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Casa del DFL oder auch Die DFL und das Kartellrecht / Teil 2

Vorwort 

Liebende Lesende da draußen. Bereits im Juni hatten wir einen Artikel zum laufenden Verfahren vor dem Kartellamt veröffentlicht. Den Inhalt dieses Artikels setzen wir im Folgenden voraus. Damals lag uns die gesamte Stellungnahme des Kartellamtes vor, diesmal liegt uns auch die gesamte Antwort vor. Wir haben den Senior gebeten, zu diesem Artikel beizutragen, da das ganze doch einige juristische Kniffe hat. Und sorry, es wird lang.  

Leute! Versteht endlich mal, was der Stand ist! Die Kälber sind clever!

Es tut uns ja wirklich leid, wir haben keine dramatische Überschrift und wir können leider auch nicht in kurzen knackigen Worten erklären, warum die DFL hier einen Offenbarungseid geliefert hat. Wir können euch aber in ein paar mehr Worten erklären, warum sie keinen geliefert hat und wo wir gerade stehen. Sorry, wir sind halt nicht Boulevard. 

Und klar, uns wäre auch am liebsten, wenn das DFL-Präsidium – zumal mit sechs Clubvertretern aus e.V.s besetzt – ein für allemal 50+1 sichert und alle Ausnahmen abschafft. Aber so leicht geht es dann halt doch auch einfach nicht.

Der Senior betont immer wieder, wie wichtig es bei der Beurteilung von juristischen Texten ist, diese in ihrer Gänze gelesen zu haben. Das gilt auch hier. Dass so ein Text in die Öffentlichkeit gelangt, ist klar, sonst würden Menschen wie Chaled Nahar und Thorsten Poppe ihren Job nicht verstehen. Die beiden schreiben für die Sportschau und haben für diese zuerst aus dem Text zitiert. Aber er ist eben keine Rede an das Fußballvolk. 

Weitere Betrachtungen findet ihr auch von Peter Ahrens im Spiegel und Benni Hoffmann im Kicker.

Wichtig ist auch zu verstehen, wo wir uns befinden und was dieser Text ist

Er ist ein Funktionstext in einem laufenden Verfahren und gute Jurist*innen müssen einen solchen Text halbwegs überzeugend verfassen, selbst wenn sie ganz genau wissen, dass die Argumente relativ dünn sind. Jurist*innen haben da immer zwei Adressat*innen im Blick. Einmal die Entscheidenden (hier das Kartellamt) und einmal die eigenen Mandant*innen (hier die DFL). Wir sind mitten in einem laufendem Kartellverfahren; die im Juni behandelte Stellungnahme des Kartellrechtes ist ausdrücklich eine vorläufige Stellungnahme, zu der man Beiträge erwünscht.

Wir sind am Anfang der ganzen Geschichte und nicht am Ende. Wir sind noch nicht einmal bei Gericht! Niemand braucht Jurist*innen, bis man sie doch braucht

In dieser Situation gibt es keinen Grund für die DFL, auf die Knie zu fallen, dem Kartellamt Recht zu geben und zu sagen: „Ja, wir machen sofort alles, was ihr wollt.“

Das verlangt ja nicht einmal das Kartellamt. Sondern es sagt ausdrücklich „so können wir uns das zur Zeit vorstellen, sagt mal was dazu“. Das ist immer eine Einladung zum Widerspruch. Klar, vorläufige juristische Einschätzungen werden gerne mal endgültige juristische Einschätzungen, aber sie erzeugen in diesem Moment keinen Leidensdruck. 

Und das ist hier wichtig. Der Status quo ist immer am bequemsten. Das wissen alle Menschen, die mal versucht haben, etwas zu ändern. Und das gilt umso mehr für eine DFL, in der Körperschaften (das umfasst bequemerweise genauso Vereine wie auch Kapitalgesellschaften) an 50 + 1 hängen, andere an ihren 100 % Investor*innen und noch andere sich am liebsten gestern an die Fenway Sportsgroup verkaufen würden. Oder anders ausgedrückt: Wollt ihr als DFL-Präsidium da eine neue Regelung aushandeln? Oder seht ihr euch in der Lage, Leverkusen, Hoffenheim und Wolfsburg nun ein „Morgen seid ihr raus, ihr Penner!“ an den Kopf zu werfen? Mit einer vorläufigen Stellungnahme?

Meint ihr dafür eine Mehrheit zu haben?  

