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Eine Eloge auf Timo Schultz

(Ein Beitrag des Seniors) 

Leider ist es nun traurige Gewissheit: Der Weg des FCSP mit dem Cheftrainer Timo Schultz geht nicht weiter. 

Trainer zu entlassen ist leider die traurige Normalität im Profigeschäft. Trainer unterschreiben mit ihrem Anstellungsvertrag auch ihre Entlassung. Was dabei wichtig ist, dass Trainer nie alleine an einem Erfolg und nie alleine an einer Misere Schuld sind, und so wird es auch beim FCSP und Timo Schultz sein. Dafür spricht alleine schon der Fakt, dass wir seit 2011 beinah durchgängig unter diversen Trainern, diversen Sportchefs, mehreren Präsidenten und Vizepräsident*innen sowie unter diversen Aufsichtsrät*innen unseren sportlichen Zielen hinterherlaufen.

Aber diesen ganzen Abgesang würde ich nun nicht schreiben, wenn Timo ein dahergelaufener Coach wäre, der uns 92 Pflichtspiele mit durchwachsenem Erfolg betreut hätte. Nein, Timo ist/war seit Sommer 2005 als Spieler und danach in diversen anderen Tätigkeiten in diesem Verein. Das ist eine halbe Ewigkeit im Fußballgeschäft. Das ist länger, als dieses Blog existiert. Es ist fast 50 % meiner Zeit als FCSP-Fan und ich wurde Fan, als das Leben noch auf Schwarz-Weiß-Fernsehern lief. Wir alle durften Timo als sympathischen Spieler kennen lernen, und bis heute finde ich ihn super sympathisch. Was dieses beschissene Fußballgeschäft noch brutaler macht. Halb im Scherz habe ich deswegen gesagt, dass ich ab jetzt nur noch Arschlöcher als FCSP-Trainer will, die ich ohne Träne wieder feuern kann. Und das Beschissenste dabei? Ich erinnere bis heute, dass Timo als Spieler nicht verabschiedet wurde, weil er ja im Verein blieb. Und nun ist er einfach weg. 

Danke, Timo. 

Dafür, dass du mir eigentlich immer sympathisch warst. Auch wenn man dir auch für einige Aussagen mal einen auf die Ohren hauen wollte. Ich erinnere da z.B. ein „Frauen zum Einkaufen schicken“ in Coronazeiten.  

Danke für zwei Aufstiege als Spieler. Für deine Kunst, gefühlt in jedem Spiel eine gelbe Karte zu bekommen, aber nie eine rote oder eine gelb-rote. Okay, eigentlich waren es beim FCSP in 138 Spielen „nur“ 50 gelbe Karten, aber wer lässt sich die Legende schon durch Statistik kaputt machen?! 

Danke für die Teilnahme an zwei Aufstiegen. Für einige Szenen, die mir im Gedächtnis geblieben sind: Der Autotorjubel mit Rene Schnitzler (wer erinnert diese Rübennase noch?), ein Heber gegen die Rauten 2, ein Schneetor gegen Werder, ein Freundschaftsspiel nach dem Bundesligaaufstieg und ganz viel gute Laune auf und neben dem Platz. Wenn man so will: Ein Sonnenstrahl in einer sehr dunklen Zeit dieses Vereines. Die andererseits eben auch einen Kern hervorbrachte, der für unseren letzten Bundesligaaufstieg verantwortlich war. Und Timo Schultz ein großer Bestandteil dieses Kerns. 

Unsere dauerhafte sportliche Misere liegt an vielen Dingen, die wir strukturell verschlafen haben und die wir immer noch schmerzhaft nachholen müssen. Uns haben viele Vereine (bzw. nicht-mehr-Vereine) in einer Professionalisierung und in Trainingsmöglichkeiten weit überholt. Auch unser Stadion kam spät und bindet immer noch Ressourcen. Das soll keine Entschuldigung sein; es ist einfach Fakt. Wir als Verein versuchen dies alles aufzuholen, aber diese Mühlen mahlen immer noch viel zu langsam. 

