns die Statistik einmal an:
Bei 1.157 Spielen an den Standorten der ersten 3 Ligen kamen die Länder und Bundespolizei zusammen auf 2.418.193 Arbeitsstunden. Dies sind 213.595 mehr als in der Saison 18/19. Auf ein Spiel runter gerechnet macht dies 2.090 Stunden. Gehen wir jetzt mal von einem 8-Stunden Tag aus während dies 216,25 Polizist*innen pro Spiel. Ihr könnt euch jetzt überlegen, ob zwei Hundertschaften bei jedem Spiel wirklich nötig sind.

Während bei den Länderpolizeien die Arbeitsstunden in Liga 3 (-4,14%) und im DFB Pokal (-5,43%) zurückgegangen sind, haben sie in der Bundesliga (+9,34%) und in der 2. Liga (+10,72%) zugenommen.

Noch krasser sind die Zahlen der Bundespolizei. Diese verzeichnet auch einen Rückgang in Liga 3 (-0,79%). Im DFB Pokal ging die Anzahl der Arbeitsstunden sogar um 52,88% zurück (Von 56.650 auf 26.691). Wo wir wieder bei der Frage wären, was war in der Saison 18/19 im DFB Pokal los?

In der Bundesliga stiegen die Arbeitsstunden von 169.160 auf 230.269, also um 36,2%. Den Vogel abschießen tut die Bundespolizei allerding in der 2. Liga. Dort stiegen die Arbeitsstunden um 61,9% von 124.312 auf 201.324.

Vergleicht man nun die Zahlen der Strafverfahren und wer sie eingeleitet hat, mit den Arbeitsstunden fällt etwas Spannendes auf. In der 2. Bundesliga kam es bei einem Plus an Arbeitsstunden von 10,72% zu 25% mehr eingeleiteten Strafverfahren durch die Länderpolizeien. Bei der Bundespolizei folgten auf 61,9% mehr Arbeitsstunden 120,51% mehr Strafverfahren. Die Logik der Polizei „Mehr Polizei = weniger Straftaten“ scheint zumindest in Liga 2 nicht aufzugehen. Dagegen spricht ja auch das sogenannte
Lüchow-Dannenberg-Syndrom https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCchow-Dannenberg-Syndrom, dass garantiert auch für Fußballspiele gilt. Wir können aber sicher sein, dass die Statistik der Grund für das teilweise massive Polizeiaufgebot und harte Einschreiten der Cops ist. Die sehen das nicht als „ist zu viel und provoziert“, sondern als absolute Legitimation noch härter und mit noch mehr Polizeikräften gegen Fußballfans zu agieren.

Was nehmen wir jetzt aus diesem Zahlensalat mit?

Pyro produziert tolle Bilder, die man wunderbar skandalisieren kann, ist aber bei weitem nicht so ein großes Problem, wie es Presse und Cops immer darstellen.

Es gibt mehr Verletzte durch polizeilichen Reizstoff als durch Pyro

Mehr polizeiliche Arbeitsstunden führen nicht zu weniger Straftaten

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