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Casa del DFL oder auch: Die DFL und das Kartellrecht / Teil 3

Liebe Lesende,

ich hatte mich an dieser Stelle bereits zwei Mal mit dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt beschäftigt. Teil 1 mit allen Details findet ihr hier, Teil 2 mit der Stellungnahme der DFL findet ihr hier. Was in diesen Teilen steht, setze ich im Folgenden voraus.

Bewegung

In das Verfahren ist nun Bewegung gekommen; die DFL hat einen Kompromissvorschlag unterbreitet.

In dem oben zitierten zweiten Teil hatte ich geschrieben, dass ich zu diesem Zeitpunkt keinen Kompromissvorschlag der DFL erwarte, da man so weit nicht sei. Der Artikel ist vom 17.11.2021. Seitdem ist viel Zeit ins Land gegangen und öffentlich ist aus diesem Verfahren bis jetzt nichts geworden. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass dieses Verfahren in der Zwischenzeit unbearbeitet auf einer Fensterbank lag. Wahrscheinlicher ist es, dass in der Zwischenzeit die Verfahrensbeteiligten Kompromisse ausgelotet haben und man nun eine Basis gefunden hat.

Oder wie die DFL es in ihrer Pressemitteilung formuliert:

„Auf diese vorläufige Einschätzung folgte ein intensiver, teilweise kontroverser, aber konstruktiver Austausch zwischen Vertretern von DFL-Präsidium und DFL, den sogenannten Förderclubs und dem Bundeskartellamt.“

Wie sieht der Vorschlag der DFL nun aus? Alles nun folgende ist der eben verlinkten Pressemitteilung entnommen.

• Es wird keine weiteren sogenannten Förderausnahmen geben.


• Die existierenden Ausnahmen (Hoffenheim, Leverkusen, Wolfsburg) bleiben unter Auflagen bestehen. Achtung! Leipzig ist kein 50 + 1-Problem! Dazu mal bei Gelegenheit mehr.

Die Auflagen sind teilweise sehr spannend, und ich möchte darin die Pressemitteilung wortwörtlich zitieren. Wo ich etwas gekürzt habe, erkennt ihr an den eckigen Klammern. Was auch spannend ist: Die Pressemitteilung spricht von „unter anderem“, nennt also anscheinend nicht alle Auflagen.

• Der Förderclub wird gegenüber den Mitgliedern seines ehemaligen Muttervereins zu Partizipation und Transparenz verpflichtet. Der konkrete Vorschlag dahingehend lautet, dass dem Mutterverein das Recht eingeräumt werden muss, mindestens eine/n Vertreter/in in das mit Kontroll- und Zustimmungsbefugnissen ausgestattete Aufsichtsgremium der Kapitalgesellschaft zu entsenden. Diese/r Vertreter/in muss über die vollwertigen Rechte eines Mitgliedes des Gremiums bzw. eines Gesellschafters verfügen – dies schließt insbesondere das Rederecht, das Informations- und Auskunftsrecht sowie das Stimmrecht ein.


• Aufgrund der Bedeutung von identitätsstiftenden Merkmalen eines Vereins dürfen Entscheidungen in Bezug z.B. auf den Namen, das Logo und die Farben eines Clubs, den Vereinssitz und eine wesentliche Reduzierung der Anzahl von Stehplätzen im Stadion nur unter Zustimmung des Aufsichtsgremiums bzw. der Gesellschafterversammlung getroffen werden. Dabei hat die/der Vertreter/in des ehemaligen Muttervereins ein Vetorecht – Änderungen können also nicht gegen ihre/seine Stimme beschlossen werden.

