Liebste Lesende,
öffentliches Baurecht ist ein Tierchen für sich. Das muss man auch als Jurist*in wollen. Alle Jurist*innen, die das nicht wollen, haben das im Studium mal in ganz groben Zügen gelehrt bekommen und haben dann beschlossen, es ganz schnell wieder zu vergessen. So geht es auch unserem Senior. Wir versuchen trotzdem mal, grob einen Stand der Planungen für den Umbau unseres Trainingsgeländes zu geben.
Grundlagen
Ganz vereinfacht gesagt ist die Voraussetzung für jedes Bauprojekt, dass es einen Bebauungsplan gibt. Dieser muss von der jeweiligen Gemeinde aufgestellt werden. Gemeinde ist in HH auch eine Vereinfachung, denn bekanntermaßen hat das Bundesland Hamburg keine Gemeinden. Aber da diese Hamburgensie hier gerade keine Rolle spielt, belassen wir es mal bei „Gemeinde“.
Liebste Häuslebauer: Bei einem Einfamilienhaus gibt es von einem Bebauungsplan ganz viele Ausnahmen oder der entsprechende Bebauungsplan ist schon seit Jahrzehnten vorhanden. Also nicht wundern, wenn ihr mit der Aufstellung eines solchen Planes noch nie etwas zu tun gehabt habt.
Der FCSP für sein Trainingsgelände braucht aber einen solchen Bebauungsplan, und bevor dieser von der Gemeinde beschlossen wird, bedarf es ganz vieler Schritte. Es muss geplant werden, es muss gezeichnet werden, es müssen Voraussetzungen für die anschließende Bebauung definiert werden. Und es muss nach § 3 Baugesetzbuch (BauGB) die Öffentlichkeit „möglichst frühzeitig“ unterrichtet und ihr muss „Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung“ gegeben werden. Sprich: Es soll nicht ein fertiger Plan im Hinterzimmer entwickelt und dann der Öffentlichkeit nach dem Prinzip „Friss oder Stirb“ vorgelegt werden.
Wer aber ist nun diese „Öffentlichkeit“? § 3 BauGB legt fest, dass dies auch Kinder und Jugendliche sind, aber sonst schweigt das Gesetz. Jurist*innen sehen den Begriff als offen an. „Allgemeinheit“ wird als Synonym verwendet; eine örtliche Betroffenheit ist nicht notwendig; auch Umweltverbände sind zugelassen und über § 4 Abs. 1 BauGB auch Behörden und sonstige Träger*innen öffentlicher Belange (Stromversorger*innen etc.).
Ein solcher Termin zur „Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung“ fand nun also am 28.03.2023 in der Nähe unseres Trainingsgeländes statt. Es kann sich in der Folge noch ganz viel ändern und ganz Vieles steht noch nicht fest. Und: Der ganze Ausbau kann auch noch scheitern.
Denn egal wie sich nun die Menschen, die aktiv an dem Verfahren teilnehmen, entscheiden: Es gibt ein Klagerecht, nachdem der Plan aufgestellt ist. Und das steht relativ vielen Menschen und Verbänden zu, u.a. auch Umweltverbänden.
Dabei ist eine solche Planung äußerst kompliziert, und gerne ändern sich auch mal Voraussetzungen und/oder Gesetze während der Planung. Was gestern noch für einen Überflutungsschutz „state of the art“ war kann morgen schon veralteter Schrott sein. Das muss man alles beachten und das ist einem Verfahren, das von seinem Beginn (war 2022) bis zum voraussichtlichem Abschluss 2 Jahre dauern soll. Denn nach den vorgelegten Unterlagen ist der Beschluss der Gemeinde für das 1. Quartal 2024 geplant.
Der Ausbau soll nach jetzigem Zeitplan 2030 vollständig fertig sein. Wohlgemerkt: Da ist keine Verfahrensverzögerung und kein langwieriges Gerichtsverfahren eingeplant. Wir sagen es mal so: Kein Spieler, der jetzt im Profikader steht, wird voraussichtlich auf dem neu gestalteten Trainingsgelände trainieren.
Falls ihr euch fragt, welchen riesengroßen Vorteil die Rauten oder der Club gegenüber uns haben, dann ist es, dass sie so ein riesiges Gelände schon seit Jahrzehnten zur Verfügung haben. Wir brauchen diese Erweiterung auch schlichtweg, um die immer wieder steigenden Lizenzanforderungen zu erfüllen. Man darf nicht vergessen: Erst 2014 hatte man das ganze Trainingsgelände umgestaltet und ein neues Funktionsgebäude gebaut, das ist nun jedoch schon wieder alles zu klein und nicht ausreichend und soll ersetzt werden. Man kann sehr gespannt sein, wie lange dann die 2030er Version zeitgemäß bleibt. Unsere Wette: In den 2040ern reden wir schon wieder über einen Umbau, denn wahrscheinlich spätestens dann wird der Leistungssport mit einer klimatisierten und überdachten Trainingshalle auf die Klimakatastrophe reagieren und die Bundesliga eine solche als Auflage fordern. Und ja, alles komplett absurd.
