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Egal, wer sich uns in den Weg stellt

Am virtuellen Frühstückstisch heute Morgen erwähnte die Editorin dieses Blogs, wie froh sie sei, dass nun jüngere Menschen auch ihre Pokalerlebnisse hätten. Wir Alten würden immer von 05/06 erzählen, von dem Lechner-Tor in der Verlängerung, wo er von Krämpfen geschüttelt keinen Schritt mehr hätte gehen können und das Ding einfach versenkte. All das haben die alten Säcke wahrscheinlich schon 1910 mal erzählt, und die jüngeren Menschen in ihrem Umfeld verdrehen nur immer mehr die Augen und warten darauf, dass auch die Nonnenstory bald wieder verbreitet wird… 

Florian Lechner hat 2015 2005drei Tage vor Weihnachten Grund zum Jubeln (c) afroh

Jetzt habt ihr eure eigene Pokalgeschichte, ihr jungen Menschen! Die über Jahre genauso ausgeschmückt werden wird wie die Pokalgeschichten der Älteren es wurden. Haaland wird wahrscheinlich jedes Jahr noch größer und breiter, Dortmund noch übermächtiger und das Spiel noch dramatischer. 

Leider wird jedoch auch der Satz „weißt du, es war Pandemie“ in den Geschichten vorkommen, und so waren gestern nur 2.000 Menschen im Stadion. Das ist traurig. Die aufgeregte Geschäftssamkeit vor dem Jolly, vor dem Stadion – all dies fehlte. Dieses „gemeinsam schaffen wir es!“ mit weit über 25.000 anderen braun-weißen, es fehlte. Das Viertel war leer, die Schlange bei der Kleinen Pause kurz. Das abergläubische Essen ging gut runter und unsere Stadionbezugsgruppe wuchs schnell auf ihre Stärke von 5 an. Ihr ganz vielen lieben Menschen, die heute nicht bei uns sein können oder mögen: Ihr fehlt. 
(Aber ein kleiner Einschub sei noch erlaubt: „Es war Pandemie“. Sie wird vorbeigehen und dann stehen wir mit euch allen wieder im Millerntor und schreien uns die Seelen aus dem Leib.)

Unter den 2.000

Die Mannschaft wird am Stadion mit Feuerwerk begrüßt. Immer wieder erstaunlich, wie groß die Vorräte noch sind. Auch nach dem Spiel. Freund*innen von Vogelschreck oder anderem sehr laut knallenden Feuerwerk werden wir nicht mehr. 

Einlass schnell überwunden, Nervosität doch groß. Wir sitzen verteilt über alle Blöcke. Kurz noch mit Abstand zusammensitzen, dann auf unsere Plätze gehen.

Daggi erwähnt die Umstände und sagt „machen wir das Beste draus“, und die 2.000 Menschen im Stadion machen definitiv das Beste draus. Die Stimmung ist gut, es gibt Konfetti zum Einlauf. Wir wussten nicht, dass zum Beseitigen desselbigen unsere Ordner*innen gleich Rechen am Start haben. 

Haupttribüne als neue Perspektive wird jetzt auch noch immer gewohnter. Was da nicht so gut ist: Man sieht viel zu gut die Anzeigentafel. Und die darauf abgebildete Spielzeit. Und wenn gefühlt weitere 5 Minuten gespielt sind, guckt man dort hoch und diese verdammte Uhr ist gerade mal 8 Sekunden weiter. 

BVB geplättet

Frühe Tore tun uns gut. Wir haben das nun nicht statistisch erforscht, aber gefühlt gewinnen wir beinah jedes Spiel, in dem wir in den ersten 15 Minuten treffen, und gefühlt verkacken wir, wenn wir nicht treffen. 

Jubel, Trubel, Heiterkeit (c) afroh

Aue war auf unsere Spielweise vorbereitet, Dortmund ist es gefühlt nicht. „Wir wollen unser Spiel durchdrücken“ ist natürlich ein sinnvolles Ziel und wenn man ehrlich ist, hat jede Mannschaft ihren einen Modus, in dem sie perfekt funktioniert. Außer man wird von Nagelsmann trainiert. Der kann mit seinen Truppen komplett unterschiedliche Systeme perfektionieren und zwischen ihnen wechseln. Dortmund kann sein System und sein Spiel nicht mal eben so auf unser Pressing und später auf unsere Ketten einstellen. Auch wenn letzteres eben auch mal verdammt schwer ist – Gruß nach Aue. 

