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Something Happened On The Way To Heaven

Wenn wir einen Bericht mit einem Songtitel von Phil Collins beginnen, dann ist es schlimm. Sehr schlimm.

Was ist eigentlich in der Winterpause passiert? Warum bricht unser Verein nun so ein? Warum sind wir weg vom Weg in den Himmel 1. Liga? (Keine „Wollen wir Aufsteigen?“-Diskussion an dieser Stelle!)

Die Tabelle seit der Winterpause spricht eine deutliche Sprache:


Bild ist von liga2-online.de

Es gibt die einfachere Variante und die komplizierte Variante der Analyse. Die einfache Variante ist populistisch, zufriedenstellend und wahrscheinlich falsch.

Die komplizierte Variante ist nicht ohne Weiteres zu verstehen, mit Ungenauigkeiten versehen und wahrscheinlich der Wahrheit näher.

Wir präsentieren euch beide. Und ganz viel mehr.

Vorab

Was ist der FCSP 2018/2019 eigentlich für eine Mannschaft? Und da ist es eigentlich ganz schön, dass Tim vom Millernton immer wieder Analysen veröffentlicht und wir ihn hier zitieren können:

„Der FCSP ist eine Umschaltmannschaft. So wie Sandhausen. So wie Aue. Das tut weh.“
(Aus dem Derby-Nachbericht; das hat sich auch laut Tim geändert.)

Und (das ist etwas aus dem Zusammenhang zitiert):

„Gerade den beiden Sechsern kommt bei dieser Formation eine Schlüsselrolle zu“ (aus einer grundsätzlichen Analyse )

Das stimmt immer noch. Auch wenn wir nicht mehr mit zwei Sechsern spielen. Warum? Später.

Tim liefert auch Argumente für die einfache Variante:

„Die Ergebnisse sind beim FCSP momentan besser als die Qualität der Spiele, wenn man die xG-Daten als Grundlage für die Bewertung nimmt. Diese Überperformance nehme ich gerne mit, weiß aber die eigene Stärke dann etwas besser einzuschätzen und verspreche mich nicht aufzuregen, wenn wir dann gegen Regensburg 0-3 hinten liegen…“

(Wichtig ist hier der Zeitpunkt, an dem er es geschrieben hat. Das ist vom 14.11.2018. Warum ist das wichtig? Später.)

Und für die komplizierte Variante:

„Taktik ist natürlich nicht alles. Mindestens genauso wichtig ist die Verfassung der Spieler, auch die mentale. Es lässt sich nicht herausfinden, ob es die Umstellungen waren oder das Vertrauen der Spieler in sich selbst und die taktische Ausrichtung, die den Erfolg gebracht haben.“

(Gleicher Artikel; auch dazu später.)

Das ist das gute alte „Einstellung schlägt Aufstellung“. Was eigentlich wieder eine sehr einfache Formel ist.

Soweit von Tim, genutzt mit freundlicher Genehmigung des Autors

Nun zu den Erklärungsversuchen:

Die einfache Variante

„Wir hatten in der Hinrunde sehr viel Glück. Das ist die Normalform.“

oder

„Das stimmt in der Mannschaft nicht. Das sind überbezahlte Profis, die sich nicht einsetzen, und es muss der große Wechsel her. Wir steigen ab!“

oder

„Die Sportpsychologin ist schuld.“

Quelle: Zweimal Twitter (sinngemäß) und einmal Hamburger Abendblatt (sinngemäß). Und da sinngemäß nicht als Zitat abgesetzt.

Dazu eine Anmerkung, liebes Abendblatt: Dieser Artikel ist ziemlicher Rotz. Er endet mit einem „sie sammelt schön die Bälle ein“ Absatz, der schön das Klischee von „Frau hat sowieso keine Ahnung von Fußball“ bedient. Er hinterfragt null, ob sie überhaupt so tätig werden kann, wie sie möchte, und er zieht eine Person in den Mittelpunkt, die garantiert nicht das Training leitet. Ja, man kann die psychologischen Betreuung der Mannschaft hinterfragen, siehe z. B. unsere Derby-Analyse, aber nicht so.

Die komplizierte Variante

Vergleichen wir mal die Hin- mit der Rückrunde. Achtung! Für die jetzt folgenden Betrachtungen ist das Magdeburg-Heimspiel als „Hinrunde“ deklariert. Das ist technisch zwar nicht richtig, aber die Winterpause ist die eigentliche Zäsur.

