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Schlaflos in Sea… Dankbar in Sandhausen

Für Antje.

Ach ja – Sandhausen. Seit 11 Jahren immer wieder Sandhausen. Der letzte Sieg in Sandhausen ist sieben Jahre her und so sind wir uns vor dem Spiel zwar sicher, dass der Minifant das schon richten wird, aber da sind trotzdem diese kleinen Stimmen in unseren Hinterköpfen, die uns sagen, dass unsere Serie heute reißt. Wir haben da so Erfahrungswerte.

Vor dem Spiel

Wie immer reisen wir getrennt an. Ein Teil von uns fuhr schon früher, um noch zu hoppen, der andere Teil von uns freut sich über den Wecker um 3:30 Uhr. Den Teil, der nicht dabei sein konnte, möchten wir an dieser Stelle ganz herzlich grüßen. Die Stimmung ist gut, der Zug fährt durch neblige Landschaften in den Sonnenaufgang. Wir haben Frühstück und Getränke und unser ICE ist erst zu spät, dann verkehrt herum und am Ende zu früh in Heidelberg. 

Dort werden wir freundlich empfangen, packen unsere Sachen in die vom Aufsichtsrat organisierten Schließfächer und steigen in die S-Bahn nach Sandhausen. Dort angekommen entscheiden wir uns dafür, Richtung Stadion zu laufen. Beobachtungen vom Spaziergang: Immobilienmarkler sind hier auch für das Sportliche zuständig und Fußballgrafittis werden ordentlich, wie sich das in BaWü gehört, mit der Schablone gesprüht. Wir erfahren während unseres Spaziergangs von Antje, und die Gedanken an sie begleiten uns danach den ganzen Tag. 

Am Stadion angekommen sitzen wir in der Sonne. Treffen tolle Menschen und beobachten den Konkurrenzkampf der örtlichen Flaschensammler. Die Südkurve hatte zum Grillen auf den Parkplatz eingeladen und das Frühlingswetter machte das Vorspielerlebnis sehr rund. Das ist schon ein anderes Feeling als bei Schnee, Eis und Scheißwetter. Was Kaugummi mit Schweinegeschmack ist, bleibt aber unser Geheimnis. Oder vielleicht nur so halb: Sagen wir es mal so, den Halstätowierten hat ihr Abendessen nicht geschmeckt, das Bier aber schon. Und ob es nun ein Grieche oder ein Italiener ist, den sie vor dem Spiel um ein paar Getränke erleichtern wollten? Konnten wir aus den Aussagen nicht so wirklich klären. Der Zeuge (hier bewusst nicht gegendert) ist die das beste Beweismittel. 

Werbung für einen Immobilienmakler mit Foto von ihm in Poloshirt und tätowierten Armen
Gleicher Tätowierer wie Dennis?

Der Einlass funktioniert relativ reibungslos. Wie jedes Jahr gibt es nur zwei Frauen an der Einlasskontrolle, trotzdem ging das Abtasten schnell, was wahrscheinlich auch daran lag, dass sich die Ankunft der Fans etwas verteilte. Auffällig in Sandhausen ist, dass ein Jahr gefilzt wird wie die Weltmeister, das nächste Jahr ist es ein gelangweiltes Nichtabtasten. 

Der Block

Der Block war gut gefüllt. Phasenweise etwas zu gut. Was daran lag, dass die Ordner*innen, anders als sonst, die Zugänge zu den Blöcken nicht kontrollierten. 

Beobachtung: Man merkt deutlich, dass es sportlich besser läuft. Die Blöcke sind voller und die normenverdeutlichenden Gespräche zum Thema „Filmen im Block“ nehmen wieder zu. Gut, dass USP versucht, mit Flyern dagegen zu steuern. Besser: Wenn die Leute die Zettel lesen und ernst nehmen und sie nicht zu Konfetti verarbeiten würden.

Allgemein, Leute: Der Block war voll. Wahrscheinlich zu voll. Ihr könnt nicht 10 Minuten vor Anpfiff kommen, euch reindrängeln und euch dann wundern, dass man das nicht so cool findet. Zumal in den Nebenblöcken wirklich noch genug Platz war. Das gleiche gilt auch für die Fahnen. Wenn sie euch stören, geht in den Nebenblock. 

Apropos Fahnen: USP hatten gefühlt alle zu findenden Fahnen eingepackt, und so entstand zu Beginn des Spiels eine Choreo, die sich sehen lassen konnte. 

Der Block wirkte für uns von Anfang an sehr motiviert, und die Phrase vom „machten das Spiel zum Heimspiel“ stimmte schon sehr. Der Fraggles-Ohrwurm setzt sich immer fester und es wurde nach Jahren mal wieder „Freude schöner Fußballzauber“ angestimmt. Something old, something new, something borrowed, something blue? Erfüllt! Neues Lied, altes Lied, Mets und ein kleiner blauer Minifant. 

