Wert?
Machen wir uns nichts vor. Testspiele sind immer schwer zu bewerten. Man weiß nicht, wie weit die gegnerische Mannschaft ist, man weiß nicht, ob diese irgendetwas ausprobiert und gerade bei englischen Mannschaften muss man auch immer bedenken, dass die nicht zwingend ihre beste Elf auf den Platz stellen.
So haben die 11 zuerst eingesetzten Spieler von Stoke am Samstag an durchschnittlich 17 Spielen teilgenommen, die Stoke letzte Saison bestritten hat. Klar, da sind auch Neuzugänge bei, die den Schnitt versauen, aber ein Blick auf fbref.com offenbart viele Spieler, die irgendwas zwischen 15 und 20 Einsätzen letzte Saison hatten. Das ist dann wohl die B Elf.
Auf dem Platz zeigte sich die Mannschaft aber relativ kämpferisch, teilweise schon hart für ein Testspiel. Was angesichts der Härte in der 2. Liga ein guter Test war.
Unsere Jungs in einem 4-1-4-1 mit Knoll vor der Abwehr und Allagui als Sturmspitze. Knoll gefiel ganz gut, ist agil, schaltet sich schnell in die Angriffe ein und wirkt auch nicht hektisch, wenn er mal angelaufen wird. Das sieht nach einer Verstärkung aus. Und gerade die Ballverluste in der ersten Aufbauphase aus der Abwehr heraus waren unsere große Schwäche in der letzten Saison. Daher wäre so ein System mit Nehrig auf der hinteren 1 ggf. auch sehr gefährlich, denn so wertvoll Nehrig als Aufräumer und Abräumer ist, so sehr ist seine Schwäche genau dieser erste Aufbau.
Das 1-0 war ganz nett herausgespielt und man konnte da auch sehen, was Allagui wertvoll machen könnte. Der sehr feine Fuß eben. Insgesamt wirkte er viel beweglicher, als zu Beginn der letzten Saison. Aber da liegt die Betonung auf „wirkte“, denn man muss abwarten, wie das im Zweitligaalltag aussieht.
Erfreulich war, dass Ryo ein paar Minuten spielen konnte und man, hoffentlich bleibt der Junge nun endlich mal in einem Stück. Der ist schnell, ballfertig und deutete zweimal an, was für ein Potential er hätte. Wenn er denn gesund bliebe.
Bemerkenswert aus unserer Sicht war, dass Nehrig nicht in der Startelf stand, was aber auch einem Leistungstest für Buballa geschuldet sein könnte. Denn ein zurückrückender Knoll und ein nach außen rückender Ziereis wäre nichts, was uns in Magdeburg verwundern würde.
Noch bemerkenswerter war, dass Bouhaddouz nicht eine Sekunde eingesetzt wurde. Trotz WM und Trainingsrückstand würde man ja wenigstens einen „du gehörst dazu“ Kurzeinsatz erwarten. Mal abwarten, ob der noch lange zu unserem Verein gehört. Es scheint zumindest so, als hätte ihn Schneider zur Zeit in der Gunst des Trainers überholt. Wo sich Diamantakos letztendlich in der Hackordnung einreiht, bleibt abzuwarten. Der Junge muss erstmal fit werden.
Womit wir schon beim übergeordneten Thema sind
Wir haben auf dem Transfermarkt nicht gerade groß agiert. Man könnte auch sagen, dass wir nur für Lasse einen Ersatz geholt haben, auch wenn Knoll garantiert nicht der gleiche Spielertyp ist.
Ansonsten gehen wir mit dem gleichen Kader wie in den letzten zwei Jahren in die Saison.
Dazu folgende Überlegungen:
1. Wir spielen in einer Liga mit einer sehr klaren Ausgangssituation. Während letzte Saison 16 von 18 Mannschaften ohne viel Übertreibung für den Aufstieg in Frage kamen, haben wir diese Saison zwei Vereine in der Liga, die schon sehr viel falsch machen müssen, damit sie nicht Platz 1 und Platz 2 am Ende belegen. Machen wir uns nichts vor: Alles andere als ein Aufstieg von Köln und der AG aus dem Altonaer Volkspark wäre die Sensation des Jahrhunderts. Dagegen waren Stuttgart und Hannover Wackelkandidaten für den Aufstieg.
