Liebste Lesende, wir stehen vor einer MV und wir sollten uns eigentlich ein sachliches Bild unserer Lage machen. Insbesondere in Zeiten, in denen die Emotionen hoch fliegen. Ich will versuchen, ein solches Bild zu geben. Dies ist also auch wieder ein Artikel, den ich (Senior dieses Blogs) geschrieben habe. Der ganze Artikel ist aber etwas für Menschen, die bereit sind, Zwischentöne zu akzeptieren und im finanziellen Teil bereit sind, sich auf solche Fragen einzulassen. Zitiert mich am Ende bitte nicht mit etwas, was hier nicht steht. Danke. Dies gilt insbesondere für den sportlichen Teil.
Wir haben in diesem Artikel drei Teile. Ein formellen, einen sportlichen (im Bezug auf die 1. Herrenmannschaft des Vereines) und einen wirtschaftlich-allgemeinen. Das wird jetzt etwas länger, versprochen.
Der formelle Teil.
So eine MV bezieht sich ganz ausdrücklich auf ein Geschäftsjahr. Alle Berichte und Unterlagen haben ihren Schwerpunkt auf diesem Geschäftsjahr. Auch die Entlastung bezieht sich auf genau dieses Geschäftsjahr. Und dieses Geschäftsjahr endete beim FCSP am 30.06. Alles was danach geschah? Ist streng genommen vollkommen irrelevant für diese MV und erst Thema der nächsten MV.
Mir ist klar, dass dies bei Menschen nicht so ankommt, aber so ist leider die formelle juristische Betrachtung und die hat auch Auswirkungen. Widmen wir uns also mal genauer der Entlastung.
Entlastung
Diese ist zeitlich begrenzt. Sie bezieht sich formal auf das Geschäftsjahr vom 01.07.2021 bis zum 30.06.2022. Dies muss allen Menschen klar sein, wenn sie nun aus „Der hat aber meinen Schulle gefeuert“-Emotionen die Entlastung verweigern möchten.
Was ist denn die Entlastung? In einem Verein hat das Präsidium eine umfangreiche Handlungsvollmacht (im nicht-juristischen Sinne). Die Kontrolle dieser Handlungsvollmacht ist im Endeffekt die Entlastung durch die Mitglieder. Sie ist eine formelle Handlung; Jurist*innen verstehen in der erfolgten Entlastung eine Billigung und einen Verzicht auf eine Inhaftungnahme des Vorstandes.
Genau das Gegenteil ist eine fehlende Entlastung. Im Endeffekt ist dies auch ein Auftrag an die kontrollierenden Gremien, zu prüfen, ob man das Präsidium für eine Handlung in Haftung nehmen kann. Dies wird beim zu behandelnden Geschäftsjahr eher nicht der Fall sein. Zumindest habe ich noch niemanden gefunden, der dies behauptet.
Seid also auch nicht überrascht, wenn die Kassenprüfer*innen und diesen folgend der Aufsichtsrat die Entlastung empfehlen. Sie müssen sich an den formellen Zeitraum halten, selbst wenn sie die Entlassung für die Ursünde überhaupt halten.
Wenn wir also die Entlastung jetzt verweigern, wird der AR nicht drumherum kommen, etwas zu prüfen, das nicht passiert ist, und der MV 2023 darüber zu berichten. Irgendwie alles unklug. Das würde den neuen AR nur nerven und Zeit rauben, die er im Notfall nicht hat.
Wo gehört das eigentlich hin?
Wenn man nun der Meinung ist, dass die Entlassung von Timo dem Verein Schaden zugefügt hat, dann müsste man auf der MV 2023 die Entlastung verweigern und dann den AR prüfen lassen. Ist dies lange hin? Ja! Ist das unbefriedigend? Ja!
Anderseits ließe sich in diesem Zeitpunkt ein Schaden natürlich besser feststellen. Wenn ein neuer Trainer bis dahin alle Spiele gewinnt, ist dieser ggf. ziemlich gering. Wenn wir nun sang- und klanglos absteigen, während Timo Barcelona zu neuen Höhen führt, ist er ggf. sehr hoch. Und zwischen diesen beiden Extremen sind ungefähr 2.000.000 Graustufen denkbar.
Wahrscheinlich wird kein juristischer Schaden durch die Entlassung vorliegen, aber ich hab das nicht geprüft und ich finde es nun auch nicht so komplett absurd, dass ich eine Nichtentlastung auf der MV 2023 für komplett abwegig finde. Man kann solche Entlastungen nebenbei auch so gestalten, dass man entlastet, aber ein einzelnes Geschäft hiervon ausnimmt.