• Mit Blick auf bestehende Ergebnisabführungsverträge erfolgt die Zahlung eines Ausgleichsbetrags, sofern während des Betrachtungszeitraums (analog UEFA-Regelungen: drei Jahre) ein Verlustausgleich durch den beherrschenden Förderer erfolgt ist und dieser Verlustausgleich eine Schwelle von 7,5 Prozent der Gesamterträge überschreitet. […]


• Mit Blick auf eine stille Beteiligung eines beherrschenden Förderers/Mehrheitsgesellschafters erfolgt die Zahlung eines Ausgleichsbetrags, sofern während des Betrachtungszeitraums (analog UEFA-Regelungen: drei Jahre) der Mehrheitsgesellschafter und/oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen einen Verlust der Kapitalgesellschaft ausgleicht oder als stiller Gesellschafter durch nach Erteilung der Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel geleistete Einlagen an Verlusten teilnimmt und dieser Verlustausgleich eine Schwelle von 12,5 Prozent der Gesamterträge überschreitet. […]

Was bedeutet dies nun?

Stärkere Bindung an den Ex-Verein

Die beiden ersten Punkte lassen sich relativ einfach erklären. Die ausgegliederten Gesellschaften sollen stärker an den Verein gebunden werden, aus denen sie mal entstanden sind und von denen sie abgespalten wurden.

Dafür sollen sie immer eine*n Vertreter*in in die entscheidende Versammlung der ausgegliederten Gesellschaft entsenden dürfen. Der DFL ist auch klar, dass dies nicht viel verhindert, so dass sie dann noch einen Katalog von Dingen aufstellt, die nicht gegen diesen Vertreterin entschieden werden dürfen.

Ein bisschen musste ich bei dem dort genannten Katalog schon schmunzeln, ist da doch neben sehr vielen symbolischen Dingen auch „eine wesentliche Reduzierung der Anzahl von Stehplätzen im Stadion“ genannt. Liebe Rentner*innen des Fanprotestes: Wir haben es geschafft. 1990 waren Stehplätze noch nervige Relikte der Vergangenheit, die bitte lieber gestern als heute abgeschafft werden sollten. Heute sind sie „identitätsstiftende Merkmale“ eines Fußballklubs. Früher war eben doch nicht alles besser.

Was man aber nie vergessen darf: Wenn Bayer oder VW sagen, dass die Vereinsfarben ab morgen blau-pink-braun sind und das Logo ein Geißbock oder ein Löwe, dann wird sich an diesen Standorten keine Vereinsvertreterin finden, die dagegen stimmt. Vereine wie Städte sind so fest an diese Werksponsoren gebunden, dass da sowieso nix ohne die passiert. Oder wenn sich die TSG Hoffenheim in FC Hopp umbenennen möchte. Aber zu denen kommen wir sowieso gleich noch.

Darf ich ein bisschen gemein sein? Schön, dass man endlich mal direkt sieht, dass Oke im DFL-Präsidium sitzt. Denn „Partizipation“ klingt nach bester Oke-Sprech. Nein, alles nicht ernst gemeint, aber als ich das Wort las, musste ich sofort an unseren Präsidenten denken.

Finanzielle Dinge

Die beiden weiteren Punkte sind komplexer, versuchen aber Bedenken des Kartellamtes bei der finanziellen Ausstattung der ausgegliederten Gesellschaften zu adressieren. Das Kartellamt hatte bemängelt, dass die in Konzernstrukturen eingegliederten Gesellschaften wirtschaftliche Vorteile gegenüber den alleinstehenden Vereinen haben. Die Möglichkeit, Verluste über Gewinn- und Verlustabführungsverträge unbegrenzt in einer Konzernstruktur auszugleichen, was einem Mäzen bei einem Verein nicht möglich ist, ist die bedeutendste. Dies versucht die DFL nun zu begrenzen, indem sie eine am Umsatz orientierte Obergrenze definiert. Die drei Jahres Frist ist an die Lizenzierungsregeln der UEFA (dort Artikel 59; der Abschnitt in den Lizenzregeln ist auch als „Financial Fairplay“ bekannt) angelehnt. Wie sich die drei Jahre berechnen, ist dort benannt.

