Liebe Lesenden,
heute Abend wurde mit großer Mehrheit der Antrag zur Förderung von Frauen in den leitenden Gremien des FCSP angenommen. Wie ihr euch denken könnt, freuen wir uns riesig.
Der diesjährige Blogbeitrag zur MV kommt dann wie üblich später und fällt vielleicht etwas kürzer (nur etwas) aus.
Stattdessen aber ein schon mal vorab anderes Gimmick. Wir haben aus Gründen Zugriff auf die Antragsbegründung und teilen diese gerne mit Euch.
Förderung von Frauen in allen Gremien des FC St. Pauli
Liebe St. Paulianer*innen, lieber Aufsichtsrat, liebes Präsidium.
Ich würde am liebsten in einer Welt leben, in der keine Quoten notwendig sind, in der diverse Repräsentanz in Gremien auch ohne Quotierung erreicht werden kann. Uns auf den Weg in eine solche Welt zu machen ist Ziel dieses MV-Antrages.
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, haben wir ausgerechnet in dem Bereich der Diversität in den vergangenen Jahren keine großen Fortschritte gemacht.
Ja, wir sind einen kleinen Schritt weiter als viele andere Profifussballvereine in Deutschland. Nur mal ein Beispiel: Von 54 Profivereinen der ersten drei Ligen (Chemnitzer FC hat aktuell keinen AR, FC Bayern ist nur einmal gezählt) haben 43 Vereine gar keine Frau im Aufsichtsrat. Unter den insgesamt 346 Mitgliedern sind ganze 13 Frauen zu finden. Aber reicht es uns, nur einer von 11 Vereinen zu sein?
Oke sagte im Januar dass wir “Projektionsfläche für kritische Fans geworden sind, die gemeinsam mit uns daran glauben, dass ein anderer Fußball möglich ist“. Wir als FC St. Pauli stehen wie kein anderer Fussballverein in Deutschland für Vielfalt und Pluralität. Lasst uns dies auch praktisch umsetzen. Lasst uns diese Diversität auch zu unserem Gesicht werden lassen.
Warum dann mit einer Quote arbeiten? Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass es nur da signifikante Fortschritte gab, wo mit einer (temporären) Quote nachgeholfen wurde. Wie gesagt, ich wünsche mir das in einer idealen Welt auch ohne.
Aber ohne Quote geht es einfach nicht schnell genug voran. Und ich bin nicht bereit, die nächsten Jahrzehnte einfach abzuwarten. Lasst mich hier auch Sandra , zitieren, die seit 2014 an der Spitze unserer Aufsichtsrates steht: „Ich habe eine Quote früher immer für überflüssig gehalten. Mittlerweile glaube ich jedoch, dass sie helfen und den Prozess beschleunigen würde. Denn wenn wir in dem Tempo weitermachen, sind wir erst in 50 Jahren am Ziel.“
Liebe Sandra, lieber Oke, ein Nebenkommentar sei mir hier erlaubt: Demnächst gebt ihr solchen guten Interviews aber nicht mehr der Springerpresse, ok?
Liebe Kritiker*innen, lasst mich direkt auf einige eurer Bedenken eingehe. Highlight der Kritik war natürlich der Artikel heute Morgen im Abendblatt – ich nenne ihn auch “Sozialstudien für die letzten Tage des Patriarchats”:
- „Dieser Antrag schreibt eine harte Quote vor.“
Nein, genau das tut er nicht. Er formuliert ein Ziel – nämlich die geschlechtsparitätische Besetzung von Aufsichtsrat und Präsidium und erteilt den Auftrag, einen entsprechend abgestimmten Vorschlag zu erarbeiten. Der der Mitgliederversammlung dann im kommenden Jahr zur Abstimmung vorgelegt werden soll. - Auch das Wort geschlechtsparitätisch ist bewusst gewählt. So lässt es uns genau die Flexibilität zu entscheiden, woran wir eine etwaige Quote festmachen: Eine Quote zu einem festgelegten Prozentsatz oder eine Quote parallel zum Mitgliedsantrag: Männlich- Weiblich- Divers. Hier ist noch nichts entschieden.
- Und natürlich muss aufgrund eurer Zustimmung zu diesem Antrag kein Mitglied der Direktor*innenrunde – ich gendere hier schon mal vor – entlassen werden. Es geht darum, einen Plan zu erarbeiten, wie das bis 2025 – also in 6 Jahren erreicht werden kann.
Zur Visualisierung: Heute vor sechs Jahren, 2013, hatten wir gerade auswärts in Aalen gewonnen und waren Tabellenvierter in der 2. Bundesliga. Hinter Kaiserslautern, Köln und Fürth. Und keines der Mitglieder unserer aktuellen Direktorenrunde war damals schon beim FCSP angestellt. Längste Amtszeit hat Martin Drust, der seit 2015 – also seit 4 Jahren – im Verein angestellt ist. [Drust 2015, von Geldern 2016, Stilz 2016, Michael 2018, Thomsen 2018, Urban 2019]. - Ein Argument, das ich in den vergangenen Wochen immer wieder gehört habe ist, wie schwierig es sei, Frauen zu finden, die diese Ämter übernehmen wollen und können.
Ich verneine diese Schwierigkeit nicht. Ich bin aber fest überzeugt, dass eine solche Quote auch motivierend für interessierte und geeignete Frauen sein kann. Dies zeigen auch entsprechende Studien, die sich mit den Effekten von Quoten befassen. Die Wirkung ist nicht nur eine formale, sondern auch eine psychologische.
Und für den Fall, dass keine interessierte und geeignete Frau gefunden werden, kann man dann immer noch entsprechende Regelungen treffen. Mit diesem Antrag formulieren wir vor allem, dass wir uns für das Ziel einer geschlechterdiverseren Besetzung unserer Führungsgremien einsetzen.
Erstaunlich ist in diesem Kontext aber auch, dass das Thema Kompetenz immer nur bei Frauen ein Thema ist. Wann wurde bei sowas jemals bei einem Mann aufgrund seines Geschlechts an seiner Kompetenz gezweifelt?
Und nein, die Einführung einer Quote löst natürlich nicht alle Probleme. Aber sie ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Und wird dann erfolgreich, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.
Genau daran möchte ich – wie im Antrag formuliert – gemeinsam mit interessierten Mitgliedern, Aufsichtsrat und Präsidium in einem offenen Prozess arbeiten. Und freue mich besonders, dass Jörn heute schon gesagt hat, dass er dieses Thema auch auf die Delegiertenkonferenz der sporttreibenden Abteilungen tragen wird.
Und wenn Euch meine Argumente noch nicht überzeugt haben, dann lasst es mich abschließend mit Mats versuchen. Der 2017, als das norwegische Frauennationalteam zur EM fuhr, über die männlich dominierte Kultur im Fussball sagte „Wenn wir alle in den Spiegel gucken, werden wir erkennen, dass wir alle noch besseres tun können.“
[…] Siehe eigener Blogartikel. An dieser Stelle mal ein kleines kollektivinternes Herzchen. „Wenn ich doch so eloquent auftreten könnte“ hörten wir nicht nur einmal. Es gibt in diesem Kollektiv nur eine Verabredung: Die Antragsstellerin darf hier nicht zu diesem Thema schreiben. Das macht der Rest des Kollektivs. Danke auch an Gremiumsvertreter*innen, die den Antrag sehr positiv aufgegriffen haben. […]