Ich weiß, das ist alles unbefriedigend und der Frust muss irgendwo hin, aber ich bin hier nur der kühle Jurist, der Euch juristisch berät.
Das ist alles zu viel für Euch?
Nun seid Ihr aber der Meinung, dass das ein untragbarer Skandal ist und wollt, dass Oke direkt geht? Dies könnte gehen, denn § 15 sieht eine Abwahl auch als Dringlichkeitsantrag vor. Und auf der MV 2020 ist ein solcher spontaner Abwahlantrag auch zugelassen worden. Ich hatte damals meine Bedenken, und wenn man die Satzung so liest, dann wird darin auf Nr. 5 verwiesen und Nr. 5 wiederum legt eine zweiwöchige Frist fest. Das wirkt in unserer Satzung alles sprachlich echt hölzern und unausgegoren, denn es gibt ja auch noch eine Nr. 6, die dann wieder von Dringlichkeitsanträgen spricht. Und man kann auch sachliche Gründe für eine Differenzierung finden, denn die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme, die bei einem Abwahlantrag auch formuliert ist, soll ja nicht umgangen werden.
In meiner unbedeutenden Meinung macht so etwas als Dringlichkeitsantrag aber auch keinen Sinn – eben wegen der hohen Hürden, die notwendig sind, damit man eine Stabilität auf der Führungsebene hat und weil eben die in der Satzung vorgeschriebenen Formalien nicht vollständig ausgehebelt werden können.
Das damit natürlich ein „spontanes Reagieren“ nicht möglich ist, kann man als Fehler oder auch als Schutz für unüberlegte Handlungen sehen.
Man darf nie vergessen: Wenn es wirklich so dringlich ist, dann können nach § 14 Nr. 2 diverse Gremien und auch ein Zehntel aller stimmberechtigten Mitglieder eine MV mit nur diesem Thema erzwingen. Was eine Onlinepetition nebenbei noch unsinniger macht. Man hätte hier ebenso Mitgliedervoten für eine entsprechende MV sammeln können. Und bei einer Hürde von ungefähr 3.000 Mitgliedern auch erreichen können.
Und damit auch viele Grüße an die Leute, die auf Facebook diesem Blog vorwerfen, man würde ja keine Alternativen zu einer Onlinepetition aufzeigen und dies sei ja perfide.
Verlassen wir nun die Formalien und widmen uns dem Sportlichen…
Das Sportliche
Ja, wie geht es uns da? Kurz gesagt: Beschissen. Wir sind notorisch erfolglos und von unserem Minimalziel „Top 25“ weit entfernt.
Über die Ursachen? Streiten wir uns drüber sehr. Und ich glaube, wir Fans haben da ein Problem in der Moderne. Fans sind emotional und damit nicht wirklich fair. Wir sind parteiisch, fanatisch und ungerecht. Und wir sind alle Trainer*in, Sportchef*in und Präsident*in. Und können das alle besser als die Verantwortlichen. Schon immer. Früher war das aber einfacher. Denn das „der spielt ja wie mein Opa“ war Tatsache, Begründung und ausreichende Argumentation. Das ist heutzutage nicht mehr so. Fußball hat -wie viele andere Sportarten auch – ganz viele Statistiken gewonnen und ganz viele öffentliche Analysetools.
Früher war „schön gespielt“ eine Frage der Vorlieben. Der eine mag Tikitaka, wie es Spanien und Real in ihren Hochzeiten zelebriert haben, der nächste mag Wimbledon 1980er, wo jeder Gegenspieler, der sich nicht bei drei vom Ball getrennt hatte, eine Blutgrätsche kassierte.
Heutzutage versucht man, das zu objektivieren, und das hat ja prinzipiell was Gutes. XG ist so ein Versuch, den beim Fußball auch vorhandenen Zufallsfaktor ein wenig wegzuargumentieren. Und ja, da hat der FCSP sehr viel von erspielt und doch wenig in G umgesetzt.