Da würde ich an deren Stelle auch erstmal versuchen, den 20 Jahre alten Kompromiss, den zwar jede*r doof findet, aber mit dem alle irgendwie leben können, zu retten. Eine Änderung würde ich erst machen, wenn die vorläufige Entscheidung zu einer endgültigen zu werden droht.  Die wissen, was Phase ist

Und da kommen gut bezahlte und fähige Jurist*innen ins Spiel. Wenn alles klar ist und die vorläufige Stellungnahme in meinem Sinne ausfällt, dann brauch ich die nicht. Dann kann ich auch Christian, Peter, Oliver und Steffen (Vornamen der unterschreibenden DFL-Menschen) alleine schreiben lassen. Das ist hier aber nicht passiert. Hier waren Jurist*innen dran, die einem an einem regnerischen Tag im November überzeugend begründen können, dass bestes Sommerwetter ist. Und das war deren Job nach Außen (!!!). Was die ihrer Mandantin (der DFL) geschrieben oder gesagt haben, wissen wir nicht, aber es gibt auch in diesem Schreiben Anzeichen, die dafür sprechen, dass in den internen Meetings der DFL auf die erheblichen Risiken des weiteren Prozesses (so nennen Jurist*innen ein „das verliert ihr wahrscheinlich“) hingewiesen wurde.

Wir werden euch zeigen, wo 

Und wir schrieben bereits im Juni, dass das dünne Eis, auf dem die jetzige Regelung gebaut ist, auch der DFL absolut klar und bewusst war und ist. Das ist ja nicht erst seit heute Thema in der juristischen Fachliteratur. Und bei der DFL sitzt mit Steffen ein Rechtsanwalt im Präsidium. Die wissen, was Phase ist.  

Die DFL weiß, dass sie 50 + 1 höchstwahrscheinlich (!) verändern muss. Sie weiß aber auch, dass – egal wie sie es verändert – ein Teil ihrer Mitglieder sehr unzufrieden sein und es wieder auf einen Kompromiss hinauslaufen wird.

Wir als Fans würden natürlich einen reinen e.V.-Wettbewerb mit nahezu gleichen Fernsehgeldern begrüßen und wahrscheinlich ist so ein System auch eine Garantie für ausgeglichenen Sport. Aber dieses Ideal werden wir mit der DFL nicht bekommen. Sie ist auch zu einem anderen Zweck gegründet worden. Und auch dafür ist diese Stellungnahme. Schon mal gucken, was das Kartellamt mitmachen würde und was nicht.  

Und dann handelt es sich um eine gute Stellungnahme

Dies alles vorausgeschickt, muss man der DFL lassen, dass sie weiß, wo sie nach ihrem Strohhalm greifen muss. Sie versucht alles, um ihre Regelung zu retten. Sind das „schwache Argumente“? Vielleicht. Aber sie sind gut vorgetragen. Ja, da spricht der Jurist.  

Nochmal zur Erinnerung:
Die DFL ist ein Kartell, sie beschränkt den Wettbewerb mit der 50 + 1-Regelung und sie unterliegt damit dem Kartellrecht.

Diese Beschränkung ist jedoch legitim, wenn die DFL drei Ziele damit verfolgt:

  • einen vereinsgeprägten Wettbewerb zu organisieren,
  • für einen ausgeglichenen sportlichen Wettbewerb zu sorgen, sowie
  • die Stabilität des Wettbewerbes und der Klubs zu gewährleisten. 

Das Kartellamt nennt das die „ethisch soziale Zielsetzung des Verbandes“, und wir haben alle gemeinsam im Juni schon darüber gelacht. Das Kartellamt sagt dann, dass wir das insbesondere erreichen, wenn wir eine „Vereinsprägung“ haben. Diese sei bei 50 + 1 oder einer Stimmmehrheit (KGaA Konstruktion) der Idealvereine gegeben, weil sie eben diese ethisch soziale Zielsetzung über das reine Profitinteresse stellt.  

Bauchweh hat das Kartellamt halt, wenn da kein Idealverein mehr drin ist, sondern eben die Bayer AG. Die sogenannte „Förderausnahme“, die als Voraussetzung hat, dass man 20 Jahre den Fußballsport ununterbrochen und erheblich gefördert hat, den Amateurfußball in bisherigen Ausmaß weiter fördert, die Anteile nicht verkauft, und das gemeinsam mit dem Mutterverein beantragt hat. Diese Ausnahme nehmen zur Zeit Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim in Anspruch. Das ist der Streitkern. 