Etienne wirkt immer so, als ob er den Ball verstolpert, aber wir sagen mal, dass das Absicht ist und so alle außer ihm überrascht sind und der Ball deswegen rein geht. Sowieso macht das ja einen Stürmer aus – schneller zu reagieren als alle anderen. 

Das 2-0 fällt im besten Moment. Gerade als Dortmund anfängt, die Säge an unserem System zu legen, sich also drauf einzustellen, kommt der reinrutschende Eigentorschütze ganz recht. Hier eine fiktive Frage: Dahinter Etienne, Abseits oder nicht? Wäre eine nervige VAR-Überprüfung geworden. Aber so vollkommen egal. 

Die zweite Hälfte ist dann einigeln und einzelne Stachel setzen. Burgi und Etienne und später dann Dittgen bilden die Stachel, dahinter formiert sich ein Bollwerk der Extraklasse. Spannend zu sehen, wie klar Burgi ansagt, wann sie ins Pressing gehen und wann sie einfach in der eigenen Hälfte bleiben. Das wirkt super einstudiert. 

Ein unglücklicher Handelfmeter ist alles. was Dortmund an Zählbaren bekommt, und wirklich viele Chancen hatten sie danach auch nicht mehr. Die Pressingphase zwischen 55. und 75. überstehen wir dann auch gut, und jedes Mal ist irgendein FCSP-Körperteil im Weg. Wie großartig die sich jeweils für alle anderen reingeschmissen haben! Wir sind sehr verliebt. Falls dann doch mal was in Richtung Tor kommt, dann ist Smarsch da. Ey, was für ein Luxus, einen wirklich guten 2. Keeper zu haben. 

St. Pauli leuchtet

Abpfiff, Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die Jungs erzählen sich gegenseitig auf dem Platz nochmal ihre besten Szenen. Wie so 12jährige nach dem Pausenkick. „Würde es gehen, würde ich dich umarmen“ gilt heute auch für jeden da auf dem Platz. Die sind einfach zum Verlieben. 

Ganz starkes Spiel von Dennis (c) afroh

Haaland verlässt ziemlich genervt schnell den Platz und bekommt von der Tribüne noch einige gute Wünsche für seine Zeit in Madrid mit auf dem Weg. Tja, du wirst wahrscheinlich in deiner Karriere 10 Mal die Champions League gewinnen und noch viele Millionen verdienen, aber am Millerntor gewinnen, das bleibt dir (erstmal?) verwehrt. 

Nach dem Spiel überall noch kleine Gruppen und freudige Erörterung des Spieles. Wir laufen nach Hause und hören überall im Viertel Gesprächsfetzen „Erinnerst du noch, als…“ und „Wie geil war eigentlich…“ und „Als er ihm den Ball weggelupft hat“. Das Viertel leuchtet heute nicht nur dank der Kellervorräte heller als sonst.

Was wäre hier ohne Pandemie los gewesen? 

Und machen die Vorstadt platt…

Viertelfinale. Was immer auch eine Million mehr auf dem Konto bedeutet und einfach unsere pandemischen Geldsorgen etwas mindert. Wir hoffen auf ein Heimspiel, ein volles Millerntor und wen auch immer als Gegner. Wir können alle schlagen. #Weiter immer weiter. Wir wollen den Pokal gewinnen. Wir wollen aufsteigen. Wir wollen beides jetzt. Um den Älteren zu zeigen, dass beides auch in einem Jahr geht. Anders als 2005 bis 2007.  Die Gegenwart ist halt besser als die Vergangenheit. 

Tiocfaidh ár lá

PS: JAKOV? WIR SIND FANS
PPS: Stadtmeisterschaft verteidigen!

Erling gezeigt, wer hier der Chef ist. (afroh)

2 Kommentare

  1. Torben Torben

    Schöner Text, Zum Thema Krämpfe bei Lechner empfehle ich die aktuelle Doku zu St Pauli in der ARD Mediathek Schillrbsieht das ganz anders 😂

  2. Lorenz58 Lorenz58

    Ein Text so schön wie das Ergebnis des Spiels

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