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Das Spätwerk von Fettes Brot

„Des einen Freud – des andren Leid. Sie wusste über Freud bescheid“ sang die Playlist unseres Autos und wisst ihr wir finden das passt ganz gut zum heutigen Tag. Aber fangen wir von vorne an. 

Die Ruhe vor dem Sturm? 

Wir sind ehrlich: Uns war sehr unwohl vor dem Spiel. Die Anfahrt zu den Spielen nach Rostock ist ja immer so eine Sache. Die Bahn stellt keinen Entlasster und irgendwie sollen 2600 Menschen in einen Zug passen, der nur alle zwei Stunden fährt. Ach und ca. ne Woche vor Anpfiff fällt ihnen ein, dass das Wochenende unseres Auswärtsspiels doch perfekt wäre um auf der Strecke Hamburg – Rostock ein bisschen zu bauen. Neue Anreiseempfehlung: Nehmt den Zug um 6:00 oder 8:00 und dann um 17:00 oder 19:00 zurück. Eine Mitnahme kann nicht garantiert werden. Ja, lasst uns kurz drüber nachdenken: Nein. Also entscheiden wir uns fürs Auto. Auch nicht geil aber besser als Zeit in Bad Kleinen verbringen zu müssen. 

Uns war vor dem Spiel unwohl. Es war ruhig. Zu ruhig. Keine Ansagen, keine wilden Aufforderungen und keine Schweineköpfe an irgendwelchen Autobahnbrücken. Enttäuschend. Aber auch beunruhigend. Wir wissen lieber, was Sache ist. 

Brum brum brum auf der Autobahn

Das Auto fährt, die Playlist spielt Hits unserer Teenagerzeit (über Details schweigen wir uns an dieser Stelle aus), wir haben Franzbrötchen und Kakao. Läuft bei uns. Der Plan ist klar: Wir halten ein mal, noch weit vor Lübeck. Der Plan geht nicht auf, also doch in Lübeck an die Tanke. Was sollen wir sagen? Wir treffen auf zwei Rostocker, die jedem Klischee alle Ehre machen. „Fuck St. Pauli“ – Hoodie und weitere rassistische Pins und Aufkleber. Dass die aber auch immer jedes Vorurteile über sich bestätigen müssen. Ach ja. 

Wir fahren entspannt weiter, kommen sicher durch den Schneeregen (igittigitt) und gut auf den Gästeparkplatz. Das hätten wir also schon mal ohne Probleme geschafft. 

Brücke mit „Scheiss St. Pauli“ drauf
Immer gut freundlich begrüßt zu werden.

Bitte warten Sie … Please hold the line … Der nächste freie Shuttlebus ist gleich für sie verfügbar

Wisst ihr, dass mit den Shuttlebussen in Rostock ist so eine Sache. Wir haben da schon sehr unschöne Erfahrungen gemacht. Und wahrscheinlich schon 40 Ideen entwickelt wie es besser funktionieren würde. Wie immer sammelte sich alles auf dem Bahnhofsvorplatz. Richtung Straße standen die Cops an Gittern. Eher Mittig ein Kommunikationsbeamter der Bundespolizei, der über ein Mikrophon immer wieder Durchsagen machte. An dem Zaun gab es drei Durchgänge, die immer, wenn die Busse da waren, geöffnet wurden. Betonung ist hier auf wenn. Es wurden immer drei Busse auf einmal vollgemacht. Dann standen die erstmal voll ein bisschen rum, fuhren irgendwann weg und dann kam erstmal ne ganze Weile kein Bus mehr. 

Wie immer ist es sehr gut, dass unsere Leute in dieser Situation so gelassen reagieren. Ja man regt sich auf und meckert, aber keiner wird aggressiv oder so. Aber natürlich werden auch die gelassensten Leute irgendwann unruhig, wenn die dritte Runde Shuttlebusse weggefahren sind und man immer noch in der Menschenmenge steht. Da helfen auch die Ansagen des Kommunikationsbeamten nichts. Und ja, natürlich ist es aus seiner Sicht vollkommen richtig zu sagen, alle sollen doch mal ein paar Schritte zurückgehen, aber wir wissen alle, wie gut das in Menschenmassen, die eigentlich von einem Ort wegwollen, funktioniert. 

Um so näher wir zum Durchlass zu den Shuttlebussen kommen, um so enger wird es. Aber nie so eng, dass man sich immer mit den Händen und dem Schritt an den Hintern der Vorderfrau lehnen müsste. Alter! 

Die Erklärungen warum, dass mit den Shuttlebussen nicht klappt sind, sagen wir mal, kreativ. Fachkräftemangel, Bahnübergang, Wetterbedingungen. Eins davon haben wir uns ausgedacht. Wisst ihr welches? Wichtig aber immer: Schuld ist niemals die Polizei! 