Egal welche Investitionen man in einen Spielerkader diese Saison macht, dies sollte man immer überlegen. Man spielt realistisch nur um Platz 3. Und wie unattraktiv dieser ist, kann man an den kurz- bis mittelfristigen Folgen für Vereine wie Karlsruhe, Braunschweig oder Kaiserslautern ablesen. Diesen also als Ziel aller Wünsche zu proklamieren, verbietet sich.
Ja, das klingt alles sehr unambitioniert, aber ein bisschen Realismus sollte man schon walten lassen.
Daher sind kurzfristige Millioneninvestitionen in einen „Wunderstürmer“ eventuell mittel- und langfristig sehr viel schädlicher, als kurzfristig nützlich.
2. Unser Hauptprobleme der letzten Saisons waren „trainiert individuell“ und „ist verletzt“. In eine Verletzungsprävention zu investieren, ist also erste Bürgerpflicht. Und während ein weiterer Physio garantiert nicht die Welt kostet, ist eine Rasenheizung an der Kollaustraße eine Investition im knapp 7 stelligen Bereich. Und trotzdem wichtig, denn Verletzungen fallen nicht vom Himmel. Ja, ab und zumal ist es Pech, aber häufig aber auch falschem Training, unzureichenden Trainingsmöglichkeiten oder falscher Betreuung geschuldet. Hier müssen wir gut sein und hier haben wir erste Investitionen getätigt. Und wenn man 1. bedenkt, dann ist es vielleicht genau die richtige Saison dafür. Oder anders ausgedrückt: Was nützt uns der Wunderstürmer, der im November auf Kunstrasen trainieren muss und dann Rückenprobleme bekommt? Und dies ist kein „stellt euch nicht so an“: So Profis sind halt hochgezüchtete Präzisionsmaschinen, die man entsprechend pflegen muss, wenn sie den gewünschten Erfolg erzielen sollen. Man entschuldige uns die Entmenschlichung.
3. Dieser Kader kann in der oberen 2. Liga mithalten, wenn man Verletzungen vermeidet und wenn man ihn unter Wind hat. Daher ist es ebenso richtig in einen weiteren erfahrenen Co-Trainer zu investieren. Und das man mit Truller jemanden gefunden hat, der in diesem Verein auch noch Stallgeruch hat, ist ein plus. Aber viel wichtiger ist: Wenn jemand ein loyaler, guter Co-Trainer ist und dies auch an mehreren Stationen bewiesen hat, dann Truller.
4. Wir holen diese Saison drei bis fünf Spieler (je nach Zählweise) aus unserem Jugendbereich hoch. In diesen investieren wir seit Jahren erhebliches Geld, irgendwas um 1,5 Millionen pro Jahr, wenn wir richtig zählen. Und da wir dies seit Jahren tun, muss es da auch nun Erfolge geben. Und müssen die Jungs, die da hoch kommen abliefern. Und sei es nur, dass sie Verletzungsersatz sind und sich langsam reinspielen. Park letzte Saison war da vorbildlich, aber das brauchen wir viel mehr und regelmäßig. Sonst müssen wir eine ehrliche und gleichzeitig sehr schmerzhafte Diskussion führen, ob das alles Sinn macht. Denn mit 1,5 Mio könnte man sonst halt den Wunderstürmer bezahlen. (Das ist jetzt ein bisschen überspitzt und ein NLZ ist ja auch Lizenzauflage und die AFM Gelder sind nicht frei verwendbar, aber trotzdem steht man hier zwischen Erfolg oder radikalem Neuanfang)
Aber dazu muss auch „das ist ja nur ein A-Jugendlicher“ aus unseren Köpfen. Was für eine Denke! In unserer Denke und auch in der Realität muss das ein so gut wie möglich ausgebildeter Jungprofi sein. Dann gewinnen wir was mit unserem Leistungszentrum.
Also
Lass uns diese Saison mit einem vorsichtigen Optimismus angehen. Wir können garantiert in Schlagdistanz zu den Plätzen 1 bis 5 agieren und sollten Köln oder die AG aus Altona wirklich so dumm sein und es nicht schaffen, dann müssen wir da sein.
Wünschenswert wären mehr Heimsiege, ein insgesamt attraktiverer Fußball. Aber ob dies in einer Liga möglich ist, in der man ständig auf Darmstadtfußball trifft, selbst wenn man nicht gegen die Wissenschaftsstadt spielt, sei mal sehr dahin gestellt.