Montage sind ohnehin keine guten Tage. Wenn sich mittlerweile zum vierten Mal eine unangenehme Mischung aus diversen rechten und neurechten Strömungen zur „Merkel muss weg“-Demonstration trifft, macht das den Tag auch nicht zwingend besser. Dennoch schafft es ein wenig Hoffnung, dass es zum vierten Mal gelungen ist, die Rechten quantitativ zu übertrumpfen und ihre Kundgebung zumindest zu isolieren. Nachfolgend also ein paar Gedanken zum Abend des 05.03.18.
Ein neuer Ort
Nicht der Gänsemarkt, sondern der Dag-Hammarskjöld-Platz hinter dem Dammtor-Bahnhof hat die zweifelhafte Ehre, die rechte Kundgebung zu beherbergen, da die VVN eine eigene Kundgebung am Gänsemarkt angemeldet hat und den Rechten zuvorgekommen ist. Zwar gelingt es so, AfD und Co. in den toten Winkel zwischen einem abgeriegelten Bahnhof, der CCH-Baustelle und Planten un Blomen zu drängen; andererseits kann ihre Kundgebung auf diese Weise ungestört und mit wenig sicht- oder hörbarem (hörbar schon, ergänzt der Ergänzer) Protest abgehalten werden. Makabere Fußnote: Nazis, die unter dem Lessing-Denkmal demonstrieren, kann man vielleicht noch witzig finden. Hinter dem Dammtor aber steht ein Denkmal für deportierte jüdische Kinder im Holocaust. Da vergeht einem das Lachen.
Die Einsatztaktik
Die Hamburger Polizei ist ja nicht gerade für ihr Fingerspitzengefühl bekannt und dieser Eindruck bestätigt sich leider auch hier wieder. Nach eigenen Angaben ca. 1100 Beamte trennen die Lager, womit sie diesmal knapp den Titel der am stärksten vertretenen Partei an die so bezeichnete „Protestklientel (aus dem linken Spektrum)“ (Zitat Polizeitwitter) abtreten muss. So eine Niederlage lässt man natürlich nicht auf sich sitzen und verlautbart über die eigene Gewerkschaft bei Twitter noch am selben Abend, dass personelle Verstärkung dringend gebraucht werde. Das lässt tief blicken. Einen unfreundlichen Umgangston sowie ein rüdes Verhalten Unbeteiligten gegenüber müssen wir ebenfalls miterleben. Abgesehen davon verläuft der Abend übrigens komplett friedlich. Wie schon alle vorher. Ob man dann wirklich vier Wasserwerfer und eine Betreuung von einem Beamten pro Teilnehmer braucht, sei mal sehr stark hinterfragt. Zumindest wenn man nicht in der verdrehten Welt von Polizeigewerkschaften lebt.
Unbeteiligte meint hier nebenbei Leute, die offensichtlich nur mit ihrem Koffer nach Hause wollen. Wird in der Polizeischule eigentlich jeder freundliche Umgangsform abtrainiert? Siehe zum Umgang mit Demo-Teilnehmern den Text von Georg E Moeller auf Facebook. Selbst miterleben können wir auch noch, wie ein Demonstrationsteilnehmer im Dammtor-Bahnhof aufgefordert wird zu gehen, dann mit erhobenen Armen (!) in Richtung Ausgang geht und trotzdem meinen nun einige Bundespolizisten, dass es doch polizeilich unbedingt nötig sei, ihn noch drei bis viermal zu schubsen und zu ziehen.
Die übrigen Akteure
Auf Seite der Nazis finden sich letztlich nach Polizeiangaben 350 Leute ein, andere Schätzungen liegen teilweise deutlich darunter. Obwohl in den sozialen Medien schnell diverse Teilnehmende als Funktionäre von NPD, AfD, Identitärer Bewegung und so weiter ausgemacht sind, hält das die Hamburger Medien nicht davon ab, diese Klientel als „besorgte Bürger“ zu beschreiben. Diese Woche allen voran die Morgenpost. Versteht uns nicht falsch, mit Sicherheit sind dort „Bürgerliche“ anwesend, aber was soll das rechtfertigen? Wer bei den dort kommunizierten rassistischen, antidemokratischen, nationalistischen Inhalten mit NPD-Funktionären zusammen applaudiert, bewegt sich für uns nicht im gesellschaftlichen Minimalkonsens und widerspricht ja selbst der bürgerlichen Selbstdefinition.
Kleiner optimistischer Punkt auch hier: Offenbar hatten einige Teilnehmer einen weiteren Anreiseweg, es wurde demnach nicht nur in Hamburg geworben. Das macht Hoffnung, dass das Mobilisierungspotenzial langsam an seine Grenzen stößt.
Apropos bürgerlich: Die von der Polizei bei Twitter so wunderbar pejorativ als „Protestklientel“ bezeichnete Gegenseite wirkt deutlich bürgerlicher als in den vergangenen Wochen. Auch das ist eine gute Entwicklung, würden wir behaupten. Wenn Rechte es schaffen, immer mehr ins Bürgertum einzuwirken, freuen wir uns über jeden, der sich dem verwehrt und zu einer antifaschistischen Kundgebung kommt.
Darüber hinaus ist es ermutigend, so viele Gesichter aus der Fanszene zu sehen. Aber da geht noch mehr! Auf geht’s, Sankt Pauli! Antifa Ultrà mit Leben füllen! Und auch ihr, Gegengerade, Nordkurve, Haupttribüne seid gefragt! Kommt nächsten Montag vorbei, es wird wieder eine Demo geben. Wir hören auf zu nörgeln, wenn da 30.000 Gegendemonstranten stehen.
Die Nachbetrachtung
Es ist ausgesprochen unheimlich, im Nachhinein in den sozialen Medien nach Hashtags wie #nonazishh oder #hh0503 zu suchen. Dort tobt längst der rechte Mob, er verbreitet Hass und Diskriminierung, streut bewusste Falschmeldungen und phantasiert in abstoßendster Weise. Schaut es euch an, wenn ihr wissen wollt, um welches politische Programm es diesen Menschen geht. Es sollte unser moralischer Imperativ sein, das nicht länger unkommentiert zu lassen. Oder um es mit Karl Popper zu sagen: „Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“ Wir sehen uns hoffentlich am Montag. Achtet auf entsprechende Ankündigungen