Irgendwann (nach über 45 Minuten) schaffen wir es in einen Bus und schon stehen wir vorm Stadion. 

Weil wir schon beim Thema Shuttlebusse sind, nehmen wir mal den Rückweg zum Bahnhof vorweg: Das klappt überraschend gut. Ja, wir werden wieder hinter einem Zaun zurückgehalten, aber im Gegensatz zu sonst standen wir immerhin vor dem großen Zaun und hinter dem kleinen. Positiv: Es stehen gleich alle Busse bereit. Theoretisch könnte man also Busse voll machen und weg fahren und dann gleich die nächsten. Nur, dass die Busse leider keine Freigabe bekommen und dann doch erstmal wieder voll rumstehen. Sind wir hier am Flughafen oder warum brauchen die eine Startfreigabe? Alles in allem sind wir aber positiv überrascht, besonders vom Rückweg. Um 15:40 sind wir schon zurück an unserem Wagen. Wir warten dann bis alle da sind und kommen dann auch problemlos weg. 

Polizisten wissen was zu tun ist, denn sie haben Funkverkehr 

Uns war auch unwohl, weil wir das Handeln der Polizei vorab null einschätzen konnten. Die Bilder vom letzten Heimspiel noch im Kopf, waren im wir Zweifel auf alles gefasst. Um so positiver überrascht waren wir von der ruhigen und entspannten Art und Kommunikation. Ja es wurde auch das klassische “ Wir stellen uns in Zweierreihen auf und nehmen den Helm auf und ab“-Spiel vor dem Stadion gespielt. Aber dass es einen Unterschied macht, ob man direkt von behelmten Cops mit Schlagstock, Kamera und Pfefferspray im Anschlag begrüßt wird oder ob die relativ locker da stehen und sogar ein bisschen lustig auf die dummen Sprüche aus der Fanszene reagieren. Man muss ja auch mal loben. Aber wenn man das lobt, zeigt es auch wie wenig Anspruch man an Polizeiverhalten heutzutage hat. Man geht schon beinah automatisch von Handeln wie in Frankfurt gestern (Solidarität!) aus. Aber Leute, wir reden trotzdem nicht mit denen! Auch und insbesondere nicht mit Kommunikationsbeamt*innen. Btw wie ist das eigentlich mit den Symbolen auf deren Rücken. Ist das eine Art Quartett? Muss man 5 von einer Farbe oder alle verschiedenen Formen sammeln? 

So richtig verstehen wir das Einsatzkonzept der Cops wie immer trotzdem nicht. Der eine Rasthof wird mit 5 Wagen bewacht, am nächsten steht keiner. An der einen Stelle wird ein Hauszugang sehr genau beobachtet, aber das Restaurant gegenüber interessiert keinen. Stell dir vor du gehst zur Polizei weil du Menschen helfen willst (wir haben gehört, sowas soll es geben) und dann stehst du da 8 Stunden und bewachst ein Verkehrsschild. Würde uns ja belasten. Aber wir würden auch nicht zu den Bayern …äh … Cops gehen. 

Das in der Luft vor dem Stadion bei Ein- und Auslass eine Drohne schwebt und permanet ein Hubschrauber über uns kreist nehmen wir inzwischen nur noch zu Kenntnis. Da war sie wieder unsere niedrige Erwartungshaltung. Was soll der Mist?

Der Einlass ins Stadion gestaltet sich zügig. Auch wenn die Wegführung ein bisschen einem Labyrinth gleicht. Die Ticketscanner funktionieren und es gibt genug Kontrollen für die Frauen. Die dann auch  teilweise wieder sehr genau sind  und dahin fassen wo es nicht sein sollte. Von oben im Block beobachten wir dann, dass es noch eine zweite Form der Kontrolle gibt. Manche (wir konnten uns nicht ganz erschließen nach welchem System), werden nach der Ticketkontrolle abgefangenen und von Herren, die angezogen sind wie die Ghostbusters, seperat sehr genau kontrolliert. Geldbeutel aufmachen, Taschen ausleeren, etc. 

Graue Ordner bei der genauen Durchsuchung.
Something Strange in the Fußballfan? Ghostbusters!

Nazischweine

Wir hatten vor Spielbeginn in Social Media schon Andeutungen zu der Choreo der Rostocker gesehen. Und schon nichts Gutes geahnt. Dass, was Rostock da präsentierte ist so widerwärtig und strotzt nur so von Glorifizierung eines rassistischen Pogrom, das schlägt dem Fass den Boden aus. Im unteren Teil des Blocks wurde eine große Blockfahne präsentiert auf dem das Sonnenblumenhaus zu sehen war. Auf Banneren darüber und darunter stand „FC Hansa Plattenbau Rostock“. Mit Anpfiff wurde oberhalb orangene Pyro gezündet während um das Haus herum schwarzer Rauch aufstieg. So dass es aussah als würde das Sonnenblumenhaus brennen. 