Leistungssport und Nachhaltigkeit? Bei der ständigen Veränderung und den ständigen neuen Ideen auch noch die letzten 0,1910 % aus Sportler*innen zu kitzeln ist auch bei Trainingsplätzen eine sehr schwierige Balance. Um es mal freundlich zu sagen.
Nun aber konkreter
Unser Neubau hört im Behördendeutsch auf den schönen Namen „Bebauungsplan Niendorf 97 Langenhorst“. Was das alles beinhaltet findet ihr auf einer extra Internetseite zu dem Projekt, deren Inhalt wir jetzt einfach mal als bekannt voraussetzen und nicht wiederholen.
Es gibt in der Planung im Endeffekt drei Knackpunkte, wenn man die bisherige Diskussion verfolgt: Überflutungsschutz, Baseball, und das, was wir jetzt mal als Nachbarschaftsinteressen (Lärm, Verkehr etc.) bezeichnen wollen.
Baseball
Baseball ist so eine Randsportart in Deutschland, dass Google einem bei der Eingabe von „Neubau Baseballstadion Hamburg“ fragt, ob man nicht „Neubau Fußballstadion Hamburg“ meint. Das einem Teil dieses Blogs diese Sportart nahe ist, ändert an dieser Feststellung nichts. Hamburg besitzt jedoch einen jahrzehntelangen Bundesligisten in dieser Sportart und auch dieser kann nicht einfach auf einer Wiese spielen, denn auch sein Verband kennt Lizenzauflagen. U.a. muss ein Flutlicht vorhanden sein. Dies gibt es zur Zeit nicht.
Nun können die dort vertretenen Vereine aber nicht einfach so in eine Planung für ein solches Flutlicht einsteigen, weil sie da ein solches wollten. Erstes Problem. Zweites Problem: Ein kompletter Neubau eines Baseballstadions muss her. Dafür muss es a.) eine Fläche geben und b.) wieder einen Bebauungsplan und auch eine Baugenehmigung. Kleiner Vorteil: Einen Bebauungsplan, der eine Vorbehaltsfläche für einen weiteren Sportplatz an der Vogt-Kölln-Straße vorsieht. Die wird aber erst 2025 frei, da dann dort das Informatikum der Uni weicht. (wobei dieser Umzug auch schon für 2018, 2019, 2020 und 2022 geplant war)
Weiterhin ist die Fläche für die Sportstätte heiß umkämpft, denn auch „Falke“ sucht eine feste Fußballheimat, „Stellingen 88“ war die Fläche schon mal fest versprochen und noch diverse andere Vereine suchen Platz.
Ob da eine Flutlichtanlage möglich ist oder ob der Wunsch nach einem zweiten Feld und/oder einer Indoortrainingsmöglichkeit realisierbar ist, steht in den Sternen. Denn es gibt zwar einen Bebauungsplan, aber auch gegen Baugenehmigungen kann geklagt werden. Ja, da gibt es ordentlich Urteile zu. Wohlgemerkt sprechen wir hier über einen Bereich Hamburgs, in dem man Flugzeugen den Bauch kraulen kann.
Die bisherige Beteiligung war eher holterdipolter, wenn man denn den betroffenen Vereinen glauben mag. Und warum sollten wir das nicht tun?
Sprich: Die sind gerade richtig angeschissen. Der FCSP ist da aus notwendigen Eigeninteressen in ein sehr schmutziges Spiel verwickelt, das ggf. kleine Vereine richtig mit Schwung hinten rüber fallen lässt. Kann man das verhindern? Wahrscheinlich nur, wenn man den Standort Kollaustraße komplett aufgibt. Und zu der Frage der „Alternativen“ kommen wir noch. Denn die Stadt Hamburg verliert ganz schnell das Interesse, wenn es nicht um Leuchtturmprojekte geht. Alleine schon, dass die Fläche an der Vogt-Kölln-Straße schon anderweitig versprochen war, zeigt, was für ein schmutziges Spiel da gespielt wird.
