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Vita et miracula Ewaldi in missione Sancti Pauli

Es ist Sonntag, der 24. Mai 2015, etwa 18 Uhr. Ich streife über den Rasen des Böllenfalltors und umarme zahllose wildfremde Menschen, Darmstädter wie Sankt Paulianer. Zentnerschwere Steine fallen in diesem Augenblick von den braunweißen Herzen. Die Blauweißen haben nicht weniger Grund zu feiern.
(Freude-)Trunken wandere ich weiter, beglückwünsche die Lilien zu ihrem Aufstieg und wünsche ihnen ein schönes Abenteuer in Liga 1. Besser hätte dieser Spieltag nicht enden können. Einfach mal glücklich sein.

Allmählich kommt die Gewissheit im Oberstübchen an: Der Klassenerhalt ist besiegelt. Wer hätte das noch vor wenigen Wochen oder Monaten für realistisch gehalten. Halle-fucking-luja, die Saison ist vorbei und wir sind mit einem tiefblauen Auge davongekommen. Nun, einige Tage später, lässt sich diese einmalige Geschichte allmählich deuten, in Worte fassen. Es hatte alles seinen Sinn: Kraft tanken aus der Demut.

Es musste einfach gelingen
Was für eine Nervosität lag das Jahr über auf Club und Viertel. Viele Jahre ist jeder von uns in dieser Spielzeit älter geworden. Und dennoch ist aus unserer bescheidenen Perspektive die Stimmung im Sonderzug schon auf der Hinfahrt bemerkenswert gelöst. Als ob wir alle wüssten, dass der magische Ewald am Ende (fast) alles richtig gemacht haben wird. Seit er das Ruder übernahm und seine Gelegenheiten bekam, die Mannschaft zu packen, konnte doch eigentlich nichts mehr schiefgehen. So sieht’s nämlich aus.

Es ist ein kleines Märchen, was wir da erlebt haben. Hatten wir jemals einen FC St. Pauli, wo alles dermaßen gut zusammenpasst? Viel wird es in diesen Tagen noch mal durchgekaut, aber zurecht: Von der lebendigen Fanszene mit hunderten, tausenden tollen Menschen, die sich für so viele wichtige Themen engagieren, über Aufsichtsrat und Präsidium, in denen Menschen aus unserer Mitte sitzen, bis hin zu einer sportlichen Führung, die Sankt Pauli verstanden hat und auch aus zeitweise herzlos agierenden Spielern eine leidenschaftliche Truppe geformt haben. Und nun ist auch der Absturz in die sportliche Bedeutungslosigkeit abgewendet.

Wir glauben!
Der Großteil von uns Fans kann nicht jederzeit in die Kabinen, auf die Trainingsplätze und in die Einzelgespräche hineinlauschen. So bleibt uns nur Spekulation. Doch wir glauben fest, dass das Verdienst des weisen Ewald nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. In den richtigen Momenten ruhig und besonnen, auf der anderen Seite ein Anpeitscher und Feierbiest vor dem Herrn – über einen solchen Menschen auf dem Trainerposten des FC St. Pauli kann, muss man sehr dankbar sein.

Ewald, du hast hoffentlich noch viele weitere Gelegenheiten, deinen guten Ruf bei uns auszubauen. Schon jetzt möchten wir dir ein Denkmal setzen, aber das wäre zu früh. Mach so weiter! Unser Vertrauen in dich und deine Entscheidungen ist fest gezimmert wie dieses tolle neue Stadion, in dem wir unsere Spiele austragen dürfen. Ist nicht das auch ein Grund, noch mal dankbar zu sein, in welchen Zeiten wir Fans des FC St. Pauli sind? Was kann da nicht noch alles Großes auf uns zukommen! Seien wir froh, dass der Abstieg vermieden wurde und wir nach vorn blicken können.

2015-05-24 17.23.17

Augenblicke der Erlösung

Genau das wollen wir, nach vorn blicken. Nach wie vor ist es als Sankt Paulianer wichtig, kritisch hinzusehen und so viel wie möglich zu hinterfragen. Aber nun ist erst einmal die wohlverdiente Sommerpause. Herrlich, ein paar Wochen mal kein Fußball, der an den Nerven zehrt und Freizeit und Geld auffrisst. Das muss auch mal sein. Für die neue Spielzeit sind wir sehr guter Dinge, denn Ewald wird Zeit haben, die Mannschaft von Grund auf weiter aufzubauen. Was den Kader betrifft: Es mag Abgänge (und Zugänge) geben, die das Fanherz nicht versteht. Natürlich wollten wir Schachter weiterhin im braunweißen Trikot sehen und sein Weggang macht uns traurig. Aber da wiederholen wir noch mal: Wir haben Vertrauen in diejenigen, die das entscheiden.

Vielleicht nicht klug, aber schön
Eine Prognose, was aus dem FCSP in der Saison 2015/2016 wird, werden wir nicht abgeben. Wir tippen ja noch nicht mal einzelne Spiele. Auch hier die Wiederholung: Wir sind guter Dinge. Noch eine Weile müssen wir die vergangene Spielzeit verdauen. Was für ein Durcheinander. Und was für eine fantastische Unvernunft, Fan dieses Fußballvereins zu sein.

Es ist Sonntag, der 24. Mai 2015, etwa 23.30 Uhr. Ich bin in einem mir völlig unbekannten Abteil aus dem Schlaf erwacht, der mich im Sonderzug übermannte. Kinder, streckte mich dieser Tag nieder. Die erlösende Feier in den Partywagen konnte ich noch eine Weile mitmachen, dann brauchte ich einfach Ruhe.
Ewald, Oke, Meggie, Skyman und Schnecke habe ich nicht mehr getroffen. Ich steige am Hauptbahnhof aus und taumel nach kurzen Umwegen nach Hause. Was fühle ich mich schmutzig, äußerlich wie innerlich. Erschöpft. Beseelt. Zufrieden.

Sankt Pauli ist und bleibt die einzige Möglichkeit!

2 Kommentare

  1. Gabi Gabi

    „Und was für eine fantastische Unvernunft, Fan dieses Fußballvereins zu sein.“
    genau so und genau das!!
    <3

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