Liebe Menschen,
wer schon mal kulturelle Erzeugnisse rezensiert hat, weiß, dass es sich über besonders schöne oder besonders schlimme Dinge am leichtesten schreibt. Mittelmaß ist weniger inspirierend, wenn es da nicht klar erkennbare Höhen und Tiefen gibt. Dann fehlt schließlich der Unterhaltungswert. Das lässt sich gut auch auf Fußballspiele herunterbrechen.
Fußballspiele, jau, da war wieder eins. Am Ende eine knappe Niederlage unseres FCSP gegen ein Team aus dem Tabellenkeller. Mit einem 3:4 nicht so richtig scheiße, aber auch echt nicht geil. Unterhaltungswert hatte die Partie aber zweifellos. Sie liefert Erkenntnisse und wirft gleichzeitig Fragen auf. Aber der Reihe nach.
Friday, I’m not so much in love
Mal wieder Freitagabend, Feierabendhektik und zu wenig Vorspiel bei all jenen, für die der Freitag kein kürzerer Arbeitstag ist. Der Supportblock motzt wie üblich, wenn man erst eine Dreiviertelstunde vor Anpfiff die Gegengerade entert. Leckt mich, Leute!
Fürchterliches Gedränge gibt es zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht. Von „ausverkauft“ kann im ganzen Stadion keine Rede sein. Traurig vor allem die Paderborner … hat die eine Allesfahrer-Großfamilie Durchfall bekommen? Das ist ja unglaublich dürftig, wie wenig zahlreich die da angereist sind, Freitagabend hin oder her.
Einsingen und Luftballons aufpusten. Zahllose bunte Ballons zieren die Gegengerade, das dürfte von außen echt was hergemacht haben. Können uns nicht erinnern, wann es das letzte Mal so viel davon gab. Dann noch eine große Blockfahne, mit der die bereits angereisten Celtic-Leute begrüßt werden. Zahlreiche weitere Einzelfahnen in irischen Farben auf der Südkurve. Hm, auch das sind nationale Symbole, die wir eigentlich doch nicht so cool finden, oder? Naja, alter Hut.
Während ein zarter Sichelmond hoch im Südwesten steht, wird angepfiffen. Von Anfang an ist viel Tempo drin und es dauert nicht lange, dass Paderborn ein Sonntagsschuss gelingt und es 0:1 steht. Scheiße, das hatten wir uns anders vorgestellt – auch wenn wir um die ersatzgeschwächte Mannschaft wissen, der allmählich die Puste ausgeht. In der Folge St. Pauli mit Chancenplus, aber Paderborn gelingt wenig später nach einer beschissen verteidigten Situation das 0:2. Das auch der Halbzeitstand. Nun könnte man anmerken, dass es nicht das Spiel abbilde; aber Chancenverwertung ist eine wichtige Tugend, die die Paderboring heute mal richtig verinnerlicht hat. Als ob da nach Effes Abgang ein Knoten geplatzt sei.
Zweite Halbzeit … der Support schlummert etwas vor sich hin, da fällt bei einem Freistoß Lasse im Strafraum um und es gibt – wohl zurecht – Elfer für Braunweiß. Den macht er selbst, knallig in den Winkel … wow, der hätte auch echt daneben gehen können! In dem Moment erwacht das Millerntor wieder und es roart acht Minuten lang. Die wohl schönsten Minuten des Spiels, weil es sich wirklich anfühlt, als ob wir das jetzt noch drehen würden.
Dann diese Szene, über die sich Ziere noch lange ärgern dürfte. Nach völlig offenem Raum klatscht Helenius das Leder aufs Tor, Himmelmann ist noch dran und Ziereis könnte den aufs Tor kullernden Ball eigentlich auf die Tribüne holzen. Ein Bruchteil einer Sekunde und eine falsche Entscheidung später eiert der Ball in den Kasten, Ziere noch hinterher. Kopf hoch, Junge! Scheiße passiert.
Und die Moral von der Geschicht‘
Dass wir dennoch fast noch wieder herankommen, obwohl es nach 81 Minuten bereits 1:4 steht, ist ein Stück weit bemerkenswert. An dieser Stelle ist sich das Blog-Kollektiv uneins: Spricht so ein Spiel für oder gegen die Moral der Mannschaft? Nein, es kann nicht sein, wenn ein Team aus dem oberen Viertel der Tabelle zu Hause so gegen einen Abstiegskandidaten aussieht. Ja, es ist stark, wenn man sich nach dem 1:4 nicht aufgibt und noch mal zwei Anschlusstreffer hinterhersetzt. Kaufen kann sich leider aber keiner was davon.
