Hin
Union Berlin ist nicht wirklich das beste Los im Pokal. Schon gar nicht, wenn das Spiel in Berlin stattfinden soll. Heimrecht für die jeweils niedrigere Liga? Würde den Wettbewerb schon etwas farbenfroher machen, aber so läuft der Fußball nun mal nicht.
Also machte sich das Kollektiv mit dem ICE auf in das Bundeshauptdorf. Kurz mit der DB-Kaffeeverkäuferin gescherzt und schon waren wir Lieblingsgäste der Bahn. Und da sage mal einer, dass Fußballfans in Zügen immer anstrengend sein sollen. Sowieso: 2. positives Bahnerlebnis innerhalb von vier Tagen. Das darf so weitergehen.
In Berlin kurz unser Hotel bezogen und ab zur Alten Försterei. Interner Dank an dieser Stelle an unsere vorzügliche Reiseleitung.
Union Berlin spielt am Arsch der Heide und dann nach links, zumindest wenn man aus westlicher Richtung nach Berlin hineinkommt. So war es noch ein Stück mit der Bahn und der Straßenbahn (einmal Neid an Berlin, dass es dort eine gibt), bis wir am Gästeblock unsere Autobezugsgruppe in Empfang nehmen konnten.a Gepäck verstaut, Bahnhinreisende zu Autorückreisenden gemacht und ab zum Gästeeingang. Großes Hallo, denn viele Menschen, die in Corona-Zeiten nicht mehr regelmäßig im Stadion gewesen sind, waren auch mal wieder anwesend. Ihr Rosinenpicker*innen.
Gästeblock
Es gibt Gästeblöcke, die sind scheiße, weil der Einlass unangenehm ist. Es gibt Gästeblöcke, die sind scheiße, weil man nichts sieht. Und es gibt Gästeblöcke, die kombinieren alles, und leider ist Union da auch immer gut dabei. Auch wenn der Einlass für Unioner Verhältnisse (!) beinah freundlich und gesittet war. Und schnell ging. Für Union Verhältnisse. Aber dieser komische Absatz im Block ist schwierig, und selbst mit einer halben Auslastung des Gästeblocks wird es teilweise etwas enger.
Verhalten
Und dann müssen wir über die gegenseitige Rücksichtnahme im Block sprechen. Ein paar Beispiele, die wir leider hautnah erleben mussten:
Du kommst erst kurz vor Anpfiff in den Block. Da stehen zwei Frauen. Du quetschst dich direkt vor sie auf die Stufen und holst deine Kumpels dazu und dass die Frauen da stehen, ist dir egal. Du schubst sie also weg, denn du willst ja deine Kumpels umarmen. Und natürlich fällt dir nichts Besseres als „das ist ein Fußballstadion“ ein.
Stell dir vor, es stehen zwei Frauen im Block. Links von ihnen ist Platz, rechts von ihnen ist Platz. Dein Ziel befindet sich oberhalb der Frauen hinter diesen. Wie läufst du? Richtig. Zwischen ihnen hindurch. Denn du willst ja schnell nach oben und dass die da stehen und sich unterhalten, ist dir doch egal. Und ein „Entschuldigung“ oder „Darf ich mal?“? Wo kämen wir denn da hin.
Stell dir vor, du gehst in ein Stadion und bist vor Anpfiff bereits so besoffen, dass du auf den Stufen im Block nicht mehr stehen kannst und die Stufen herunterfällst und alle vor dir umreißt. Zur zweiten Halbzeit hängst du dann nur noch besoffen im Block und kotzt auf die Stufen. Noch so ein Vorteil an der FFP2: Immerhin müssen wir das nicht riechen.
Das oben Beschriebene war alles bei diesem Spiel. In unserem 5 x 5 m Wahrnehmungskreis. Und wie ihr feststellt, fast alles bereits vor Anpfiff.
Wir müssen darüber reden, ob solche Verhaltensweisen eigentlich normalisiert werden sollen oder ob wir als Fanszene dagegen etwas machen wollen. Und unser Lieblingsthema „Maskenpflicht“ haben wir da noch gar nicht angesprochen. Wenn wir solche Verhaltensweisen weiterhin normalisieren, dann werden unsere Gästeblöcke immer mehr ein Ort, an dem sich nur Dudes mit einer Körperlänge von 1,85 m aufwärts und einer Zen-Gelassenheit aufhalten können.
Wir schrieben letztens was von „Stadionverbot für alle, die im Block ihre Maske nicht tragen“ und ja, das muss man kritisch sehen, weil Stadionverbot an sich einfach ein beschissenes Instrument ist. Kritik ist angekommen und angenommen; auf die Fresse hauen möchten wir bei einigen Verhaltensweisen den Leuten aber immer noch.
Beifus, Jakov, und der Salto, der Burgi fast umhaute
Bei diesem Spiel ging alles schief, was nur schief gehen konnte. Und beinah willst du mit geballter Faust in der Tasche „wenn wir alle Leute gesund gehabt hätten, dann hätten wir auch Union besiegt“ schreiben, aber das würde die Leistung von „Notnagel“ Beifus abwerten. Klasse, der Junge. 14 Minuten Zweitligaerfahrung und dann spielt der da gegen einen Bundesligisten ein fettes Brett runter. Weiter so, Junge! Also wirklich. Habt ihr gemerkt, dass da 2 der 3 etatmäßigen Innenverteidiger fehlten? Wir jedenfalls nicht.
