Zweitligisten sind im deutschen Pokal in einer sehr unglücklichen Lage. Gegen Drittligisten spielen sie immer auswärts und gegen Erstligisten haben sie kein garantiertes Heimrecht. Diese unterschiedliche Behandlung kann wohl niemand mehr so richtig erklären, denn die 3. Liga als wirkliche Amateurliga darzustellen wäre schon sehr gelogen.
Sportlich fairer und interessanter wäre es natürlich immer, den klassenhöheren Verein auf Reisen zu schicken. Aber der europäische Fußball ist an fairen und spannenden Wettbewerben nicht interessiert.
Nebenbei: Der Hamburger Landespokal hat genau diese Regel: Der klassenniedrigere Verein hat immer Heimrecht. Ältere unter Euch werden sich an Regenschlachten des FCSP im Stadion Am Gesundbrunnen auf Grand und andere Abenteuer auf Hamburger Plätzen erinnern.
Nun ja, das Los meinte es nicht gut mit dem FCSP, denn es verschlug uns nach Freiburg. Weiter und sportlich schwieriger geht es nicht. Die Freunde des Groundhoppings hatten immerhin häufig ein „den Ground hab ich noch nicht“ auf den Lippen. Man muss immer das Positive sehen.
Schnell waren Bahnfahrt und Hotel geklärt; Tradition dieses Blogs ist es, dabei nie gemeinsam anzureisen. So brachten uns zwei verschiedene Züge und zwei verschiedene Spielarten des Schaumweines nach Freiburg. Deutsche Bahn ist ja auch eines der letzten Abenteuer in unserer getakteten Welt. Verspätungen, unbefugte Personen im Gleis etc. sorgten dafür, dass ein Zug nicht in Freiburg hielt und so noch ein bisschen Regionalverkehr notwendig war.
Auch der Hotel-CheckIn erwies sich als Abenteuer, denn im Hotel war der Strom abgeschaltet. Da seht Ihr, was Rot-Grün aus dem Ländle gemacht hat – kein zuverlässiger Strom! Oder halt Bauarbeiten an der Elektrik des Hotels. Ob es so klug ist, diese durchzuführen, wenn man das Haus voller Menschen hat, die um 18 Uhr ein Fußballspiel gucken wollen, sei mal dahingestellt, aber das wussten die besser als wir.
Unser Hotel war in fussläufiger Entfernung zum Europa-Park-Stadion. Ja, der Sponsorenname sei hier einmalig genannt. Was für eine vertane Chance! Europa-Park oder Europa-Park-Park – sie lagen da, die Wortspiele. Von Gladbach zu lernen hätte hier einen Gewinn ergeben (aber auch nur hier…).
Wenn so ein Stadion neu auf die flache Wiese gebaut wird, dann lohnt sich eine Begutachtung, und wenn wir ehrlich sind: In Freiburg hat man viel liegen lassen. Ein unfassbar langer Fußweg von der Straßenbahnstation, extrem viele unübersichtliche Zäune, und nach dem Spiel viele Sackgassen, in denen man an Zäunen hängenblieb. Dies alles – kombiniert mit einer eher schlechten Ausschilderung – ist dann doch schwierig. In einem Aufgang am Treppenende im Gästeblock zudem noch so eine Gitterecke, die beim flüchtigen Hinsehen wie ein Ausgang aussieht, aber keiner ist.
Wir als FCSP-Fans sind mit unserem gewachsenen und lebenden Umfeld neben dem Millerntor natürlich sehr verwöhnt. Wenn die Nachbarschaft aber Flughafenlandebahn und gesichtslose Neubauten sind, dann fehlt einem schnell eine Kneipe oder etwas, das nicht Parkplatz oder Beton ist. Charme ist anders.
Von innen ist es ein normales neues Stadion – hast Du eines gesehen, hast Du alle gesehen. Allerdings: Man sieht aus dem Gästeblock etwas. Das ist gegenüber dem Dreisamstadion dann doch eine Steigerung um 1.000 %. Schön sind die Plätze für Menschen, die einen Rollstuhl benutzen. Die sind nämlich mittenmang, und das quasi überall. Freiburger Quellen erzählten uns bereits vor einigen Monaten von eher schmalen Stufen auf den Stehplätzen. Konnten wir damals nicht ganz nachvollziehen. Beim ersten Fall von einer solchen Stufe hatten wir das Problem dann ebenfalls verstanden. Dafür gibt es Weinschorle, zu Beginn sehr zu unseren Gunsten gemixt, subjektiv dann immer weniger werdend. Was auf jeden Fall gut war.
