Die soziologische Interpretation „des Fremden“ ist nicht zwingend eine Gute. Einige Menschen hierzulande schätzen das Fremde und würden es gerne näher kennenlernen. Für die gibt es das Nachmittagsprogramm auf 3Sat. Für die meisten Volksgenossen ist das Fremde jedoch etwas Bedrohliches und Unheimliches, was in den meisten Fällen aus der Unkenntnis über den eigentlichen Gegenstand entspringt. Sei es nun der Tod, Spinnen oder was auch immer man sonst in den Geisterbahnen auf dem Heiligengeistfeld findet.
Wenn sich Antifa-Schlagerstars wie Helene Fischer oder die SPD nun also unerwartet gegen „Fremdenfeindlichkeit“ aussprechen, ist der zu schützende Angefeindete immer noch ein Fremder, was dieselben sprachlichen Probleme und unterbewussten Annahmen mitbringt wie eine Minderheit mit einem antiquierten, aber nicht böse gemeinten Namen anzusprechen.
Doch der Pakt mit dem Schlager-Teufel ist ein Notwendiger, befürchten wir. In Zeiten wo ganze ostdeutsche Landstriche in eine Mischung aus einem schlechten Zerrbild der Abwesenheit von Staat und Politik sowie rechter Hegemonie abzurutschen drohen, freut man sich doch fast über die breite antifaschistische Einheitsfront von ganz links bis hin zu Helene Fischer und sogar der SPD.
Uns sei der prosaische Anfang entschuldigt. Schlagen wir den Bogen zum 5. September in Hamburg, wo wir leider den lokalen Helene Fischer-Fanclub nicht auf der Straße gesehen haben, aber dennoch viel „bürgerlichen“ Protest gegen Rechts. Das ist gut. Absurderweise twittert der „Blöd“ Reporter immer noch etwas von „10.000 Linken“. Wenn man sich wieder mal fragt, woher diese paranoide Angst vor „Links“ in diesen Kreisen herkommt, dann wahrscheinlich davon, dass alles, was für eine Selbstverständlichkeit auf die Straße geht, links bzw. linksradikal gelabelt wird.
Wie wir bereits bei Twitter schrieben, wird es innerhalb der Merkel muss weg-Bewegung schwer als Erfolg zu kommunizieren sein mit nicht mal 200 Köpfen 10.000 gegenüber gestanden zu haben. Menge ist Trumpf. Und wenn eine Bewegung mal viel Masse und Rückhalt braucht, dann diese ob der realen Gefahren in vielen deutschen Städten, politisch aber auch ganz akut für Menschen, die nicht in das Gesellschaftssystem der rechten Mobs passen.
Streitbare These? Sicher. Um uns etwas street credibility zu erhalten, erwähnen wir gerne prominent, dass den Nazis ein Banner abhanden gekommen ist und dass man munkelt, einige der besorgten Thor Steinar-Kunden seien nach der Demo noch in geballte Fäuste gelaufen.
Der sonstige Verlauf des Abends war „friedlich“, was erstmal nur die Feststellung einer Tatsache ist und kein Wert an sich. Eine ausführliche Diskussion ob nun friedlich oder militant ersparen wir dem geneigten Leser jetzt hier, denn das sprengt den kurzen gewählten Rahmen. Die Staatsmacht hatte Polizei aus Rheinland-Pfalz (!) aufgeboten und wir sahen insgesamt 7 Wasserwerfer (die Hamburger standen in Reserve etwas abseits). Und wenn man schon 7 Wasserwerfer vor Ort hat, dann muss man die auch mal benutzen. Warum blieb uns komplett unklar, aber irgendwie muss man sich ja rechtfertigen.
Genauso absurd war die Polizeieinheit die ohne Landeskennzeichen (warum?), ohne Einheitenkennzeichnung (warum?) und vermummt (warum?) meinte im Valentinskamp sich noch ein bisschen mit Leuten boxen zu müssen, obwohl es gar keinen Anlass gab. Da musste wohl das Adrenalin raus. Das dies nicht wirklich Sinn einer Staatsmacht sein darf und auch eine komplette Anonymisierung sehr fragwürdig ist, müssen wir niemanden erzählen. Es ist bemerkenswert, dass es von der „Mitte“ immer als selbstverständlich hingenommen wird, dass Polizisten so anonym agieren dürfen. Man stelle sich mal vor, dass man seinen Steuerbescheid ohne Behördenkennzeichnung, Name des Bearbeiters und ohne Kontaktdaten bekäme. Der Aufschrei wäre groß. Und ja, auch da gäbe es ähnliche Argumente der Gefährdung des einzelnen Bediensteten. Die in solchen Verwaltungen keine Waffe haben, keine Nahkampfausbildung, keine Panzerung.
Es ist noch unklar, wann und ob die nächste „Merkel muss weg“ Demo stattfindet. Gut informierte Kreise munkeln etwas von 03.10. Informiert euch und kommt auch das nächste Mal vorbei.