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Lyrik und der FC St. Pauli 

Musik und Fußball – eine unwiderrufliche Verknüpfung. Einlaufmusik, Halbzeitmusik, Tormusik, Werbejingle, Gesänge im Block – wie seltsam und leer wäre ein Spieltag ohne Musik. Aber nicht nur der Stadionbesuch selbst ist voller Musik. Spieltagsplaylists, Auswärtsplaylists, Ohrwürmer bei der Erwähnung von „Kopenhagen“ und „die Sonne scheint“. Musik transportiert Emotionen und verankert Erinnerungen in meinem Kopf. Gleichzeitig habe ich ein großes Faible für Lyrik und Poesie. Weswegen ich beim achten „Lalala“ oder bei dem Versuch, dreisilbrige Gegnernamen auf zwei Silben zu singen, immer etwas Kopfschmerzen bekomme. 

Aus diesem Grund möchte ich hier zukünftig in unregelmäßigen Abständen über Lieder und Lyrik, die mir im erweiterten Umfeld des fcsp begegnen, schreiben. Wie das genau aussehen wird, werden wir sehen. Ob das eher wieder die didaktische Erarbeitung eines neuen Fangesangs im Block (nein, wird es nicht) oder die Textanlayse und Interpretation des Krachers auf der letzten Auswärtsfahrt wird, wird sich zeigen. 

Disclaimer vorweg: Gedichte und Lyrics lassen sich (fast) immer in mehrere Richtungen lesen, und vieles ist Auslegungssache. Textstellen können je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen bekommen. Das ist alles nicht richtig rund oder sehr in eine Richtung gepresst und ausgelegt. Das hier ist bitte nicht zu ernst zu nehmen. Das Ganze ist auch keine Empfehlung, Lieder nicht mehr mitzusingen oder so. Es ist einfach nur Gedichte-Quatsch-mit-Flossi (und mehr ein Nischenthema).

Heute möchte ich anfangen mit einem Klassiker, der auf keiner Auswärtsplaylist fehlen darf. 

Vicky Leandros – Ich liebe das Leben

Songwriting: Leo Leandros/ Klaus Munro 

Zu erst einmal zum Vergleich die Lyrics des Originals: 

Dein Koffer wartet schon im Flur

Du Iässt mich allein

Wir seh’n uns an und fühlen nur

Es muss wohl so sein

Noch stehst du zögernd in der Tür

Und fragst: „Was wird aus dir?“

Nein, sorg dich nicht um mich

Du weißt, ich liebe das Leben

Und weine ich manchmal noch um dich

Das geht vorüber sicherlich

Mag sein, dass man sich selber oft

Viel zu wichtig nimmt

Verzweifelt auf ein Feuer hofft

Wo es nur noch glimmt

Wenn uns so was auch sehr weh tun kann

Man stirbt nicht gleich daran

Nein, sorg dich nicht um mich

Du weißt, ich liebe das Leben

Und weine ich manchmal noch um dich

Das geht vorüber sicherlich

Vielleicht gefällt’s mir wieder frei zu sein

Vielleicht verlieb ich mich aufs Neu

Man wird ja seh’n

Die Welt ist schön

Wie’s kommt ist einerlei

Lai-dai-dai-dai-dai

Du weißt, ich liebe das Leben

Lai-lai-lai-lai, la-lai-da-di-dai

Lai-dai-la-la-la, la-la-lai

Was kann mir schon gescheh’n?