Sowieso: Das ist der Einsatz, den wir von unseren Spielern so gern sehen wollen. Dann ist es auch erstmal egal, wie das Spiel ausgeht. Dieses immer-für-den-anderen-da-sein. Immer noch bissiger sein. Einen Schritt mehr machen als der Gegner, komme was wolle. Der unbändige Wille, jedes Spiel gewinnen zu wollen – da war er heute wieder. Und wie haben wir das die letzten Wochen schmerzlich vermisst. Weiter so! Weiter, immer weiter!
Mist, dass die spezielle Taktik mit Dittgen als linkem Läufer schnell gesprengt war. Sein erster schneller Antritt zeigte, wie sehr er da Union hätte beschäftigen können. Leider hielt er sich direkt danach den Oberschenkel, versuchte noch zu beißen, konnte aber seine Schnelligkeit nicht mehr einsetzen. Mistescheiße.
Dieser Zusammenhalt, dieses den Mitspieler stützen, ging auch nach Abpfiff weiter. Jakov steht nach Abpfiff weinend im Strafraum. Klar, das 2-1 ist komplett sein Ding. Der Junge hatte alles gegeben und dann rutscht er weg und der Ball geht ins Tor. Scheiße! „Würde es gehn, würde ich dich umarmen“ dachte wohl der gesamte Gästeblock, und seine Mitspieler taten dies stellvertretend und versuchten, den Untröstlichen zu trösten. Kopf hoch, Jakov! Wir bleiben Fans! Und sind uns sicher, dass du uns in Gelsenkirchen mit einem wuchtigen Kopfball zum Aufstieg köpfst. Dein Tag, nein, unser aller Tag wird kommen. Wir beim FC St. Pauli gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen.
Aber genau das wollen wir in der Liga sehen. Durchbeißen zum Aufstieg!
Noch ein paar Worte allgemein zum Spiel. Ein typisches 0-0-Spiel ging am Ende 2-1 aus; alle Tore müssen nicht wirklich fallen. Wir können aber mit einem mittleren Erstligisten definitiv mithalten. Das sollte auch die „aber in der 1. Liga bekommen wir nur auf den Sack“-Fraktion erkennen. In der 1. Liga ist aber eben doch viel weniger Platz und diese engen Räume sind unsere Jungs (noch?) nicht gewöhnt. Da fehlt auch das wöchentliche Erleben, aber an dieser Aufgabe kann auch diese Truppe nach einem Aufstieg wachsen.
Der Torjubel zum 0-1 war auch ein Highlight. Wenn Burgi da nicht aufpasst, bekommt er Kofis Stollen einmal durchs Gesicht. Das wäre dann doch eine sehr ärgerliche Verletzung gewesen. So war es ein guter Lacher.
Ein bisschen Wasser in den Wein: In 6 von 8 Spielen nach der Winterpause bekamen wir 2 Gegentore. Das ist einfach zu viel. In drei Spielen nach der Winterpause bekamen wir eine Führung nicht über die Zeit. Das ist angesichts der Tatsache, dass man eigentlich etwas unter 70 % der Spiele gewinnt, in denen man führt, etwas viel.
Nach dem Spiel trennten wir uns von einem Teil, der andere verblieb in Berlin, fand eine Mitfahrgelegenheit (Dankeschön) und war bald wieder im Hotel.
Wir mussten aber an der Abseitsfalle vorbei, der Fankneipe von Union. Und unser Bier wäre es nicht, den Einzug ins Halbfinale mit „Scheiss XYZ“-Rufen zu feiern. Aber jeder so, wie er will. Gefühlt war vor dem Jolly nach Dortmund mehr Laune.
Im Hotel dann noch ein Fazitbier aus dem Späti (das ist andererseits schon eine ziemlich lustige Berliner Erfindung). Dann noch ein Fazitbier aus der Hotelbar. Dann noch eines. Und noch eines. Und dann war es deutlich nach zwei Uhr und unsere Autobesetzung in Hamburg und unser Berlinteil im Bett.
Zu früh wieder wach, ein bisschen Sightseeingtour gemacht und nun wieder zurück dahin, wo unser Herz schlägt.
Tiocfaidh ár lá
PS: Auch am Ende des Bericht sind wir Fans von Jakov.PPS: Auf der Hinfahrt spekulierten wir, dass wir „so ein Spiel wie Werder“ auch mal brauchen. Für die Stimmung, für den restlichen Saisonverlauf. Und irgendwie werden wir den Gedanken nicht los, dass das gestern – auf ganz andere Weise – so ein Spiel war. Mögen wir Recht behalten.
PPPS: „Wir holen die Meisterschaftund schießen Rostock ab,der DFB-Pokal,der ist uns scheißegal!“
PPPPS: Kiel ist letzte Saison nur am Aufstieg gescheitert, weil sie das Halbfinale noch mitnehmen mussten. Gut, dass wir da langfristig planen.