„Wir haben jedenfalls keine Lust mehr, den drölfzigsten Stadiontourist*innen zu erklären, dass und warum das scheiße ist. Bevor ihr in die Wohnzimmer anderer Leute geht, informiert ihr euch doch auch über die Gepflogenheiten. Erklärbär*in in super freundlich ist da einfach nicht, wir gehen da aber auch noch mal in einem separaten Beitrag die Tage drauf ein.“
Das waren Sätze in unserem letzten Auswärtsbericht. Wir beziehen uns in so einer Formulierung natürlich auf eine konkrete Situation und seien wir ehrlich: Die Beschreibung war für die konkrete Situation noch viel zu freundlich.
Aber wie geht man allgemein mit einem solchen Thema um? Wir hatten da intern Diskussionen, sind vielleicht nicht immer einer Meinung, haben uns dann aber entschieden, noch mal das Ganze von vorne aufzurollen und es ausführlich, ruhig und allgemein zu erläutern. Einmal natürlich für Leute, die neu sind. Und einmal für Leute, die bisher alles darüber ignoriert haben. Wir sind so vermessen zu behaupten, dass wir auch solche Leute erreichen können. Habt ihr uns gerade unverbesserliche Optimist*innen genannt?
Wir sind garantiert nicht das reichweitenstärkste Medium, aber gehen schon von einer sehr diversen Leser*innenschaft aus. Insofern hoffen wir, mit diesem Artikel was zu erreichen.
Man kann nebenbei viel – nein, falsch – sehr viel gegen Dynamo Dresden haben, aber da gibt es auf der offiziellen Seite einen Überblick über Gepflogenheiten im K-Block. Das ist gar nicht schlecht, weil auch du als unwissende*r Stadiontourist*in dann weißt, was los ist, und hast ganz einfach ein entspanntes Stadionerlebnis. Das ist doch auch als Neuling, der einfach mal nur diese „herrlich verrückten Paulis“ sehen will, eine geile Grundlage. Einen entspannten Tag im Block mit ein, zwei Bierchen und am Ende ein gemeinsames Lächeln mit der*m Nachbar*in? Cool, oder?
Uns sei hierbei aber auch gestattet anzumerken, dass sowas auch in der Süd hängt. Nicht unbedingt gut sichtbar, aber es hängt da. Und da ist das Fotothema aufgegriffen.
Ist das denn wirklich Gepflogenheit?
Viele werden sagen: „Hab ich doch noch nie gehört! Und das Filmen im Block ist doch auch nicht verboten!“ Letzteres ist erstmal richtig (wir kommen dazu noch), ersteres liegt dann aber auch an deiner Ignoranz, wenn du schon mehrfach zum FCSP gegangen bist. Das ist schon in den 00er Jahren Thema in Spieltagsflyern und Auswärtsflyern (ja, gab es damals) gewesen, hier ist es schon wieder länger Thema und auch beim fc42 war es schon Thema in Berichten. USP nutzte mal „Paparazzi töteten Lady Di“ als Aufmach, um auf das Thema aufmerksam zu machen, und bereits 2011 findet sich im Internet ein Basch-Artikel zu dem Thema in dem u.a. folgendes steht:
“Unsere Kurve ist ein Ort, indem Menschen durchdrehen, singen und sich wohl fühlen sollen. Kameras und Fotoapparate nerven, gefährden und sind daher ein Tabu, was der Doppelhalter „Paparazzi töteten Lady Di“ verdeutlichen soll. Videos und Bilder von unserer Kurve bringen wir selber heraus und legen daher keinen großen Wert auf Hobbyfilmer und –fotographen.”

Herzchen an die Fanräume, wir hatten die Hoffnung auf die Abbildung schon fast aufgegeben und haben es dann im dortigen Archiv in unter 5 Minuten gefunden.
Es gab also schon genügend Möglichkeiten, darauf aufmerksam zu werden.
Du solltest also eine gewisse Sensibilität für das Thema aufgebaut haben, wenn du schon länger als ein Spiel zum FCSP gehst. Hast du nicht? Du bist hier genau richtig!
Du hälst dich nebenbei auch an diverse andere Gepflogenheiten, ohne es zu wissen. Du hängst dein „Hasi grüßt Pauli“ Plakat nicht in die Mitte am Zaun, du gehst nicht aufs Vorsänger*innenpodest und dirigierst das Publikum, du reichst Fahnen weiter und gibst sie wieder ab. Und so weiter und so fort.
Und wenn du irgendwo komplett neu bist, dann ist doch eigentlich eine Zurückhaltung und ein „ah, so läuft das hier!“ ganz normal, oder?
Ein Wort auch an Leute, die Karten weitergeben oder vermitteln. Sprecht über solche Dinge mit den Leuten, die mitkommen möchten. Wir finden, ihr habt da auch so ein bisschen eine moralische Verantwortung. Und wir wiederholen uns, aber es ist doch cooler wenn dieser Mensch beim ersten Besuch ein stressfreies Erlebnis hat.
