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The only way out is through

oder

USP ist Teil des Problems, USP ist Teil der Lösung 

oder

Wir können alles diskutieren, aber bitte ohne zu reden

Inhaltswarnung/ Content Warning:
In diesem Text geht es um Sexismus, sexualisierte Übergriffigkeit und sexualisierte Gewalt. Hinweise auf helfende Strukturen beim FCSP findet ihr am Ende des Textes.

Vorab das Wichtigste

Volle Solidarität mit allen Betroffenen von Sexismus, sexualisierter Übergriffigkeit und sexualisierter Gewalt.

Vorwort

Wer den Kontext des jetzt folgenden Textes nicht kennt:
Hier findet ihr das Statement der Betroffenen, hier  die Erklärung von USP. Hier unseren ersten Text zum Thema.

Dieser Text ist ein Produkt mehrerer Menschen, die sich um dieses Blog gruppieren und die seit Tagen miteinander Meinungen und Ideen austauschen. Bis jetzt sind wir uns nicht sicher, ob das, was wir denken und schreiben, wirklich sinnvoll ist. Und im Notfall haben wir fünf Minuten nach der Veröffentlichung noch eine ganz andere Idee oder Meinung und fangen ganz von vorn zu diskutieren an. Wir denken aber auch, dass genau das wichtig ist. Wir (und das meint hier jeden FCSP-Fan) müssen im Austausch bleiben und uns verbessern wollen. 

Wobei im Austausch bleiben nicht heißt, dass es keine (sichtbaren oder unsichtbaren) roten Linien gibt. Dass wir das selbstverständlich nicht meinen, könnt ihr euch denken.

Natürlich fragen wir uns, ob wir überhaupt jemanden erreichen, der*die nicht sowieso schon eine ähnliche Meinung teilt. Ja, auch nichts zu schreiben war eine Möglichkeit, die wir diskutiert haben. Auch und gerade weil die Gefahr besteht, dass jedes kritische Wort als „die meckern doch sowieso immer nur“ oder „Nestbeschmutzer*innen“ verstanden wird. Wir möchten es trotzdem versuchen. Auch – aber nicht nur – weil es echt komisch wäre, wenn wir als meinungsstarke Menschen hier schweigen würden. „Man kann nicht nicht kommunzieren“, stand hier mal letztens. Das wollen wir beherzigen. 

Worum es uns ausdrücklich nicht geht, ist so zu tun, als ob nun USP das große Problem sei und alle anderen kein Problem hätten. Das wäre heuchlerisch. Und vor allem auch einfach falsch. Wir kennen genug Menschen bei USP und es hat zwischen uns bereits viel Austausch und auch hitzige Diskussionen mit Einzelpersonen gegeben. Im Endeffekt darf es zu keinem Zeitpunkt darum gehen, nun USP an den Pranger zu stellen und die eigenen Versäumnisse in diesem Bereich damit schön aus dem Licht heraus zu halten. 

Zu der Wahrheit dieses Textes gehört auch, dass bei USP sowohl Täter als auch Betroffene sind. Dafür passieren auch abseits der nun konkreten Fälle viel zu viele beschissene Dinge beim FCSP.

Die Bloggerkarriere eines der Menschen, die hieran mitarbeiten, „begann“ übrigens unter anderem mit einem Text, der sexuell übergriffiges Verhalten im Stadionkontext angesprochen hat, und das außerhalb jeglicher (Südkurven-)Strukturen.

„Jede Frau kennt Opfer, aber kein Mann kennt Täter“

stimmt auch beim FCSP, und keine Gruppe und kein Mann sollten sich jetzt zurücklehnen und meinen, dass er oder seine Gruppe ja fein raus wären. 

Und nur der Vollständigkeit halber: Frauen kennen auch Täter und haben Schwierigkeiten mit dem Umgang. Auch Frauen können Täterinnen sein, und auch Männer Betroffene. Auch wenn das alles viel seltener vorkommt. 
Es geschieht jedoch viel zu häufig und es wird viel zu viel gedeckt. 

