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Ein Ausflug mit Freunden

oder:

Gib mir bisschen Stimmung und Pyro und ich bin zufrieden 

(Gastbeitrag. Autor dem Kollektiv bekannt.)

Vor einigen Monaten wurde ich angesprochen, ob ich Bock auf Basketball habe, es kämen einige Busse mit Leuten aus Tel Aviv und das würde bestimmt ein netter Abend. Nun gut, ich habe keine Ahnung von Basketball, die Stimmung ist mir suspekt und Hallensport mit Motivator war noch nie meins. Aber es ist lange Winterpause und das könnte ja wirklich ganz nett werden. Also zugesagt, Tickets besorgen lassen (danke!) und das Ganze schnell wieder vergessen.

Vor ein paar Tagen dann die Erinnerung, dass das ja schon diese Woche sei und arbeitszeitkompatiblen Treffpunkt ausgemacht. Vom Hauptbahnhof aus mit kleiner Crew ab nach Wilhelmsburg. Angekommen an der Halle ist der Mob auch schon da. Wie der Presse vorher zu entnehmen war, wurden aus den 6 Bussen mehr als 1000 Tickets, die an die Fans von Hapoel gingen. Auf einem Mittwoch im Dezember schon ’ne krasse Ansage. Erste Verwunderung macht sich breit, dass die Polizei Hamburg das Ding wohl komplett unterschätzt hat und bis auf ein Paar Cops einfach kein großer Aufriss der Staatsmacht ansteht – das ist man aus Hamburg ja sonst bei jeder Kleinigkeit gewohnt. Die Hallentore waren noch geschlossen, das Einlasssystem unklar (warum gibt es farblich markierte Eingänge, wenn man den Tickets nicht entnehmen kann welchen man nutzen muss?).

Es wurden erste glückliche Gesichter getroffen, der Marsch vom Knust zum Bahnhof Sternschanze war wohl deutlich anders geprägt als, man es in Deutschland gewöhnt ist: Pyrotechnik, massiv viele Böller und kaum Cops. Die Stimmung passte also schon vorm Spiel. Auffällig war, dass der Fanshop offensichtlich leer gekauft wurde, die Kälte in Hamburg veranlasste doch die ein oder anderen Person, sich mit Winterjacken eines mittelmäßigen Zweitligisten auszustatten. Dass einem Fußball nicht unbedingt fehlt, aber das ganze Drumherum, fällt spätestens jetzt auf. War das schön, trotz der langen Winterpause so viele Menschen zwischendurch mal wiederzusehen! Mit Verspätung gingen dann die Türen auf und schnell wurde klar, dass hier penibel genau kontrolliert wird. Das änderte sich dann aber auch, als die VIP-Eingänge für alle geöffnet wurden, weil es sonst einfach zu lange gedauert hätte. Gutes Management eines Ordnungsdienstes, der ganz offensichtlich von der Situation im ersten Moment überrascht war. Muss man ja auch mal betonen. Also rein in die Halle und feststellen, dass man Tickets im Heimblock der Hamburg Towers gekauft hatte. Fehlende Trennung der Blöcke in so einer Halle sei Dank, dass man sich frei bewegen konnte und freie Platzwahl in und um den Gästeblock ausgerufen war.

Kurzer Exkurs: Inselparkhalle, das letzte Mal 2017 auf nem Konzert gewesen. Diese Mehrzweckhallen sind einfach für nix wirklich cool. Weder für Konzerte noch für Sport. Das ist mir alles zu clean. Ich meine, was soll denn sowas? Das ist einfach komplett seelenlos, da kann doch nie dauerhaft sowas wie Stimmung in einer Fanszene oder bei Konzerten aufkommen, wenn jeder Sticker sofort abgerissen wird und die Treppenaufgänge wirken wie die Nottreppenhäuser in einer Polizeikaserne. Noch dazu so schlecht ausgeschildert, dass man nie weiß, ob man gleich die nächste Toilettenkabine oder die Halle betritt.

Der Hapoel Block hatte sich gut aufgestellt und der fehlende Zaun für Banner wurde dann einfach improvisiert selbst gebaut. Dass sowas dann doch immer noch geht, zeigt, dass man es sich auch in so einer Halle gemütlich machen kann. Ungemütlich in meinen Augen hingegen, dass oberkörperfrei halt auch bei Hapoel dazu gehört. Gar nicht meins, sexistisch und einfach unnötig. Ich bin niemand, der öffentlich groß Forderungen an befreundete Fanszenen stellt, aber wenn man sich im Alerta Network zusammenfindet, müssen auch die unbequemen Dinge – vor allem intern – benannt werden. Aber eben auf Augenhöhe in solchen Netzwerken, nichts was an einem Tag wie gestern ausdiskutiert werden kann und sollte. Aber muss eben auch benannt werden.

Gemunkelt wurde, dass Pyrotechnik auch in der Halle nicht ausgeschlossen werden könne, und so kam es dann auch. Meine Fresse, hat mir das gefehlt, und es ist erst Anfang Dezember. Und wie geil entspannt eine ganze Halle damit umgehen kann, die sowas wirklich gar nicht gewohnt ist, beeindruckt dann doch. Keine Pfiffe, keine groß wahrnehmbaren Unmutsbekundungen, sondern einfach staunen und genießen. Offensichtlich gibt es beim Basketball auch keine vorbereiteten Statements zu dem Thema, die vorgelesen werden und am Ende eh einfach verhallen. Medial wird das ganze auch durchgehend von Bild bis Abendblatt gefeiert, was dann schon wieder ganz schön witzig ist. Doppelmoral und so.