Das Ganze ist immer noch ziemlich butterweich. Nehmen wir mal 7,5 % der Gesamterlöse. Der kleinste Bundesligaverein war nach den letzten Zahlen, die die DFL veröffentlicht hat der VfL Bochum, der EUR 28 Millionen Umsatz gemacht hat. In einer Konzernstruktur könnten also EUR 2,1 Millionen Verlust „straffrei“ ausgeglichen werden. Klingt wenig, ist aber auch schon mal ein Stürmer mehr, als ein Verein, der diese Möglichkeit nicht hat. Bei Leverkusen sprechen wir von gerundeten EUR 19 Millionen, bei Wolfsburg von gerundeten EUR 15 Millionen. Man kann sehr gut darüber diskutieren, ob damit wirklich ein Ausgleich erreicht wird. Das ist immer noch ein ordentlicher Spieler mehr, den sich diese Konstruktionen dadurch leisten können. Kleiner Hinweis: Beachtet bitte bei den Zahlen, dass sie das Coronajahr 2021 abbilden und daher sehr niedrig sind und in normalen Jahren die Zahlen höher wären. Für die Beispiele ist das hier aber egal.

Auch die Strafe ist nicht wirklich abschreckend formuliert. Denn für einen übersteigenden Betrag wäre eine Ausgleichszahlung zu zahlen, die sich als Zins auf den übersteigenden Betrag berechnet.

Wir müssen also keine Angst haben, dass Leverkusen und Wolfsburg nun riesige Probleme bekommen.

Was ist denn nun mit Hoffenheim?

„Der bisherige Mehrheitsgesellschafter, Dietmar Hopp, möchte auf die zum 1. Juli 2015 wirksam gewordene Ausnahmegenehmigung verzichten und die Mehrheit seiner Stimmrechtsanteile ohne Entschädigung zurück an den Verein übertragen.“

Das kommt erstmal überraschend, wenn man bedenkt, dass die DFL doch um einen Bestandsschutz kämpft.

Die Konstruktion in Hoffenheim ist aus öffentlichen Dokumenten nicht wirklich durchschaubar. Herr Hopp ist schon immer mit einer atypisch stillen Gesellschaft an der Spielbetriebs-GmbH beteiligt. Ich spare mir jetzt, was genau eine atypisch stille Gesellschaft ist. Wichtig ist, dass er darüber immer die Verluste übernommen hat, aber auch einen Anteil an den Gewinnen der Spielbetriebs-GmbH hat. Herr Hopp hat nach dem oben zitierten DFL Bericht im Jahr 2022 eine Ergebniszuweisung (meint nichts anderes als „bekommt Geld überwiesen“) von aufgerundet EUR 24 Millionen (!) bekommen.

Hoffenheim weist durch diese Konstruktion nebenbei ein Eigenkapital in Höhe von EUR 248 Millionen bei Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 23 Millionen bilanziell aus. Das ist eine traumhafte Eigenkapitalquote von über 90 %. Das ist mal richtig nett. Wenn ich so auf die Tabelle gucke, dann underperformen die ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nebenbei deutlich.

Falls ihr euch aber gewundert habt, warum in dem DFL-Vorschlag ein ausdrücklicher Spiegelstrich für „stille Beteiligungen“ vorhanden ist. Das ist sozusagen der Lex Hoffenheim. Denn auch nach der Rückgabe der Stimmrechte bleibt diese ja erhalten.

Wenn wir uns die Formulierung der Pressemitteilung der TSG Hoffenheim ansehen, die ich eben zitiert habe, dann ist das von „Mehrheit der Stimmrechtsanteile“ die Rede. Meine Vermutung: Hier wird eine Konstruktion gewählt, in der Hopp zwar weiterhin Mehrheitsgesellschafter ist, der e.V. aber die Mehrheit der Stimmen in Gesellschafterversammlungen hat. Dies ist ausreichend für eine Einhaltung von 50+1, wie ich bei der Beschäftigung mit dem Hannover 96-Vertrag schon mal ausgeführt habe.

