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Sommerloch Pt. 2 / Auswärts in New York und Philadelphia

Nachdem wir nun auch schon Dart in diesem Blog hatten, können wir auch einen Report aus den USA zum Baseball veröffentlichen, denn während einer unserer Autoren Pfeilen nachjagte, war der andere dabei, wie erwachsene Menschen mit Keulen aufeinander los gehen.

Disclaimer: Wer nun glaubt, dass amerikanische Sportarten alle sowieso doof sind, oder meint, dass diese Fankultur vergleichbar sein müsse mit der Kultur von Fußballfans oder als Vorbild für Fußballfans gelten könne, der lese bitte gar nicht erst weiter. Alle anderen sei das Ganze mal als Blick auf eine andere Sportwelt empfohlen.

Kurze Grunderklärung

Baseball ist ein deutlich komplexeres Spiel als Fußball, alleine die Grundregeln sind doch erheblich schwieriger zu erklären als die des Fußballs. Hinzu kommt, dass Baseball ein Zahlen- und Statistikspiel ist und vieles sich in diesen Zahlen und Statistiken abspielt, was ohne gewisse Grundkenntnisse nicht zu verfolgen ist. Baseball ist weiterhin ein Spiel des Scheiterns. Ein Schlagender (Batter), der in 30 % seiner Möglichkeiten Erfolg hat (ganz vereinfacht gesagt), ist bereits ein ziemlich guter Schläger. Diese Passquote würde die Karriere eines jeden Fußballspielers beenden.

Weiterhin ist ein beliebter Irrglaube, dass die „Action“ beim Baseball im Feld und auf den Bases stattfindet. Auch das ist nur bedingt richtig. Vielmehr ist das Duell Pitcher (Werfer) vs. Batter (Schlagender) das eigentlich Zentrale und das Entscheidende. Und die Kunst eines Pitchers, nicht selbst getroffen zu werden, ist eine der Künste im Sport. So sahen wir an einem Abend einen Chris Sale (Pitcher) in Hochform. Das führt dann zu wenig Treffern, ist aber trotzdem eine Faszination in sich selbst.

Baseball spielt man nahezu jeden Tag und in Serien. Dreimal hintereinander gegen das gleiche Team, dann gegen das nächste und so weiter (auch hier stark vereinfacht). Wir sahen daher dreimal die Cubs bei den Mets und einmal die Red Sox bei den Phillies. Man muss den Erfolg eines Teams auch eher in diesen Serien denken. Gewinnst du eine Serie, ist es gut, verlierst du sie, ist es schlecht. Denn selbst ein supertolles Team gewinnt nur ca. 60 % seiner Spiele.

Eine verständliche Erklärung der weiteren Grundregeln findet man hier.

Die Stadien

Besucht wurden Citi Field in New York und Citizens Bank Park in Philadelphia. Naming Rights Deals für Stadien sind hier noch normaler als im Fußball, und bei den wenigen Teams, die keine aktuellen Deals haben, beruhen die Namen gerne auch mal auf alten Naming Right Deals oder auf Eigentümern, die damals das ganze finanziert haben (Bush Stadium, Wrigley Field z. B.). Baseballstadien sind insofern etwas eigenes, weil die Spielfläche nicht genormt ist. Zwar gibt es gewisse Grundregeln, aber ansonsten weichen die Stadien aufgrund von örtlichen Gegebenheiten und/oder Kreativität der Architekten sehr voneinander ab. Beide besuchten Stadien sind in den 00er Jahren erbaut und haben je eine Kapazität von irgendwas um die 40.000 Zuschauer.

Beide sind in einem sogenannten Retro-Classic-Look gebaut, was zu Ziegelsteinenoptik und offenen Stahlkonstruktionen führt (ist der Look, in dem die meisten modernen Stadien gebaut sind). Sowieso findet man – ähnlich wie im Fußball – nahezu keine Stadien mehr, die älter sind als 20 Jahre. In Atlanta hat man nach 20 Jahren selbst wieder gewechselt. Die Ausnahmen sind renovierte Stadien aus längst vergangenen Epochen, die sozusagen als Denkmal weiter betrieben werden.