XG-Werte

Vor der Winterpause hatten wir in 10 Spielen den höheren XG-Wert als der jeweilige Gegner (wer nicht weiß, was das ist, der gucke hier) in 8 den niedrigeren (laut wyscout.com). Wir hatten am Ende 10 Siege, 4 Unentschieden, 4 Niederlagen. Setzt man jetzt mal den höheren XG-Wert mit „an diesem Tag waren wir die bessere Mannschaft“, dann passt zueinander.

Das ist kein Widerspruch zu dem Zitat von Tim, insbesondere in den Spielen nach seinem Artikel hatten wir regelmäßig einen höheren XG-Wert als der Gegner. Und hatten auch unsere beste Phase in der Saison.

Man muss XG nicht für die absolute Wahrheit halten, aber es ist immerhin ein grober Indikator der objektiven Leistung und Leistungsfähigkeit. Und selbst wenn Glück in Spielen eine Rolle gespielt hat (und da hat Tim ja absolut Recht), so ist es eben doch nicht so, dass wir in der Hinrunde „nur“ Glück gehabt hätten und es nun einfach ein Rückfall auf ein durchschnittliches Glück wäre.

Indiz? In der Rückrunde geht der direkte Vergleich der XG-Werte mit dem jeweiligen Gegner 4-8 aus. Fun fact dabei: Eines der Spiele, wo wir diese Wertung gewonnen haben, ist Sandhausen. Da war von denen aber auch jeder Schuss ein Treffer.

Who-Scored- und Laufwerte

Wir haben dann mal die Who-Scored-Werte (was das ist: Siehe hier) und die Laufwerte als sogenannten gleitenden Mittelwert (hier erklärt) der jeweils letzten drei Spiele in eine Tabelle gepackt.


(Quelle: magisches Zauberexcel und whoscored.com)

Da ist ein deutlicher Einbruch in der Rückrunde erkennbar. Zwar versucht man, sich in den Laufwerten wieder herauszuziehen, aber die Who-Scored-Werte bleiben niedrig. Und die umfassen halt eine sehr breite Leistungsdarstellung.

Wir hatten unsere beste Zeit direkt vor der Winterpause, seit der Winterpause geht es steil bergab. Neben der Abwärtsbewegung ist auffällig, dass wir in der Hinrunde sehr konstant in diesem geglätteten Durchschnitten waren. Heißt auch, dass auf ein mieses Spiel schnell wieder ein Gutes folgte und man insgesamt eher an seinem Durchschnitt blieb. Oder etwas anders formuliert: Wir spielten so, wie wir es konnten, und dies in nahezu jedem Spiel. Auch das sieht nach der Winterpause gerade bei den Laufwerten doch anders aus.

Positiv: Wir zeigten eine Reaktion. Negativ: Sie hat an den eigentlichen Noten wenig geändert.

Entsprechend verhält sich auch der Punkteschnitt aus den jeweils letzten drei Spielen:


Quelle: magisches Zauberexcel

Abgefangene Bälle

Was lustig ist, ist die Statistik abgefangene Bälle. Die sollte man natürlich mit ein bisschen Vorsicht genießen, da sie nicht aussagt, wo der Ball abgefangen wurde.

Wir mögen jetzt keine Umschaltmannschaft mehr sein oder zumindest wollen wir das mit dem gerade favorisierten 4-1-4-1 nicht. Aber wir hatten unsere besten Spiele immer dann, wenn dieser Wert hoch war. Im Schnitt der bisher absolvierten 30 Spiele liegt dieser Wert bei 48 abgefangenen Bällen.

In der Rückrunde lagen wir genau dreimal über diesem Schnitt (Köln, Ingolstadt, Paderborn) und meistens deutlich darunter (was dann ja rein mathematisch wieder den Schnitt senkt). (Auch alles laut wyscout.com.)

Die zentralen Mittelfeldspieler

Dies ist nicht die Normalform. Warum?

