Eigentlich sollte dieser Bericht „Schweiß, Bier und Gänsehaut“ heißen, aber dann kam die Pressekonferenz. Details später.
Die Vorfreude auf dieses Spiel hielt sich in engen Grenzen. Zu schlecht sind wir in die Saison gestartet. Und Kiel ist nicht gerade ein Gegner, gegen den wir in den letzten Jahrzehnten zu Hause gut ausgesehen haben – selbst wenn die bisherigen Ergebnisse dies vermuten lassen. Dazu ist noch Montag, was das ganze nicht schöner macht. Sowieso ist dreimal montags so früh in der Saison echt unschön. Selbst wenn es alles Spiele sind, die nicht eine Reise durch die ganze Republik erfordern.
Dieses Spiel ist kein Derby, es ist keine Rivalität und Kiel ist der Eber, der sich an der Eiche reibt. „Keine andere Stadt, keine andere Liebe, kein anderer Verein – Nur Holstein“ singt man in der – gewohnt schrecklichen – Gästehymne (aber immerhin keine mittelständische Powerballade), was angesichts eines Handballvereins, der internationale Spitze ist, so richtig der Wahrheit nahe kommt. Für mehr Realität in Vereinshymnen! Am Millerntor muss man dann in der Halbzeit immerhin keine Cheerleader*innenchoreografie von Menschen, die der 0 näher als der 18 sind, erleben.
Aber ein voller Gästeblock ist doch auch mal was schönes. Kiel versammelt sich nun hinter einem „Working Class“ Banner, was angesichts der eher studentisch, mittelklassigen Prägung von Ultrà-Szenen etwas lustig ist. Haben wir schon mal die Erfindung von T-Shirts erwähnt? Und das man die auch anlassen kann? Privilegien etc. und so, aber auch „ih bäh“. Niemand will sich in einem vollen Stadion an eurem nackten Oberkörper vorbei schlängeln müssen. Auch wenn es im Millerntor Pommes gibt, es ist kein Freibad. Das gilt im übrigen auch für die Dullis, die meinten den Südaufgang ohne Shirt nutzen zu müssen und sich dafür ne verdiente Abreibung einfingen.
Sehr schön dafür, dass im Südkurvenschreiben das Awareness-Plakat abgedruckt ist. Danke an die Hoschis, die das möglich machten. Kudos auch an die Leute, die mit Adiletten oder offenen Schuhen in eine Fußballkurve gehen. Wir wissen noch nicht so richtig, ob wir das für mutig oder wahnsinnig halten. Dazu passend auch der in der ersten Halbzeit ketzerisch umgetextete “Wir sind der Fußballclub Sankt Pauli” zu “Wir sind das Modelabel FCSP”.
Taktisches
Unser Trainer hat für die Aufstellung „Überraschungen“ angekündigt und die bekommt man dann auch pünktlich 60 Minuten vor dem Start. Die Grafiker der Medienabteilung stellen die Mannschaft diese Saison ja immer im 2-2-2-2-2 auf, der Kicker macht sowieso ein 4-2-3-1 draus und wir spekulierten zwischen 10-0-0 und 3-5-2 mit allen möglichen Zahlenkombinationen, die addiert 10 Feldspieler ergeben. Letztendlich war das wohl eine Art 3-4-3/3-4-1-2, zumindest wenn man den realen Positionen laut WhoScored glauben möchte. Und seien wir ehrlich: Das funktioniert nicht so wirklich gut. Kalla hat doch arge Probleme mit dem Kieler Baku, der aufgrund der Offenheit dieses Systems immer wieder 1 gegen 1 gehen kann. Da sieht man dann doch, dass Kalla in seinen alten Jahren nicht der schnellste ist. Dementsprechend wird er auch zur Halbzeit ausgewechselt, wahrscheinlich auch, weil er doch nah der gelb-roten Karte ist. Baku ist am Ende nach WhoScored-Note auch der beste Spieler auf dem Platz.
Die Trainer bemerken in der Pressekonferenz nach dem Spiel, eine ausgeglichene erste Halbzeit gesehen zu haben. Das mag man so unterschreiben. Kiel hat mehrfach Spieler sehr blank vor dem Tor stehend und scheitert dann am eigenen Unvermögen, wir haben immer ansehnliche Aktionen, aber am Ende treffen beide das Tor nicht und es geht unentschieden in die Halbzeit. In der zweiten Halbzeit ist Kiel auch laut beiden Trainern stärker, aber im Endeffekt gewinnt der FCSP. Ein langgezogener Freistoß wird von Lawrence ins Tor gehämmert, sodass der Torwart gleich mit reinfliegt und wir in Führung gehen. Der Jubel fällt verhalten aus, denn Lawrence knallt nach der Aktion mit Schwung in den Kieler Torhüter und zumindest im Stadion-Livebild kann man nicht sehen, ob das nun ein ahndungswürdiges Foul oder ein unglücklicher Zusammenprall ist.