Glaub mir, ich liebe das Leben

Das Karussell wird sich weiterdreh’n

Auch wenn wir auseinandergeh’n

Auch wenn wir auseinandergeh’n

Und nun die St. Pauli Version (Textänderungen Fett gedruckt): 

Dein Koffer wartet schon im Flur

Du Iässt mich allein

Wir seh’n uns an und fühlen nur

Es muss wohl so sein

Noch stehst du zögernd in der Tür

Und fragst: „Was wird aus dir?“

Nein, sorg dich nicht um mich

Du weißt, ich liebe St. Pauli

Und weine ich manchmal noch um dich

Das geht vorüber sicherlich

Mag sein, dass man sich selber oft

Viel zu wichtig nimmt

Verzweifelt auf ein Feuer hofft

Wo es nur noch glimmt

Wenn uns so was auch sehr weh tun kann

Man stirbt nicht gleich daran

Nein, sorg dich nicht um mich

Du weißt, ich liebe St. Pauli

Und weine ich manchmal noch um dich

Das geht vorüber sicherlich

Vielleicht gefällt’s mir wieder frei zu sein

Vielleicht verlieb ich mich aufs Neu

Man wird ja seh’n

Die Welt ist schön

Wie’s kommt ist einerlei

Lai-dai-dai-dai-dai

Du weißt, ich liebe St. Pauli

Lai-lai-lai-lai, la-lai-da-di-dai

Lai-dai-la-la-la, la-la-lai

Was kann mir schon gescheh’n?

Glaub mir, ich liebe St. Pauli

Das Karussell wird sich weiterdreh’n

Auch wenn wir auseinandergeh’n

Auch wenn wir auseinandergeh‘n

Die nun folgende Analyse bezieht sich auf die Fanversion und hier gezielt auf den Text. Die musikalische Betrachtung wird außen vor gelassen. 

Wie kam das Lied eigentlich auf die Auswärtsplaylist? 

Schuld ist Sören Gonther, der in einem Interview sagte, dass er gerne Vicky Leandros höre und sich vorstellen könnte, das am Millerntor zu hören. Irgendwie hat sich das Ganze dann verselbständig. Hinzukommt, dass der Refrain sich durch die Veränderung von zwei Wörtern, von „das Leben“ zu „St. Pauli“ leicht auf die Fanszene anpassen lässt. Dazu noch eine schmissige Melodie und schon hat man ein Lied, dessen Refrain in einem Auswärtspöbelneuner jeder mitsingen kann. 

Aufbau und Struktur 

Das Lied besteht aus zwei Versen, die jeweils durch die Wiederholung des Refrains voneinander getrennt sind; nach der zweiten Wiederholung des Refrains folgt die Bridge. Der Text endet mit einer textlich abgewandelten Form des Refrains.  

In den Versen findet sich folgendes Reimschema: ababcc. Auf einen Kreuzreim folgt ein Paarreim, der Paarreim ist in Vers eins unrein (Tür – dir). 

Dein Koffer wartet schon im Flur  a

Du lässt mich allein  b

Wir seh’n uns an und fühlen nur  a

Es muss wohl so sein  b

Noch stehst du zögernd in der Tür  c

Und fragst: „Was wird aus dir?“  c

Im Refrain finden sich Haufenreime, die von einer Waise unterbrochen werden (aaba). Dies hebt die Zeile „Du weißt, ich liebe St. Pauli“ hervor und verstärkt ihre Bedeutung. 

Nein, sorg dich nicht um mich  d

Du weißt, ich liebe St. Pauli  e

Und weine ich manchmal noch um dich  d

Das geht vorüber sicherlich  d

Der Refrain isoliert betrachtet 

Betrachtet man den Refrain isoliert, so entsteht der Eindruck, dass das „lyrische Ich“ (Fan) mit St. Pauli als „lyrisches Du“ spricht. „Nein, sorg dich nicht um mich. Du weißt, ich liebe St. Pauli“ – das lyrische Ich versichert dem Verein seiner Liebe. Der Verein müsse sich keine Sorgen um das lyrische Ich machen, da ihm seine Zuneigung sicher sei. „Und weine ich manchmal noch um dich. Das geht vorüber sicherlich.“ Fan bestärkt diese Aussage noch, indem angefügt wird, dass ab und zu wegen des Vereins noch Tränen fließen würden. Es lässt sich annehmen, dass dies aus Trauer und Wut um verlorene Spiele oder, im Extremfall, um einen Abstieg geschieht. Diese Tränen werden aber trotzdem vergehen und so sind Fans sich sicher, dass auch dies der Liebe zum Verein nichts anhaben kann. 

