Zum Inhalt springen

Tschüß Joachim

In den letzten Tagen gab es eine Vielzahl von Veränderungen im Personalbereich des FC St. Pauli. So viele, dass wir mit dem “Gedanken machen und die dann aufschreiben” gar nicht mehr hinterherkommen. Deshalb betrachtet dies nicht als allumfassende Betrachtung aller Ereignisse. Der Artikel zum Trainerwechsel steckt immer noch in der Schublade, Schnecke haben wir schon einen Artikel gewidmet, auch die Lage in und um die Mannschaft muss und soll noch weiter betrachtet werden.

Neben den Veränderungen im sportlichen Bereich wurde heute Morgen vom Verein bekannt gegeben, dass unser Vizepräsident Joachim Pawlik sein Amt mit Wirkung von heute niederlegt.

Als Begründung wird angeführt, dass “vor dem Hintergrund der vielfältigen Aufgabenstellungen mit seinen Kunden ist ein solch zeitintensives Ehrenamt als Vizepräsident des FC St. Pauli nicht mehr in dem Maße zu leisten, wie es der 55-Jährige von sich selbst stets erwartete.”
Joachim war seit 2014 Mitglied des Präsidiums und war u. a. für die Bereiche “Sponsoring, Vermarktung und Sport” zuständig. (Info aus seinem LinkedIn-Profil, wenn uns die Erinnerung nicht trügt, betreut er diese Themen auch seit Amtsantritt.)

Im Bereich Vermarktung hat er den Rückkauf der Merchandiserechte mitbegleitet, ebenso wie den Schritt in die Eigenvermarktung des Vereins. 
Der damit von ihm aus dem Präsidium verantwortete Bereich Vermarktung & Sponsoring hat sich dabei aber auch immer wieder mit mäßig tollen (und ja, wir untertreiben) Aktionen hervorgetan: Stichwort Moods (https://www.magischerfc.de/2019/09/etwas-ist-faul-im-staate-fcsp/), Stichwort “An welche Themen denken die in dem Bereich gar nicht”, Stichwort Auswahl von Partnern wie MediaMarkt, Stichwort Fansofa, Stichwort Onboarding von Kooperationspartnern.

Und das gehört ebenso zum Bild, was in diesem Verantwortungsbereich Vermarktung & Sponsoring geschehen ist, wie eben auch den Rückkauf der Rechte und die Stärkung der Eigenvermarktung. 

Für das Thema Sport stellen wir einfach mal nüchtern fest, dass wir seit der Saison 2015/2016, in der es dann erstmalig vollumfänglich eine Saison in der Verantwortung des damals neuen Präsidiums war, vierter, siebter, zwölfter, neunter und nun vierzehnter den Abschlusstabellen der 2. Liga geworden sind. 
In dem Zeitraum gab es mit Meggle, Lienen, Janßen, Kauczinski und Luhukay fünf Trainer, wobei Meggle 2014 kurz nach Antritt des neuen Präsidiums auf den Posten des Sportlichen Leiters gewechselt ist – und der Abgang des letzten Trainers ja auch schon feststeht.
Im gleichen Zeitraum waren es mit Azzouzi, Meggle, Rettig, Stöver und Bornemann fünf sportliche Leiter / Sportdirektoren. Konsistenz auf diesen wichtigen sportlichen Posten sieht anders aus.

Sicherlich ist das Präsidium ein Team, in dem die Menschen nicht singulär für gute oder schlechte Entwicklungen verantwortlich sind. Hinzu kommt, dass bei uns – mit ganz wenigen Ausnahmen – der Präsident für das Präsidium spricht und nach außen auftritt, deswegen können und wollen wir die Arbeit von Joachim gar nicht weiter bewerten.
Was uns nach knapp sechs – sicherlich sehr zeitintensiven – Jahren bleibt, in denen es die ein oder andere sportlich brenzlige Situation (aber auch zwei Derbysiege) gab, ist ein Danke für den Einsatz. 