Nein, wir sind nicht die sündenfreien Oberlehrer*innen, die sich für perfekt halten. Das genaue Gegenteil ist der Fall. 
Uns schrieb eine weibliche Person, die schon vor 20 Jahren in dieser Fanszene aktiv war, nach diesem konkreten Anlass von ihren Erfahrungen mit Sexismus und kommentierte sie mit  „es hat sich nichts geändert“. 

Das ist traurig. Das kann nicht unser Anspruch sein. Unser Anspruch als FCSP muss es sein, jeden Tag besser zu werden. 

Wir schrieben letztens, dass man sich als Verein, wenn man sich die Werte des FCSP auf die Fahne schreibt, genau an diesen Werten als Maßstab messen lassen muss. Dies gilt nicht nur für den Verein und seine Verantwortlichen, sondern auch für seine Fans. Wir tragen diese Werte viel zu häufig wie Schutzschilder vor uns her. 

„Schau, auf meinem Shirt steht Antisexism. Deswegen kann ich nicht sexistisch sein.“ Aber gerade weil wir uns diese Werte auf die Fahne schreiben, müssen wir uns permanent kritisch hinterfragen. In der Vergangenheit wurde sich zu oft hinter diesem Schutzschild versteckt und damit jegliche Kritik abgeschmettert. 

Dabei ist der Kampf gegen patriarchale Gewalt, gegen Antisemitismus, gegen Rassimus ein immer fortwährender und nie abgeschlossen. Deswegen müssen wir immer weiter miteinander reden, voneinander lernen. Und an uns selbst, an unseren Gruppen und an unseren Strukturen weiterhin arbeiten wollen. Fehler erkennen, Fehler eingestehen. Und morgen anders angehen.

Wir sind hier kein Gericht, das eine nachträgliche Verurteilung Einzelner herstellen kann. Geschweige denn will. Was wir wollen ist, dass es besser wird. Dass wir uns jeden Tag dem schmerzhaften Prozess der Hinterfragung stellen und aus unseren eigenen Fehlern lernen. Individuell und noch viel wichtiger als Struktur „Fanszene FCSP“. Wenn wir also im Folgenden von Struktur sprechen, dann meinen wir die wie auch immer zu definierende Fanszene des FCSP. 
Wir Schreibenden verstehen uns als Teil dieser Struktur beim FCSP und wir verstehen auch USP als Teil dieser Struktur beim FCSP. Und das soll und muss auch so bleiben, denn wir wollen, dass sich diese Struktur als Ganzes verbessert. Wir wollen nicht einen Sündenbock und eine Schlussstrichpolitik. Wir sind davon überzeugt, dass dies nur mit USP geht und nicht ohne. Wir sind davon überzeugt, dass eine vernünftige Aufarbeitung unsere Struktur und auch USP stärken kann und für alle ein Gewinn ist. USP ist für uns Teil (!) unseres Problemes und auch Teil (!) unserer Lösung. 

Zu dieser Wahrheit gehört auch, dass wir im Oktober folgendes twitterten

Und das heute „trotz“ der aktuellen Thematiken immer noch genauso unterschreiben würden. Ja, bei USP gibt es viele Probleme, die wir nicht kleinreden wollen. Wir und viele andere erleben eine organisiert auftretende Ultràgruppe in Auswärtsblöcken, aber auch als Regulativ, das bei grenzüberschreitendem Verhalten häufig genug eingeschritten ist. Und dessen Abwesenheit wir in den letzten Wochen und Monaten mehrfach schmerzlich gespürt haben.

Dies sei alles vorausgesagt, wenn wir nun schlussfolgern müssen, dass es mit dem aktuellen Statement von USP leider einfach nicht getan ist und es da doch noch sehr viele Ansätze gibt, wie man das besser machen kann.