Betrachtet man nun allerdings das Lied im Ganzen, so ergeben sich zwei Interpretationsmöglichkeiten: 

  1. Die Trennung von einem Partner aus Liebe zum Verein 
  2. Die Trennung vom Verein 

Beide Möglichkeiten sollen nun nachfolgend beleuchtet werden. 

  1. Die Trennung von einem Partner aus Liebe zum Verein 

Dein Koffer wartet schon im Flur

Du lässt mich allein

Wir seh’n uns an und fühlen nur

Es muss wohl so sein

Noch stehst du zögernd in der Tür

Und fragst: „Was wird aus dir?“ 

Das lyrische Ich beschreibt in den Zeilen eins bis sechs die letzten Momente einer Trennung. Die verlassende Person hat schon ihren Koffer gepackt und in den Flur gestellt. Einen Grund für die Trennung erfahren wir zunächst nicht. In der Zeile „du lässt mich allein“ beschreibt das lyrische Ich zum einen die Tatsache, dass, wenn die andere Person die Wohnung verlässt, es physisch allein in der Wohnung ist. Zum anderen spiegelt diese Zeile auch die emotionale und psychologische Komponente des Verlassenwerdens wider. Das Gefühl des Zurückgelassenwerdens, weil das Gegenüber für sich einen Lebensabschnitt beendet. Auch das Gefühl, mit der Liebe für eine Person allein zu sein, weil diese dieses Gefühl nicht mehr erwidert, spiegelt diese Zeile wieder. Mit den Zeilen „Wir seh’n uns an und fühlen nur Es muss wohl so sein“ (Zeile 3&4) versichert sich das lyrische Ich durch einen Blick nochmal, dass die Trennung unaufhaltbar ist. Gleichzeitig nimmt das lyrische Ich an, dass das Gegenüber genauso empfindet. Dem Fan ist bewusst, dass es keinen anderen Weg als die Trennung gibt, gleichzeitig fühlt sich die Person allein und zurückgelassen. In den letzten beiden Zeilen des ersten Verses zeigt sich dann, dass sich die verlassende Person des Ganzen doch nicht hundertprozentig sicher scheint, wie in den Zeilen davor vermittelt wurde. Das Gefühl des lyrischen Ichs, einfach und ohne Rücksicht alleingelassen zu werden, spiegelt nicht die Realität wider, da die gehende Person sich immer noch Gedanken um das lyrische Ich macht („Und fragst: was wird aus dir?“ (Z.6)).

Nein, sorg dich nicht um mich

Du weißt, ich liebe St. Pauli

Und weine ich manchmal noch um dich

Das geht vorüber sicherlich

Der nun folgende Refrain wirkt wie eine Trotzreaktion auf die vorherige Frage. „Um mich musst du dir keine Sorgen zu machen. Ich habe meinen Fußballverein und den liebe ich. Und ich bin mir sicher, die Gefühle, die ich nun im Bezug auf unsere Trennung fühle, werden vorbei gehen“ scheint das lyrische Ich mit diesen Zeilen dem Gegenüber sagen zu wollen. Des Weiteren scheint das lyrische Ich der anderen Person deutlich machen zu wollen, dass es zu St. Pauli wirklich Liebe sei. Die Zeile „Du weißt, ich liebe St. Pauli“ (Z. 8) lässt vermuten, dass St. Pauli der Grund für den Trennung ist. 