Kleiner Hinweis: Leipzig ist ein ganz eigenes Thema, aber Leipzig ist auf dem Papier ein e.V. Dass in Leipzig vielmehr das Vereinsrecht gebogen wird, bis die Balken brechen, ist noch ein ganz anderes Thema und Problem. Auch darauf hat das Bundeskartellamt hingewiesen.

Wir zitieren uns jetzt mal selbst aus dem Juni:  „Und das Kartellamt sagt auch, dass hier eine Verzerrung des Wettbewerbes stattfindet. Denn während der e.V. Probleme in der Eigenkapitalbeschaffung habe (der FCSP kann davon ein Lied singen), wären die Förderausgenommenen sehr frei. Man könnte sie in Konzernstrukturen bilanziell integrieren und auch auf dahinter stehende Ressourcen wie Presse- und Rechtsabteilung (!) zurückgreifen. Aus dem langjährigen Verlauf des sportlichen Wettbewerbes werde dieser Vorteil auch deutlich, denn alle Förderausgenommen hätten sich in der Bundesliga etabliert und seien noch nie abgestiegen.“  

„Die für einen Verein prägenden Charakteristika wie Mitgliederpartizipation und Transparenz gegenüber Mitgliedern dürfen auch hierbei beeinträchtigt werden bzw. sogar ganz verloren gehen. Vereinsgeprägter Fußball und Ausgeglichenheit des Wettbewerbes, wie es sich die DFL selbst mit der Regelung zum Ziel gesetzt hat, erscheinen […] nachhaltig und konsistent gesichert.“

Die 20 Jahre Regelung sieht das Kartellamt da nicht ausreichend. Zwar sei so ein*e mäzenatenhafte*r Investor*in praktisch der*die Übernehmer*in, als ein*e Renditeorientierte*r, aber es bleibe dabei, dass der Verein zurückgedrängt werde. Und selbst wenn man auf eine soziale Bindung des*der Mäzen*in an „seinen*ihren“ Verein abstelle, sei dies nicht ausreichend, um die Ausnahme zu begründen“   

Die Verbandsautonomie und der Spielraum

Die DFL sagt nun erstmal: „Halt, liebes Kartellamt. Ganz so einfach ist das nicht. Ihr zitiert da eine EuGH-Rechtsprechung, die besagt, dass die Verbände einen gewissen Beurteilungsspielraum haben und der umso größer wird, je mehr wir uns im Bereich einer Regelung des sportlichen Wettkampfes befinden.“ (Für die Jurist*innen unter euch: Die EuGH-Entscheidungen „Wouters“ und „Meca-Medina“ sind die Stichworte.) 

„Und auch die 50+1-Regelung sei eine solche Regelung des sportlichen Wettkampfes, zwar nicht ganz so zentral wie z.B. eine Dopingregelung (darum ging es beim EuGH), aber ihr selbst nennt ja drei sportliche Ziele, welche diese Regelung erreichen soll, also sagt ihr ja selber, dass es eine Regelung des sportlichen Wettkampfes ist. Und ach ja, es reicht laut EuGH, wenn man eines eurer Ziele erreichen kann mit der Regelung.“ 

Weiter gibt die DFL zu bedenken, dass sie einen Beurteilungsspielraum als Sportverband habe und die kartellrechtliche Überprüfung daher Grenzen habe. Über diesen Ansatz kann man schon herzlich streiten und da werden vier Jurist*innen fünf Meinungen drüber vertreten. Es ist kein Wunder, dass LTO.de in seinem Artikel Sportrechtler (das muss man leider nicht gendern… nur Kerle) (wohlgemerkt: keine Kartellrechtler*innen) befragt und diesen Teil seines Artikels mit „Sportrechtler bewerten die Lage unterschiedlich“ überschreibt.

Bei allen dort befragten Typen bedenkt immer, dass die ggf. Mandate in diesem Bereich haben und dementsprechend natürlich auch gerne in der Öffentlichkeit lesen wollen, was ihre Mandant*innen gerne lesen würden.

Unser Senior ist kein Kartellrechtler und schon gar nicht Sportrechtler, aber dieses Spannungsverhältnis „Verbandsautonomie vs Kartellrecht“ ist kein neues. Sport ist monopolistisch organisert und bisher machen das die staatlichen Behörden mit. Es gibt eben nur eine Fußball-WM. Und ich könnte nun auch keine Konkurrenz organisieren, zu der ich DFB und Co. einladen könnte, ohne dass diese Probleme mit der FIFA bekämen. Und die FIFA vor ordentlichen Gerichten wahrscheinlich Recht bekäme. 