In der Mitteilung des Vereins wird ebenso kommuniziert, dass das Präsidium “erst einmal satzungsgemäß mit vier Mitgliedern weiter agieren” werde und die Stelle nicht nachbesetzt werde.

Option wäre grundsätzlich eine Nachbesetzung des freiwerdenden Postens unter Zustimmung des Aufsichtsrates bis zur nächsten MV, auf der dann ein*e 4. Vizepräsident*in erneut gewählt würde. Man könnte den Posten auch bis zur MV freilassen und dort eine*n Nachfolger*in durch die MV wählen lassen. Oder den Posten bis zur Neuwahl des gesamten Präsidiums in 2021 freilassen.

So weit, so schlecht

Es ist grundsätzlich erst mal nichts Gutes, wenn sich Menschen zurückziehen, die auf ehrenamtlichen Posten viel geleistet haben. Es ist aber auch etwas sehr Nachvollziehbares: Es ist ein grundlegendes Problem der Vereinbarkeit, neben Lohnarbeit (und seit das nun als Angestellte*r oder als Inhaber*in eines Unternehmens) noch ein Ehrenamt zu bekleiden, insbesondere wenn diese eine große Verantwortung – und damit auch immer mal dringende, wenig planbare Einsätze und Einspringen erfordert. 

Die Lokalpresse mischt auch noch mit

Bereits kurze Zeit nach der Kommunikation durch den Verein ist in der Hamburger Lokalpresse dann ein Artikel erschienen, der sich für uns so liest, als wolle da jemand noch mal ordentlich Öl in ein eh schon gut brennendes Feuer schütten. Und klar, auch hier gilt wie immer, dass man mit reißerischen Artikeln mehr Geld verdient. Und dass die Lokalpresse seit Jahren um Auflage kämpft. 

Es gehört aber auch dazu, dass gerade über das Abendblatt und gerade der Autor auch immer wieder versucht haben, Stimmung zu machen. Wir erinnern da an das Interview mit dem ausscheidenden Präsidium in 2014. Das vom Lichterkarussell so hervorragend betrachtet wurde. (Still <3-ing Lichterkarussell!). Oder auch an die jüngere Fairnetzer-Veranstaltung, wir betrachteten die Situation bereits letztes Jahr.

Der Artikel schreibt eine Situation herbei, in der Joachim das Präsidium im Streit über die Prioritäten verlassen habe. Der Artikel gibt sich, als hätte jemand Interna gehört und würde diese uns lieben Leser*innen ganz uneigennützig und lediglich mit dem Ziel, uns alles zu erzählen, mitteilen. Dafür ist es aber tonmäßig und vermeintlich auch inhaltlich eine ganz schöne Abrechnung mit Oke bzw. dem restlichen Präsidium. 

In dem Artikel wird insgesamt der vermeinltiche Konflikt zwischen Profifußball und Politik beschrieben.
Unter anderem taucht auch wieder der der Spruch mit dem “Politbüro mit angeschlossener Sportabteilung“ auf. Der sehr wahrscheinlich nirgendwo sonst kursiert als unter Abendblatt-Reporter*innen, die sich 2014 ähnliches von Orth haben vorbeten lassen.

Wir wüssten auch wirklich gerne mal, woraus der vermeintliche Konflikt besteht

Es wird so getan, als könnte man nur eines von beidem sein: Sportlich erfolgreich oder eben politisch engagiert und meinungsstark. Wir sehen das anders: Es wird immer wieder zu Ressourcenkonflikten zwischen den beiden groben Themengebieten kommen, die man dann an der jeweiligen Stelle entscheiden muss. Aber es ist möglich und wichtig, beides zu tun. Wir haben eine wichtige Stimme, der wir Gehör verschaffen sollten und müssen. Wir sind weit mehr als nur ein Fußballverein.
Wenn wir uns die Ressourcen bei einem möglichen Ressourcenkonflikt mal genauer angucken, dann gibt es vereinfacht drei Arten von Ressourcen, die hier relevant sind. Wobei 2 der 3 dann letztendlich doch relativ das gleiche sind: Geld, Personal & Zeit. Geld & Personal dann zumindest mit starker Überschneidung: Fürs Personal braucht man halt das Geld. 