Nein, die „Politik“ ist nicht Teil des Problems. In Zeiten, in denen sich die Werder Bremen KGaA über ihre Socialmediakanäle zum Thema Katar deutlicher und stärker äußert, als wir es können, kann das kein Argument sein. Wir sind auch hier überholt worden und sind seit langem nicht mehr die Speerspitze einer Bewegung. Auch hier haben wir Entwicklungen verschlafen und versuchen, wieder Anschluss zu finden. 

Ich hatte ein bisschen die Hoffnung, dass wir im sportlichen Bereich genau mit Schulle einen großen Schritt nach vorne machen. Moderne Trainingsmethoden durch einen Freak wie Favé (der nun auch geht). Das versprach mehr als den üblichen 4-2-3-1 Betonfußball, den so viele „hat schon alles in der zweiten Liga trainiert“ Trainer spielen lassen. 

Und so begann es auch. Mutig, teilweise verrückt begann die Zeit von Schulle beim FCSP als Trainer. Und auch mal selbstkritisch. Ich habe noch das „ich wollte zu viel“ im Kopf, das er auch nach dem ersten sehr schwierigen halben Jahr gesagt hat. Im dann folgendem Kalenderjahr 2021 wurde der Mut belohnt: Der FCSP spielte Fußball von einem anderen Stern und einen Fußball auf Höhe der Zeit, wie wir ihn hier lange nicht gesehen haben. Wahrscheinlich waren wir nur unter Maslo mal ähnlich nah an dem, was gerade im Fußball als modern gilt. Dieses „die ersten 15 Minuten brutal rauf gehen“ war ein Markenzeichen und gerade am Millerntor auch eine Art Fußball, die das Publikum als 12. Mann aktiviert. Selbst unter Coronabedingungen. 

Der Bruch waren die Niederlagen in Darmstadt und Kiel. Zweimal wurden wir brutal ausgekontert. Und verloren dann unseren Mut und dieses „15 Minuten brutal drauf“-Markenzeichen. Wo vorher noch Geschwindigkeit, Aggressivität und Risikopass Trumpf war, wurde nun häufiger im Mittelfeld auf den Ball getreten und der sichere Ball gesucht. Sinnbildlich dafür die Rollen von Kyereh und Burgstaller. 

Der Vergleich zwischen Hin- und Rückrunde der Saison 21/22 spricht Bände: Kyereh in der Hinrunde 10 Torvorlagen und 27 Torschussvorlagen. In der Rückrunde? Nicht eine Torvorlage und nur 15 Torschussvorlagen. Burgstaller? Hinrunde 14 Tore, Rückrunde 4 Tore. Ich habe jetzt nicht nachgeguckt, aber ich behaupte mal, dass viele Hinrundentore von Burgstaller auf Vorlagen von Kyereh beruhen. Dass Kyereh sich in der Rückrunde dann aufs Toreschießen verlagert hat, zeigt einfach, welche Qualität der Junge hat. Zeigt sich auch daran, dass er in Freiburg grob den Sprung in den Kader geschafft hat und da ja auch mal Tore macht. Und dies trotz der riesigen Qualität, die Freiburg so hat. Viele Grüße gehen raus an Herrn Becker. 

Wahrscheinlich wäre die richtigere Lösung gewesen, bei unserem Stil zu bleiben und damit zu leben, dass wir mal ausgekontert werden. Es wäre allemal der Markenkern des Timo S. geworden. Wir sind mutig, wir spielen unser Spiel und das geht auch mal schief. Das sagt er bis heute in Pressekonferenzen, aber gelebt hat er es an dieser Stelle nicht. Ja, klar, das wird dann schnell zu einem „wir können nicht gegen eine 5er Kette spielen“, aber da liegt eben nur die halbe Wahrheit. Vielleicht hätten wir es einfach zumindest 2021/2022 in Kauf nehmen müssen, dass wir da auch mal auf den Sack bekommen, aber Gegner hätten sich immer auf uns einstellen müssen und nicht wir auf sie. Das bekommt in Liga 2 auch nicht jeder hin. Ich mein, seien wir ehrlich: Lieberknecht lässt seit Jahrzehnten immer den gleichen Scheiß spielen. Hat sich die gesamte 2. Liga drauf eingestellt? Ja! Bekommen sie es gestoppt? Meistens nein! 