Aber das wird die Perspektive des Fans, dieses emotionalen und ungerechten Wesens, mit rationalen Argumenten verstärken. Und das wird auch nicht einfacher durch Statistikblogs und hybride Fan- und Statistikblogs. Möchte ich zurück in die 90er? Nein, natürlich nicht, das war alles grauenhaft damals. Aber trotz der sehr spannenden und sehr lehrreichen öffentlichen Analyse sind wir immer noch ahnungslos. Teams werden uns mit nichtöffentlichen Daten riesige Schritte voraus sein. Und noch was kommt hinzu:
Wir Fans wissen immer noch nicht, wie die Sauce eigentlich gemacht wird. Nur die wenigsten bei uns sind beim Training, viele Trainingseinheiten auch nicht öffentlich. Keine*r von uns ist in der Kabine, keine*r weiß, wie die interne Aufteilung zwischen Sportchef*innen, Trainer*innen und Co-Trainer*innen ist. Und wir sehen den menschlichen Faktor nicht. Wer weiß schon, wie sich beim FCSP die Handelnden verstanden haben? Und wer weiß, ob irgendwer intern (!) ein Arsch ist und der andere nicht? Wir haben Sympathien. Aber die basieren auf einem unvollständigen öffentlichen Bild.
Ja, ich weiß, ich versuche emotionale Fans mit rationalen Argumenten zu kommen. Das kann nicht gut gehen. Ich versuche es trotzdem.
In einem demokratischen Verein wählen wir Menschen, die versuchen müssen, Einblicke zu erlangen und zu behalten. In anderen Konstruktionen versucht die Person, der mit dem Geld wedelt, diesen Einblick zu bekommen.
Man wählt Menschen eigentlich, weil man ihnen traut. Das heißt nicht, dass sie frei von Fehlern sind oder alles richtig machen. Das kann kein Mensch. Kein Mensch ist perfekt.
Hinzu kommt immer, dass eine solche Lage wie die beim FCSP immer ganz viele Eltern hat. Es ist ja nicht so, dass wir vor Schulle immer schlechten Fußball gespielt und vor Borne jedes Jahr nur Kracher gekauft haben.
Dies alles vorausgeschickt glaube ich immer noch, dass es so weit nicht hätte kommen müssen. Ich glaube, dass ein junger Trainer wie Schulle Fehler macht und ich habe in meinem Abschiedsartikel für Schulle Fehler aus meiner Sicht benannt. Aber jeder Trainer und auch jedes gutes System hat eben einen Supportmechanismus, der diese Fehler anspricht und gemeinsam ausmerzt oder eben personell so verstärkt, dass die Fehler so verdeckt werden. Ihr erinnert Lienen und Janßen? Das war wahrscheinlich so eine „ergänzen sich gut“-Kombination. Von außen betrachtet wenigstens. Die dann aber null miteinander zurecht kamen. Auch so ein Faktor.
Ich kann Euch nicht sagen, ob wir beim FCSP über Supportmechanismen und die menschliche Seite nachdenken, ich weiß nur, dass wir einen Torwarttrainer entlassen haben. Und rein fiktiv: Vielleicht konnte der zwar nicht gut Torhüter trainieren, aber vielleicht war eben der genau dieser Supportmechanismus? Eine optimale übergeordnete Instanz würde das erkennen und dann vielleicht sagen „Okay, bei den Torhütern wird es nie 100 % rund laufen, aber dafür stimmt das Gesamtkonzept“. Das ist der Moment, an dem die rein sportliche Analyse nicht weiter hilft, sondern der menschliche Teil eingreift.
All das erfordert Kommunikation. Gute Kommunikation. Ehrliche Kommunikation. Natürlich schließen wir wieder vom äußeren Bild auf das Innenleben, aber glaubt Ihr, dass wir so eine interne Kommunikation haben? Ich glaube eher nicht. Aber Achtung: Zur Kommunikation gehören immer mehrere Parteien. Vielleicht sind die ganze Zeit solche Dinge kommuniziert worden und unser Trainer wollte sie nicht hören? Vielleicht auch aus einer eigenen Überschätzung? Auch das wäre bei jungen Trainern ja nichts Ungewöhnliches. Vom äußeren Bild geschlossen ist es genau dieser Punkt, der Jürgen Klopp so besonders macht. „The normal one“ ist eben mehr als ein Spruch. Es ist auch die Realisierung, dass man nicht alles können kann in diesem komplexen Beruf „Trainer*in“.
Und so liefen wir eben (eventuell) ohne Kommunikation in die Sackgasse und man nahm die branchenübliche Lösung.