Störgefühle

Wir hatten erst überlegt, eine vollständige Textanalyse des USP-Statements zu machen, aber dann entschlossen, dass dies wahrscheinlich auch niemandem hilft. Daher wollen wir ein paar zentrale Punkte aufgreifen und ein paar uns störende Passagen kommentieren. Wir wollen dabei die Augen nach vorne richten und mögliche bessere Lösungen aufzeigen, weil es ja nach vorne gehen muss. Es geht nicht darum, eine „Schuld“ oder „Absicht des Vertuschens“ zu dokumentieren, es geht um einen Lernprozess. 

Analyse nötig / Öffentlichkeit notwendig

Im Endeffekt bedarf unsere ganze Struktur einer externen Analyse. „So ist der „Ist“-Zustand, das läuft falsch, das muss geändert werden, bei diesen Menschen und Gruppen gibt es Chancen auf Lernzuwachs, bei diesen aber nicht und deswegen müssen wir uns trennen.“ So in etwa.

Hey, wir motzen hier doch nicht ständig darüber, wie bescheuert eine „DFB Ethik Kommission“ ist, weil sich hier die falschen Strukturen selber untersuchen, um dann in unserem eigenen Haus genau das Gleiche zu machen. Es ist wie beim DFB, dort greifen die Strukturen zur Sicherstellung von ethischem Verhalten nicht, bei uns greifen die Strukturen gegen Sexismus einfach nicht. Wir trauen zu Recht dem internen DFB Mechanismus nicht, wir sollten auch unserem internen Mechanismus nicht trauen.

Oder um es mal hart zu formulieren: Es ist verdammt schwierig, Strukturen intern und von innen heraus zu ändern, die das Verhalten des Stadionkumpels zum Thema haben. Und sorry, liebe Männer, das gilt insbesondere dann, wenn Männer gegen Männer arbeiten sollen.

Nein, wir als Schreibende können keine Anwaltskanzlei (Achtung, es gibt sehr viel bessere Institutionen als Anwält*innen, die man mit so etwas beauftragen kann, dies ist aber die übliche Handhabe von DFB und Co. in solchen Fällen) beauftragen, das extern zu untersuchen. Daher schlagen wir als Schreibende unserer Struktur eine andere Möglichkeit der externen Kontrolle vor. Und das ist die Vereinsöffentlichkeit.

Ja, der Boulevard wird Müll schreiben, Dresden eine wirre Tapete machen, aber sich damit über ein müdes Lächeln hinausgehend zu beschäftigen wäre Ablenkung von der Sache und unangebracht. Wir werden uns wieder mit MoPo und Dresden beschäftigen, ausführlich, aber nicht jetzt. Ach ja, wenn ihr hier mitlest: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der*die werfe den ersten Stein!“ gilt insbesondere für euch. 

Wir schrieben Folgendes im ersten Text: 
„Wir als Fans müssen auch eher die betroffenen Personen als unser eigenes Außenbild im Blick haben. „Intern aufarbeiten“ hat engste inhaltliche und zeitliche Grenzen. Sonst wird es Vertuschung. Wenn so etwas passiert, muss es konsequent, schnell und mit Ergebnissen, die für die Betroffenen sichtbar sind (!) passieren.“

Das ist genau das Gegenteil von „wir werden uns öffentlich nicht mehr äußern“ (Zitat USP-Statement). Wir müssen uns öffentlich äußern. Es muss Veränderung sichtbar sein. Wenn Menschen involviert sind, die nicht Teil der Struktur oder einer Gruppe sind, dann muss es eine öffentliche Aufarbeitung geben. Nur so lässt sich das Vertrauen des betroffenen Personenkreises wieder herstellen. Oder bildlicher formuliert:  Wie sonst soll eine weibliche gelesene Person mit Vertrauen auf einen Safe Space in einen Südkurvenbus steigen? Wie sonst soll eine weiblich gelesene Person mit Vertrauen ins Jolly gehen? 