In der Innenverteidigerposition sehe ich nebenbei auch ein bisschen den Kardinalfehler im Kader. Wir sind ja nicht die einzigen, die so spiel(t)en. Der Unterschied ist aber häufig, dass viele andere Vereine folgenden Innenverteidigertyp haben: „Kante, Kopfballstark, pfeilschnell, im Aufbau nicht zu gebrauchen“. Unsere Innenverteidiger können alle sauber aufbauen, sind spielerisch stark. Und langsam und kopfballschwach. Ein Jackson Senior in der Form vor seinen Verletzungen wäre Gold wert. Erinnert ihr noch, wie der teilweise 5 Meter auf Stürmer aufgeholt hat und die dann sauber weggegrätscht hat? Ja klar, das ist nicht moderner Superfußball, aber es ist halt Realität in Liga 2. Vielleicht wollten Schulle und die sportlichen Verantwortlichen auch hier einfach zu viel? 

Der Bruch mit dem Jahreswechsel zu 2022 ist offensichtlich. Unser Spiel in der Rückrunde und das Spiel diese Saison wurde immer zäher, immer mehr hinten rum und auf Sicherheit bedacht. Die berühmten 15 Minuten brutales Pressing zu Beginn schon lange Vergangenheit. Dabei waren sie sehr erfolgreich. Ja, man kann seine Spielweise ändern, aber irgendwie passte es alles nicht mehr. Geschwindigkeit ist im Zweitligafußball eine brutale Waffe. Hier geht Spanien 2010 als Spielstil einfach nicht, weil keine Mannschaft ballsicher genug ist. Deswegen gibt es in der zweiten Liga so viele „One Trick Ponys“ der Marke Sirlord Conteh oder Rouwen Hennings. Pfeilschnell und mal einen Ball aufs Tor bringen. Das reicht für einen Kaderplatz. 

Und irgendwie ging so das Markenzeichen des Timo S. verloren. Ich kann gerade nicht sagen, für welche fußballerische Idee er steht. Das war – wie oben erwähnt – zu Beginn anders. 

Es machte sich eine Lethargie breit, die es als Trainer aufzubrechen gilt. Und hier habe ich auch deutliche Kritik an Timo. „Das wird nichts an unserem Alltag ändern“ sagte er sinngemäß auf einer der Pressekonferenzen. Das ist immer schwierig. Und führt eben auch zu Trainerentlassungen, weil der Sportchef dann eben so den „Alltag“ ändert. Auch was beim FCSP erneut mit dem Sportpsychologen passierte, ist zu kritisieren. Diese Position ist einfach im modernen Sport nicht wegzudenken. Sie nicht besetzt zu haben, ist ein riesiger Fehler. Man muss nur in den amerikanischen Sport gucken, wo diese Position als „Mental Coach“ oder „High Performance Skill Coach“ häufig genug doppelt und dreifach besetzt ist. 

Trotzdem bleibt vom Trainer Schulle auch viel Positives. Eine der besten Hinrunden, die der FCSP je gespielt hat. Ein paar Monate mal von Bayern und Dortmund träumen, davon lebt der Fußballfan. Schade, dass es nicht zum Aufstieg gereicht hat, Schade, dass es wie oben beschrieben kam. Aber diese Hinrunde, in der Loop  man das Gefühl hatte, wir blasen einfach alle weg, die nimmt mir trotzdem keiner. 

Ich bin nicht kompetent genug, um über seine Leistung in unserem Jugendbereich zu schreiben. Aber auch dafür Danke! 

Es musste nun so kommen. Verdient hast du das nicht. Eigentlich hätten diese Zeilen mit „Danke, dass du uns in die Champions League geführt hast und viel Erfolg mit Marseille“ enden sollen. Verdient hättest du es.  Mach es gut, Schulle. 

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