Der Retro-Classic Look macht die Stadien aus meiner unbedeutenden Sicht schon etwas hübscher als moderne Fußballstadien, auch weil man hier noch mit Flutlichtmasten arbeitet, was denn doch irgendwie ein Stadion ausmacht.

Citi Field von außen

Citi Field

Das Stadion an sich

Zu Citi Field fährt man mit der Subway Nr. 7, die einen vorher einen Trip quer durch Queens beschert. Direkt daneben befinden sich die Tennisstadien der US Open, die im Vorbeifahren beeindruckend wirken.

Citi Field selbst hat einen großen Vorplatz ohne Straße, dann einen mächtigen Eingang, die sogenannte Jackie Robinson Rotunda. So ein Vorplatz und ein beeindruckender Eingang machen was her. Die Rotunda innen ist Jackie Robinson gewidmet, dem ersten schwarzen Spieler in der MLB.

Die Einlasskontrollen suchen eher nach Metallgegenständen, als dass sie nun ein komplettes Abtasten im Bundesligastyle sind.

Bier für 10 Dollar Minimum sind Preise, die einen mit den Ohren schlackern lassen. Dafür an vielen Stellen nicht nur das unvermeidbare Bud Light, sondern auch einige andere Biersorten (wobei die Beck’s als was Besonderes verkaufen). Die Essenspreise sind ähnlich fragwürdig hoch, das Essen Fastfood mittlerer Art und Güte. 6 Dollar für einen Hot Dog ist aber schon extrem sportlich.

Die Eintrittspreise liegen zwischen ca. 20 Dollar (ganz oben) bis ca. 150 Dollar (ganz unten), wenn man mal von VIP Plätzen absieht, die noch deutlich teurer werden. Unsere Erfahrungen nach oben, mittig und unten sitzen ist, dass die besten Plätze nicht die ganz unten sind, sondern die mittigen. Man sitzt noch nah genug dran, um Details zu erkennen, hat aber auch noch einen Überblick über das Spielfeld, den man unten nicht mehr hat.

Ach ja: Parkgebühr auf den Parkplätzen: 25 Dollar. Der Preis für das Parken kann also den Preis für ein Ticket übersteigen.

Die Ränge oben sind derbst steil und für Menschen mit Höhenangst teilweise eine Herausforderung. Gerade bei Citi Field, weil dieses Stadion mitten in der Start- und Landeschneise von LaGuardia Airport liegt. Wenn der Wind richtig steht, dann bekommt man Flugzeuge zum Anfassen.

Amis kommen spät und gehen früh ist ein Vorurteil, welches gerne geprägt wird. Das ist mitnichten so. Amis kommen auch gerne früh zum Stadion, setzen sich dann aber nicht auf ihren Platz, sondern vertreiben sich die Zeit mit sabbeln, irgendwas kaufen etc. pp. Auch sind viele Familien mit Kindern unterwegs, für die es auch eigene Beschäftigungsflächen gibt und wo dann halt halb auf das Spiel geachtet wird, halb den Kids ein Abenteuertag geboten wird. Finde ich jetzt gar nicht mal so schlimm. Stört beim Genuss des Spieles auch nur dann, wenn man am Rand einer Reihe sitzt und die ständig durchlassen muss. Amis entschuldigen sich dann aber immerhin tausend Mal.

Ball gefangen

Vor den Spielen machen die Mannschaften sogenanntes Batting Practice, und man kann man beobachten, was so an Vorbereitung in einem solchen Spiel liegt. Beim Baseball gilt: Bälle, die im Publikum landen, können behalten werden. Sie sind ein beliebtes Souvenir. Alleine schon, weil ein entsprechender Ball im Shop 34 Dollar kostet (!). Ja, bei den Merchandise-Preisen sind die genauso unverschämt wie die Bundesliga.