Aus unserer Sicht haben die hier betroffenen Frauen bewusst den Weg in die Vereinsöffentlichkeit gewählt, und sie sind diejenigen, die das entscheiden. Diesen Weg zu wählen ist unglaublich mutig angesichts des erwartbaren Backlashes. Wir halten es aber für notwendig. Bei den Jurist*innen gibt es so schön den Begriff „Herren des Verfahrens“, und hier sind einfach mal nicht die Herren die Verfahrenswählenden. Und das ist gut so. Und „Herren“ meint hier einfach mal unsere ganze Struktur, die schlichtweg männlich dominiert ist. 

Hier als betroffene Gruppe den Zeitpunkt eines Wechsels von der Öffentlichkeit in die Privatheit bestimmen zu wollen, kommt sehr arrogant und vom Tisch wischend rüber. Das ist dann ganz schnell als Täterschutz zu verstehen. 

Nein, es geht nicht „sachlich“

Denn wo, wenn nicht in diesen Strukturen, kann eine sachliche Auseinandersetzung stattfinden

Unser Ziel für die Zukunft ist es, diese Strukturen weiter zu stärken, zu unterstützen und auch kritisch zu hinterfragen, insbesondere in Bezug auf strukturellen Sexismus.“ (Zitate USP-Statement)

Wir finden, dass der Hinweis auf eine „sachliche Auseinandersetzung“ fehl geht. Dies ist ein emotionales Thema, und wenn man hier eine „Sachlichkeit“ fordert, dann ist das sehr schnell ein „sei doch nicht so hysterisch“ mit all seinen Problematiken. 

Screenshot aus dem Buch „Wut und böse“ von Ciani-Sophia Holder, Seite 35.

Patriachale Strukturen machen sauer, wütend und müde. Und wir müssen uns einfach eingestehen, dass diese Strukturen nicht „zu stärken“, sondern schlichtweg neu zu erfinden sind, weil unsere Strukturen patriarchal sind. Wir alle haben als FCSP-Fans eine antisexistische eigene Identität/Wahrnehmung. Jeder Mensch braucht eine solche Identität, um daraus – bestenfalls stark – handeln zu können. Und wenn diese Identität hinterfragt wird (werden muss), dann tut das weh und es verunsichert. Dann reagiert die Emotion (denn auch eine sofortige Verteidigungshaltung ist eine Emotion, nichts Sachliches).

Wir begrüßen, dass da „hinterfragen“ steht. Aber zu einem ernsthaften Hinterfragen gehört eben auch, dass das Ergebnis aus der Struktur heraus nach außen getragen wird. 

Ein harter Griff ins Klo

Sicherlich werden nun abermalige Angriffe und Anschuldigungen folgen, denn es wird mal wieder nicht reichen.“ (Zitat USP-Statement)

Der ist aus unserer Sicht ganz schlimm, dieser Satz. Damit wird erlebter Diskriminierung bereits vorab jede Legitimität abgesprochen und es so schwieriger gemacht für Betroffene, sich zu äußern. Das ist nicht gut, genau solche Sätze sollten unsere Struktur verlassen und damit in unserem Sprachgebrauch nicht mehr vorkommen. Er verdreht Betroffene-Täter-Mechanismen. Es ist ermüdend, sich mit diesen Vorwürfen beschäftigen zu müssen, aber habt ihr schon mal versucht, als weiblich gelesene Person, als queere Person, als POC im Patriarchat zu leben?Der öffentliche Maßstab, was Zwang und was Gewalt ist, wird im Patriarchat nun mal nicht von Betroffenen definiert, sondern von potentiellen Tätern. Die Betroffenen stehen hier zu häufig auf verlorenen Posten.

Erklärungen sind nicht nötig!

