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Ein Brief an Esther Béjarano

Am 10. Juli ist Esther Béjarano verstorben. Ein Freund des Kollektivs hat ihr einen Brief geschrieben, den wir hier veröffentlichen:

Liebe Esther,

die letzten Tage musste ich es sacken lassen und doch ist es irgendwie noch gar nicht so richtig in meiner Realität angekommen. Du bist am 10.Juli 2021 verstorben. Ich hoffe du bist einfach eingeschlafen, ohne Schmerzen. Denn Leid hast du in deinem Leben wahrlich genug erleben müssen. Viel mehr als ich und die meisten anderen meiner Generation es sich (hoffentlich) jemals vorstellen können. Ich habe in den letzten Tagen immer wieder versucht irgendwelche Worte zu finden und bin daran gescheitert. Man wirft ja sehr schnell mit Superlativen um sich, aber im Fall von dir wären sie nicht übertrieben. Es fällt mir trotzdem schwer, weil ich das Gefühl habe, sie würden dir eh nicht gerecht. Aber du hast mich in meiner Haltung und in meiner Sicht der Dinge einfach zu nachhaltig geprägt um es unversucht zu lassen. Ich habe nur wenige Sätze mit dir persönlich gewechselt, aber habe trotzdem das Gefühl dich zu kennen, so sehr hast du mich bewegt.

Du hast immer gesagt, dass du lebst, singst, stehst, redest wäre deine Rache an den Nazis. Du hast dich gerächt, lange. Ich durfte ein paarmal dabei sein. Unzählige Male hattest du ein großes Publikum dem du deine Musik präsentiert und deine Geschichte erzählt hast. Unvorstellbar dass irgendwer nicht an deinen Lippen hing. Ich jedenfalls tat es und hätte dir immer weiter zuhören können. Das klingt schräg bei diesem Thema, aber es ist vor allem die Art und Weise wie du erzählt hast. Ich durfte auch zweimal selber Veranstaltungen mit dir organisieren und war irgendwie immer froh, eher im Hintergrund etwas zu tun. Ich wäre vor Bewunderung sowieso immer im Erdboden versunken und kein vernünftiges Wort rausgebracht und du hättest sicherlich sowas gedacht wie: „Na, wenn das hier der antifaschistische Widerstand ist, dann muss ich ja noch länger ran.“ Aber im Ernst. Ich habe selten einen so beeindruckenden Menschen wie dich gesehen, gehört und getroffen. Wie unermüdlich und konsequent du deine Stimme erhoben, dich für Menschlichkeit, gegen Antisemitismus und Rassismus eingesetzt hast, hat so viele beeindruckt und nachhaltig geprägt. Immer wenn es gegen Nazis ging, warst du da. Wir durften dich auch regelmäßig bei Veranstaltungen rund um den FC St. Pauli begrüßen und dir zuhören. 

Besonders schön fand ich persönlich deinen Auftritt mit der MicrophoneMafia beim Antira Turnier 2016. Im Grunde hattest du eine 360 Grad Bühne im Mundloch der Gegengeraden. Viele Antifaschist:innen aus ganz Europa und darüber hinaus standen um euch herum und sahen euch zu. Für mich bis heute einer der schönsten Momente in meiner Zeit bei diesem Verein.

Du wirst uns gewaltig fehlen. Deine mahnenden Worte, die zugleich Antrieb für so viele waren. Du hast viele mit deinem Mut und Aktivismus inspiriert und beeinflusst. 

Die letzten Tage waren schon beeindruckend. Überall tauchte die Nachricht über dein Versterben auf. Überall fanden die Menschen Worte und alles hatte Platz. Trauer, Mut, Dankbarkeit, Gedenken, Austausch. Von privaten Social Media Accounts, über Politik, Aktivist:innen, Künstler:innen (bis in die USA), bis zur Tagesschau, überall wurde deiner gedacht. Mit Recht. Guck was du gemacht hast. Das ist das Ergebnis deiner Rache. Alle kennen dich und deine Geschichte.

„Wir machen weiter, Esther!“, schrieb eine antifaschistische Gruppe. Das ist das mindeste was wir für dich tun können. 

Danke für alles was du warst.

Siehst du, keine Worte der Welt können dir gerecht werden.

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