Das Spiel 

Der Stadionsprecher gab sein bestes (er brüllte ungefähr 80x „Kämpfen und Siegen“ ins Mikrofon), die Zuschauer davon zu überzeugen, dass das heute gut werden würde. Hätte er mal lieber mit der Mannschaft gesprochen. Teilweise glich die Abwehrarbeit der Sandhäuser einer Arbeitsverweigerung. Aber wir greifen vorweg. 

In den ersten zwanzig Minuten zeigte Sandhausen, dass sie Fußball spielen können. Doch schnell passierte das, was passiert, wenn eine Mannschaft einen Lauf hat und die andere nicht. Manolis zieht ab Richtung langes Eck, der Ball wird abgefälscht und fliegt ins kurze Eck. 

Humoristischste Szene des Spiels: Szene am Strafraum. Ein Sandhäuser läuft zu früh ein. Wiederholung. Wieder das gleiche. Der Spieler versteht das Problem nicht und Aytekin zückt einfach seine Spraydose, um dem Sandhäuser das mit der Linie nochmal zu verdeutlichen. Was macht der? Stellt sich direkt darauf. Ansonsten hatte Aytekin dieses brisante Spiel aber im Griff. Warum man ihn nach Sandhausen schickt, versteht wahrscheinlich nur der DFB. 

Nach dem 0:1 ist Sandhausen nur noch ein netter Trainingspartner in der Abwehr; da waren doch ordentliche Lücken. Aber trotzdem musst du als Gegner natürlich ordentlich spielen. 0:2 und 0:3? Beim Tor des Monats wird meistens viel zu viel Wert auf den eigentlichen Abschluss und zu wenig auf die Vorbereitung geachtet, aber die beiden Zuckerpässe von Erik und Connor sind Pässe des Monats. 

Sandhausen ist zunehmend frustriert. Was man zum einem am Gesichtsausdruck deren Keepers merkt, zum anderen daran, dass die Fouls gegen unsere Mannschaft rapide zunehmen. Frustfoul gegen Saliakas. Frustfoul gegen Hartel. Das dritte Frustfoul gegen Dapo ist dann zu viel – der Sandhäuser geht mit gestrecktem Bein nur auf Dapo und fliegt dafür direkt vom Platz. Den anschließenden Freistoß verwandelt Jackson zum 0:4. Jackson macht jetzt auch noch Tore mit dem Fuß? Wer soll uns da denn noch aufhalten? 

Halbzeit. Wow. Während unser Block vor Begeisterung gar nicht mehr aufhört zu singen, packen die Ultras von Sandhausen ihre Sachen zusammen, so dass deren Block zur zweiten Halbzeit kaum noch gefüllt ist. Wir verstehen die Reaktion. Das, was Sandhausen da in der Abwehr spielt oder viel mehr nicht spielt, macht garantiert keinen Spaß. Was wir nicht verstehen: Wenn St. Pauli-Fans denen den Stinkefinger zeigen und sie hämisch verabschieden. Ne, sorry, Leute. Sandhausen ist jetzt nun wirklich keine Fanszene, an der man sich so abarbeiten muss. Dafür, dass die so klein sind, machen die einen verdammt guten Job. Es ist immer einfach, sich von oben herab lustig zu machen, aber von denen fahren prozentual mehr auswärts als das bei uns der Fall ist. 

In Sandhausen existiert kein Fanprojekt, wogegen deutlich protestiert wird. Wir konnten keine Details finden, aber dem Inhalt des Plakates nach zu vermuten scheitert es an der Finanzierung durch die Gemeinde. Fanprojekte werden jeweils zu einem Drittel von DFB/DFL, Bundesland und Kommune finanziert. Wenn sich aber einer verweigert, dann gibt es kein Fanprojekt. Auch das macht die Situation junger Fußballfans in Sandhausen nicht einfacher, und man sollte mit ihnen solidarisch sein. Ein Abstieg wird die Situation an dieser Baustelle nicht verbessern. 

Plakat „Über 70 Fanprojekte in DE, nur nicht in Sandhausen. Aufwachen Gemeinde!“
Protest

Nach der Halbzeit verflacht das Spiel immer mehr. Sandhausen ist nur zu zehnt und für uns ist die Sache gegessen. Was uns beeindruckt: Unsere Spieler wollen immer noch mehr. Besonders Eric ist uns da in Erinnerung geblieben, wie er relativ spät im Spiel noch mit Maurides diskutiert, weil der nicht richtig eingelaufen ist. Oder Manos und Marcello, die 10 Meter in der Sandhausener Hälfte auf dem Boden liegend gegen den Ball pressen. Eine Arroganz aufgrund des Spielstandes kommt nicht auf. Wir erarbeiten uns auch noch Chancen, aber da kann sich der Sandhäuser Torhüter mehrfach auszeichnen.  