Nach den Who-Scored-Noten ist Marvin Knoll unser bester Stammspieler. (Nur Schnecke ist im Schnitt besser.) Sein Schnitt von 7,23 macht ihn den 14.-besten Spieler der gesamten (!!!) zweiten Liga. (256 Spieler sind insgesamt erfasst, die Spieler müssen eine Mindestanzahl an Spielen haben.) Gemessen über alle Positionen. Sein Schnitt in den letzten 10 Spielen ist 7,00. Dies klingt nicht viel, wäre aber nur noch Platz 60 von 254. In der Saison 17/18 bei Regensburg? 7,31

Bei den anderen Spielern, die irgendwie „zentrales Mittelfeld“ in der Jobbeschreibung haben, sieht es nicht anders aus:

Buchti ist mit seinen 6,81 auf dem 115. Platz; die letzten 10 Spiele bei 6,55, was gleichbedeutend mit Platz 210 wäre. In den Saisons davor? 7,09; 7,04; 6,96

Flum hat einen Durchschnitt von 6,43 (Platz 234), in den letzten 10 Spielen 6,2. (Das wäre Platz 259 von 259 erfassten Spielern. 258. ist nebenbei Jan-Fiete. Und ja man kann sich fragen, warum man mit Flum verlängert hat. Insbesondere weil bei ihm jetzt natürlich irgendwann eine Abnahme der Leistungsfähigkeit durch das Alter ein Thema wird.) In den Saisons davor? 6,66; 6,45; 6,24.

Dudziak hat einen Durchschnitt von 6,85 (wenn im Mittelfeld eingesetzt nebenbei gut über 7), in den letzten 6 Spielen (mehr hat er nach der Winterpause noch nicht absolviert) 6,12 (wäre auch der schlechteste Wert von allen erfassten Spielern). In den Saisons davor? 8,90; 6,85; 6,62

Dazu zwei Anmerkungen:
1. Die schlechten Spiele nach der Winterpause reduzieren die durchschnittlichen Werte.
2. Alle Spieler sind auch in den Vorsaisons weit über ihren Werten nach der Winterpause gewesen. Sie sind also ziemlich sicher zu mehr in der Lage, was das Talent angeht.

Wenn diese vier Spieler aber ihrer historischen Form hinterherlaufen, dann wird es ziemlich schwierig, ein vernünftiges zentrales Mittelfeld aus unserem Kader zu bauen, egal in welcher Formation man spielen will und egal, ob man nun mit einer Sechs, einer Doppelsechs, einer Acht oder einer Zehn spielen will.

Hinzu kommt, dass weitere Alternativen verletzt sind oder waren. Das erklärt auch, warum Kollege Becker Spielzeit bekommt. Und aus dieser Chance bisher ja auch viel macht.

Andere Baustellen

Wir haben einen Stürmer in unserem Kader, der unter dem neuen Trainer noch nicht einmal aufs Tor geschossen (!) hat, nämlich Alex Meier. In den letzten sechs Spielen hat er dreimal aufs Tor geschossen. Inklusive dem Elfmeter in Kiel. In den vorherigen sechs Spielen hingegen schoss er achtmal aufs Tor.

Die Aussagen

Es ist auch immer spannend, sich die „Stimmen nach dem Spiel“ durchzulesen. Hier mal exemplarisch nach dem Heidenheimspiel. https://www.fcstpauli.com/news/die-stimmen-nach-dem-spiel-in-heidenheim-1819/

Flum sagt z. B.

„Das ist kein Kopf-Problem, das ist ein Zweikampf-Problem, wenn man sieht, wie wir die Zweikämpfe angehen und wie Heidenheim sie angeht. Wenn wir so spielen, werden wir hier nie einen Punkt holen.“

Das entspricht auch unserem subjektiven Eindruck, dass es da an körperlicher Präsenz unserer Mannschaft fehlt. Man hatte immer das Gefühl, unsere Spieler würden an den Gegnern abprallen wie ein Flummi (no pun intended) an einer Wand.

Sportchef Rettig sagte:

„Nach der zweiten Halbzeit gegen Bielefeld und den guten Eindrücken der Trainingswoche fehlen mir gerade die Worte.“

Das Training können wir nicht aus erster Hand beurteilen, aber ein regelmäßiger Trainingskibitz sagte uns schon vor dem Kiel-Spiel, dass der Unterschied zwischen Trainingsleistung und Leistung im Spiel teilweise groß sei. Dafür kann es mehrere Gründe geben.
Grund 1: Ohne Vergleich sieht alles richtig cool aus.
Grund 2: Der Aufbau der Trainingswoche ist falsch, die Jungs verschießen ihr Pulver im Training.
Grund 3: Es ist doch ein Kopfproblem.