Sportlich habe ich noch weniger Ahnung als beim Fußball, aber ich hab mich dann doch gefreut, als sich der Nebel verzog und Hapoel den Korb fand, nachdem es bereits 13:0 für die Towers stand. Über das zweite Viertel bis zur Halbzeit sogar die Führung geschafft. Bei Anpfiff jedes Viertels gab’s ’n neues Banner vorm Gästeblock, von Freundschaftsbekundungen zwischen St. Pauli/USP und Hapel/UH99 bis zur klaren Kante gegen Faschismus. Zum vierten Viertel dann auch nochmal Blinker im Block. Insgesamt sehr starker Auftritt, der richtig Spaß gemacht hat. Neben tausend anderen Punkten, warum ich Fußball geiler finde als Basketball, ist es gestern dann vor allem die zeitliche Planbarkeit geworden… meine Güte, wie lange kann sich denn so ein Spiel ziehen? Und weil’s nochmal richtig spannend wurde gabs sogar Verlängerung. Die dann dank stabiler Dreierquote und Freiwurftreffern klar für die Towers ausging.

Apropos Towers: Fanszene gibts da, und man muss den drei Trommler*innen wirklich Respekt zollen, das durchzuziehen, aber viel mehr als „Defense“-Stakkato kommt dann halt doch nicht. Da muss man schon ne eingeschworene Truppe sein, um das auch noch andauernd Auswärts durchzuziehen. Aber halt auch noch ein bisschen mehr bekloppt als wir beim Fußball. Ich lasse das hier mal wertfrei stehen. Für die Stimmung hilft dann am Ende auch kein übermotivierter Stadionsprecher. Man stelle sich mal vor, der Stadionsprecher beim Fußball würde ’ne Minute vor Abfiff „ES STEHT EINE MINUTE VOR ABFIFF UNENTSCHIEDEN! ES IST MEGA SPANNEND, WIE GEIL IST DAS DENN, JETZT NOCHMAL ALLES GEBEN!“ durch die Mikrofone brüllen. Absurd. Und das Fremdschamlevel meinerseits hatte da schon die 09/10 erreicht. Positiv aufgefallen: Es gibt keine Cheerleader*innen, sondern die HipHop Academy Hamburg, die dann auch gleich mit „Jin Jiyan Azadi“ in die Halbzeitshow gestartet sind: stabil!

So, Spiel war dann auch irgendwann doch zu Ende, also raus mit dem Mob. Draußen dann das, was einem vorher so positiv aufgefallen war in kompletter Umkehrung: Die Polizei Hamburg hatte alle Ausgänge komplett umstellt und ließ nur in Kleingruppen passieren. Als der Marsch sich in Bewegung setzen wollte, wurde dieser dann auch gleich aufgestoppt. Natürlich bitter nötig bei 300 Metern Fußweg zum Bahnhof. Die Polizei machte dann auch gleich zwei Lautsprecherdurchsagen, um darauf aufmerksam zu machen, dass das abbrennen von Pyrotechnik eine Straftat sei (hab gehört dieser Blog wird von einem Juristen betreut, vielleicht mag der ja was dazu schreiben, ich würde ja behaupten, das ist glatt gelogen) und der Marsch dann aufgestoppt würde. Nach kurzer Zeit gings dann los. Die Cops unglaublich genervt, weil sie offensichtlich eigentlich schon Feierabend gehabt hätten. Auf der Brücke zum Bahnhof wurds dann eng und die Polizei ist natürlich der Meinung gewesen, dass es bitter nötig wäre, auch enge Stellen NOCH ENGER zu begleiten. Das führt zu Schubsereien, wenn man das Ego eines Polizeibeamten hat. Hinweise, dass das alles unnötig ist, wurden natürlich wie immer weggewischt. Im Laufe des Abends fiel dann noch der Satz „Ich hätte ja schon lange Feierabend, wenn ihr nicht die halbe Stadt angezündet hättet!“ Was wird denen denn erzählt, wenn sie aus ihren Kasernen geholt werden? Kein Wunder, dass die so nervös sind, wenn die glauben, sie laufen zum G20 2.0. Der Weg zurück dann weiter begleitet von viel Polizei und Diskussionen an jeder Straßenecke, warum man sich denn nun nicht einfach auflösen könnte. Zu Ohren gekommen ist dann auch eine vollkommen unnötige Aktion in Stadionnähe, wo die Gruppe einfach aufgehalten wurde, weil es eben verkehrsgefährdend sei, sich mit mehr als 5 Personen in der Gruppe zu bewegen. Ich warte auf den Tag, an dem die Hamburger Polizei Stadtführungen wegen Verkehrsgefährdung aufhält. Was lernen wir daraus? Mal wieder war alles friedlicher, entspannter und fröhlicher, als die Polizei nicht da war. Klar, da werden dann auch mal Grenzen überschritten, die die Staatsmacht nicht so gern übertreten sieht, aber man spart allen Beteiligten massiv Stress und dem Staat tausende Arbeitsstunden. Verhältnismäßigkeit und so.

Zusammenfassend war das ein sehr schöner Abend. Danke an Hapoel/UH99 und USP für das runde Drumherum, danke an alle bekannten Gesichter aus wirklich allen Stadionbereichen von Geschäftsstelle über wirklich alle Tribünen bis zum Fansladen: Ihr seid geil, ich freue mich auf die Rückrunde mit denen, die ich traf, sehr. Nächster Fußballtermin dann die MV am 17.12., alle hin da!

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