Ich kann ja nicht aus meiner Haut, daher mal ganz schnell und zackig ein paar juristische Sätze zu der heutigen Entscheidung des Amtsgerichtes Hamburg-Altona, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen.
Zunächst einmal: Diese Prüfung der Anklage nennt man Zwischenverfahren. Das zuständige Strafgericht wird das Hauptverfahren dann eröffnen, wenn nach seiner Auffassung die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Angeschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat und er in der Hauptverhandlung daher entsprechend verurteilt wird. Besteht diese Wahrscheinlichkeit nicht, dann lehnt es die Eröffnung ab.
Diese Formulierung ist wichtig. Es geht hier um eine Wahrscheinlichkeit, es geht nicht um eine Überzeugung von Schuld oder Unschuld. Letzteres gibt es sowieso nicht. Man kann die Unschuld nicht beweisen. Das ist genau auch der Inhalt der Unschuldsvermutung. Man ist halt so lange unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Aber das Gericht muss eben auch nicht von der Schuld überzeugt sein, es muss nur nach der Aktenlage (!) eine ausreichende Wahrscheinlichkeit sehen, dass es zu einer Verurteilung kommt.
In der Praxis werden Strafverfahren daher sehr selten in dieser Phase beendet. Wenn es erstmal zur Anklage gekommen ist, dann wird sich auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung ergeben. Erst in der Hauptverhandlung werden insbesondere Zeugen, aber auch andere Beweise nochmal auf Herz und Nieren überprüft, so dass auch bei einer Wahrscheinlichkeit immer noch ein Freispruch passieren kann. Die direkte Beweisaufnahme und Wertung der Beweise durch das Gericht ist immer noch etwas anderes als die Papierform, die im Zwischenverfahren beurteilt wird.
Daher ist die Nichtzulassung, wie sie heute passierte, eher die Ausnahme und eine deutliche Ansage an die Staatsanwaltschaft. Der NDR zitiert Details, und so, wie das da formuliert wurde, ist das eine Tracht Prügel auf juristisch.
Es ist vermessen, die Gründe und die genaue Beweislage, welche die Staatsanwaltschaft zu einer Anklage veranlasst haben, wirklich zu beurteilen. Ich halte es für Humbug, so etwas zu machen, ohne die Akte zu kennen.
Ich ignoriere jetzt mal das eben Gesagte und will da jetzt einfach mal wild spekulieren:
Ich habe in meinem juristischen Leben schon häufiger den Satz „Die einfachste Erledigung ist die Anklage“ gehört. Staatsanwälte sind notorisch überlastet, ihre Behörden notorisch unterbesetzt. Was nebenbei gezielter politischer Wille ist, weil man so immer behaupten kann, dass Strafverfahren viel zu lange dauern und dies natürlich nur daran läge, dass Beschuldigte viel zu viele Rechte hätten und man das alles gesetzlich vereinfachen müsse und ganz viele Rechte streichen müsse. Denn: Der wird schon was gemacht haben. Diese Situation führt zu zwei Dingen:
1. Zu einer unfassbaren bequemen Arbeitsweise. Wenn ein*e bearbeitende*r Staatsanwält*in auf die Idee käme, das Verfahren Jatta einzustellen, dann würde innerhalb kürzester Zeit die/der Generalstaatsanwält*in am Telefon sein. Und Generalstaatsanwält*innen sind sogenannte politische Beamt*innen und die werden auch gucken, was die Vierbuchstabenzeitung so über sie schreibt. Das Gespräch mit ihr/ihm wird also eher haarig, wenn er/sie dieses prominente, sehr in der Öffentlichkeit diskutierte Verfahren „Jatta“ einstellt. Das entspricht nicht einer bequemen Arbeitsweise. Dann ist es doch viel besser, wenn die bösen Richter*innen das einstellen. Die nebenbei unabhängig sind und keine*n Vorgesetzte*n haben, die böse anruft.
2. Mensch muss schon ein gewisser Typ Jurist*in sein, um in die Staatsanwaltschaft zu gehen. Die Arbeitsverhältnisse sind bekannt unter Jurist*innen, und so richtig geil besoldet ist das auch nicht. Um Menschen zu helfen, geht man da nicht hin.
Das Verfahren ist damit also noch nicht zu Ende. Die Staatsanwaltschaft kann gegen die Nichtzulassung Rechtsmittel einlegen (§ 210 StPO); sie wird es eventuell auch tun. Weil die Vierbuchstabenzeitung garantiert schon geschrieben hat, was für ein Skandal das ist und garantiert auch schon bei Justizsenatorin Gallina bzw. bei Generalstaatsanwalt Dr. Fröhlich vorstellig geworden ist. Und ihr wisst, wie öffentlicher Druck läuft. Da lässt man sich das vom bösen Landgericht doch gerne noch mal bestätigen, dass das keine Anklage wird.
Ihr seht: Das ist alles richtig dreckige Scheiße. Und da habe ich noch kein Wort zu dem Rassismus gesagt, der dem ganzen Mist zugrunde liegt und der garantiert auch in einer Staatsanwaltschaft vorherrscht. Über den strukturellen tiefen Rassismus deutscher Anklagebehörden ist genug geschrieben worden, ich muss es hier nicht wiederholen.
Möge Bakery Jatta ab jetzt ohne dieses Generve seinem Beruf nachgehen können, möge er noch viele Zweitligaspiele für die Rauten bestreiten und meinetwegen auch ganz viele schöne Tore schießen. Nur 🥺 nicht mehr im Derby. Volle Solidarität mit dir! Du bist Hamburg.
Ach ja: Triviawissen für euer Pubquiz im Jahre 2025: Jatta ist Zweitligarekordspieler der Rauten.
Kommentar korrekt!