Und da sind wir auch bei einem der größten VAR-Probleme: Als Stadionzuschauer*in ist das eine Stimme aus dem Off, deren Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind, da die komplette Tatsachenbasis fehlt. Letztendlich kommt es zu keinem VAR-Eingriff, das Tor zählt und alles ist gut. Kiel ist danach drückend und wir meinen DRÜCKEND überlegen, hat mehrfach freie Schuss- oder Kopfballbahn und erzielt nix Zählbares. In dieser Phase sind der Pfosten, der Himmelmann und das Glück sehr auf unserer Seite. Da müssen wir auch mal Wasser in den Wein kippen, denn hier hätte das Spiel ohne weiteres gedreht werden können und eine etwas effektivere Mannschaft haut uns da einen rein. Hier ist bei uns noch Verbesserungsbedarf. Auch dass wir erneut durch einen schnell ausgeführten Freistoß überrascht werden in Halbzeit 1 ist nervig und abstellbar: Gegnerfreistoß in unserer Hälfte, die Defensive pennt und Himmelmann pariert und tobt dann. In dieser Reihenfolge. Wir wollen echt nicht zählen, wie viele Tore wir uns so dumm-dämlich gefangen haben.
Was Lautstärke bewirken kann
Die Kausalkette zwischen “in Führung gehen und dann hinten träumen” würden wir gerne mal verstehen – und noch eher brechen. Die Kausalkette zwischen dem lautesten Wechselgesang seit Ewigkeiten und Contehs Sprint zum 2:0 können wir alle aber beim Derby in drei Wochen (ja, wirklich!) ganz leicht wiederholen. Noch mal im Detail, weil es so schön war: Die Süd startet einen Wechselgesang mit der GG. Der – anstatt der normalen routinierten fünfmal wechselnden „St. Pauli“ Rufe die nun normalerweise folgen – sich plötzlich hochschaukelt und immer lauter und drückender wird. Dieser Wechselgesang bringt den Ball dann zu Diamantakos, brüllt ihn mit einem Killerpass zu Conteh und erzwingt in seiner Lautstärke ein Willenstor. Bäm! 2-0 nachlegen, damit Ruhe ist, in Perfektion. Gänsehaut. Laut Twitter ist das Stadion wohl bis ins tiefste Altona zu hören.
Man sieht dem Abwehrverbund an, dass er noch nicht zu häufig so zusammen trainiert hat. Ziemliches Risiko, das dann gleich in den Livebetrieb zu geben, aber hat ja – größtenteils – geklappt.
Nur Ruhe ist leider bis zum Abpfiff nicht in unserem Spiel. Wir bauen – man muss leider sagen “wie üblich” – in den letzten Minuten arg ab, Kiel kommt zum Anschlusstreffer und es muss noch mal gezittert werden. Penney kassiert noch eine du äh blö äh unglückliche gelb-rote Karte (hier streitet sich das Kollektiv – das ist doch vor allem die Abgewichstheit, die wir alle vor wenigen Wochen vermissten) und so gucken doch alle mehrfach auf die Uhr bevor der Schlussjubel ertönt. Womit wir wieder beim Wasser im Wein sind: Wir müssen immer noch einen viel zu hohen Aufwand treiben, brechen immer noch zu stark ein, haben nicht die Kraft, den Aufwand 90 Minuten zu betreiben. Da muss sich was ändern. Dazu gehört auch, dass wir einen ballsicheren Abfänger von der Bank kommend sehr gut gebrauchen könnten. Hoffmann ist dies (noch?) nicht.
Details später? Bitteschön!
Aber egal, Buballa versprach Elo vergangene Woche den Sieg. Gestern holten wir uns dann nach dem Spiel noch ne Trullerfaust auf den Derbysieg ab. Vorher noch Dresden, wir verspüren dieses komische Gefühl, das sich Vorfreude nennt. Naja, zumindest bis Samstag irgendwann vor 4 der Wecker klingelt.
17 und 21
Die Nummern sind seit gestern vergeben beim FCSP. Dazu folgende Anmerkungen:
1. Ja diese Nummern wurden von sehr verdienten Spielern getragen, die zu Recht ein Platz in guten Erinnerungen von FCSP Fans haben.
2. Wir haben zur Zeit laut Kaderübersicht 11,16, 29, 34, 35, 39, 40 offen. Der DFB regelt, dass man 1-40 belegen muss und höher nur gehen kann, wenn man mehr Spieler gemeldet hat. Dies macht “Nummern nicht vergeben“ schon sehr schwierig. Es hat in Deutschland im Fußball auch sehr wenig Tradition. Die 17 war auch schon zwischendurch an Eden vergeben.
3. Die Satzung des FCSP ist in Paragraph 9 und seiner Nr. 3 deutlich. Die möglichen Ehrungen sind geregelt und dann steht da „Weitere Ehrungen werden nicht vergeben.“ Das gilt auch für die Nichtvergabe ehrenhalber von Rückennummern. Wer dies ändern möchte, dem steht ein entsprechender Antrag auf der JHV frei. Einen solchen hat es bisher nie gegeben und dementsprechend gibt es auch keinen entsprechenden Beschluss. Und nur so wäre eine solche Ehrung überhaupt vorzunehmen. Irgendwelche Beschlüsse der sportlichen Leitung anderer Organe oder des lieben Gotts sind angesichts der Satzung irrelevant.
Ob sie nun verdient ist oder nicht, dies sei eurer eigenen Wertung überlassen. Fakt ist aber: Hamburger Zeitungen entscheiden beim FCSP nicht über Ehrungen.
Wer diese Platte bekannt vor kommt: Wir hatten das Thema schon bei der Ehrenpräsidentschaft für Cornelius L.
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