In dem Gespräch wurden Konsequenzen für konkrete Personen gefordert, aber keine Begründung geliefert.“ (Zitat USP-Statement)

Ein formulierter Tatvorwurf gegen konkrete Personen sollte niemals näher erläutert werden müssen. Jedes erneute Formulieren der Vorwürfe lässt Betroffene das Erfahrene noch einmal durchleben. Und das erst recht in der – wenn auch nur kleinen –  Öffentlichkeit gegenüber einer Gruppe von Personen oder gar einer definierten Gruppe. Wir können das Bedürfnis seitens USP nachvollziehen, dennoch setzt es Betroffene unter Druck und wertschätzt nicht den Mut, sich überhaupt geäußert zu haben. Die Forderung eines Auschlusses aus Gruppe und Strukturen ist eine Forderung der Betroffenen und umzusetzen. Hier geht es vor allem darum, einen Raum zu schaffen, der sicherer für Frauen und Queers wird, und nicht um eine Strafe für den Täter. Ansonsten ist man schnell weg von einer Definitionsmacht und in einer gar nicht gewollten Sanktionsmacht. Konsequenzen können nach einer Aufarbeitung immer noch zurückgenommen werden, so Betroffene dieser Rücknahme zustimmen. Aber einer Aufarbeitung mit einer Gruppe zuzustimmen, deren Teil immer noch Täter sind, halten wir für zu viel verlangt.

Und ja, selbstverständlich macht es das für den Täter und seine Aufarbeitung extrem schwer, keine konkreten Tatvorwürfe zu kennen. Es liegt jedoch in der Natur des Patriarchats, dass Männer Grenzen nicht erkennen und diese überschreiten. Zum Beispiel weil sie anders erzogen wurden und werden. Dennoch darf dies nicht zu einer Bringschuld der Betroffenen führen. Hier müssen Täter sich selbst in die Pflicht nehmen, diese Blindstelle zu finden.

Work smart, not hard

Es spricht aus vielen Sätzen ein „seht her, wir haben doch schon viel getan und sind reflektiert, was wollt ihr denn noch?“, aber auch das ist eben gerade nicht „sachlich“. Wir wollen hier gar nicht in Frage stellen, dass das z.B. für die Gruppe von Menschen, die da für USP eine Aufarbeitung versuchen, sehr viel Freizeit (das ist alles immer noch ein Hobby!) und sehr viele Nerven kostet. Insbesondere in einer Gruppe, die sehr viel heterogener ist, als sie sich gerne nach außen darstellt. Aber unser Mitleid hält sich auch in Grenzen – wir alle haben eben viel versäumt und müssen nun, wo es zu spät ist, viel mehr in das Ganze investieren, als wenn wir früher und klarer vorab gehandelt hätten. Und auch hier: Viele dieser Mühen erleben weiblich gelesene, queere Personen Tag für Tag im Patriarchat. Und auch wenn das unser Selbstverständnis erneut angreift: Trotz ganz vieler Frauen in unseren Strukturen sind unsere Strukturen patriarchal.

Es geht uns dabei nicht darum, eine solche Reaktion/so ein Fallen in Verteidigungsschemata als „ey, seid ihr dumm“ abzukanzeln. Wer in Kommunikationsbüchern zum Thema „Fehlergespräche“ blättert, der wird diese Reaktion als eine der normalsten, aber auch am schwierigsten zu überwindende Reaktion finden. 

Wir wollen aber diese Verteidigungshaltung überwinden! Das sind wir unserem gemeinsamen Idealbild „einer freien, diskriminierungsfreien und solidarischen Gesellschaft“ (Zitat USP-Statement) schuldig. Und wir rufen alle dazu auf, diesen Schritt gemeinsam zu gehen. „Wir tun viel und sind reflektiert“ ist ein Anfang, aber nicht ein Ende. Wir wissen – zeitintensiv und schmerzhaft und so, muss aber sein. Bequemlichkeit ist der größte Feind jeder Veränderung. 