Was mich vielmehr stört als diese unkreative Lösung ist, dass wir für alles zu lange brauchen, zu schlecht nach außen kommunizieren, noch Pressekonferenzen mit dem Trainer machen, anstatt sofort und deutlich zu handeln. Es ist ja kein Wunder, dass wir den Schulle-Abschiedsartikel fertig hatten. Wollen wir hier auch zu menschlich sein und brauchen deswegen zu langsam? Alles noch mal in Ruhe mit dem/den Betroffenen bereden? Das ist ein fürchterlicher Spagat.
Die langsamen werden immer von den schnellen geschlagen. Und das ist nicht nur auf dem Platz so, sondern auch hier. Und es ist nicht das erste Mal, dass dies beim FCSP passiert. Es war selbst bei der Verpflichtung von Schulle so. Diese dauerte auch so lange, dass man von „gründlicher Prüfung“ schon sehr weit im Bereich „zweite Wahl“ war. Das ist schlecht. Daran müssen wir arbeiten. Und auch das bedarf Kommunikation.
Und vielmehr hier setzt meine Kritik an den noch vorhandenen Personen an als an dem Fakt, dass ein Trainer gehen musste. Zumindest von außen betrachtet müssen wir besser miteinander kommunizieren. Und schneller. Und klarer. Und auch mal unangenehm. Ich habe das Gefühl, dass gerade letzteres bei uns ein Problem ist. Und seien wir ehrlich: Auch unangenehme Kommunikation kann wertschätzend sein. Insbesondere ist sie wertschätzender als Umgeeiere.
Mal ganz davon ab: Bei einer Entlassung sofort nach dem Karlsruhe-Spiel hätte niemand den formalen Teil oben schreiben oder lesen müssen. Alle Fristen wären erreichbar gewesen.
Fußball ist nicht alles
Dieser Verein hat 15.000 aktive Sportler*innen; Herrenfußball ist bei weitem nicht alles in diesem Verein. Aber eben doch die Haupteinnahmequelle und der Hauptgrund, warum wir 15.000 aktive Sportler*innen haben. Wir würden ansonsten wahrscheinlich Sport beim SC Poppenbüttel oder sonstwo aktiv ausüben. Okay, der SCP ist für die meisten „sonstwo“, ist aber mein Heimatverein.
Wie weiter?
Wie kommen wir da nun wieder raus? Ich weiß es nicht. Ich bin echt kein Kenner von Fußball. Reicht „ein Stürmer“? Oder ist der Kader einfach zu schlecht oder falsch zusammengesetzt? Wir werden es erleben und dies als nahezu machtlose Passagiere auf einem sinkenden Schiff.
Ich bin jetzt mal deutlich: Wenn wir in den nächsten 4 Jahren nicht endlich in die Bundesliga aufsteigen, können wir diesen ganzen Bumms auch zuschließen und als 1. FC St. Pauli in der Kreisklasse neu anfangen. Diese Ambitionslosigkeit zur Zeit ist nicht zu ertragen. Nein, ich gehe nicht zu diesem Fußballverein, weil ich den Trainer nett finde. Ich gehe dahin, weil ich gut unterhalten werden will. Und das leisten 0-0 gegen Sandhausen nicht. Und diesen Verein machen für mich viel mehr Ultras, Nordsupport, Supportblock, AFM und diese ganzen anderen verrückte Freaks aus als irgendwer, der ein Gehalt in diesem Verein bezieht. Können sich alle verpissen, es würde sich wenig für mich ändern. Nein, okay, soweit gehe ich natürlich nicht.
Das war nun meine emotionale Minute. Ich bin nämlich immer noch Fan.
Reicht zum sportlichen Teil.
Wie geht es uns sonst?
Infrastruktur nötig
Infrastrukturell hat sich nichts bewegt im letzten Jahr und unsere Probleme werden eher größer als kleiner. Wir benötigen einen Umbau der Kollaustraße, ein Stadion für die Frauen und eine Halle für die Amateure. Mindestens. Beim Stadion ist auch zu bedenken, dass auch am Diebsteich nur ein Stadion für die Regionalliga entstehen wird, welches ggf. für höherklassigen Frauenfußball nicht ausreicht. https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Regionalliga-Stadion-statt-Drittliga-Arena-am-Diebsteich,diebsteich174.html Keine Ahnung, kenne mich da im Detail nicht aus.
Davon ist also nichts in konkreter Planung und das wird alles richtig Geld kosten. Wir sprechen hier garantiert über einen hohen zweistelligen Millionenbetrag, den wir einfach nicht auf der hohen Kante haben. Wir werden hier uns schon sehr bald über Finanzierungen unterhalten müssen. Wenn wir denn endlich mal konkrete Baugenehmigungen bekämen.