Warum geht Hopp nun diesen Schritt? Das hier anscheinend nur die Stimmrechte übertragen werden, hat vielleicht auch einfach Gründe, die außerhalb des Fußballs liegen. Die Beteiligung an der Spielbetriebs-GmbH hat einen erheblichen Wert. Diese nun an den e.V. zurück zu geben, wäre eine Schenkung an den e.V. Zwar können Schenkungen an gemeinnützige Vereine steuerfrei sein (siehe § 13 Nr. 16 b des Erbschaftsteuergesetz), dies aber nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. U.a. darf nicht in den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des e.V. geschenkt werden. Und das könnte hier der Fall sein. Ich weiß es nicht, ich kann es nur vermuten; dafür müsste man tiefer in die Struktur des TSG Hoffenheim Konzern einsteigen. Man will hier anscheinend kein Risiko eingehen.

Darüber hinaus ist Herr Hopp 82 Jahre alt und wird bald 83. Ich denke, dass man bei der Gestaltung auch einen Blick auf den Erbfall wirft. Denn anscheinend hält er große Teile seines Vermögens noch in seiner eigenen Hand und nicht in irgendwelchen Stiftungskonstruktionen. Ich habe von Erbschaftsteuer null Ahnung, aber ich denke, dass auch daher der Wind weht und da auch Steuerberater*innen mit viel Ahnung mitreden und diesen Umstand auch bedenken werden.

Fußballerisch darf man nie vergessen, dass Herr Hopp eine offizielle Stimmenmehrheit gar nicht nötig hat. Wenn er mit dem Finger schnippt, liegt ganz Sinsheim auf dem Fußboden und erfüllt ihm jeden Wunsch. Dass der e.V. Gremien wählt, die Herrn Hopp nicht genehm sind, ist wahrscheinlich komplett ausgeschlossen. Das ist wie in Leverkusen und in Wolfsburg. Nur 10 mal deutlicher. Und anders als in Leverkusen und Wolfsburg ist Herr Hopp kein Konzern, dem eine Beteiligung durch Verrechnung mit Gewinnen an anderer Stelle richtig was bringt. Auch das ist wahrscheinlich eine Überlegung.

Nebenbei: Sollte ich irgendwann mal Milliardär werden, dann machen wir das auch mit atypisch still, Oke. Ich laufe dann aber vor dem pöbelnden Dortmunder Gästeblock rum und zeig denen meinen blanken Arsch, während ich denen „wenn ich will, dann kauf ich euch auf“ zubrülle. Gut, dass ich nicht annähernd in die Gefahr laufe, Milliardär zu werden. Milliardäre sollten zudem auch eigentlich nicht existieren.

Wird das nun reichen?

Wir dürfen nie vergessen, in was für einem Verfahren wir uns hier befinden. Wir befinden uns hier in einem Verfahren, das die DFL selber angestrengt hat. Das Kartellamt äußert sich laut Sportschau positiv. Das ist erstmal ein großer Schritt. Aber es ist bei weitem damit nicht geklärt, ob 50+1 mit allen kartellrechtlichen Regelungen vereinbar ist. Ich hatte bei dem ersten Aufschlag schon mich sehr darüber amüsiert, dass das Kartellamt keinen Markt für Sportvereinsbeteiligungen sieht. Das ist angesichts des Bieterwettbewerbes um Manchester United natürlich eher fragwürdig. Könnte ein Investor lieber EUR 1 Mrd. für 100 % von Hertha ausgeben wollen, als EUR 6 Mrd. für 100 % von United? Vielleicht? Und würde er es auf eine Klage bis zum EuGH ankommen lassen? Vielleicht. Und wie dieser dann entscheidet, müssen wir sehen. Die Ausnahmen Leverkusen und Wolfsburg werden bei einer Argumentation immer ein Problem sein. Insbesondere da aus meiner Sicht die Vorteile dieser Konstruktionen mit dem jetzigen Kompromiss nicht 100 % beseitigt sind. In Luxemburg wird gegen eine ähnliche Konstruktion geklagt und wenn das zum EuGH kommt und dieser sich damit beschäftigt, dann werden das Jurist*innen sehr aufmerksam lesen. Es wird spannend bleiben.

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