Genau hier liegt der Hase im Pfeffer! Und ist eben auch juristisch noch null endgültig geklärt. Wieviel Spielraum gebe ich den Verbänden, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, und wo endet dieser, und wie kann ich das (z.B. kartellrechtlich) überprüfen. Nicht nur hier, sondern auch bei Pyrostrafen und ähnlichem. Ein schwarz/weiß haben die Gerichte in der Neuzeit abgelehnt, und damit befinden wir uns in einem argumentativen Graubereich, in dem alles Einzelfallentscheidungen und einzelne Betrachtungen sind. Daher ist auch bei 50+1 das Argumentieren  mit sinnigen und unsinnigen Argumenten eröffnet. 

Wie genau argumentiert die DFL denn nun? Sie orientiert sich an den Spiegelstrichen: 

Vereinsgeprägter Wettbewerb

Hier sagt die Stellungnahme, dass bei Leverkusen und Wolfsburg als Vereine diese sowieso schon immer eine ganz enge Verknüpfung mit den Konzernen hatten. Sie würden nicht zu Unrecht „Werksvereine“ heißen. Wir zitieren:  „[…] waren als „Werksvereine“ bereits insofern schon „konzerngeprägt“ als eine Vielzahl an Vereinsmitgliedern und auch Organmitgliedern in einem Anstellungsverhältnis mit dem jeweiligen Konzernunternehmen standen. Eine „Abkoppelung von einer Vereinsprägung“ hat nach Erteilung der Ausnahmegenehmigung zumindest nicht in deutlicher materieller Ausprägung stattgefunden, da der Verein mit dem Konzern bereits personell-strukturell, organisatorisch sowie wirtschaftlich durch Fördermittel und Sponsoringverträge des Konzerns seit Jahrzehnten eng miteinander verbunden war. […]“

Und hey, so schlecht ist das Argument gar nicht mal. Leverkusen und insbesondere Wolfsburg wären ohne diese beiden Nazinachfolgeunternehmen ein Schiss auf der Landkarte und die Vereine nicht existent. Und ganz vielleicht würde das Kartellamt es auch so sehen, wenn es nur VW und Bayer wären, die da mitspielen würden. Aber was sich die DFL als Argument hier aufbaut, reisst sie auch gleich wieder mit dem Arsch ein, wenn sie Hoffenheim damit vergleicht. Uff. Ne, da passt diese „historisch alles so miteinander verwachsen, dass eines ohne das andere nicht denkbar ist“ irgendwie nicht so wirklich. Insbesondere weil wir hier von „Herrn Hopp“ und nicht SAP selber sprechen. Und natürlich ist das Gegenargument, dass es nicht nur auf eine wie auch immer zu definierende materielle Ausprägung, sondern eben auch auf den formellen basisdemokratischen Verein ankommt. Das wird viele Jurist*innen überzeugen, weil sie sich gerne an formellen Dingen festhalten. „Kein Verein? Dann doof!“ ist halt einfacher als „Oh, aber im Endeffekt ist das ja immer noch das Gleiche! Ja? Nein? Doch?“.

Und jetzt mal nicht aus juristischer Sicht: Es macht halt doch einen Unterschied, ob es Vereinsprägung gibt, ich also als Mitglied zu einer MV kann und da Anträge stellen kann, über die die Mitglieder dann bestimmen. Bei aller Werksprägung: Uns wäre nicht bekannt, dass das Menschen, die mit den Clubs eng verzahnt sind, sowas bei Bayer und VW tun können. Und uns wäre auch nicht bekannt, dass Bayer oder VW das gerne zulassen würden.

Die DFL argumentiert dann weiter, dass gerade Bayer und Wolfsburg im Bereich CSR führend sind und Hoffenheim da auch ein Konzept hat. Also der sozial ethische Aspekt der Vereinsprägung auch hier gegeben sei. Ihr merkt den Unterschied? Und wieder denke ich ähnliches. Leverkusen und Wolfsburg als singuläre Fälle würde man halt besser wegargumentiert bekommen.  Stabilität des Wettbewerbes und der Klubs

Hier argumentiert die DFL damit, dass die Regelung eine über das Lizenzierungsverfahren hinaus gehende Stabilität ergeben würde, weil man ja 20 Jahre dabei sein müsse, damit seine Stabilität unter Beweis gestellt habe, ein investorenlikes „Geld rein pumpen und schon Exit planen“ nicht möglich sei und man so eine Kontinuität habe. Das ist nun wirklich nicht das beste Argument. Das merkt die DFL dann auch ganz schnell und sagt, dass sie ja einen Spielraum habe (siehe oben) und nur eine völlig ungeeignete Maßnahme ja böse sei.  