Was aber richtig gut läuft, ist die Idee, unsere Dinge selber zu machen. Diese Investition in Infrastruktur zahlt sich aus. Einnahmen Merch? EUR 8,87 Millionen im letzten Geschäftsjahr. Das ist leicht über dem Vor-Corona-Niveau. Wohlgemerkt in einer Saison, in der Corona, Zuschauer*innenbegrenzungen etc. noch ein Thema waren und damit Impulskäufe beim Stadionbesuch begrenzt waren.
Im Business-Seat-etc.-Bereich nahmen wir EUR 6,4 Millionen ein. Das sind gute Zahlen.
Die Bilanz
Verschlanken wir mal den MV-Artikel und kommen hier schon auf die finanzielle Lage. Wenn im folgenden Zahlen genannt sind, dann sind es die Zahlen des Konzerns FCSP, außer es ist ausdrücklich anders erwähnt.
Es ist absurd. So sehr die ganze sportliche Lage seit Jahren ein riesiger Haufen Scheiße ist, so sehr ist die wirtschaftliche Lage für die Verhältnisse des FCSP exzellent. Ihr erinnert den Versuch, im Februar mal eine Schätzung anzustellen? https://www.magischerfc.de/2022/02/die-finanzielle-lage-des-fcsp-der-versuch-eines-updates/ Da war ich fest von einem Verlust ausgegangen und nun haben wir den nicht. WOW. Und das selbst ohne zu viele Tricks. Welche wo in der Bilanz versteckt sind? Kommt gleich.
Und dies ist ein riesiges Verdienst dieses Präsidiums. Das ist eine Sache, die wir jahrzehntelang nicht in den Griff bekamen und nun trotz Corona im Griff haben. Das ist eine Basis, die wir jetzt bald auch mal sportlich nutzen müssen.
Das Entscheidende: Der Konzern hat selbst einen kleinen Gewinn gemacht. Am Ende blieben EUR 290.653,50 Gewinn über. Das ist super.
Wir als FC St. Pauli machten letztes Jahr einen Umsatz von EUR 55 Mio. Mal so zum Vergleich: Im letzten Jahr ohne Corona waren es EUR 54 Mio. Wir haben also mit Corona mehr Umsatz gemacht als im letzten Jahr ohne Corona. Klar, da ist natürlich das Erreichen des Pokalviertelfinales nicht ganz unschuldig dran, denn allein dieses hat uns gut EUR 2,7 Mio. in die Kassen gespült. Doch einige andere Posten schütten Wasser in den Wein.
Einmalige Erlöse
Die oben erwähnten Pokaleinnahmen, von denen aber eine Prämie für die Mannschaft abgezogen werden muss. Ihr erinnert euch an diesen Streit? Die Prämien sind als Ausgaben von EUR 1,5 Mio. auf EUR 3,2 Mio. gestiegen. Da wird ein großer Teil von „Pokal“ gewesen sein.
Dann Transfererlöse. EUR 2,13 Mio. stehen da in der Bilanz. Mein erster Gedanke: Ja, klar – Kofi. Aber mitnichten. Diese Einnahmen „resultieren ganz überwiegend“ aus dem Wechsel des baldigen Adlerträgers Igor M. (Ralle, Du bist dran). Kofi ist nebenbei für Freunde des Bilanzrechtes ein richtig schöner Abgrenzungsfall: Der Wechsel wurde am 27.06.2022 verkündet, also 3 Tage vor dem Bilanzstichtag. Wenn dort schon alles 100 % festgestanden hätte, hätte eigentlich eine Forderung in die Bilanz gebucht werden müssen und diese später nur gegen die Zahlung aufgelöst werden dürfen. Dies scheint nicht passiert zu sein, denn in der Bilanz findet sich keine „Forderung aus Transfer“, die auch nur annähernd die vermutete Ablösesumme erreicht.
Wahrscheinlich hat man sich mit irgendeinem Scheinargument in das neue Bilanzjahr gerettet.
Und dann ist da halt eine Überbrückungshilfe in Höhe von knapp EUR 5 Mio. als Einnahme gebucht. Die hat natürlich brutal geholfen, denn am Bilanzstichtag hatten wir noch EUR 6,27 Mio. an liquiden Mitteln. Zieht da mal EUR 5 Mio. ab. Das wäre dann schon knapp geworden.
(Was ich hier ausblende: Ist der Erhalt einer Überbrückungshilfe als Profifußballverein moralisch vertretbar?)
