Der FCSP ist seit einigen Tagen im Trainingslager, es gibt Fotos von Sporteinheiten, ein bisschen Quizquatsch, ein paar ernstere politische Themen in dem Video mit Jackson und Ziereis – in dem wir gerne noch stärker den Fokus auf den deutschen Kontext gelenkt gesehen hätten, aber das ist ein anderes Thema, ein paar Testspiele. Alles wie immer und ganz normal. Und Normalität in einem gewissen Maße ist in diesen Corona-Zeiten für eine gute Vorbereitung wahrscheinlich dann auch wirklich nicht zu unterschätzen. Gut leider dieses Mal ohne Mats-Videos, aber daran haben wir uns ja auch schon fast gewöhnt (😭).
Eine Sache gehört dann aber auch jedes Mal zu dieser Normalität und wir fragen uns wirklich seit langem, ob das eigentlich wirklich immer noch sein muss und ob es da nicht viel coolere Wege gäbe, die neuen im Team willkommen zu heißen. Ja, die Rede ist von den Videos des Vorsingens der neuen.
Neue willkommen heißen
Auch wir haben Sport in Vereinen gemacht, neue Jobs angefangen, Jobs gewechselt – alles verschiedenste Situationen in denen wir jeweils wenige bis niemandem aus dem neuen Umfeld kannten. Situationen, in denen es wichtig war, dass wir gut von den “alten” willkommen gehießen worden und in denen wir umso schneller ankamen, desto besser dies ablief.
Es gibt in der (Sport-)Psychologie mehr als genug Belege dafür, dass Menschen, die sich in ihrem Umfeld wohlfühlen, die sich von ihren Mitmenschen gewollt fühlen und die sich als vollwertiger Teil einer Gruppe fühlen, bessere Leistung bringen. Und das ist ja im Fußballkontext nun wirklich nicht ganz unwichtig. Insofern ist es gut und wichtig, dass man sich auf als Profifußballverein überlegt, ob und wie man die neuen Spieler im Kreis der Mannschaft willkommen heißen kann.
Speziell im FCSP-Kontext gab es in der Vergangenheit dann auch immer noch die bekannten Stadtteilspaziergänge, in denen den neuen das Viertel und der Verein für den sie jetzt spiele, nähergebracht wurde. Geht aus nachvollziehbaren Gründen gerade natürlich nicht in der gewohnten Form, aber auch hier hoffen wir einfach mal, dass da bereits über andere Wege nachgedacht wurde, diesen nicht ganz unwichtigen Punkt ebenfalls rüberzubringen. Das hier ist eben mehr als Fußball. (Grüße an die Grandprixvorentscheidzweiten)
Aber muss das wirklich in dieser Form sein
In diesem Kollektiv gibt es Menschen, die verschieden stark musikalische Talente haben. Von “wenn du nie wieder in der Öffentlichkeit singst, kriegst du jetzt ne 1” beim Vorsingen vor der ganzen Klasse bis zum Spielen in der eigenen Band.
Ähnlich breit ist auch das Spektrum der musikalisch-gesanglichen Fähigkeiten der FCSP-Spieler. Einigen sieht man an, dass sie es gut und gerne machen, bei anderen kann man das Unwohlsein (dieses Jahr aber auch in vorherigen) allein beim Betrachten der Videos mitfühlen.
Aufnahmerituale sind gut und wichtig, es ist wichtig, tragfähige Beziehungen herzustellen und zu erreichen, dass die neuen sich wohlfühlen.
Aufnahmerituale sind aber auch häufig sehr dadurch geprägt, dass man sich in einer gewissen Art und Weise vor anderen bloßstellen muss oder etwas doofes machen muss, was die anderen vor einem auch schon machen mussten. Besonders exemplarisch hier natürlich die Aufnahmerituale von Burschenschaften, in denen es meistens darum geht, so viel Alkohol in kurzer Zeit zu trinken, dass man dann eben einfach kotzen muss. Alternativ einfach die Wange hinzuhalten, während andere dir mit irgendwelchen Waffen vorm Gesicht rumwedeln. Also natürlich nicht offiziell, aber einen großen Anteil daran, dass das immer noch gemacht wird, hat’s dann eben doch.