Mag sein, dass man sich selber oft

Viel zu wichtig nimmt

Verzweifelt auf ein Feuer hofft

Wo es nur noch glimmt

Wenn uns so was auch sehr weh tun kann

Man stirbt nicht gleich daran

In den Zeilen 11 und 12 gesteht sich das lyrische Ich ein, dass die Möglichkeit besteht, dass man als Fan die Liebe zu seinem Verein und seine persönlichen Interessen oft für sehr wichtig hält und andere Dinge dafür hintenan stellt. „Verzweifelt auf ein Feuer hofft wo es nur noch glimmt“ (Zeilen 13 und 14) zeigen, dass der/die Partner*in schon einmal Interesse am Hobby des lyrischen Ichs hatte, dieses aber nun verloren hat. Gleichzeitig ist dies auch ein Verweis auf die erloschene Liebe zwischen den beiden Protagonist*innen. Zeile 15 spiegelt den Schmerz wieder, wenn die andere Person das Interesse an einem gemeinsamen Hobby verliert und gleichzeitig den Schmerz der Trennung („Wenn uns so was auch sehr weh tun kann“ Zeile 15). Darauffolgend versichert sich das lyrische Ich aber direkt, dass es zwar weh tue, man aber daran auch nicht sterben würde („Man stirbt nicht gleich daran“ Zeile 16). Es lässt sich annehmen, dass das lyrische Ich die verlorene Liebe zu der anderen Person zwar schmerzt, da es aber immer noch Liebe zu seinem Fußballverein empfindet, trotzdem aber immer noch Liebe in seinem Leben hat und deswegen der Trennung gelassener gegenüber steht. 

Nun folgt wieder der Refrain, mit dem der anderen Person nochmals gesagt werden soll, dass die Liebe zu St. Pauli bestehen bleibt, die Trennung zwar aktuell noch für Trauer sorgt, dies aber auch irgendwann beendet sei. 

Vielleicht gefällt’s mir wieder frei zu sein

Vielleicht verlieb ich mich aufs Neu

Man wird ja seh’n

Die Welt ist schön

Wie’s kommt ist einerlei

In der Bridge scheint das lyrische Ich mit sich selbst zu sprechen und sich alle Möglichkeiten aufzuzählen, die es jetzt ohne die andere Person hat. „Vielleicht gefällt‘s mir wieder frei zu sein. Vielleicht verlieb ich mich aufs Neu“ (Zeilen 17 und 18). Es kehrt eine positive Stimmung bei der sprechenden Person ein – eine „alles wird gut, egal was passiert“-Haltung „Man wird ja seh‘n Die Welt ist schön Wie‘s kommt ist einerlei“ (Zeilen 19-21). Dies zeigt sich auch in der Wahl der Wörter. In den ersten zwei Versen wählt das lyrische Ich Wörter wie „allein (Z. 2), „zögernd“ (Z. 5), „Feuer“ (Z. 13), „stirbt“ (Z. 16) – Wörter, die eher negativ konnektiert sind und hier den Schmerz der Trennung  unterstreichen. Im dritten Vers wählt das lyrische Ich Wörter wie „frei“ (Z. 17), „verlieb“ (Z. 18) und „schön“ (Z. 20), die ein deutliches positiveres Bild und einen offenen Blick in die Zukunft zeichnen. 

Anschließend folgt eine zweite Bridge, die in den Zeilen 22, 24, und 25 nur aus Lautmalerei besteht. In Zeile 23 bestätigt das lyrische Ich nochmals seine Liebe zum FC St. Pauli. Die Lautmalerei erinnert an Fangesang. So lässt sich annehmen, dass das lyrische Ich im Stadion steht und sich seinen Frust über die Trennung von der Person von der Seele singt. 