Was sahen wir also auf dem Platz? Eine FCSP-Rumpfmannschaft, die sich gegen den Tabellendritten der Bundesliga richtig teuer verkaufte. Ein typisches Pokalspiel, in dem Freiburg die feinere Spielanlage hat und der FCSP giftig und eklig auftritt. Genauso wollen wir den FCSP sehen. Das ist im Derby erfolgreich, das ist gegen Freiburg beinah erfolgreich, und das geht auch gegen Bielefeld.
So führten wir zur Halbzeit und das eigentliche Manko war, dass wir den berühmten „2-0 nachlegen, damit Ruhe ist“-Satz nicht eingehalten hatten. Freiburg wechselte zur Halbzeit seine 1a-Besetzung ein und danach war es eine ziemliche Abwehrschlacht.
Die leider nicht von Erfolg gekrönt war. Denn in der 92. Minute rutschte eben doch ein Ball durch und Freiburg glich aus. Mistekiste.
Der „Beifus für Igor“-Wechsel wurde nach dem Spiel heiß diskutiert. Die Idee, Zeit von der Uhr zu nehmen UND die letzten vier Minuten komplett Beton anzurühren, ist natürlich keine, die vollkommen absurd ist. Andererseits beraubst Du Dich für eine mögliche Verlängerung eines Stürmers und musst dafür dann wieder einen anderen einwechseln. Ob und inwieweit bei diesem Wechsel eine Verletzung, ein Ärger des Trainers auf den Spieler oder ganz andere Faktoren eine Rolle gespielt haben, entzieht sich unserer Kenntnis. In so einer Situation fehlt dann ein Spieler der Marke Makienok. Ein Stürmer, den du ein paar Minuten auch als „alles rausköpfen“-Verteidiger spielen lassen kannst. Das sind halt weder Igor noch Egge. Nun gut, hätte es was geändert? Wahrscheinlich nicht.
In der Verlängerung war durch die Erschöpfung beider Truppen dann ganz viel Zufall im Spiel und mit ein bisschen Glück – und in einer besseren Welt – gehen wir in Führung. Das Glück der Tüchtigen war aber nicht auf unserer Seite und es kam, wie es kommen musste: In der 118. Minute erzielte Freiburg den Siegtreffer.
Die Mannschaft wurde vor dem Gästeblock noch richtig ausgiebig gefeiert, und das war absolut verdient. Das war „alles raushauen“ in Reinkultur. Kleines Problem dabei: Wir sind aus dem Pokal raus, sind immer noch 12. und haben immer noch nur 14 Punkte. Und fahren nun nach Bielefeld. Zu einem „6 Punkte Spiel“, und dies als traditioneller Aufbaugegner. Stuttgart hat Bielefeld mit dem 6:0 dafür auch noch komplett vorbereitet. Hoffen wir, dass die Truppe gut regenerieren und ihren Fokus auch in Bielefeld finden kann. Es gibt nebenbei noch Tickets für den Sonderzug.
In unserem Block war gut Alarm und auch der Heimblock lieferte gut ab. Und das Ganze beinah ohne irgendwelche Aggressionen gegenüber der jeweils anderen Seite. Wenn wir mal von den Trotteln absehen, die meinten, nach den Toren für Freiburg irgendwelche vollen Getränkebecher in den Gästeblock werfen zu müssen und die sich dann über die zurückfliegenden Becher aufregten.
Was nervt: Menschen, die aufgrund von Rauschmittelkonsum einfach nicht mehr ihre Sinne im Griff haben. Wenn Du mir das 20. Mal deinen Rucksack in den Bauch geballert hast, weil Du nicht mehr gerade stehen kannst und ich Dich bereits 19 Mal darauf hingewiesen habe, dann ist es einfach uncool. Und man entschuldigt sich auch nicht mit „Du musst wissen, das da unten ist mein Leben“. Ja, dann baller Dich nicht so zu, dass Du heute wahrscheinlich nicht mehr weißt, wo Du gestern warst. Bei Konflikten im Block mit „Ich arbeite beim FCSP“ zu reagieren ist auch eine Reaktion der spannenden Dimension. Und das sagt jetzt genau was aus?
Auch nach dem Spiel gab es noch überflüssiges Generve mit Menschen, die – aus Versehen oder absichtlich – ihre Finger nicht bei sich belassen konnten.
Nach dem Spiel wurden wir noch von einem ortskundigen Menschen in Freiburg eingeführt. Wir fuhren Leihfahrrad und tranken Bier in einer Studentenkneipe. Danke für die Führung und viel Erfolg weiterhin im Pokal. Wir kommen nächstes Jahr wieder. Als Aufsteiger. So!
St. Pauli ist die einzige Möglichkeit. Unser Tag wird kommen.
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