Aber wenn es doch nicht verboten ist, warum muss ich mich dran halten?
Ganz einfach: Es stört andere, du hast ein mieses Stadionerlebnis, weil es andere stört, und dein Tag ist nicht so schön, wie er sein könnte. Und wofür? Für ein paar rauschende doofe Videos oder ein verwackeltes Foto, das du nie wieder ansiehst? Selbst wenn einen alle gleich folgenden Argumenten nicht überzeugen, dann ist doch die alleinige Abwägung von Vor- und Nachteilen Grund genug.
Und warum ist das doof?
Fangen wir mal mit einem ganz einfachen Grund an:
Wir alle sind da, weil wir ein Spiel genießen wollen und ein Fußball-Team (Hallo Thees) supporten wollen. Dazu gehört es, dass man eskaliert, durchdreht, auch mal pöbelt und sich dabei frei fühlen kann. Jetzt mal ein paar persönliche Worte vom Senior: Meine Wenigkeit neigt dazu, im Stadion nicht gerade ruhig rum zu stehen. Und ich sehe aufgeregt oder singend echt nicht gut aus (Anmerkung des Kollektivs: Der Senior lügt. Aber nur zu diesem Thema <3). Das kann ich nur deswegen frei, weil ich der Überzeugung bin, dass niemand mich aufnimmt und als Lachnummer seinen Freund*innen zu Hause präsentiert. Und Grundlage dafür ist eben, dass ich nicht gefilmt werde.
Und damit ist der Senior nicht allein: Der sangesfreudige Kollege schmettert auch deswegen so inbrünstig, weil es im Hier und Jetzt des Stadions verhallt und nicht für die Ewigkeit ist. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Frei sein, fallen lassen, durchdrehen, abdrehen nennt es wie ihr es wollt, es sollte ein möglichst unbeobachtete Erfahrung sein. Das ist auch eine Grundlage für guten Support.
Es ist nicht cool
Findet ihr das cool, von irgendjemandem auf der Straße direkt ins Gesicht gefilmt zu werden? Ohne gefragt zu werden? Selbst wenn ihr gerade gut frisiert seid und euch echt cool findet, wird die große Mehrheit von euch diese Frage definitiv mit „nein“ beantworten. Das solltet ihr vielleicht überlegen, bevor ihr das Handy zückt.
Stimmung lebt vom Support
Du findest die Stimmung beim FCSP super? Wahrscheinlich geht es Dir da wie uns, und es ist besonders eindrucksvoll, wenn das ganze Stadion auf einmal mitzieht. Und was passiert, wenn du die Kamera rausholst? Eben, du supportest plötzlich nicht mehr. Und was passiert, wenn das alle machen? Zack, die Stimmung ist dahin.
Du bekommst Nerv mit der Polizei
Fußballfans werden massiv überwacht. Und gerade Foto- und Bildmaterial wird dazu eingesetzt. Die Polizei nutzt dafür schon massiv eigene Kameras, aber sie besorgt sich auch gerne „Fremdmaterial“. Und da mag dein Foto noch so harmlos erscheinen, für die netten Menschen in USK-Uniform kann das plötzlich das heiße Bild sein. Und die sehen, dass du fotografiert hast. Wir wissen nicht, wie es euch so geht, aber wir sind immer froh, wenn wir mit diesen eben gerade nicht netten Menschen in USK-Uniform so wenig wie möglich zu tun haben. So ein „ach sie haben da eben gerade fotografiert, wir hätten gerne das Foto“-Diskussion mit zehn Riotpolizist*innen kann man sich echt ersparen.
In Nürnberg fielen uns wieder rote Plastikordner an einzelnen Polizisten auf. Darin sind Fotos von Leuten, bei denen die Polizei meint, sie seien böse. Wollt ihr dafür Fotos liefern? Wohl nicht.
Gefährdung anderer
Und wie ihr daraus vielleicht schon erkennt: Ihr gefährdet andere Fans mit euren Fotos.
Polizei liebt Schubladen, will Menschen miteinander verknüpfen und in die Schublade „Gefährder*in“ einsortieren. Und da reicht es, wenn du auf einem Foto neben Hans (oder Hannah) Hooligan stehst und auf dem Video vielleicht noch zu sehen ist, dass du mit Hans Hooligan nach dem 1-0 lächelnd abklatscht. Bumms, schon bist du in der Schublade „Gefährder*in“. Und auch dafür muss man echt kein Material liefern.
Dies gilt umso mehr, wenn im Block etwas passiert, was Polizei nicht mag. z. B. Pyroeinsatz. Da kannst du zu stehen, wie du willst, du musst es nicht filmen. Insbesondere, wenn du das doof findest. Oder zeigt man das dann doch leicht bewundernd rum? Das ist dann zumindest widersprüchlich.