Oder alles im Mix und kumuliert.

Robin Himmelmann sagte:

„Wir haben uns zu schnell den Schneid abkaufen lassen und uns mit dem eigenen Spiel selbst sehr schwergetan. Als Team war das nicht gut und das hat auch nichts mit System oder Taktik zu tun.“

Ersteres passt zu dem bei eben gesagten. Letzteres bestätigt Tim in seiner Analyse über das Heidenheim-Spiel. Wir zitieren noch einmal ein bisschen aus dem Zusammenhang: „Das 4-1-4-1 des FCSP greift diese Formation eigentlich gut auf, da die breite Staffelung der Heidenheimer durch zwei Viererketten gut aufgenommen wird.“

Taktik passt also eigentlich halbwegs zum Gegner. Aber Einstellung schlägt dann eben doch Aufstellung.

Und nun?

Keine Ahnung, diese Saison ist gelaufen. Aber Ziel in der nächsten Saison muss es sein, dass wir zumindest wieder Stabilität annehmen. Ob das dann in einer schlechteren 2. Liga zu unseren Zielen passt, wird sich zeigen müssen. Aber insbesondere unsere zentrale Mittelfeldachse muss wieder zu ihrer historischen Normalform finden. Alleine dies würde zu einer besseren Leistung der Truppe führen.

Wir wissen nicht die Gründe, aber im Winter hat es einen erheblichen Bruch gegeben. Liegt das an einem falschen Trainingsansatz im Winter? Waren irgendwelche Ansagen falsch? Dies gilt es sehr kritisch zu hinterfragen und abzustellen.

2 Kommentare

  1. 1. Ja, alles.
    2. Eure Diagramme bzw. vor allem die Texte sind zum Teil extrem schwer zu lesen.
    3. Kann das magische Zauberexcel auch Sprints auswerten?

    Folgender Hintergedanke: In fast allen Spielen nach der Winterpause wirkte es auf mich so, als käme gerade das DM, das ihr hier ja auch als Problemzone ausmacht, bei unfassbar vielen Defensivzweikämpfen zu spät. „sind nicht in die Zweikämpfe gekommen“ eben. Das liegt aber ja eigentlich nicht an den abgerissenen KM, sondern daran wann und wie schnell gelaufen wird. Will sagen: „Die Spritzigkeit fehlt“. Das gilt imo vor allem für Buchti und Knoll sowie Flum (der halt wenig spielt)…

    Was ich im Moment nicht beantworten kann: Sind sie langsamer/unspritziger geworden, oder stehen sie häufiger falsch als in der Hinrunde? Ist es also eher ein Fitness- oder ein Taktik-Problem? Gefühlt wohl beides.

    Dazu dann ggfs. das Kopfproblem. Wobei auch da ja die Frage wäre (Einstellung beats Aufstellung), ob es eher Ergebnis einer Verunsicherung ist (Wo dann Psychologie ggfs. ja durchaus angebracht wäre), oder ob es eher daran liegt, dass einzelne „toxische“ Spieler im Kader sind (ich mag diesen Begriff btw. absolut nicht, aber er sollte illustrieren, was ich meine). Ich hätte Ideen, wer das sein könnte, andererseits ist das von außen natürlich eh nur rumgerate und auf Basis der Leistungen auf dem Platz auch nur sehr schwer einzuschätzen.

    Letzter Exkurs (ich hätte an sich auch selber was schreiben können, ne?) – Wir spielen seit Jahren immer auf der Grenze zwischen „Überperformance“ (Letzte Lienen-Halbserie) und „Katastrophen-Gekicke“. Trotz einiger Veränderungen immer mit ungefähr dem selben Gerüst (Himmelmann, Buballa, Ziereis, Buchtmann seien mal als die wohl größten Konstanten genannt). Das sind dann auch die Spielerverträge, die im Februar verlängert wurden.

    Ich kann an keinem der Spieler im Verhältnis „mehr“ Kritik festmachen, als an der Gesamtmannschaft aber ich finde schon, dass die Frage aufgeworfen werden sollte, woher denn „unser größte Konstante ist Unkonstanz“ kommt.

    Liebe fürs magische Zauberexcel.

  2. Nein Sprintgeschwindigkeiten liegen leider nicht vor. Aber auch wir hätten deine These gerne belegt oder widerlegt.

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