Da kommt es wieder darauf an, wieviel Spielraum man denn den Verbänden geben will. 

Ausgeglichenheit des Wettbewerbes

Hier wird es interessant, denn eines der Argumente des Kartellamtes war ja, dass die betreffenden Vereine durch den Ausgleich von Fehlbeträgen im Konzern und durch die Nutzung von Konzernressourcen einen riesigen Vorteil haben und dies sich z.B. auch daran zeige, dass Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim noch nie abgestiegen seien. 

Die DFL sagt nun, dass man dies so nicht sehen dürfte, denn seitdem alle drei in der Bundesliga spielen würden (08/09) seien ja auch drei weitere Klubs nicht abgestiegen. (Zwei (FCB und BVB) sollten jedem klar sein, dass die zweite Borussia der dritte Verein ist, ist schon eher Spezialwissen.) Und sowieso hätten ja die drei gemeinsam erst seit 2015/16 die Ausnahme in Anspruch genommen und seitdem seien auch vier weitere Klubs nicht abgestiegen. Das sind Mainz, Augsburg, Frankfurt und Hertha. 

Das Argument ist – gelinde gesagt – ziemlich dünne. Die Zeit mit dem Aufstieg von Hoffenheim zu begrenzen, ist eher zufällig, denn auch vorher sind viele andere abgestiegen, aber Wolfsburg und Leverkusen nicht. (Kleiner Gedanke am Rande: Wenn Mainz und Augsburg schon zu den längeren Erstligisten gehören, warum genau kann der FCSP dann niemals nimmer nicht in Liga 1 mithalten, wie in unseren Kommentaren immer behauptet wird?)

Zweiter Gedanke am Rande: In dem Zeitraum 08/09 bis heute werden wohl rund 35 Teams in der 1. Liga gespielt haben, davon sind 6 nicht abgestiegen. Von den 35 Teams halten sich 31 an 50+1 (Leipzig so teilweise, für dieses Gedankenspiel nehmen wir sie mal mit rein). Von den 31 sind 3 nicht abgestiegen, von den anderen 4 sind 4 nicht abgestiegen. Da sollte dann auch dem „iudex non calculat“ auffallen, dass seine*ihre Argumentationsdecke verdammt dünn ist.

Die viel interessantere Frage reißt die DFL dann an. Was genau heißt denn „Ausgeglichenheit des Wettbewerbs“? Wie sicher der Ausgang eines Spieles ist? Einer Saison? Einer Zeitspanne von X Saisons? 

Die DFL selber stellt auf mehrere Spielzeiten ab und argumentiert dann, dass man die Anzahl der Clubs betrachten müsse, die sich für die internationalen Wettbewerbe qualifiziert hätten. Und da sei die DFL europäisch führend. 17 unterschiedliche Klubs hätten sich zwischen 10/11 und 20/21 qualifiziert, in Italien nur 13, England 16, Spanien 15, Frankreich 12. Auch hätten sich die drei betreffenden Vereine nicht jedes Jahr qualifiziert. 

Was in der Stellungnahme der DFL nicht vorkommt: Wer Meister geworden ist. Wahrscheinlich weil das nicht wirklich für eine Ausgeglichenheit spräche. Wie man aber die ganzen Wettbewerbe innerhalb des Wettbewerbes miteinander gewichtet und welche Zeitspanne man nimmt, bis sich auch ganz komische Verläufe ausgeglichen haben, steht frei zur Debatte. Die DFL nimmt daher natürlich komplett willkürliche Daten. 

Nur mal so zur Info. Wenn man die Qualifikanten früherer Prägung mitzählt, dann haben sich in der Zeitspanne 10/11 bis 20/21 9 verschiedene Vereine für die CL qualifiziert. Darunter auch die drei Ausnahmekonstruktionen. Aber mit Schalke und Werder auch zwei aktuelle Zweitligisten. 