Das sind Bauchweh, die der FCSP immer mit einkalkulieren muss. Wir sind das Leuchtturmprojekt, für das sich SPD-Politiker*innen ablichten lassen (Kotzsmiley bitte hier mitdenken), die Baseballer sind es nicht. Wir werden uns fragen müssen, wie wir da Solidarität leben können. Und auch fragen, ob wir es bisher getan haben. Was aber auch wichtig ist: Wir sollten da (trotz der echt anstrengenden Öffentlichkeitsarbeit der Stealers (siehe Abendblatt von dieser Woche)) solidarisch sein; lösen muss dieses Problem aber die Stadt Hamburg direkt mit diesen Vereinen. Das ist ihre Pflicht, und unsere Aufgabe als FCSP und als Einwohner*innen dieser Stadt ist es, sie an diese Pflicht zu erinnern.
Ach ja: Dieses fußballspielende Rautenderviat? Kann bleiben, wo der Pfeffer wächst!
Jetzt aber die Überraschung: Das war am 28.03.2023 nahezu null Thema. In der Zeit, in der wir anwesend waren, waren keine erkennbaren Vertreter*innen dieser Vereine vorhanden (wobei wohl einer da war, wie uns erzählt wurde), und es wurde in den mitgehörten Gesprächen auch nicht angesprochen. Bei anderen öffentlichen Anhörungen war dies deutlich anders.
Was wurde denn vorgetragen?
Die Veranstaltung war mit verschiedenen Informationsstationen aufgebaut, die jeweils ein Thema hatten. Diese Themen waren die allgemeinen Projektinformationen, Bau und Betrieb des NLZ, die Sportflächen, die Frage Verkehr und Mobilität, die Grün- und Freiraumplanung + Regenwassermanagement, und die Überschwemmungsgebiete. Es war jeweils eine Übersichtskarte auf einem Tisch angebracht und auf Planwänden wurden Einwände, Ideen und Fragen gesammelt.
Nach unseren Beobachtungen blieben am meisten Menschen bei den drei letztgenannten Themen (Verkehr, Grün- Freiraumplanung + Regenwasser, Überschwemmungsgebiete) hängen und dort waren auch die meisten Karten auf den Planwänden angebracht. An jeder Station waren Mitarbeiter*innen der Stadt (das umfasst auch den Bezirk) oder des FCSP (gesehen wurden u.a. Patrick Gensing, Benjamin Liedtke (NLZ) und Jochen Wienand) und/oder Vertreter*innen einer Firma namens „Superurban“, die laut ihrer Website solche Beteiligungen kommunikativ abwickelt (stark vereinfacht gesagt).
In der Zeit, in der wir da waren, waren ungefähr 300 Personen anwesend bzw. gingen durch die Räumlichkeiten. Vom Eindruck her zum größten Teil Menschen, die keine engere Verbindung zum FCSP haben. Und hier liegt wahrscheinlich auch der große Unterschied zu unserem Stadionneubau (jaja: Rekonstruktion); da bauten wir in einem Gebiet, das zu einem sehr großen Teil von Menschen bewohnt ist, die dem FCSP freundschaftlich verbunden sind. Das ist in Niendorf natürlich nicht der Fall. Die mitgehörten Gespräche gingen von wirklichem Interesse und Bedarf nach Aufklärung über konkrete Kritik bis hin zum besten Wutbürgertum.
Das macht das Ganze auch so schwierig. Nur mal als Beispiel: Dass Anwohner*innen gewisse Bauchweh haben, wenn eine Fläche verändert wird, die zur Zeit schlichtweg Wasser auffängt, das so nicht in deren Keller läuft, ist verständlich.
„Wie soll das denn gehen?“ ist da eine berechtigte Frage, „da ist doch ein Graben!“
Vertreterin der Stadt: „Nein, dort, wo Sie hinzeigen, ist kein Graben. Der ist hier.“
Mit „Doch, da ist ein Graben!“ wurde es schon etwas schwieriger, und mit „Ich glaube der Stadt das alles nicht.“ wurde es am Ende sehr schwierig.
Die Wiese
Die Fläche, die zur Zeit als Überschwemmungsgebiet genutzt wird, liegt gegenüber des Ballparks der Baseballer. Nennen wir sie im Folgenden mal „die Wiese“. Wenn man sich diese Wiese so ansieht, dann ist das eine feuchte Wiese mit zwei Zelten, in denen Menschen anscheinend notdürftig leben, einem Trampelpfad und dem beschriebenen Graben (Langenhorstgraben), durch den Wasser fließt. So der Eindruck unserer Inaugenscheinnahme. Irgendwo hinten fließt noch die Kollau und dann kommt eine Bahnstrecke. Über die Wiese geht ein vielgenutzter Fußweg, die Fläche wird für Hundebedürfnisse genutzt.