Lai-dai-dai-dai-dai

Du weißt, ich liebe St. Pauli 

Lai-lai-lai-lai, la-lai-da-di-dai

Lai-dai-la-la-la, la-la-lai

In der letzten Wiederholung des Refrains ändert das lyrische Ich die Ansprache an das Gegenüber. Während es zuvor immer sagte „Du weißt, ich liebe St. Pauli“ (vgl. Zeile 8), sagt es nun „Glaub mir, ich liebe St. Pauli“ (Zeile 27). Es scheint, als wolle das lyrische Ich die andere Person endgültig davon überzeugen, dass es den Verein liebe. In den nachfolgenden Zeilen 28 und 29 verstärkt sich diese Aussage noch, indem gesagt wird, dass das Leben weiter geht, auch wenn die beiden Personen nicht mehr zusammen sind („Das Karussell wird sich weiterdreh‘n Auch wenn wir auseinandergeh‘n“ Zeilen 28 und 29). Trotz der Änderung des Textes bleibt das Reimschema weiterhin bestehen (iiji). Dies verknüpft die beiden Versionen des Refrain miteinander und zeigt, dass das lyrische Ich sich in seinen Aussagen sicher ist. Gleichzeitig zeigen die letzten beiden Zeilen der Abwandlung des Refrains auch eine Weiterentwicklung des lyrischen Ich. Von gelegentlicher Trauer und Tränen um den Verlust der anderen Beziehung hin zu „das Leben geht weiter auch wenn wir nicht mehr zusammen sind“. 

Was kann mir schon gescheh’n?

Glaub mir, ich liebe St. Pauli

Das Karussell wird sich weiterdreh’n

Auch wenn wir auseinandergeh’n

Auch wenn wir auseinandergeh’n 

 3. Die Trennung vom Verein 

Eine weitere Möglichkeit, das Lied zu interpretieren, ist, dass es sich nicht um die Trennung von einer Person handelt, sonder um das Loslösen von einem Fußballverein. Folglich spricht das lyrische Ich nicht mit einer Person, sondern richtet seine Rede direkt an den Verein. 

In Vers eins beschreibt das lyrische Ich (Fan) die Abkapselung vom Verein. Dem Verein wurden schon seine imaginären Koffer gepackt, da er den Fan allein gelassen hat (vgl. Zeilen 1-2). Eventuell wurden im Verein Entscheidungen getroffen, die der Fan nicht mittragen kann, wie zum Beispiel die Annahme eines fragwürdigen Investors. Die Zeile „Du lässt mich allein“ (Zeile 2) lässt sich folglich als Verrat am Fan und an den Werten der Fans lesen. „Wir seh‘n uns an und fühlen nur Es muss wohl so sein“ (Zeilen 3-4) zeigt den letzten Blick des Fans zurück auf den Verein und die Gewissheit, das man unter diesen Umständen nicht mehr Teil des Ganzen sein kann. Die letzten beiden Zeilen des ersten Verses lassen sich nach dieses Interpretation als Versuch des Vereins sehen, die Fans im Verein zu halten. Zeile 6 „Und fragst: „Was wird aus dir?“ wirkt in diesem Fall wie ein toxischer Manipulationsversuch. „Was wird aus dir? Du hast doch nur mich“. 

Der darauf folgende Refrain ist folglich die Antwort des Fans auf die Frage des Vereins. Man müsse sich als Verein keine Sorgen um die Fans machen. Man wisse als Verein genau, dass die Fans den Verein lieben würden. Und man werde um die Zeit miteinander weinen, aber auch dies wird irgendwann ein Ende haben (vgl. Zeilen 7-10). Gleichzeitig kann Zeile acht „Du weißt, ich liebe St. Pauli“ auch als Anklage an den Verein gelesen werden. Der Verein wüsste genau, wie sehr die Fans ihn lieben würden, wie viel sie für ihn auf sich nehmen, und wie der Verein Gewinn mit ihnen machen kann. Gleichzeitig zeigt dies auch, wie schwer die Entscheidungen des Vereins wiegen müssen, dass Fans ihre Liebe zum ihm deswegen aufgeben.

Nein, sorg dich nicht um mich

Du weißt, ich liebe St. Pauli

Und weine ich manchmal noch um dich

Das geht vorüber sicherlich

Im zweiten Vers reflektiert das lyrische Ich das Fansein. Man hätte sich als Fan in der Vergangenheit zu oft zu wichtig genommen. Dies kann sich zum einen auf die Begegnung mit anderen Fangruppierungen beziehen, aber auch auf das Prioritisieren des Fußballs gegenüber familiären und freundschaftlichen Beziehungen („Mag sein, dass man sich selbst oft viel zu wichtig nimmt“ Zeilen  11 und 12). Zeile 13 und 14 „Verzweifelt auf ein Feuer hofft Wo es nur noch glimmt“ beschreibt somit den Versuch, die Fanliebe hochzuhalten, obwohl schon zu viel kaputt gegangen ist. In den letzten beiden Zeilen relativiert das lyrische Ich den verzweifelten Versuch, die eigene Fanliebe noch zu retten, in dem es sich eingesteht, dass es zwar schmerzlich ist, einen so großen Teil seines Leben zu verlieren, man aber daran auch nicht sterben wird. 