Wie deutlich willst du deine Zustimmung zu 1992 darstellen? Wie deutlich willst du deinen Hass auf alles dir Fremde abfeiern? Und kommt uns nicht mit „das war eine Gedenkchoreo“ oder irgendeiner sonstigen relativierenden Ausrede des Ganzen.. Die eh schon am Boden liegende Messlatte hat sich bis in den Erdkern gebohrt. Ihr seid Rassisten (Gendern da echt überflüssig) und findet euch auch noch geil dabei. Ihr steht Hitler Gruß machend (ja auch das durften wir auf der Gegentribüne bewundern) im Block und regt euch auf, wenn man euch als das betitelt was ihr seid: Nazis. Und der Rest steht daneben und spendet Beifall. Dass ihr euch nicht schämt. Nein, das ist keine Hahahahaha Provokation der Paulis, das ist zumindest Unterstützung von rassistischem Handeln. Da wird das unpolitisch ganz schnell politisch. Wer es feiert, das eine  Asylunterkunft mit Molotowcocktails angegriffen wurde, äußert sich politisch und zwar radikal rechts. Wenn man als Verein so eine Choreografie zulässt und im Nachklapp relativiert, wie der Präsident von Hansa das macht, dann stimmt man zu. 

Und kommt uns jetzt nicht mit, aber es gibt auch gute Rostocker. Ja, die gibt es. Wir kennen sie. Und diese äußern sich auch entsetzt in diesem Internet. Das lässt uns dann ja auch mal an das Gute glauben, aber leider nur kurz. Es kann nicht sein, dass so ein öffentliches Zurschaustellen von solchem Mist so breit abgefeiert wird. Es kann nicht sein, dass so etwas wieder und wieder und immer noch eine Schippe mehr passiert, die Referenz auf die Ereignisse 1992 immer deutlicher wird und dies alles unter dem Deckmantel „wir sind nicht politisch, das ist nur Provokation“ gerechtfertigt wird. Ihr seid politisch und das nicht in einem guten Sinne. 

Rot angestrahltes Dach im Gästeblock
Rostock erleuchten

Wir haben wirklich die Schnauze gestrichen voll. Es kann nicht sein, dass gedroht wird Spiele abzubrechen, weil ein alter weißer Mann sich auf den Schlips getreten fühlt, aber so eine riesen Blockfahne Minutenlang präsentiert wird. Viele hassende Grüße in diesem Zusammenhang auch nach Leverkusen. Ihr seid ebenso Dreck. 

Wir machen uns keine Hoffnungen, dass Hansa Rostock von alleine auf die Idee kommt, die Choreo zu verurteilen. Oder mal Grenzen zu definieren. Was soll nun als Nächstes gemacht werden „nur um St. Pauli zu provozieren?“ Und ihr wisst, wir sind beim besten Willen keine Fans von Strafen durch die DFL. Aber so kann es nicht weiter gehen. So etwas muss mehr Folgen haben, als ein paar tausend Euro Strafe. 

Kloprobleme 

Es gab gestern mehrfach die Situation das männlich gelesene Menschen auf das FLINTA* Klo gegangen sind. Grund war ein extrem hoher Bedarf an sitzenden Toiletten bei den männlich gelesenen Menschen. Und ein eher knappes Angebot. Wir hatten das Gefühl, dass da nicht klar war, dass so ein FLINTA* Klo ein sensibler Bereich und Safe Space ist. Gerade auswärts. Klar kann eine all Gender Nutzung okay sein, aber dann muss es kommuniziert sein und vor allem für alle FLINTA* cool sein. Was echt unangebracht ist, ist da Menschen anzupöbeln die auf diesen Umstand hinweisen. 

Und nein liebe männlich Gelesene: Das ist nicht das Gleiche wie andersherum. Nein, wir wollen hier gar nicht pöbeln oder verdammen, eher sensibilisieren. 

Im Stil einer Spitzmannschaft bis Minute 75 

Jetzt haben wir schon ganz schön viel geschrieben und ihr fragt euch bestimmt ob eigentlich auch Fußball war. Ohja der war auch noch. 

Es ging los, wie Fußballspiele in den letzten Jahren in Rostock immer los gingen: schlecht. Wir sind am Anfang überrascht von der Aggressivität der Rostocker, agieren fahrig, Freistoß, Spielunterbrechung weil Pyro, Freistoß,  Ecke, Handspiel Smith, Elfmeter gegen uns, Tor. Fertig. Können wir also wieder nach Hause fahren. Aber Hürzelers Mannschaft wäre ja nicht Hürzelers Mannschaft, wenn sie es nicht schaffen würden auch nach so einem Rückschlag das Spiel an sich zu ziehen und ihm seinen Stempel aufzudrücken. 