Gute Zahlen sonst
EUR 10,55 Mio. im Bereich „Spielbetrieb“. „Spielbetrieb“ ist grob die Einnahmen durch Zuschauer*innen im Stadion. Das ist noch nicht ganz wieder Vor-Corona-Niveau, aber die Nachfrage nach Tickets in allen Kategorien ist hoch. Und das ist gut so. Letztes Jahr hatten wir in diesem Bereich nur EUR 1,6 Mio. Einnahmen.
Wir haben EUR 10,7 Mio. an Fernsehgeldern eingenommen. Das ist ein Rückgang von ca. EUR 2 Mio. Dieser Posten hängt beinah ausschließlich am sportlichen Erfolg. Da brechen uns diese ganzen ambitionslosen Saisons im Mittelfeld vollkommen das Genick.
Natürlich ist der allgemeine Personalaufwand (EUR 6,6 Mio. gegenüber EUR 5,2 Mio. im Vorjahr) und der Aufwand für die Gehälter des Profibereichs (EUR 14,4 Mio. gegenüber EUR 12,5 Mio. im Vorjahr) gestiegen. Da sind aber auch Effekte durch Kurzarbeitergeld und Gehaltsverzicht der Profis im Vorjahr ein Faktor. Und bedenkt mal, dass bei den Profis alleine die Prämien um EUR 1,7 Mio. gestiegen sind. Wir waren von den Grundgehältern immer noch in einem vertretbaren Rahmen.
Unsere Verbindlichkeiten sind leicht gesunken, nämlich auf EUR 42,5 Mio., dabei hat der FCSP nochmal einen Kredit in Höhe von EUR 1 Mio. aufgenommen. Wenn man bedenkt, dass in dieser Zahl auch eine „Verbindlichkeit aus Transfer“ von EUR 0,5 Mio. drin ist (sprich wir eine Ablösesumme noch nicht gezahlt hatten) und die „Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten“ um EUR 1,5 Mio. gesunken sind, dann ist das ein richtig großer Erfolg. Wir hatten letztes Jahr EUR 6 Mio. als Kredit neu aufgenommen, dieses Jahr EUR 1 Mio. Diese Kredite sind eine Coronafolge.
Es bleibt aber das, was ich schon seit Jahren anmerke: Unsere Verbindlichkeiten sind zu hoch. EUR 1,3 Mio. Zinsen pro Jahr sprechen eine deutliche Sprache. Wir müssen unbedingt einen Weg finden, diese durch Eigenkapital zu ersetzen.
Unser Eigenkapital ist wieder etwas gestiegen und liegt nun bei EUR 8,1 Mio. Und die Eigenkapitalquote bei 14,2 % (Vorjahr 13,8 %). Das ist und bleibt in einem schwierigen Bereich. Vor Corona waren wir dort bei 22 %, was für den FCSP schon historisch gut, aber auch im Vergleich mit der Konkurrenz nicht gut ist. Das heißt immer, dass wir wenig Raum für richtige Probleme (wie z.B. Pandemien oder Abstiege) haben.
Das Präsidium hatte dies schon als Problem erkannt und es bleibt auch weiterhin ein Problem. Da müssen wir ran! Dies gilt umso mehr, als dass sich unsere Konkurrenz auf „atypischen Wegen“ (Zitat Lagebericht) finanzielle Mittel beschaffen. Dies heißt nichts anderes, als sich Investor*innen zu suchen. Wir haben da einen massiven Wettbewerbsnachteil, den wir nur durch Kreativität oder durch Ausgliederung und Verkauf schließen können. Und so unkreativ unsere Lösungen im sportlichen Bereich sind, so sehr muss man hier auf eine kreative Lösung hoffen. Sonst können wir unseren Präsidenten bald nicht mehr frei wählen.
Der Ausblick ist naturgemäß sehr viel positiver als letztes Jahr. Ein Hinweis auf die stillen Reserven, die kurzfristig veräußert werden können, gab es letztes Jahr. Dieses Jahr gibt es ihn nicht mehr, weil nicht mehr notwendig.
Was interessant ist: Es ist davon die Rede, dass die „VIP-Erlebnisse“ einem Verfall an Attraktivität unterliegen, da sie weniger exklusiv und mehr verfügbar seien und man da kreativ entgegenwirken müsse. Es seien Innovationen gefragt. Da lasse ich mich ja echt mal überraschen, welche Innovationen wir auf den VIP-Plätzen in nächster Zeit erleben.