Nicht alles ist schlecht – auch in dem Statement:

Im Folgenden seien Aktivitäten genannt, die schon laufen oder in Planung sind: 

  • Erarbeitung eines Awareness-Konzeptes für Gruppenveranstaltungen, mithilfe dessen eine von Einzelpersonen und tagesformunabhängige strukturelle Hilfe geschaffen wird.
  • Mit USP Giovanile gibt es seit Jahren eine Jugendorganisation und einen entsprechenden Umgang innerhalb eines Jugendschutzkonzeptes.
  • Mitarbeit an den Initiativen der Fanszene zum Thema Sexismus und Awareness.
  • Durchführung von Veranstaltungen intern und öffentlich zu dem Thema.
  • Schaffung von Feedbackstrukturen, damit Anliegen dieser Art besser angenommen und bearbeitet werden können. 
  • Vorantreiben des Bewusstseins und der (Selbst-)Reflexion zum Umgang mit Verantwortung durch Stellung und Macht innerhalb von Gruppe und Fanszene.“ (Zitat USP-Statement)

Jeder dieser Spiegelstriche ist zu begrüßen. Wir möchten dazu aufrufen, damit noch mehr in die Öffentlichkeit zu treten und noch mehr Details der Konzepte in den Markt der Meinungen zu werfen. Um sie zu verbessern, aber auch, um sie kopieren zu können.

Das Rad muss nicht neu erfunden werden

Es gibt viele Organisationen und Einrichtungen, die sich mit all diesen Themen ausführlich beschäftigt haben; wir müssen also keine neuen Konzepte schaffen, sondern Konzepte auf unsere Fanszene anpassen. Externe Beratung ist hier, wie oben beschrieben, essentiell wichtig, um aus unserem Klüngel herauszukommen. Wir müssen darauf achten, den AK Awareness hier nicht als Feigenblatt zu nutzen, das dieser leider schnell werden wird, wenn wir in unseren Strukturen verharren. 

Anlaufstellen für Beratung gibt es viele, exemplarisch seien hier der „Frauennotruf“ und „Wendepunkt e.V.“ genannt, die beide aus sehr unterschiedlichen Herangehensweisen heraus sehr gute Arbeit machen und für Vorträge und Beratung angefragt werden können. 

Blick über den USP-Tellerrand

Bei diesem Absatz haben wir diskutiert, ob wir ihn überhaupt in diesen Beitrag aufnehmen möchten. Dagegen sprach, dass wir damit Gefahr laufen, den Blick von USP wegzulenken. Dafür sprach, dass wir den Blick darüber hinaus wagen müssen, um in Zukunft noch besser zu werden. Das Bild, das wir schließlich nutzen wollen: Facebook kann erst mal nix dafür, welchen Mist User*innen auf seiner Plattform schreiben. Facebook schafft aber die Infrastruktur, in der das passiert. Und verdient damit verdammt viel Geld. Und trägt deshalb auch eine besondere Verantwortung. Ähnlich steht es um den FCSP:

Wir haben hier ein mittelständiges Unternehmen, das sein Geld damit verdient, dass viele Menschen sich mit ihm und seinem Team beschäftigen. Ein Unternehmen, das auch deshalb Partner an Land zieht, weil es antirassistisch, gegen Antisemitismus ist. Das dies gerne vor sich her trägt, wenn es genehm ist, und das intern noch viel zu lernen hat (1, 2, 3).

Aber eben auch ein Unternehmen, innerhalb dessen „Angebot“ solche Vorfälle immer wieder passieren. Ein Unternehmen, das diese Problemstellungen kennt. Das mit Problemen dieser Art auch in Bezug auf ihre eigenen (direkten und indirekten) Arbeitnehmer*innen konfrontiert wurde. Ein Unternehmen, das auch grundsätzlich offen für diese Themen und bereit ist, zu lernen.