Ha! Werdet ihr jetzt sagen, GOT YOU! Wenn ich so Meisterschaft und Champions League sehen und das Dauerabo, welches BVB und Bayern da haben, dann ist der Wettbewerb nicht ausgeglichen. Das kleine Problem dabei ist: Das sind wahrscheinlich Faktoren, die mit dem heutigen 50+1 sehr wenig zu tun haben, denn es ist eben nicht so, dass Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim die Champions League und die Meisterschaft unter sich und mit Leipzig ausmachen. Vielmehr sind Bayern und Dortmund 50+1-Musterkinder. Und auch die häufig in der CL auftauchenden Schalke und Gladbach sind 50+1-Konstruktionen. Und selbst einmal abgestiegen. Das würde euch die DFL auch entgegen halten.   

Hoffenheim war schon mal eine unverzeihliche Leistung des BVB (letzter Spieltag; 2-1 Sieg in Dortmund nach 1-0 Rückstand) und eine Relegation vom Abstieg entfernt, Wolfsburg zwei Relegationen. Es ist also nicht so, dass die nun immer relativ entspannt einen Fußboden gefunden haben. 

Trotzdem ist die Unausgeglichenheit des Wettbewerbes beim Meister ein arges Problem für die DFL und das weiß sie auch. Sie erwähnt die Meisterschaften schon bewusst mit keinem Wort. Folgende Argumentation ist nämlich auch wahr: Ihr schafft es nicht, in eurer jetzigen Konstruktion einen ausgeglichenen spannenden Wettbewerb für die Meisterschaft zu organisieren. Und die Meisterschaft hat eine überragende Bedeutung. Kommt nicht mit irgendwelchen Nebenkriegsschauplätzen. Dies ist ein Problem. Ihr müsst also viel grundlegender da ran. Alles, was ihr macht, ist ungeeignet, einen einseitigen Meisterwettbewerb zu verhindern – organisiert euch mal komplett neu.

(Und verteilt die Vermarktungserlöse gänzlich neu, liebe Grüße von der Person, die zu viel Geld Zeit mit diesen Themen verbracht hat 🤙) 

Warum macht die DFL denn keinen eigenen Vorschlag?

Am Ende fordert die DFL zeitnah ein persönliches Gespräch und steht für ein lösungsorientiertes Gespräch zur Verfügung, „innerhalb derer auch Möglichkeiten und Formen von Bestandsschutz für bereits erteilte Ausnahmen zu erörtern wäre“. 

Viele kritisieren, dass die DFL ja keinen Lösungsvorschlag unterbreitet hat. Ja, liebe Leute, natürlich hat sie das nicht. Sie wäre bescheuert, es zu tun. Alles was sie jetzt auf Papier (oder in einem PDF) vorschlägt, würde ihre eigene Stellung komplett untergraben und müsste darüberhinaus vorher mit allen Mitgliedern abgestimmt sein. Da sind wir halt noch nicht. Um ihre Mitglieder auf eine gemeinsame Haltung zu bekommen, muss sie nun auch nach außen noch mal Stärke demonstrieren. 

In einem Gespräch, über das im Notfall auch kein Protokoll geführt wird, kann man viel besser Linien erörtern, auch Dinge sagen, die man dann vielleicht doch nicht gesagt hat. Das ist auch mit Behörden komplett üblich und solche Runden wird auch das Kartellamt kennen. Und der zitierte abschließende Satz zeigt ganz genau, was der lösungsorientierte Vorschlag der DFL sein wird. „Wir erkennen an, dass die drei Förderausnahmen problematisch sind, wir machen da eine Art Bestandsschutz und lassen keine weiteren zu.“ 

Und eine Sache darf man dabei auch nicht außer acht lassen: 2018 als dieser aktuelle Prozess per DFL Mitgliederentscheid angestoßen wurde, wurde an der kompletten 50+1-Regel gerüttelt. Ja, auch aus der DFL selbst heraus. Drei Jahre später impliziert die DFL in ihrem Schreiben, dass 50+1 bleibt und grundsätzlich eine Regel ist, unter der man weiter agieren will. Nur eben Lösungen für das selbstgeschaffene Problem der Ausnahmen finden. Aber: Allein dieses „nicht akut in Frage stellen“ ist ein Erfolg. Das fühlt sich für die allermeisten von uns nicht so an. Aber es ist ein wichtiger Schritt in die defintiv richtige Richtung.

Wird dies reichen, um das Kartellamt zu überzeugen? Das bleibt abzuwarten. Wir dürfen auch folgendes nicht vergessen: Egal wie das Kartellamt nun entscheidet, es könnten auch immer noch potentielle Investor*innen (hallo nach Hannover) dagegen klagen. Und wie dann ein Gericht entscheidet, bliebe immer noch offen.  

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