Noch schlimmer: Veröffentlichen
Was noch schlimmer ist als das Foto/ den Film zu machen? Diesen zu veröffentlichen! Gründe? Siehe oben. Und ihr werdet es nicht glauben, nicht alle Menschen, die den Hashtag #fcsp sich auf Instagram ansehen, sind Engel und Fans der Braun-Weißen. Da gibt es auch Hans Hooligan von Naziverein e. V. (oder auch Naziverein AG, da sind wir flexibel), der dann jemanden aus seinem Heimatdorf sieht und sich denkt: „Ah, das ist eine Zecke? Interessant! Dann besuch ich die/ den mal.“ Und leider gibt es von dieser Sorte mehr, als ihr denkt.
Dass sich sogenannte szenekundige Beamt*inne, miese Journalist*innen etc. da bedienen, kommt auch noch hinzu. Die Bildzeitung mit ihren „Bürgerreporter*innen“ (hier Bild, wir haben mal für Euch gegendert) oder wie sie den Mist nannten lässt schön grüßen.
Rechtliches
Es ist natürlich nicht gesetzlich verboten, Fotos zu machen. Ganz ehrlich: Da haben wir jetzt einfach mal eine „legal, illegal, scheißegal“-Haltung. Aus den oben beschriebenen Gründen.
Bei einer Veröffentlichung wären wir relativ schnell bei „Recht am eigenen Bild“ und auch wenn in Stadion-AGB heutzutage eine ziemlich weitgehende Zustimmung für die Nutzung des übertragenden Senders eingebaut ist, so gilt die nicht für deine Bilder. Klar, das ist alles Graubereich und irgendeine spitzfindige Jurist*in wird das anders sehen, aber das ist nicht der Punkt.
Zuletzt
Wenn ihr unbedingt Choreo-Fotos haben wollt, dann wendet euch doch an die üblichen Quellen. Die veröffentlichen echt viele gute Fotos. Ihr wollt das als riesiges Poster an eure Wand? Fragt freundlich nach, vergütet den Aufwand angemessen und ihr werden von denen auch die Zustimmung bekommen. Mal ganz davon ab verkaufen unsere Ultras auch regelmäßig richtig gute Poster
Und wenn es gar nicht anders geht?
Du hast der Liebe deines Lebens ein Selfie vom Spiel versprochen? Und willst diese nicht enttäuschen? Dann frag vor dem Spiel laut und deutlich deine Umstehenden, ob und wie du das kurz machen kannst. Dann werdet ihr alle gemeinsam einen Weg finden. Besser ist aber so etwas gar nicht zu versprechen, aber ab und zumal macht ja Liebe blind.
Ähnliches gilt von Weit-weg-Bildern anderer Blöcke: Klar ist da nix Spannendes drauf. Seid trotzdem vorsichtig, weist am besten Leute drauf hin, bevor ihr knipst. Wenn nur das Spielfeld zu sehen ist, ja gut, macht halt. Wir packen ja meistens auch ein Foto in die Blogberichte. Wer wären wir, da zu sagen, das geht nicht?
Und wenn jemand nörgelt?
Dann nimm es erstmal hin. Im Block sind Diskussionen gerade während des Spieles schwierig. Wenn du das gar nicht verstehst, dann sprich den Menschen in der Halbzeit oder nach dem Spiel FREUNDLICH an und frag nach den Gründen. Und nimm auch die erstmal hin und reflektiere die. Klar, das fällt jedem schwer und Menschen neigen dazu, sich rechtfertigen zu wollen. Kennen wir alles. Geht jedem so, wenn man sich „erwischt“ fühlt. Aber meistens nach ein paar ruhigen Minuten wird man sagen: „Jo, irgendwie hast du Recht.“ Ganz schlecht und irgendwie Totschlagargumente sind „deine Meinung ist deine Meinung, die mich nicht interessiert“ oder „von dir lasse ich mir gar nix sagen“ oder ähnliches. Dann wundere dich nicht, dass es aus dem Wald zurückruft, wie es hineinschallt.
Und auch: Es gibt mehr als genug Menschen, die jedes Spiel irgendwelche anderen darauf hinweisen, dass sie nicht in deren Homestory auftauchen möchten. Das macht müde und die haben deswegen nicht unbedingt immer Lust auf ”alles im Sitzkreis durchsprechen“.
[…] zur Causa Sahin, dem Werder-Test & der fairnetzer-Veranstaltung und zum leidigen Dauerthema „Filmen im Block“.Zur Vorbereitung auf das Spiel gegen Darmstadt am Wochende möchte ich das VdS mit Toby empfehlen, […]
[…] Es gibt verdammt viele Gründe, warum das Filmen mit Handys im Fußballkontext sehr problematisch ist. Wir haben sie hier mal aufgeschrieben. […]
[…] TikTok likes. Wir wollen nicht auf euren Videos zu sehen sein. Ende der Diskussion. Warum haben wir hier und hier aufgeschrieben. Wir haben wirklich keinen Nerv, dass jetzt schon wieder durchzukauen. […]