Was dann innerhalb von 8 Minuten passiert, ist eine absolute Machtdemonstration. Den Anfang macht Saliakas mit einem Traum von einem Tor. Aus 20 Metern zieht er ab und schweißt das Ding in die linke obere Ecke. Was für ein Tor. 1:1 Yes! Und Manolis macht einfach so weiter. 3 Minuten später ist er der Vorlagengeber für Hartel. Der schießt zu erst den Torwart an doch der Abpraller landet dann im Netz. Und weil alle guten Dinge gleich drei sind zieht Dapo in der 23. Minute vom Strafraumeck ab und schießt den Ball ins untere linke Eck. 1:3 Spiel gedreht. 

Von da an haben wir das Spiel absolut im Griff und erarbeiten uns auch noch weitere Chancen. Der Ball geht nur nicht ins Tor.

Und das geht auch sehr lange gut, bis zur 75. Minute. „Die müssen nur ein Tor machen und dann ist hier die Hölle los“, mahnte der Senior an. Und manchmal hassen wir es, wenn er recht hat. 

In der 78. Minute gibt es wieder Elfmeter für Rostock, diesmal wegen Foulspiel. 2:3 Fuck. Von da an wird es wild. Die 7 Minuten Nachspielzeit dauern gefühlt 20 Minuten und wir zittern ganz schön, bis der Schiedsrichter endlich zum Abpfiff pfeift. 

Es ist im Stil einer Spitzmannschaft nach so einem Rückschlag so dominat zurückzukommen und es bis zur 75 Minute so souverän runter zu spielen. Es wäre natürlich noch spitzenmannschaftiger, wenn man es schaffen würde, das 1:3 über 90 Minuten zu halten. Vielleicht ist es aber auch ein Zeichen, der Weiterentwicklung beim FCSP, dass wir zwar ins Schleudern kommen, Rostock aber eben nicht noch das 3:3 macht.

Wir fahren nach Hause – Ihr müsst hier wohnen 

Nach Abpfiff endloser Jubel im Gästeblock. Wie oben bereits beschrieben kommen wir relativ gut weg aus dem Stadion und sind auch schnell wieder am Auto. Scheiße war das kalt heute. Können wir mal darüber diskutieren Fußball zu einem Sommersport zu machen? 

Wir sitzen noch ein bisschen im Auto, fangen an diesen Text zu schreiben, und beobachten ein paar halbstarke Rostocker, die versuchen auf den Gästeparkplatz zu latschen. 

Ach ja (liebe) Rostocker, ein paar Dinge noch: 

1. Tut es eigentlich was für euer Ego wenn ihr einem vollen Gästeshuttlebus den Mittelfinger zeigt? Und was ist eure Exitstrategie sollten auf einmal die Türen aufgehen?

2. Wir fahren nach Haus – Ihr müsst hier wohnen 

3. Wir steigen auf und ihr steigt ab

4. Eure Eltern gehn zum FCM 

5. Rassisten raus aus den Stadien!

PS: Danke an Awareness St. Pauli. ❤️

4 Kommentare

  1. Gabi Gabi

    1A Zusammenfassung, danke!
    Ich war auch auswärts dabei und ich kann allem so zustimmen.

    Kein Raum für Interpretationen lassen und die Choreo als das betiteln was sie ist! Rassistische Kackscheiße! Richtig so.

    Ich kann sagen, dass alles positiver verlief als vorher gedacht in Hinsicht auf An-und Abreise. Hatten friends und family mir im Vorfeld doch n ganz schön ungutes Gefühl gegeben. Einziges Manko der Mini Parkplatz, mit dem Andrang an Autos hätte man rechnen können, wenn man sich als Vorbereitung auf diesen Tag die Bahnverbindung ab Hamburg angesehen hätte…

    Ich hoffe wir steigen auf und das war mein erstes und letztes Mal auswärts in Rostock.

    Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass sich die Vereinsführung von Hansa Rostock von der Choreo distanziert. Ich wäre ja mal für Konsequenzen und Ausschluss vom Spielbetrieb… Für Fans oder Mannschaft, was mehr weh tut.

  2. Peter Peter

    Wie genau erkennt man jetzt eine Flinta* oder einen Cis Mann? Ihr sagt ja , dass Menschen auf den Toiletten waren, die da nicht zu suchen hatten; habt ihr die Menschen gefragt, oder gender assumed ?

  3. Blogrentner Blogrentner

    Gerade bei der Frage ist assumed doch gerne mal der Kulturkrieg…

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