Schön finde ich auch, dass das Vermietungsgeschäft mit „schwierigen Bedingungen“ beschrieben wird und auf die kurzfristige Terminierung als Hemmschuh für anderweitige Vermietungen verwiesen wird.
Eine Sache, die mir bisher nicht aufgefallen war: Die U19 ist in den wirtschaftlichen Teil des Vereines gewechselt. Damit spart sie Steuern, kann aber nicht mehr direkt von der AFM mit deren Mitgliedsbeiträgen gefördert werden. Wann dies passiert ist und was die Hintergründe sind, ist mir unklar. Das war mal ein riesiges Thema für die AFM und hat auch schon zu Streit auf der MV geführt. Das ist aber sehr lange her.
Schließen möchte ich mit einem Satz im Lagebericht, den wir als Leitthema für die samstägliche Veranstaltung nehmen können:
„Es wird weiterhin und wichtiger denn je als Aufgabe bestehen bleiben, die Sponsoren- und Nutzererwartungen in Einklang mit der Wertekultur des FC St. Pauli zu bringen, dabei sowohl traditionelle Sichtweisen, den technischen Fortschritt und insbesondere Nachhaltigkeitsthemen im Zusammenhang mit den oben genannten Veränderungen gerecht zu werden“
Möge uns dies gelingen!
Guys, ich finde euere Inhalte und Recherche gut und stimme überwiegend mit eueren Meinungen überein und auch der Art und Stil wie ihr Themen angeht gefällt mehrheitlich.
Mein verwegener Gedanke ist, warum habt ihr euch nicht für den Aufsichtsrat beworben? Alles was ihr schreibt hat deutlich mehr Qualität und fundierte Sachkritik als das was da die letzten Jahre im Bericht des AR kommt. Dieser heutige AR ist Teil des Problems und nicht der Lösung. Ich hör schon wieder ….Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Präsidium… Hinter den Türen hart gerungen …. beliebig weiter zu führen. Dieser Worthülsenweitwurf ist einfach nur noch peinlich und würde durch eine frische Art wie ihr sie hier lebt dem gesamten Verein mehr als gut tun. Ich bin nicht mit allem auf euerer Linie, aber der Eindruck das hier nicht völlig ideologisch verpeilt diskutiert wird wäre wirklich ein Pfund für die Zukunft.
Aber wir haben uns doch beworben. Deswegen ist hier doch ein Mensch ausgeschieden.
Nachwuchssenior, Deine Beiträge sind einfach gut , Du hast die braunweisse DNA verinnerlicht und analysiert , lobst und kritisiert den Verein seit Jahren auf dem schmalen Grad zw. Sachverstand und Fansicht absolut gut.
Ich zieh mal wieder meinen Hut vor Dir.
btw. eine Neugründung in der Kreisklasse müsste doch 2. FC St. Paul heissen oder nicht ( alter Kalauer aus dem Rettersommer ) grintz
Nachtrag . Mal schauen ob der Innitiator der “ Schulle muss bleiben“ auf der MV einen Dringlichkeitsantag stellt oder ob der des fehlenden „t“ abgelehnt wird.
Moin, habe erst Angst gehabt vor der Länge des Artikels, mich aber dann doch getraut. Ich kann ganz kurz schreiben: Danke! Ps: ich wollte schon immer mal mitteilen, wie gut ich eure Berichte finde. Erst dieser (juristische) hat es geschafft. stay tuned!
Moin an den Bilanzguru.
Aus meiner Sicht ist die Bilanzierung vom Kofi Transfer im neuen Geschäftsjahr doch korrekt? Er wechselte doch mit Wirkung zum 1.7. Auch wenn das im Juni bereits bekannt ist, entsteht die Forderung erst im neuem Geschäftsjahr unanhängig vom Datum der vertraglichen Fxierung des Transfervertrages. Einen Bilanztrick sehe ich da nicht. Gruß Spaddi
Moin Spaddi, gute Frage. Könnte sein. Aber müsste man nicht schon bilanzieren, wenn man weiß, dass zum 01.07. das Ereignis Eintritt? Wenn der Vertrag rechtswirksam abgeschlossen ist? Entsteht damit nicht die Forderung?
Das dieser zum 01.07. umgesetzt wird, ändert da doch nix, oder?
Lieber „Blog-Senior“!
Ich finde deine Ausführungen wirklich gelungen. Vor allem ausgewogen einerseits zwischen der Sichtweise (besonders im wirtschaften Teil) auf spröde Fakten und den emotionalen Passagen im sportlichen Bereich. Das alles kompakt auf den Punkt gebracht. Danke!