Ähnliches auch bei Erstitagen an Unis. Ihr habt doch sicher auch schon von diesen Kleiderketten gehört, die Erstis an Marktplätzen gebildet haben? Wir haben jedenfalls direkt Bilder von komplett unbekleideten Student*innen vor Augen. Vielleicht fanden sie das ja auch wirklich cool, wir stellen aber mal die Hypothese auf, dass der vorherige Alkoholkonsum und die Gruppendynamik da auf jeden Fall auch eine ordentliche Rolle gespielt haben. Und wenn man dann die Erstitage im nächsten Jahr betreut, macht man mit dem Ritual wieder weiter, weil man musste da ja auch durch und hat es ja auch geschafft.
Und dann sind wir noch nicht mal bei der Marine angekommen, in der insbesondere rund um den Todesfall der Kadettin auf der Gorch Fock auch diverse unschöne Geschichten rund um die Aufnahmerituale ans Licht kamen.
Und an beiden Beispielen sieht man schön, was das Problem:
Eine bereits existierende Gruppe (“In-Group”) stellt Bedingungen auf, die die neuen erfüllen müssen, um dazuzugehören. Das ist Konservatismus in Reinform.
Sicher, die neuen müssen bei diesem Vorsingen zum allergrößten Teil in gewisser Art und Weise aus sich raus, sich öffnen. Auch das ist insgesamt ein wichtiger Aspekt, um Vertrauen aufzubauen und so Mitglied einer Gruppe zu werden. Aber wird da fragwürdig, wo das nur einen Teil der Gruppe und eben nicht alle trifft. Robin ist Dienstältester, bei dem hat keine*r mehr mitbekommen, wie er live vor Ort gesungen hat.
Und überhaupt ist das für einen modernen Profifußballclub, der Dinge hinterfragen will, “unestablished since 1910” sein will, wirklich angemessen noch in dieser Form zu agieren? Würden die Spieler das wirklich alle freiwillig machen, wenn sie sich in der Gruppendynamik nicht gezwungen fühlten? Ist es gut, etwas auszuwählen, was einige wirklich genießen und andere eben einfach richtig doof finden?
Und müssen wir dann auch noch Videos davon in den sozialen Netzwerken sehen?
Apropos soziale Netzwerke, bei einem der letzten Male war einige Zeit ein Video eines Spielers, der Xavier Naidoo sang, online. Nach Hinweis ob der Problematik war es dann relativ schnell wieder rausgenommen. Nun ist es Mickie Krause. Auch hier könnte man solche Situationen mit Liedern von Sängern, die nun wirklich weit von unseren Vorstellungen des FCSP weg sind, vermeiden.
Wir haben da andere Ideen
Das Ziel ist es doch , die neuen bestmöglich willkommen zu heißen und zu integrieren. Und da gibt es dann mindestens genauso gute Wege: Statt etwas zu nehmen, wo die Leistung hauptsächlich vom eigenen Talent abhängt, kann man sicher auch etwas finden, wo alle in gewisser Form aus sich rausmüssen, aber eben nicht die eigenen Gesangskünste (die mit Fußballspielen ja nun nur bedingt zu tun haben) im Mittelpunkt stehen. Statt einzelne aus der Gruppe rauszuholen, lasst die Leute in kleinen Teams was erarbeiten und das vorstellen. Da bringst du dann auch gleich noch “neu” und “alt” zusammen und förderst Kooperation. Und es gibt doch jetzt auch wieder einen Sportpsychologen im Verein. Der hat sicher auch noch ein paar Ideen oder kann an Menschen, die sich in Gruppendynamik und/ oder Pädagogik auskennen, verweisen.