Immerhin hatte der Autor dieser Zeilen das Glück, dass im Batting Practice ein Ball so auf die Sitze hinter ihm prallte, dass er sich dann  in seinen Fingern wiederfand. So direkt aus der Luft fängt man die Dinger nicht ohne Handschuh, die haben nämlich doch ganz ordentlich Energie. Also eine schöne Erinnerung gefangen.

Das Publikum

Baseballpublikum kann man in drei Arten aufteilen: Die leicht Interessierten, die Familien, die Freaks. Die leicht Interessierten sind Leute, die einfach einen schönen Tag haben wollen, ein Bier trinken wollen und wenn ihr Team gewinnt, dann ist das auch nett. Klar muss ein Team, welches 81 Heimspiele hat, diesen Typus Fan viel mehr anziehen als ein Bundesligateam mit 17 Heimspielen. Die Leute verfolgen schon das Spiel, aber wenn es Zeit für ein Bier, ein Schnack oder ein Essen ist, dann sind sie auch mal weg und informieren sich danach über den Zwischenstand. Die Anzeigentafeln liefern alle notwendigen Daten. Sowieso Anzeigentafeln: RIESIG und viele. Das ist Standard da. Über eine läuft auch die Transkription aller Ansagen, was im Sinne einer Barrierefreiheit schon sehr schön ist.

Die Familien verhalten sich ähnlich, viel gilt hier aber auch, dass Kiddies ein Abenteuer haben, vielleicht noch einen Ball von ihrem Favoriten zugeworfen bekommen (machen die Spieler regelmäßig) und einfach eine gute Zeit haben. Inklusive Einsauen mit Fastfood.

Die Freaks sind die Leute, die das Spiel richtig konzentriert verfolgen (wer von euch drei Stunden etwas wirklich konzentriert verfolgen kann, hebe die Hand). Die Oberfreaks haben dazu eine Scorecard in der Hand und notieren jedes Spielereignis. Der Verfasser dieser Zeilen hatte am Ende des Urlaubs vier davon. Aber unvollständig nach Maßstäben der Oberfreaks. Dieser Typus Fan ist häufiger als man denkt. Nur eben nicht mit einer Fahne und lauten Gesängen, die in einer Konzentrationssportart sowieso wenig bringen würden. Gerade auf den „billigen“ Plätzen fanden sich auch sehr viele Oberfreaks mit Scorecard.

Wenn du Fan der einen Mannschaft bist, dein Lieblingsspieler aber in der anderen Mannschaft spielt.

Das Entertainment

Die eigentliche Moderation des Spieles erfolgt sehr nüchtern. Eigene Erfolge werden zwar mit Musik begleitet, aber der Moderator sagt sachlich nur den nächsten Mann am Schlag an. Zwischenstände werden nicht genannt. So nach dem Prinzip „guck doch selber“.

In den Pausen werden komische Spielchen mit zwei Moderatorinnen veranstaltet, die schnell akut nervig werden. Also nicht die Moderatorinnen, die machen das professionell. Die Spiele schon. Insbesondere wenn man sie drei Mal in drei Tagen sieht.

Eine Show für sich ist die Ground Crew, die vor jedem Spiel das Infield herrichtet. Mit einer Liebe zum Detail und einer beinah buddhistischen Ruhe werden da Linien gezogen, der Sand perfekt in Form gebracht und Symbole aufgemalt.

Die Spiele

Wenn der Job mal wieder schlaucht

Nun ja, in New York drei einseitige Spiele, die Serie ging am Ende 2-1 an die mittelmäßigen Mets gegen die mittelmäßigen Cubs. Besucherzahlen an allen drei Tagen jeweils über 30.000.

Interessant ist der Unterschied zum im Fernsehen gucken. Man hat plötzlich Überblick. Und sieht erst, wie weit die Bälle fliegen, auch wenn der Outfielder routiniert da unter läuft und ihn fängt. Das sieht im Fernsehen alles viel undramatischer und länger aus.