Wir sollten uns alle daran erinnern, dass wir dieses Präsidium und auch den Aufsichtsrat, fast einstimmig aud den MV demakrotisch legitimiert haben, Entscheidungen im wirtschaftlichen und sportlichen Bereich zu treffen. Grundsätzlich verdienen sie somit auch unser Vertrauen.
Wie Andy M. in seinem Kommentar schon geschrieben hat, hinterfrage auch ich den schleichenden Prozess des „Vereinsklüngels“ zwischen Präsidium, Aufsichtsrat, AFM und USP.
Wenn man hier nur darauf schaut, wer durch welche Stimmen zu seinen Posten im Verein gekommen ist, wird sich kaum wundern, wie eng mittlerweile da Abhängigkeiten entstanden sind.
So wird auf Dauer eine wirkliche Kontrolle und die Meinungsvielfalt leiden. Natürlich müssen wir uns als Mitglieder*innen hier auch an die eigene Nase fassen.
Bei wichtigen Personalentscheidungen auf den diversen MVs inkl. AFM, sind oft immer wieder nur die gleichen Leute, die nur einen kleinen Teil der vielen stimmberechtigten Mitglieder*innen darstellen, anwesend.
Es ist mittlerweile auch nicht mehr verwunderlich, wenn bei Stimmabgabe dann für kurze Zeit die Handys weggelegt werden, und zusammenhängende Sitzreihen ausnahmslos wie auf Zuruf ihre Hände heben. Erinnert mich immer stark an den *Fraktionszwang“ im Bundestag…
Also liebe Mitglieder * und MitgliederInnen, auch wenn ihr sonst euer Stimmrecht kaum oder noch nie ausgeübt habt: Kommt am Samstag ins CCH ab 11 Uhr!
Moin,
vielen Dank für den umfangreichen Kommentar.
Ich hatte mir die Tage auch den Jahresabschluss und Lagebericht durchgelesen. Und war über einige Zahlen erfreut, über manche etwas weniger.
Die Forderung bzgl. des Kofi-Transfers darf erst am 01.07. eingebucht werden. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB gilt das Realisationsprinzip. Auf deutsch heißt das zum Zeitpunkt des Leistungsaustausches (blöde Bezeichnung bei Spielern). Dieser erfolgte am 01.07. Das der Vertrag vorher abgeschlossen wurde ist irrelevant.
Habt Ihr eigentlich einen Anhang erhalten? Mir wurden nur Bilanz, GuV und Lagebericht zugesendet. Mit Anhang wäre zum besseren Verständnis besser. Evtl. bekomme ich den ja noch … angefordert ist er.
Moin Danke für den HGB Hinweis. Wahrscheinlich hast du Recht, so richtig klar ist uns ehrlich gesagt nicht, wann da „Lieferung“ erfolgt (unschöne Bezeichnung bei einem Menschen, aber wir wissen was wir meinen. So ganz doof hätten wir immer gesagt „wenn Vertrag geschlossen“ aber wahrscheinlich spricht mehr dafür, dass dies mit dem Wechsel ins neue (Geschäfts-)jahr passiert. Und seien wir ehrlich: wenn man bilanziell eine Einnahme erst im nächsten Jahr erzielt und trotzdem gewinn macht, ist das ein wirklich gutes Ding.
Und nein nein Anhang. Ist unseres Erachtens auch nicht Teil der in der Satzung vorgesehenen Unterlagen. (Wäre natürlich interessant)
[…] Sportlich schwierig, wirtschaftlich gut […]
Moin Senior,
schöner informativer Bericht – Danke schön!
Die höheren Personalkosten müssen doch auch mit der Hauptamtlichkeit bzw. Teilhauptamtlichkeit von Teilen des Präsidiums zusammenhängen. Oder wo werden diese Kosten(Bezüge, Sozialvers., Alterversorgung etc.) in der Bilanz gebucht?
Gute Frage. Aber allemal nicht in dieser Bilanz bzw. diesem Jahresabschluss. Wir haben erst seit Juli eine Hauptamtlichkeit.
[…] von EUR 359.873,70 bei einem Umsatz von EUR 50 Mio. (Falls sich wer nun wundert, warum ich in der Vorberichterstattung die Zahlen EUR 290.653,50 und EUR 55 Mio. genannt habe: Der Unterschied ist beim Gewinn der Posten […]