Wir fragen uns aber: Ist das 2022 noch genug? Hat der Verein genug getan, um sich den strukturellen Problemen bei ihm intern anzunehmen? Um dann auch extern glaubwürdig und wirkungsvoll agieren zu können?

Unser vorläufiges Urteil? Nein. Da kann – und muss – noch mehr möglich sein. Wenn man glaubwürdig sein will. Und wenn man seine eigenen Werte leben will. Wir verweisen hier z.B. auf unsere Forderung danach, (mehr) Ressourcen für diese Themen zur Verfügung zu stellen.

Allgemein: Was ist zu tun? 

Wir werden über Definitionsmacht und Macht an sich reden müssen. Wir werden darüber reden müssen, wer in unserer Fanszene was definiert und wer wie die Macht erhält und behält. Wir werden darüber reden müssen, warum es männlich gelesene oder geführte Gruppen sind, die ihre Fahnen in den Wind stellen und ihre Zaunfahnen an den Zaun hängen. Wir dürfen nie vergessen, dass es beim FCSP auch schon mal anders war: Frauengruppen waren auch mit eigenen Fahnen, eigenen Zaunfahnen präsent. Und so leer dieses Symbol objektiv sein mag, so sehr wissen wir alle, wie stark es in Fußballfanszenen Macht- und Definitionsansprüche nach außen deutlich macht. Und noch viel wichtiger eigentlich: Frauengruppen waren im Kurvendiskurs auch mit eigenen Statements in eigenen Gazetten präsent. Aktuell ist dieser Blog der einzige, der – unserer Kenntnis nach – primär nur von Frauen betrieben wird.

Wenn ihr was tun wollt in eurer Bezugsgruppe, dann diskutiert das, redet über eure eigenen Verhaltensweisen und stellt Regeln auf, wie ihr besser werdet. Beteiligt euch am vereinsöffentlichen Diskurs. Und sollte mal der Fall sein, dass Probleme bei euch bestehen, dann handelt schnell und transparent.

Das geht: 

Niemand erwartet von irgendjemandem, dass er*sie heute der*die perfekte Antisexist*in ist. Wir erwarten aber von jeder Person, dass er*sie morgen ein Stück weiter in diese Richtung ist. 

Kontakt zum Arbeitskreis Awareness gibt es über post (at) awareness-stpauli.de, wir können auch gerne persönlichen Kontakt herstellen. Ein Mitglied des hier schreibenden Kollektivs ist Mitglied in dem AK, aber nicht in die aktuellen Vorgänge involviert. Wie immer stellt dieser Text zudem nur unsere eigene Meinung dar.
Der AK Awareness ist auch auf Instagram aktiv.

2 Kommentare

  1. Alex Alex

    VIELEN DANK FÜR DIESEN TEXT!
    VIELEN DANK FÜR DIE ARBEIT DIE DAFÜR NOTWENDIG WAR!

    Ein paar Anmerkungen noch:
    Die beiden Statements (das interne und das externe) von USP sind arrogant, und leider nicht schlau. Zum Glück wurde das Interne schnell öffentlich, und die Empörung dass dies öffentlich wurde zeigt ebenfalls das Problem der Gruppe bzw. der Menschen die das geschrieben haben.
    Und als größte Gruppe im Stadion muss sich USP auch kritisch fragen lassen warum Frauen in der Gruppe vor 10 Jahren präsenter waren als heute. Warum auf dem Zaun immer noch fast keine Frauen sitzen. Warum dann doch einige nicht verwundert waren als die Vorwürfe geäußert wurden.
    Dies ist Teil des jetzt notwendigen Diskurses und Einiges wird schmerzen, aber es wird notwendig sein.
    Und die Machtfrage in Gruppenstrukturen ist die eigentlich wichtige Frage die nicht nur in dieser Gruppe diskutiert und kritisch betrachtet werden muss.
    Da gibt es in unsere Fanszene viel Arbeit und auch der Verein darf sich diesem Diskurs nicht entziehen.

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