Und wenn ihr es dann wirklich trotzdem weitermachen müsst, dann lasst das doch wenigstens mit den Videos sein.
Ihr macht ja ein grosses Fass auf. Allerdings ein sehr unwichtiges wie ich und meine Kumpels meinen… Diese verklärte Sehnsucht nach Profis, die „von uns “ sind. Ja, die mag es geben und in ganz seltenen Fällen (MMD) sind das auch überdurchschnittlich gute Fussballer. Meistens sind es die Kallas und Egers und wenn man sich das genau anguckt, waren die eher als Typen sympathisch, aber für meine „Werte“ die ich mit St.Pauli (bzw. seiner Fanszene um genau zu sein) verbinde (Antifaschismus, Antisexismus und eben auch Kritik des Bestehenden), viel zu wenige.
Will sagen: Fussballer sind Fussballer und das ist auch ok. Solange die nicht rumhitlern, alles easy. Ich hab den Traum von 11 Antifakickern vor 20 Jahren abgelegt. Der MFC anscheinend noch nicht.
Mir geht dieses völlig naive am Profitum vorbei geschwurbelte SozPäd Zeug auf die Nerven. Jeder der mal nur 5 Minuten in einem Vereinsheim verbracht hat, weiss das Sportler eine gewisse Klientel sind, mit der man selten abhängt und deren Bräuche schon speziell sind. Ich kann mich rein über das eigentliche Spiel mit Fussballern identifizieren. Wenn es mehr als nur Sport gibt, und es neben dem Platz auch total zu matchen scheint: Wunderbar, nehme ich gerne, ist aber für mich kein Kriterium. Ich war auch nie großer Kalla Fan btw. Verklärung geht hier ja auch manchmal recht schnell. Der Beitrag zeugt von so einer seltsamen Naivität und ich würde gern mal wissen wann es denn so war, dass die Spieler wie „Wir“ ticken? Gab es nie, auch mit Eger, Lechner und Schultz gab es rosa Leibchen für die Verlierer, Autoprolls, Spielsucht und Scheiss Musikgeschmack.
Moin brainfreeze, du kannst den Aluhut abnehmen und aufhören uns per Mail vorzuwerfen, dass wir den Kommentar nicht veröffentlichen, weil er uns nicht genehm ist. Wir machen das hier alle neben Beruf und sonstigen Dingen und habe ein paar Stunden nicht in die Kommentare geguckt. Scheint dir ja aber wichtig zu sein, dass alle den lesen können, deswegen haben wir das jetzt eben auch gemacht.
Du machst da inhaltlich nen ganz schön großen Bogen, während wir ein Ritual kritisieren, dass ja garantiert nicht nur die Spieler gestartet haben, sondern eben auch der Verein als Institution aufrecht erhält. Und von dem ein neuer Spieler übrigens auch sagte, dass er froh war, als er es hinter sich gebracht hat.Und wie du vielleicht auch lesen kannst, kritisieren wir eben auch, dass diese Videos nach außen kommen.
Warum du da abfällig von „geschwurbeltem SozPäd Zeug“ schreiben musst, erschließt sich uns nicht. Wichtig und gut, dass es in allen Bereichen Sozialpädagog*innen gibt. Ja, auch beim Fußball. Und bei der Liedauswahl gibt es ja noch Raum zwischen Xavier Naidoo und Partisanenliedern ausm 2. Weltkrieg.
Naja, also soweit ist mein Bogen nun wirklich nicht. Immerhin habt ihr aufgrund eines seit Jahrzehnten üblichen Rituals im Leistungssport einen ganzen Artikel verfasst der im Kern nämlich (zu dieser Behauptung habt ihr euch btw. mit keinem Wort verhalten) auf mich wie ein stummer Schrei nach der perfekten Projektionsfläche wirkt.
