Liebe Lesende,
das Sportliche von gestern ist schnell erzählt: Ein Abnutzungsspiel mit vielen hitzigen Duellen, in dem keine der beiden Mannschaften eine offensive Linie fand und so das Ganze sehr zerfahren war. Viel Intensität, viel Kampf, wenig fußballerische Leckerbissen. Am Ende gewannen wir ein bisschen glücklich durch Airvine, Wandsilj und zweimal Aluminium. Trotzdem war das nicht ein „aber in der Hinrunde haben wir nur dieses Glück nicht gehabt“-Ding. Der Unterschied ist, dass sich unsere Truppe nicht mehr beeindrucken lässt, dass dagegen gehalten wird und man auch mit einem super aggressiven Pressing umgehen kann. Ja, uns stockte mehrfach der Atem, wenn Karol, Vasilj und Jakov da Flachpässe vor dem eigenen Tor zelebrierten, aber seien wir ehrlich: Das war auch ziemlich gekonnt.
Mal ein Shoutout für das Dapo vs Ananou Duell. Wie die beiden gegeneinander gefightet haben, war echt gut anzusehen. Und zwischen den beiden war das zu 99 % fair. Ganz anders da der Herr Verhoek. Was hatten wir dem denn beim Abgang getan? Der war ja sehr übermotiviert. Wenn dann ein etwas kartenfreudiger Schiri pfeift, geht er vom Platz. Otto und Daschi, die sich immer wieder vorne reinwerfen, Otto, der einen Ball auch in höchster Bedrängnis festmachen kann, noch nicht alles glücklich, aber weiter. Daschi, der immer wieder versucht, den Ball weiterzubringen und einfach marschiert wie ein Bekloppter. Ja, da gelingt nicht alles, aber der Einsatz ist top!
Insgesamt hatte man das Gefühl, dass die Mannschaft wusste, was dieses Spiel bedeutet und das auch auf den Platz brachte. Das war gut!
Rostock doing Rostock things
Rostock kam am HBF an, es wurde da schon geböllert. Die Polizei hatte vorher in der Presse von einem Angebot gesprochen, von dem man sehen müsse, ob die Rostocker dies annähmen. Am Ende gab es ein modifiziertes U-Bahn-Angebot, welches die Rostocker in bester Patenmanier nicht ablehnen konnten. Die Kommunikation der Polizei dabei echt fragwürdig.
Es ist leider so, dass alles, was von Gästeseite passierte, so zu erwarten war. Rostock muss sich ernsthaft mal fragen, ob man eigentlich bereit ist, Grenzen zu akzeptieren oder immer so weiter machen will, bis es eben richtig schief geht. Dann aber bitte nicht einen auf überrascht machen. Diese Szene lebt anscheinend nach dem Prinzip „egal welcher Schaden dadurch entsteht, Hauptsache Provokation“. Nein, das Lichtenhagen-Banner wurde nicht für so ein Spiel hergestellt, aber es hing eben bei diesem Spiel am Zaun und nicht in Bielefeld und in Braunschweig (extra nachgeguckt); es wurde also ganz bewusst kontextalisiert und mit gebastelten Sonnenblumen umrahmt. Wenn man meint, einen rechtsradikalen Pogrom als Provokationshebel nutzen zu wollen, dann fehlt da wirklich jeglicher Kompass. Dazu ein „Kategorie CIS“-Banner zu zeigen und eine Regenbogenfahne zu verbrennen, setzt dem Ganzen noch die transfeindliche Krone auf.
Es wurden dann ohne jegliche Rücksicht Gegenstände und Feuerwerk in die benachbarten gegnerischen Blöcke, vor allem die Nord, geballert. Dabei wurde bewusst versucht zu verletzen, und das passierte auch. Den Verletzten gute Besserung. Soll man es „reines Glück“ nennen, dass nicht mehr Menschen verletzt wurden? Auch hierzu muss Rostock sich fragen, ob es immer reines Glück bleiben soll. Ja, natürlich wurde dann aus der Nord zurückgeworfen. Aber man muss dabei immer Aktion und Reaktion klar benennen.
Auch muss man sich fragen, ob es nicht sehr lächerlich wirkt, wenn man ein „Alles für den FCH“-Banner aufhängt und den Support dann doch minutenlang einstellt, weil man gerade wieder irgendwelche Radauaktion plant.
Im Heimbereich der Nord war es laut mehrerer Quellen extrem unangenehm, mehrere Menschen hatten Panik.
Ihr wollt wissen, wie über jegliches Maß drüber es war? Wir hatten in einem ersten Entwurf den Versuch, das „Veteranen“-Banner zu klauen, gar nicht erwähnt. Weil das beinah schon „nur“ nervige Fußballfolklore ist.
Der Ruf nach kollektiven Strafen oder Punktabzügen (auch von unserem Präsidenten) ist da schnell sehr laut. Er ist aber nicht zielführend, denn diese führen immer zu falschen Solidarisierungs- und Reihenschließungseffekten und nicht zu einer Verbesserung. Wenn man Licht im dunklen Tunnel Rostock sehen will, dann dadurch, dass es wirklich kritische Stimmen gibt und auch der Präsident sofort Worte findet. Das war nicht immer so. Wobei Formulierungen der Marke „Das sind keine Fans“ schwierig sind und bleiben. Es sind Fans. Und man muss sich mit ihnen auseinandersetzen. Als Verein und auch als Szene.