Wir betrachten das mal an einem möglichen Beispiel:

Es gibt beim FCSP eine CSR-Abteilung, die sich viel um die sozialen Initiativen des Vereins kümmert. Und es gibt einen Profisportbereich, in dem Profifußball gespielt wird. Der Bereich CSR in der Geschäftsstelle hat nach unserem Kenntnisstand weniger Mitarbeiter*innen als allein die Profimannschaft vorgestern Trainer*innen hatte. Und damit ist noch nicht das weitere “Team ums Team“ betrachtet. Ja, man könnte natürlich die CSR-Abteilung morgen auflösen und vom dem Geld noch weitere Trainer*innen bezahlen. Was die Frage nach der Wirkung der eingesetzten Ressourcen aber nicht berücksichtigt: Was bringt uns denn insgesamt als Verein weiter? Die potentiellen weiteren Trainer*innen, die den ganzen Tag mit den Spielern Elfmeter und Ecken üben? Oder die CSR-Mitarbeiter*innen, die soziale Initiativen betreuen und die gesellschaftspolitisch wichtige Themen im Verein voranbringen? Oder auch aus dieser CSR-Brille prüfen sollen, welche neuen Partnerschaften wir im Bereich Vermarktung so eingehen. Und uns durch diese Haltung und durch diese Initiativen auch neue Fans bringen. Die möglicherweise so viele Fanartikel kaufen und ‘ne Loge mieten, dass wir davon dann wiederum auch eine*n neue*n Trainer*in bezahlen können. Alles natürlich indirekt, aber wir befinden uns hier ja im Gebiet der vereinfachen Beispiele.

Und natürlich ist die Frage, was uns als Verein wichtig ist und wofür wir stehen wollen, bei diesem Beispiel auch noch nicht umfassend beantwortet. Also ja: Natürlich gibt es irgendwo einen Ressourcenkonflikt. Ist aber das Umshiften der Ressourcen erstens das, was wir als Verein wollen, und zweitens aus Wirkungssicht sinnvoll? Wir wollen das bezweifeln.

Der zweite Ressourcenkonflikt “Zeit” ist da schon etwas schwieriger zu betrachten, simpel und einfach, weil wir nicht wissen, mit welchen Themen sich auf den Präsidiumssitzungen befasst wird. Hier könnten wir nur spekulieren und das ist doof. Wir sagens aber mal so: Wir hätten kein Problem damit, wenn sich das Präsidium in Zukunft weniger mit gewissen sportlichen Fragestellungen befasst. So Trainerthemen, wenn denn die / der Nachfolger*in gefunden ist. Einfach weil es läuft.

Wir stellen hierzu fest, dass Joachim selbst in keinem Wort des Rücktritts einen solchen möglichen Konflikt aufzeigt. Er ist in dem Artikel herbeigeschrieben, ohne dass klar ist, ob der Konflikt im Präsidium so tatsächlich existiert hat und ob er dann auch noch der Grund ist, warum Joachim zurücktritt. Es wird also ein Bild gezeichnet, das mit dem nach außen kommunizierten nur wenig zusammenpasst.

Cui bono?

Nach dem Exkurs zurück zum Artikel in der Lokalpresse. Als wir den Artikel lasen, fragten wir uns sofort, wer denn mit dem Artikel welche Interessen verfolgt. Und haben da mal ein paar Szenarien aufgeschrieben. In den Szenarien kommen nicht immer alle gut weg, aber da müssen wir für das Gedankenspiel nun gemeinsam durch:

1.) Der Artikel ist wirklich die reine Privatmeinung des Autors, der sich da ein bisschen was zusammengereimt hat, was geile Auflage bringt. Und da haben die “Trainer raus!“-Artikel der letzten Tage einfach noch nicht genug gebracht und man nimmt eben, was man kriegt. Dagegen spricht das hoffentlich existente Berufsethos des Autors.
2.) Der Autor hat Insiderinfos vom scheidenden Vizepräsidenten, der nach richtigem Krach im Präsidium mit den Kolleg*innen abrechnen möchte. Wobei er den Konflikt dann doch nicht komplett entfachen will und deswegen dann nicht gleich ein ganzes Interview gibt, sondern “nur” als Informant auftritt. Dagegen spricht, dass Joachim den vermeintlich existierenden Konflikt in seinem Abschiedsstatement über den Verein mit keinem Wort erwähnt. Was natürlich auch Kalkül sein könnte. Und dagegen spricht auch, dass man sowas auch nach krassen internen Konflikten und der Rückzugsentscheidung eben einfach nicht macht.
3.) Der Autor hat Insiderinfos von anderen Personen im präsidiumsnahen Umfeld, die gegen das aktuelle Präsidium agitieren möchten und ein Interesse haben, dass das aktuelle Präsidium in 2021 nicht wiedergewählt wird. Beispielsweise, weil sie ein eigenes Team / eine*n eigene*n Kandidat*in an den Start bringen möchten. Da kann es natürlich so sein, dass der Konflikt wirklich so dramatisch war, dass er zum Rückzug führte, oder auch einfach, dass da ein Thema extrem aufgebauscht wird, weil es der eigenen Sache dient und Joachim einfach nur aus den Doppelbelastungsgründen zurückzieht. Dagegen spricht: Übernimmt der Autor die zugesteckte Meinung ohne weitere Prüfung? Dagegen spricht auch: Im Endeffekt entscheidet der Aufsichtsrat über die Kandidat*innen für das Präsidium – und man darf so einen Move aus deren Sicht mehr oder auch weniger geschickt finden. 
4.) Der Autor hat die Info über den vermeintlichen Konflikt von jemandem gesteckt bekommen, der/ die im präsidiumsnahen Umfeld davon mitbekommen hat und es nun toll findet, seine/ ihre Interna in der Presse zu lesen. Dagegen spricht: Die schlimmen Leaks sind weniger geworden und aus den internen Diskussionen im Präsidium dringt kaum etwas nach außen. Warum dann jetzt plötzlich wieder? Andererseits: Auch die Trennung von Jos war bereits eine Woche vor Kommunikation durch den Verein in der Presse zu lesen. Auch hier gab es möglicherweise ein Leck. 

Und sicherlich gibt es auch noch weitere Szenarien. Eine Kombination der obigen Szenarien ist auch möglich, ebenso wie die jeweiligen Szenarien in Abstufungen.

Was glaubt ihr vom magischenFC?

Was ist das wahrscheinlichste Szenario, fragt ihr uns? Wir haben da aktuell keine Antwort drauf.
Wir alle sollten uns aber fragen, wer vermeintlich von dieser Schilderung profitiert. Und deshalb werden wir die nächsten Wochen und Monate ganz besonders vorsichtig sein, welche Interna wann, wo, von wem und wie weiter- und an die Presse gegeben werden. Und wer davon jeweils profitiert und wer eher Schaden nimmt. 

Und während wir an diesen Zeilen schreiben, erscheint auch in der anderen Lokalpresse ein Artikel, der in der Fundamentalkritik (zu viel Politik, zu wenig sportliches) durchaus dem Betrachteten ähnelt. Interna gibt es da allerdings keine zu lesen. Ein Zufall? Mag sein. Wir glauben aber auch da nicht unbedingt dran. So oder so wichtig: Kritisch sollten wir alle bei dem, was wir in nächster Zeit so zu hören bekommen, alle sein. 

2 Kommentare

  1. Käpt´n Queerpass Käpt´n Queerpass

    Danke, gut die aktuelle Problematik zusammengefasst. Ich nehme Umschlag 1 der Szenarien. Davon ab bin ich lieber Fan eines Drittligisten, der von mir ebenfalls vertretenen Werte und einen sozialen Umgang in der Welt eintritt als bei einem Erstligisten, der ins Trainingslager nach Doha fliegt. Aber dazwischen ist viel (heiße) Luft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Blue Captcha Image
Refresh

*