Und so sind die Aufstiegspläne jetzt wirklich mal ad acta zu legen. Spannend – und das sehen wir mit etwas Sorge – wird dann die Folgesaison. Wir haben mit einem Kader, der großteils aus der Fast-Abstieg-Spielzeit zuvor stammt, dieses Jahr über weite Strecken super oben mitgehalten. Wenn dann einige Leistungsträger gehen und die Moral bröckelt, kann es schnell zappenduster aussehen. Nun, bei solchen Prognosen sind wir lieber vorsichtig. In der vergangenen Sommerpause bezeichneten ja auch nur tollkühne oder völlig irre Fans (oder solche mit außergewöhnlichem Fußballsachverstand) den FCSP als Aufstiegskandidaten.
Und dann war da noch:
Kampf ums Viertel?
Es ist schon etwas abartig, was die Polizei Hamburg dort veranstaltet. Immer wieder werden zu unseren Heimspielen massiv Polizeikräfte zusammengezogen und dann wird der nichtigste Anlass dazu genutzt, mit irgendwelchen Robocops Fans zusammen zu knüppeln. Was man eigentlich will und was eigentlich Sinn der Sache ist, außer Macht zu demonstrieren, ist niemanden so richtig klar. Kommuniziert wird ja auch nicht. Außer mit Knüppeln. Anscheinend wollen sich hier sogenannte Szenekundige Beamte als Herrscher über das Viertel aufspielen. Dabei haben die nicht mal die Kompetenz, um über ein Kaninchenkäfig zu herrschen.
USP brachte es richtig auf den Punkt, als sie kommentierten, dass man sich in seinem Viertel nun garantiert nicht von der Polizei vorschreiben lassen würde, wie man in seine eigenen Kneipen, Wohnungen und Projekte geht. Der geneigte Mensch würde das auch einfach „Menschenrecht“ nennen.
Anscheinend hat man solche Gedanken in Hamburger Polizei Kreisen nicht, sondern will lieber zeigen, was man so alles hat. Und so fährt man für ein Spiel gegen Paderborn mehr Gerätschaften und Polizisten auf als bei Hansa Rostock. Wohlgemerkt: Es ist im Jahr 2016 nicht zu wirklichen Ausschreitungen oder anderem gekommen. Nix, was so etwas rechtfertigen würde. Und selbst in Paderborn hätte man im Hinspiel gemerkt, dass es kein Risikospiel ist, und die Bürgerkriegsausstattung der vorherigen Jahre reduziert. Nicht so in Hamburg. Zwei Wasserwerfer, grob irgendwas über 500 Polizisten und Räumpanzer.
Der Marsch
In diesem Besetzungsklima formiert sich also nach dem Spiel ein Marsch. Die Pessimisten erwarten nun, dass es knallt, aber zum Glück passiert das nicht. An den Aufruf, kein Pyro zu zünden, wird sich ungefähr 50 Meter gehalten, aber zum Glück meint niemand, daraus ein riesiges Ding zu machen. Deutlich mehr Leute als bei der Pudel Demo ziehen danach also durchs Viertel.
Die Polizei setzt vor dem Café Miller kurz ihre Helme auf, rennt auf den Marsch zu, keiner weiß warum; aber zum Glück behalten auch hier alle Leute die Nerven. Genauso hektisch zieht man sich dann zurück und machte den Paulienplatz zu einer Uniform-Show. Dort löst sich der Marsch dann mit Gesang auf.
Ca. 30 Minuten später stehen aber immer noch ungefähr 100 Polizisten mit Helm auf am Grünen Jäger. Zu diesem Zeitpunkt ist dort schon Business as usual am Freitagabend. Grund? Wissen wir nicht. Was jedoch Angst macht: Heute hat auch Masse unüberlegten Mist der Polizei verhindert. Wird dies auch so sein, wenn nach Union 200 Leute den Marsch bilden?
Ach ja, Herr Lenders und Co.: Anstatt immer über Belastung zu jammern, sollten Sie als Vertreter des „kleinen Beamten“ mal ihre Mächtigen hinterfragen, die solche Besatzungseinsätze befehlen. Auf St. Pauli würde man sich freuen, wenn so ein Spiel nur mit den notwendigen 20 Beamten gefahren werden würde.
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