Kurz vor Schluss macht Irvine zum zweiten Mal mit dem Fuß (ist das überhaupt erlaubt? Und dann noch doppelt? Herr Schiedsrichter! Videobeweis! Frage: „Darf Jackson doppelt mit dem Fuß treffen in einem Spiel?“) das 0:5. Abpfiff. Grenzenloser Jubel im Block und bei der Mannschaft. 8 Siege in Folge. Kneift uns mal jemand. Hast du gut gemacht, Minifant. Der wurde das erste Mal im Block erkannt und angesprochen.  Grüße gehen raus! Wir haben aus Gründen Tränen beim Singen der Fraggles in den Augen. Letzte Fahrt von uns mit Antje? Nach Sandhausen, kurz vor der Pandemie. 

Wisst ihr, was krass ist? Am 17. Spieltag hatte der FC St. Pauli einen Punkt mehr als Sandhausen. Jetzt sind es 20. 

Wenn ihr wissen wollt, wie schön es am Millerntor ist, dann muss man mal auswärts fahren. Und am eigenen Leib erleben, wie nervig es ist, wenn ALLES von irgendwem präsentiert wird und wenn es nur die Feststellung ist, dass noch 10, 5 oder wie viele Minuten auch immer noch zu spielen sind. 

Nach dem Spiel

In den Shuttlebus, in die S-Bahn, zurück zum Bahnhof Heidelberg. Wir haben Hunger und halbviel Zeit und entschließen uns deshalb, noch etwas essen zu gehen. Das Essen ist lecker und schnell, sodass wir es alle pünktlich zurück zum Bahnhof schaffen. Das mit dem schnell und pünktlich war eine Info, die leider an die Bahn nicht weitergegeben wurde. Unser Zug war zwar da, fuhr nur leider nicht, da das Personal noch in einem anderen verspäteten Zug saß. Irgendwann fuhren wir dann doch und kamen nach einer gefühlten Ewigkeit mit knapp 50 Minuten Verspätung wieder in Hamburg an. 

Wisst ihr wie groß so ein Ego werden kann? Wir fragen für einen Minifant.

Dankbar

Trotz all dem Jubel und der ganzen Freude sind wir immer noch unendlich traurig. Unseren ausführlichen Nachruf auf diesen tollen Menschen lest ihr hier. 

Ein Spieler sagte uns letztes Jahr bei einem fachlichen Gespräch am Zaun in Sandhausen, wir sollten doch mal dankbar sein. Wir erinnern uns noch, wie wir Antje ein paar Tage später davon erzählten. Wie sie nicht glauben konnte, dass sowas gesagt wurde. Wir witzelten zusammen, welche Plakate man zu dem Thema malen könnte. Aber weißt du was, Antje? Wir sind dankbar. Dankbar, dich gekannt zu haben. Dankbar, dich unsere Freundin nennen zu dürfen. Dankbar, dass wir Teil deines Lebens sein durften und du unser Leben so wahnsinnig bereichert hast. Du fehlst uns so sehr. Mach es gut.

PS: Jakov? Wir sind Fans!

PPS: Minifant? Erfolgsgarant!

Ein Kommentar

  1. Keine Häme Keine Häme

    Moin, kurz ein anderer Blickwinkel auf die hier im Blog angesprochenen hämischen Gesänge gegen den Sandhauser Fanblock:

    Ich stand direkt am Zaun zu den Heimfans und glaube daher die Situation beurteilen zu können. Als die Szene des SVS das Stadion verließ, gab es weder Häme noch Gesänge. Nach deren Verlassen stellten sich jedoch zwei Typen – mit einschlägigem Aussehen – auf den Platz der Sandhauser Ultras und hissten eine HSV-Fahne. Dies begleiteten Sie mit Pöbeleien, Rumgemacker und Mittelfingern.

    Es folgten entsprechende Reaktionen aus unserem Block. Die hämischen Gesänge folgten dann als die beiden Dullis wenige Minuten später von Ordnern aus dem Block geleitet wurden. Dies wurde sowohl von einigen verbliebenen Sandhäusern, als auch von Teilen des Gästeblocks missinterpretiert.

    Man kann sich sicherlich fragen, ob man sich von zwei Trotteln überhaupt provozieren lassen muss, insbesondere bei einem derartigen Spielverlauf. Die Provokationen der begannen jedoch in der Halbzeitpause, sprich, als kein Geschehen auf dem Platz stattfand.

    Vielleicht hilft es ja die Situation einzuordnen. Auch von meiner Seite Respekt an die kleine Szene des SVS!

    In diesem Sinne… St. Pauli ist die einzige Möglichkeit!

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