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Du bist nicht Harry Styles

Liebe Lesende,

wir wurden jetzt mehrfach gefragt, warum eigentlich oberkörperfrei (OKF, weil auch immer wieder gefragt wird, was diese Abkürzung bedeutet) im Block eigentlich so schlimm sei.

Es entspannte sich folgender (etwas veränderter Dialog) im Kollektivchat:

„Müssen wir eigentlich erklären, warum das doof ist?“

„Nein!“

„Ich mein, selbst „Der Freitag“ hat da schon 2019 was Kluges zu geschrieben.“

„Dann verbreite das doch einfach.“

„Ach weiß nicht, ich finde „Der Freitag“ immer super problematisch, Augstein und so… ich mag die nicht verlinken.“

„Und nebenbei sind wir nicht Google. Was wir schreiben und nicht schreiben, ist immer noch unsere Sache.“

„Ach Loide, ich glaube, ich habe Laune, ich schreib da mal was zusammen.“

Und eigentlich, liebe Leser*innen können wir uns das auch sparen, denn die männlichen Wesen wollen das nicht verstehen. Sondern schreiben lieber in Kommentare zu sexuellen Übergriffigkeiten was von „aber was ist denn daran schlimm?“. Das sind dann die gleichen Leute, die googeln können, was beim Erfurter Latrinensturz passierte. Ist ja nicht so, dass das simple Googeln der Worte „oberkörperfrei Männer problematisch“ einen Artikel der TAZ, einen von Pink Stinks und diverse andere Quellen findet. Alle Artikel sind nebenbei auch schon mindestens 3 Jahre alt.

Wenn ihr also auf diese Quellen nicht hören wollt, warum solltet ihr dann auf einen kommunistischen Fußballpöbelblog hören, nicht, liebe Leser?

Wir wissen es nicht. Und wir gehen daher davon aus, dass wir hier schon 99 % der oberkörperfreien Männer verloren haben. Aber vielleicht überzeugen wir ja 1 %, die bisher nicht überzeugt waren. Ganz selten kommt ja bei uns auch mal das Hippietum raus und wir glauben mal wieder 0,68 Sekunden an das Gute im Manne. Ja, liebe Leser*innen, 0,68 Sekunden ist für einen Pöbelblog fast eine Ewigkeit.

Ihr merkt, wir haben nicht wirklich Hoffnung. Hoffnung ist eine gefährliche Sache. Aber wir versuchen es trotzdem:

Ihr Männer da draußen, seid ihr euch eigentlich darüber im Klaren, wie gesellschaftlich bevorteilt ihr seid, dass ihr beinah jederzeit euer T-Shirt ausziehen könnt? Der gesellschaftliche Backlash wird sehr gering ausfallen, wenn ihr überhaupt einen bekommt. Versucht das mal als Nicht-Mann. Ja, das ist keine neue Erkenntnis. Sie ist eigentlich uralt. Und trotzdem muss jede Diskussion über OKF auch im Jahre 2023 genau dort anfangen. Weil sich über seine eigenen Privilegien klar zu werden nicht gerade die Stärke von Privilegierten ist. Und selbst wenn man sich darüber im Klaren ist, auf Privilegien freiwillig (!) zu verzichten ist eine sehr schwierige Sache.

Wir alle beim FCSP wollen die Welt verbessern. Wir wollen solidarisch sein. Ja, wir wollen selbst (Achtung, aktuelles Unwort) „woke“ sein. Außer vielleicht so ein paar komischen Instagram-Accounts, aber die zählen wir jetzt mal zu den 99 %, die wir oben schon verloren haben.

Und die Männer sind genau das alles nicht, wenn sie ihr antifaschistisches T-Shirt in einem Fußballblock ausziehen. Es ist unsolidarisch, es ist das Aufpressen des eigenen Privilegs auf alle anderen Anwesenden.

Es ist aber noch mehr: Es ist ein symbolisiertes Darstellen von Männlichkeit. Warum ist wohl OKF so beliebt bei Ultragruppen bei kaltem Wetter? Weil es das eigene Testosteron, die eigene Gruppenhärte und die eigene Überlegenheit darstellen soll. „Brust raus“ ist im Deutschen ein Synonym für „prahlen; wichtigtun; großtun; aufpusten; aufplustern“. Komisch, warum ist das wohl der Fall?

Wollen wir da als FCSP wirklich mitmachen? Uns unsolidarisch als harte Männertruppe darstellen? Brustvergleich mit Hansa und Dynamo? Und bitte keine Frauen in den ersten 10 Reihen, weil das unser Bild von Männlichkeit und „Brust raus“ kaputt macht?

Weiterhin: Ihr seid nicht Harry Styles. Es ist davon auszugehen, dass ungefähr 99,99 % aller anwesenden Menschen eure nackte Brust nicht sehen wollen (nein, auch nicht wenn du gerade für die erste Liga pumpst). Ihr macht es trotzdem? Ihr zwängt es also auch noch Menschen auf. Erneut unsolidarisch.

Soll meinen: Künstler*innen und ihre Bühnengardrobe ist ein ganz anderes Thema, ein ganz anderer Kontext, den wir hier nicht diskutieren. Viele Menschen haben diesbezüglich sehr konkrete Kritik, die man auch nachlesen kann, dies ist aber eben nicht unser Thema hier. Entscheidende Unterschiede, die uns sofort einfallen, die aber garantiert keine abschließenden Argumente sind: Künstler*innen stehen nicht in einem engen Fußballblock, und Zuschauerinnen sind wegen der Performance der Künstler*innen da. Wir sind nicht im Fußballblock wegen deiner Performance, lieber OKF-Dude.

Es gehört eben nicht zu einer angemessenen Praxis in einem Fußballblock. „Das gehört dazu“ hat seine klaren Grenzen. Ja, in einem Fußballblock ist vieles auch unangenehm und vieles auch schwierig, aber hier gehen wir über Grenzen.

Zu bedenken ist weiterhin, dass OKF nach bestimmten Vorerfahrungen für Personen ein Trigger ist.

Wir erwähnten schon, dass so ein Fußballblock grundsätzlich ziemlich eng und auch unangenehm ist. Ganz ehrlich: Niemand reibt sich gerne an verschwitzten fremden Körpern. Da ist so eine Schicht Baumwolle nicht das Allheilmittel, aber sie ist schon ein guter Schritt nach vorne. Vielleicht ist sie hier auch ein entscheidender Unterschied zum Freibad, wo es alle 20 Meter Duschen gibt. Mal ganz davon ab: Im Freibad erwartet man das Eine, im Fußballstadion das Andere.

Wir wollen beim FCSP anders und besser sein, also sollten wir das auch bei diesem Thema konsequenter umsetzen.

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