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Alle Jahre wieder: Glücksspielwerbung beim FC St. Pauli – Habt Ihr eigentlich Lack gesoffen

One of the things Ford Prefect had always found hardest to understand about humans was their habit of continually stating and repeating the very very obvious.” (Douglas Adams)

Der FC St. Pauli hat bekannt gegeben, dass er einen neuen Sponsor hat: Die Spielbank Hamburg steigt in dieser Saison in der Kategorie „Kapitän“ ein. Wer uns kennt, kann sich ausmalen, wie die Reaktionen bei uns ausfielen. Wir sagen mal so: Begeisterung ist etwas Anderes. Wir schrieben schon mal über Sportwetten ( Glücksspiel mit Kompetenzanteil ); jetzt also Glücksspiel.

Wir zitieren einmal den Pressetext: „Als Anbieter staatlich konzessionierten Glücksspiels übernimmt die Spielbank Hamburg im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages wichtige Funktionen in den Bereichen des Jugend- sowie Spieler*innenschutzes und stellt damit die soziale Verantwortung, die mit dem Thema „Glücksspiel“ einhergeht, in den Vordergrund.“ Das ist schon eine etwas verquere Logik. Das ist, als würde sich Astra hinstellen und sagen, sie übernähmen Verantwortung für den Schutz vor Alkoholmissbrauch. So funktioniert das nicht. Am Ende des Tages verdienen die ihr Geld damit, dass Menschen ihr erarbeitetes Geld unverantwortungsvoll ausgeben. Klar – Ihr weist darauf hin, dass der Zutritt zu Eurer Spielbank erst ab 18 ist und nur unter Vorlage des Personalausweises geschieht, aber im Endeffekt macht Ihr Werbung. Im Endeffekt ist es Euer Ziel, Menschen in Eure Spielbank zu bekommen. Ob 18, 40 oder 60 Jahre alt. Spielsucht ist Spielsucht. Ihr verleitet Menschen dazu.

Man muss hier auch mal sehen, was der EUGH so zu Glückspielmonopolen geäußert hat. „Ja, kann man machen“ sagte der EUGH 2011 (C-347/09), und fügte dann ein großes ABER an. Der EUGH führte aus, dass ein solches Monopol dann zulässig sei, wenn es mit einem besonders hohen Verbraucherschutzniveau verbunden sei und damit vor Spielsucht schützen wolle. Ein Bestandteil sei dann eine maßvolle Werbung, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher*innen zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken. (Im Urteil: Rd. 58 ff und 68)

Nun ist das obige für einen österreichischen Fall entschieden worden; das deutsche Glückspielmonopol ist ein Flickenteppich an Staatsverträgen und einem bockigen Küstenbundesland, das einen Sonderweg geht. Details ersparen wir uns und Euch. Thema bei den europäischen Gerichten war die jetzige Fassung noch nicht, aber natürlich kommt dieses „wir werben ganz defensiv“ aus genau dieser Rechtsprechung. Und man kann sich dann natürlich wieder fragen, ob eine Werbung als „Kapitän“ bei einem Bundesligisten so eine „erforderliche um auf das Spielenetzwerk hinzuweisen“-de Werbung ist.

Ach ja: Dies alles gilt natürlich genauso für Lotto-Tribünen und Oddsetpokale. Auch Lotto ist und bleibt ein Glückspiel.

Natürlich könnt Ihr unsere Spieler*innen aufklären. Könnt Schulungen machen. Abschreckende Beispiele zeigen, von denen es genügende auch in unserem Verein gibt. Was auch immer Ihr Euch ausdenkt, von dem Ihr glaubt, dass es Menschen, die in Eurer Verantwortung stehen, davon abhält, Glücksspiel zu betreiben: Am Ende des Tages bringt Ihr Menschen damit in Kontakt. Am Ende des Tages seid vielleicht Ihr die, die jungen Spieler*innen dies überhaupt erst aufzeigen. Und es ist immer schwierig zu vermitteln, warum etwas schlecht und gefährlich ist, wenn es doch gleichzeitig absichtlich überall präsent ist.

Martin (🙄) Geisthardt lässt sich zitieren mit „sehen wir uns in unserem Weg bestätigt, einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Thema Glückspiel zu setzten“. Soll das jetzt wieder Okes berühmtes „das Richtige im Falschen“ sein? Das überzeugt uns nicht. Wir als FC St. Pauli sollten überhaupt nicht Werbung für Glücksspiel machen. Uns sollte als Verein, der sich seiner sozialen Verantwortung bewusst ist (oder der vorgibt, sich dessen bewusst zu sein), alles daran liegen, dass Menschen gar nicht erst zum Glücksspiel verführt werden. In einem Raum wie einem Fußballstadion, in dem eine Suchtproblematik schon stark vorherrschend und auch in der breiten Masse akzeptiert ist, sollte nicht noch eine weitere aktiv durch den Verein in die Fanszene gebracht werden.

„Aber es sind doch nur Werbebanden. Es wird ja niemand verleitet, aktiv daran teilzunehmen.“ Mögt Ihr jetzt vielleicht denken. Aber ganz so einfach ist es nicht. Zu jedem Bundesliga-Spieltag wird die Spielbank Hamburg ein Gewinnspiel veranstalten, bei dem der*die Gewinner*in ein Matchworn-Trikot gewinnen kann. Das ist 1a-Kundenbindung. Böse Zungen würden sogar behaupten, das sei mehr Kundenbindung, als der FCSP mit seinen Menschen auf der Dauerkartenwarteliste betreibt. (Bitter? Wir? Nein!). So werden positive Assoziationen geschaffen, Grenzen aufgeweicht und verschoben. So werden Menschen dazu verleitet, ihr Geld bei der Spielbank Hamburg zu lassen. Es gibt kein gutes Glückspiel. Suchtproblematik ist Suchtproblematik, egal, in wie viel Marketingsprech man sie verpackt.

Wir wissen, dass das Geld knapp ist. Uns ist sehr wohl bewusst, dass es wirtschaftlich eine sichere Entscheidung ist. Und dass Glücksspielanbieter die Sponsoren sind, die noch am besten zahlen. Aber am Ende des Tages ist es trotzdem immer noch Werbung für Glücksspiel. Egal, wie man es dreht. Wenn man etwas positiv sehen will, dann dass auf explizite Werbung für Produkte oder Angebote verzichtet werden soll. Hoffen wir, dass es wirklich so bleibt.

3 Kommentare

  1. Rana Rana

    Wie immer Danke für die tolle Einordnung des neuen Sponsors. Ich sehe es genauso und hoffe das es der Verein schafft in Zukunft auf solche Sponsoren zu verzichten. Forza FCSP

  2. Dieter Dieter

    Jeder Mensch hat einen in seiner Familie der mit Suchtproblematik zu tun hat !Jeder der mal selber mit einer Sucht zu tun hatte weiß ,hier ist meine ganze Existenz betroffen ;das ist dann kein Spiel !
    MfG

  3. Markus Markus

    Danke für den Beitrag!! Wenn wir schon dabei sind: bitte keine Bierwerbung mehr. Sucht zerstört Existenzen und deren Familien. Geiler Verein, skrupelloses Marketing.

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