Citzens Bank Ballpark

Noch ein paar abweichende Beobachtungen zum Besuch bei den Phillies:

Anders als Citi Field hat dieses Stadion keinen zentralen Eingang, liegt auch nicht direkt an einer Bahnstation, sondern diese ist ordentlich entfernt. Gegenüber liegt das örtliche Footballstadion und der Vorplatz ist zugunsten einer Zufahrtsstraße weggelassen. Das macht das alles sehr viel weniger beeindruckend und heimelig. Da gefällt New York doch deutlich mehr. Dafür wird bei den Phillies bereits außen mit einem Bild des Maskottchens geworben, und dieses Bild ist nur geringfügig kleiner als das Team-Logo.

Innen drin sind beide ziemlich vergleichbar, auch wenn der Citzens Bank Ballpark irgendwie einen weniger kompakten Eindruck macht, wenn man drin sitzt.

Es war Irish Heritage Night, also wurde irisch getanzt und musiziert. Bzw. es wurde das aufgeführt, was sich der kleine Ami darunter vorstellt. Gepaart war das ganze mit Sondertickets, die u. a. auch wir gekauft hatten, wo es noch ein tolles irisches Geschenk gab. Was sich als irisch-grüne Fahne des Heimteams entpuppte. Nun ja.

Auf Spielchen in den Pausen wird hier mehr oder minder verzichtet, und insgesamt war das Entertainment viel zurückhaltender.

Wir hatten hier Plätze ganz unten und eigentlich teuer. Nun sind die Phillies geplant schlecht und es war halt ein Sonderpreis, aber diese Plätze ziehen dann doch weniger Oberfreaks und mehr Fans der ersten beiden Kategorien an. Mit der entsprechenden Bewegung im Publikum. Aber wie es am Millerntor unverständlich ist, dass man sich ein Fußballspiel lang über seine Werbeagentur unterhalten kann, so ist es hier unverständlich, wie man zur 3. Inning kommen kann, um dann zur 5. zu gehen. Bier in Kneipen ist auch hier deutlich billiger.

Wobei hier alles ein bisschen billiger ist als in New York. Die Tickets, das Essen, die Drinks etc. Und die Auswahl erscheint vielseitiger. Viele Themenstände im Essensbereich, zumindest mehr als in New York. Testessen haben wir aber sein lassen.

Das Spiel lasse ich auch hier wieder aus. Das ansonsten ziemlich schlechte Heimteam gewann knapp gegen die ansonsten ziemlich guten Red Sox. Auch hier über 30.000 Zuschauer.

Nur um mal das etwas größere Bild zu zeichnen: Die Serie dieser beiden Teams umfasste 4 Spiele hintereinander. Boston gewann 3 davon, so dass die wahrscheinlich äußerst zufrieden mit dem Verlauf der Serie sein werden. Nur wir sahen eben die eine Niederlage.

Was war so nebenbei?

Zu New York muss man wohl nicht viel sagen, viele Menschen haben die Stadt schon besucht oder können sich grob vorstellen, wie die Stadt aussieht.

Philadelphia ist die sechstgrößte Stadt der USA, ihre Sehenswürdigkeiten hat man aber relativ schnell abgehandelt. Ansonsten ist es eine amerikanische Großstadt, deren direkter Innenstadtbereich doch deutliche Anzeichen der Verwahrlosung zeigt.

Es sagt viel über den Status der Welt aus, dass die Glocke der Freiheit einen Sprung hat.

In der weiteren Innenstadt ist ein großer Bereich mit Kennzeichen der LGBTQ-Bewegung zu erkennen, so sind Regenbogenfahnen an Häusern, Kreuzungen und Straßenschildern fest angebracht und auch Kreuzungen in den Regenbogenfarben bemalt.

Viele alte Gebäude, einige spannend aussehende Kneipen und eine relativ kompakte Innenstadt, in der auch ein riesiges Krankenhaus steht (und Pfleger und Ärzte mit ihren Uniformen auf der Straße herumlaufen).

Liberty Bell und die sogenannten Rocky Steps (so kennen nebenbei auch Einwohner der Stadt sie nur) kann man besuchen, und letztere sind zum Touristen gucken auch ganz großes Tennis. Denn jeder rennt da hoch und hat imaginär die entsprechende Musik im Ohr.

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