Ganz ehrlich: Das macht alles eher einen trostlosen Eindruck, aber natürlich gab es auch Menschen, die das als wertvollen Lebensraum für Pflanzen und Tiere erhalten wollen. Und wahrscheinlich ist auch viel Wahres daran, denn Flächen, die Mensch einfach ignoriert, sind in Städten eher selten und werden dann natürlich als Lebensraum von Tieren und Pflanzen genutzt, die es eben nicht geharkt und geordnet wollen. Man macht schnell Witze über irgendwelche Schlammpeitzger oder Nacktschnecken, aber wir Menschen sind halt auch sehr gut darin, solche Tiere zu verdrängen. Nun gut, wir haben keine Schlammpeitzger gesehen, aber auch nicht ernsthaft danach gesucht.
Der FCSP und die Stadt versprechen nun ein „umfassendes Regenwassermanagement“ und „bleibt in seiner Funktion als Überschwemmungsgebiet erhalten“. Dazu soll Boden abgetragen und aufgetragen werden. Können wir das inhaltlich überprüfen oder beurteilen? Nein, nicht ernsthaft. Wir können uns aber natürlich vorstellen, dass so etwas gemacht werden könnte, und niemand darf vergessen, dass diese Fläche nicht etwa die seit 1.000 Jahren unveränderte Überschwemmungsfläche der Kollau ist, sondern erst 2017 in der jetzigen Form geschaffen wurde.
Da liegt das Problem der frühzeitigen Beteiligung – viele Gutachten sind noch nicht fertig oder der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich. Und dann kommen wir wieder zu dem Gutachten als Beweismittel: Wir alle wissen, dass Gutachter*innen häufig genug die Melodie ihrer Auftraggeber*innen singen und man zu jedem Gutachten mindestens zwei Gegengutachten erstellen kann. Und Prognosen bekanntermaßen dann am einfachsten sind, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.
Wir werden hier noch ganz viele Diskussionen erleben, die wir wahrscheinlich wenig inhaltlich greifen können und die nicht immer sachlich geführt werden dürften. Anschnallen, bitte! Und eventuell kommen da auch Umweltverbände ins Spiel, die klagen dürfen, klagen werden, und die das ganze Projekt deutlich verzögern können. Ist einfach so.
Weitere Bedenken
Der Wunsch, möglichst viele Bäume zu erhalten, wurde sehr häufig geäußert. Auch da ist die Planung bisher naturgemäß (sic!) sehr unklar. „möchte soweit möglich Bäume erhalten und neu pflanzen“ steht in den Planungsunterlagen. Das ist natürlich dünn.
Der Weg, der nun über die Wiese läuft, soll erhalten bleiben. Nach unserem Eindruck ist der vielen Menschen dort wichtig. Die Straße Langenhorst will man sanieren und so gestalten, dass sie eine Sackgasse ist (bleibt?). Auch hierzu wurde sehr viel nachgefragt. Die Plätze sollen Spielstätte der Jugend werden und machen wir uns nix vor: Das führt auch zu Verkehr und Parkplatzsuchverkehr am Wochenende.
Auch hier: Im jetzigen Planungsstand ist das natürlich viel „soll“.
Andere Standorte?
Machen wir uns auch hier nix vor: Wir bekommen diese Fläche nur deswegen von der Stadt, weil die Wiese nicht mit teuren Eigentumswohnungen bebaut werden kann und die Baseballer keine Lobby haben. Diese Stadt verscherbelt alles an Investor*innen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Mit teilweise absurden Ergebnissen, wie wir in unserem Viertel sehr gut bewundern können. Nennen wir hier nur das Esso-Häuser-Loch und die Schilleroperruine. In so einem Hochglanzprospekt nennt man das dann „NLZ kann an einem gewachsenen Standort bleiben“ und „dies sei der Wunsch des Hamburger Senats“.
Problem: Wenn wir nicht weit in die Schleswig-Holsteinische Wildnis ausweichen wollen, ist diese Fläche wahrscheinlich unsere einzige realistische Chance. Das ist nicht schön, aber auch für den FCSP nur schwerlich zu ändern. Und wahrscheinlich wären alternative Flächen immer mit irgendeinem „Makel“ behaftet, denn sonst wären sie schon lange mit Häusern oder Büros bebaut.
Im jetzigen Zeitpunkt wird der FCSP auch schon ordentlich Geld in dieser Planung versenkt haben, denn wie heißt es so schön in dem Prospekt „Der Verein trägt die Kosten für Planung und Bau der Sportanlage.“
Also noch mal: Anschnallen, Leute, das wird ein härterer Ritt als der Neubau des Trainingsgeländes.