Der nun sich wiederholende Refrain betont nochmals den Schmerz dieser Entscheidung und wiederholt nochmals die Anklage an den Verein. 

Die Bridge zeigt nun die endgültige Loslösung vom Verein und das Nachvorneschauen des Fans. „Vielleicht gefällts mir wieder frei zu sein (Zeile 17) zeigt die Loslösung von alltagsbestimmenden Spielplänen und Terminen im Verein. „Vielleicht verlieb ich mich aufs Neu“ (Zeile 18) zeigt die emotionale Weiterentwicklung des Fans, in der es eventuell die Möglichkeit geben kann, sich in einen neuen Verein zu verlieben. In den letzten drei Zeilen des zweiten Verses blickt das lyrische Ich optimistisch in die Zukunft und zeigt auf, dass es, egal wie es weitergeht, positiv in die Zukunft blickt (vgl. Zeilen 19-21 ). 

Der zweite lautmalerische Teil der Bridge wirkt wie ein letztes Singen von Fangesängen. Eine letzte Verabschiedung vom Fansein. 

Lai-dai-dai-dai-dai

Du weißt, ich liebe St. Pauli 

Lai-lai-lai-lai, la-lai-da-di-dai

Lai-dai-la-la-la, la-la-lai

Der letzte abgeänderte Refrain, zeigt nochmals das Abschließen des Fans mit dem Verein und dem Fansein. „Das Karussell wird sich weiterdreh‘n Auch wenn wir auseinandergeh‘n“ (Z 28 & 29) beschreibt die Resignation des Fans mit dem Geschäft Fußball. Egal, ob ein Fan weiterhin Teil des Vereins ist oder nicht, es wird weiter Fußball gespielt werden, es werden weiter Spieler transferiert und dubiose Sponsorenverträge abgeschlossen. 

Was kann mir schon gescheh’n?

Glaub mir, ich liebe St. Pauli

Das Karussell wird sich weiterdreh’n

Auch wenn wir auseinandergeh’n

Fazit

Durch das Abändern zweier Wörter im Refrain werden dem Lied, in dem original um die Trennung zweier Menschen geht und um die Versicherung an die verlassende Person, dass sir sich keine Sorgen machen müsse, weitere Ebenen gegeben. So lässt sich der isolierte Refrain durch die Abwandlung eher als gutes Zureden an den Verein lesen. Mit Blick auf den Text als Ganzes ergibt sich dann aber wieder das Bild von Trennung, nur diesmal mit Bezug zum Verein – entweder als Grund der Trennung oder als das, von dem sich getrennt wird. Dieser Zwiespalt zwischen den Interpretationen und der Zwiespalt des lyrischen Ichs zwischen ihm und dem Verein und zwischen ihm und Personen, die die Liebe zu einem Fußballverein nicht hundertprozentig teilen, spiegelt die Realität als Fußballfans sehr gut wieder. Man ist seinem Fußballverein verbunden, gleichzeitig passieren dort jedoch auch häufig Dinge, die eine Person dazu bringen, ihr Fandasein zu reflektieren. Außerdem zwingt dieses Hobby eine*n oft, sich zwischen dem Verein und Freunden/anderen Terminen zu entscheiden. Dies macht dieses Lied mit dem abgewandelten Text zu einem guten Lied für die nächste Auswärtsplaylist.

PS: NEIN, DAS LIED bzw. DIE INTERPRETATION HAT NICHTS MIT DER ENTLASSUNG VON SCHULLE ZU TUN! (Nur falls jemand auf dumme Gedanken kommt).

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