Die Polizei
Die Polizei rückt immer mehr mit Wasserwerfern und Personal in unsere Bereiche ein. Polizisten auf der Haupt, direkt vor der Süd. Wasserwerfer auf dem HGF an beiden Seiten der GG, so ziemlich genau da, wo sonst illegale Bierverkäufer*innen ihren Platz hätten. Das ist extrem unangenehm und wird auch zu einem Problem werden, wenn denn doch mal wieder Fans mit einem Marsch von der Reeperbahn zum Gästeblock geführt werden.
Die eigene Tür
Es war von unserer Seite und unseren Beobachtungen nach auf der Straße sehr ruhig. Es soll wohl einen Feuerwerksaustausch vom Dach der Rindermarkthalle gegeben haben, aber das war auch das Schlimmste, das uns berichtet wurde. Das ist ein riesiger Unterschied zum letzten Derby, insbesondere im Verhalten direkt an den Eingängen. Nach dem Spiel war noch viel Gerenne zu beobachten, aber auch dieses ohne wirkliche Intensität.
Die Stimmung empfanden wir als durchwachsen. In der Nord auch durch ein Schockgefühl, im Rest des Stadions durch eine riesige Anspannung bei allen. Wenn es mal los ging, dann aber auch so richtig.
Shoutout an die Stadionregie und ihr Lied zur Begrüßung der Gästefans. Wir haben geschmunzelt.
Die Süd zeigte eine schöne Choreo und an dieser Stalle mal „Danke“ an alle Menschen, die da Arbeit reinstecken, und an jene, die sich nach dem Hochhalten der Fahne einen Platz im Block suchen müssen. Der Aufwand, der da betrieben wird, wird gerne mal vergessen. Danke euch allen. Und, liebe Menschen: „Spende für die Choreokasse“ ist ein Aufruf, dem ihr folgen solltet.
Fazit?
Wir könnten auf einen Besuch aus der anderen Hansestadt gerne nun wieder 14 Jahre verzichten. Unser persönlicher Glücksbringer, bei dessen Anwesenheit im Stadion der FCSP noch nie verloren hat, sei hier mal ausgenommen. Grüße an dieser Stelle.
Drei Funfacts
Lustig, dass Hansa-FCSP (und andersherum) nie unentschieden endete.
Hat schon mal ein Trainer zu Beginn seiner Trainerkarriere seine ersten 5 Spiele im Profifußball gewonnen? Frank Schmidt in Heidenheim hat dies erreicht, aber noch in der Oberliga. Nach einem Wechsel des Vereines ist es Trainern mal gelungen. Aber im ersten Job vom Start an?
In den europäischen Topländern (Liga 1 bis 3) sind noch zwei Mannschaften ohne Punktverlust in 2023: Der BVB und wir. Schöne Grüße gehen raus nach Barcelona, Paderborn und Darmstadt, die alle am Wochenende ihre ersten Punkte in 2023 verloren haben.
Ende
Die 51 Punkte-Rückrunde ist immer noch möglich. Nach 16 Spielen hatten wir 16 Punkte, in den darauf folgenden 6 Spielen haben wir ebenso 16 Punkte geholt.
PS: Jakov? Wir sind Fans! (Digga: Das ist kein Derby!)
PPS: Minifant? Erfolgsgarant!
Ja, man konnte in der Tat Angst haben in der Nord! Das drückte auf die Stimmung.
Mal wieder sehr schöne Zusammenfassungen! Kleine PC Kritik „ wo sonst illegale Bierverkäufer*innen ihren Platz hätten“. Vielleicht hätte das Wort illegalisierte Bierverkäufer*innen dort besser gepasst um klar zu machen, dass diese Menschen nichts verwerfliches tun aber es bescheuerte Bürokratische Hürden gibt gerade für Personen ohne Deutschen Pass und da dieser Staat arme hasst und sie somit gerne in die Illegalität zwingt.
Moin Rosa,
du hast Recht. Danke für den Hinweis. Werden wir in Zukunft beachten.
Eine schöne Zusammenfassung! Aber vermutlich an einigen Schlussfolgerungen nicht ganz zuende gedacht. Man sollte aber nicht zu kritisch betrachten, da es ja als Oberbegriff um unseren magischen FC geht und nicht um Rostock oder die Damen und Herren der Rennleitung.
Auch, dass es nicht um illegale, sondern illegalisierte Bierverkäufer_innen geht, gute Anmerkung. Aber gerade da vielleicht etwas kritischer betrachtet, was dort eigentlich dahinter steckt. Sollte man mit einem Gedanken evtl. weiter gehen, dass man zwar gerade jetzt schwer verurteilt, was passiert ist, dass ein Fan leicht und ein Ordner schwer verletzt wurden und gerade erst ein oder zwei Spiele zuvor ein Ordner ebenfalls sehr schwer verletzt wurde, durch gerade diese Bierverkäufer_innen, nachdem er eine Flasche aus nächster Nähe an den Kopf bekommen hat? Und solch ähnliches Verhalten schon öfter beobachtet werden konnte. Es dort nicht um einzelne Menschen geht, sondern um organisierte, teils gewaltätige Gruppierungen.
@ Rosa:
Ich finde Deinen Einwand schwierig. Das hat zu den Anfangszeiten sicher noch gegolten, als sich da Hans&Franzi hingestellt haben, inzwischen sind die Verkäufer:innen allerdings größtenteils der Schwarzmarktmafia zuzuordnen. In dem Kontext finde ich illegal tatsächlicher passender als illegalisiert, wobei Du grundsätzlich natürlich recht hast.