Natürlich finde ich diese Rituale auch bescheuert. Und ich finde soooo vieles an den im Fussball üblichen männlichen Wettbewerbs-, Konkurrenz- und Kriegsritualen völlig überflüssig und cringy. Unsere Spieler gehen übrigens auch Stirn voraus auf Gegner zu und mackern die an nach Fouls, das wäre ja dann auch etwas, was bei uns anders laufen sollte?
Kleine Polemik, pardon.
„Ist es für einen Profifußballclub, der Dinge hinterfragen will, “unestablished since 1910” sein will, wirklich angemessen noch in dieser Form zu agieren? Würden die Spieler das wirklich alle freiwillig machen, wenn sie sich in der Gruppendynamik nicht gezwungen fühlten? Ist es gut, etwas auszuwählen, was einige wirklich genießen und andere eben einfach richtig doof finden?
Und müssen wir dann auch noch Videos davon in den sozialen Netzwerken sehen?“ schreibt ihr.
Zur letzten Frage: nö.
Zu allen anderen: Ist das euer Ernst?
Ich will jetzt garnicht erst das Fass aufmachen, zu fragen, was denn der FC St.Pauli so krass hinterfragt, was andere Clubs nicht auch tun. Aber viel wichtiger ist, dass uns das einfach nichts angeht, weil ja wie ihr selber schreibt, Gruppenrituale eben auch eine positive Funktion haben können, und uns auch nichtmal eine öffentliche Wertung dessen zu steht, solange es nicht die Werte (sic) des Vereins verletzt.
Die Vermutung, dass dieses Einstandsvorsingen vom Verein kommt, halte ich übrigens für arg fragwürdig. Ich weiß ja nicht wie oft ihr Spieler unserer 1.Herren schon angetrunken erlebt habt, aber bis auf die in meinem ersten Post genannten waren das in meiner Erfahrung immer unangenehme Situationen, die zwar in den seltensten Fällen von politischen Scheissäußerungen begleitet waren, dafür meistens einfach nur angesoffene junge Männergruppen repräsentierten, wie die eben so sind. Unreflektiert, impulsiv, rudelig und mackerig. Und obwohl die natürlich nüchtern sind bei ihren Einständen, zeigt das eben, dass da wenig Raum ist für Reflektion, Achtsamkeit und emanzipatorisches Sozialverhalten. Und das ist völlig verständlich. Noch dazu von neuen Spielern.
Was euer Artikel macht, ist verklären. Sowohl das, was St.Pauli ist, als auch was es war und sein kann. Mir persönlich ist der Verein noch immer viel zu wenig radikal in seiner politischen Agitation und Kommunikation, da könnte gerne viel mehr gehen. Aber ich hänge da meine Emotion nicht dran, da mir als politische Projektionsfläche seit jeher die Fanszene und das Viertel gereicht haben. Was die erste Mannschaft gruppendynamisch macht, ist mir sogar noch unwichtiger. Klar hat alles Grenzen (vor allem politische, siehe ersten Post), aber ich verstehe diese Überhöhung nicht.
Denn unterm Strich gilt „mehr als Fussball“ eben für einen Großteil der ersten Mannschaft null. Fragt doch mal rum, wie so die interne Stimmungslage zu Stadtteilrundgängen war, die üblichen 3-4 Verdächtigen pro Saison mal ausgenommen…
LG
P.S. Stichwort Aluhut. Eure Antwort klingt als wär ich Fan eines Gegnervereins… Ich hab Verständnis für Arbeit und Hobbies und war ggf. nach einem Tag schon ungeduldig, aber: Ich habe Euch hier geschrieben, weil ihr in einen Blog Dinge öffentlicht macht, Euch das offensichtlich eben auch wichtig ist, dass Leute das lesen. Somit gehe ich dann erstmal davon aus, dass ihr auf Kritik nicht gleich beleidigt reagiert…