Freunde der Sonne. Es ist Sommerpause. Ja wirklich!
Viele von euch werden wahrscheinlich sich immer noch kneifen, aber wir sind immer noch Zweite Liga. Im Leben will man eigentlich immer nur Erstklassiges für sich, aber wer von uns kann nicht gerade mit zweitklassigem Fußball sehr gut umgehen?
Unser Verein ist ja sowieso in so vielen Dingen erstklassig, dass er mit einer zweitklassigen Fußballmannschaft sowieso gut umgehen kann. Aber bevor das hier zu einem heillosen Selbstlob wird, widmen wir uns der Tour nach Darmstadt, gepaart mit vielen Gedanken zum Verein im Allgemeinen.
BTW: Es gibt ja immer diese Nörgler, die immer – gemessen an ihrem Ideal – was zu meckern finden. Kann man sich selber gar nicht ausschließen. Selbstkritik ist wichtig. Treibt man sie jedoch nur und ausschließlich, dann ist die Welt irgendwann grau. Und nicht Regenbogenfarben bunt. Und letzteres ist viel schöner.
Darmstadt. Als „sympathisch“ beschrieben und wahrscheinlich der nächste Verein, der nun durch Medien ein Klischee an den Hals gedrückt bekommt. Aber bevor man sich vor Ort ein Bild machen kann, legte der liebe Gott eine Reise. Denn der Heisenberg-Kompensator ist immer noch nicht erfunden, sodass man Bahn fahren muss.
Sonderzug um genau zu sein. Sonderzüge haben in der FCSP-Fanszene etwas Mythisches. Sie sind sozusagen der heilige Gral der Fanszene. Und das erste Gesetz des Sonderzuges ist? Genau! Sprich nicht über das, was im Sonderzug passiert ist. Und so fand sich auch dies mal ein riesiger Haufen in Altona ein um gen Darmstadt zu fahren.
Die Nervösität war in vielen Gesichtern deutlich spürbar. So blieb die sonst übliche ausgelassene Party aus. Trotzdem entspricht es nicht dem Naturell eines Fußballfans, dass er da nun sechs Stunden nägelkauend und schweigend durch die Welt fährt. Vielmehr werden einige Kaltgetränke vernichtet, Storys ausgetauscht und es wird sich wilden Phantasien vorgesponnen.
Relegation ist so eine Phantasie, die für Manchen der persönliche Traum, für den Anderen der persönliche Albtraum ist. Und da ist es wieder, dieses Nörgeln. Die Digitalisierung der Welt schreitet voran und Tickets im Schwerpunkt online zu verkaufen, ist garantiert eine bequeme und kostensparende Art, diese an den zahlenden Kunden zu bringen. Wenn man sich da aber eines Dienstleisters mit einem eher bescheidenen Ruf bedient, dann ist das auch problematisch. Gerade wenn man dann noch irgendwelche Leistungen nur digital anbieten will, wie z. B. Relegations- und Pokalkarten. Eine Wahlfreiheit, ob ich etwas machen möchte, ist ein hohes Gut. Und irgendwie 17 % der Bevölkerung können gar nicht digital. Weil sie digital aus unterschiedlichsten Gründen nicht nutzen. Will ich die schon einfach mal pauschal ausschließen? Ich nicht. Und ich als Kunde möchte Eventim auch nicht nutzen. Der Verein rief dann dazu auf, doch bitte für eine eventuelle Relegation Eventim zu nutzen, oder über Freunde nutzen zu lassen. Aber er ermöglichte immerhin den „analogen“ Kauf. Wir stellen uns gerade vor, wie man da so als Mitdreißiger mit Smartphone steht und erklärt, dass man digital leider keine Karten kaufen kann und auch niemanden kennt, der es kann. Okay. Müssen wir nicht. Keine Relegation.
Ansonsten rechnete jeder seine Lieblingskonstellation aus. Großer Favorit war bei vielen, dass wir 0-3 verlieren und Frankfurt 2-2 spielt. Ja, das wäre die Punkt- und Torgleichheit gewesen. Im Sonderzug zumindest wusste keiner, wie es dann so wirklich weiter geht mit dem Tie-Break.
Ansonsten tanzte man in zwei Partywagen, trank teilweise einen über den Durst (warum 90 Euro ausgeben, wenn man definitiv nix vom Spiel mitbekommt? Im Gästeblock schliefen wirklich Leute 90 Minuten ihren Rausch aus!) und rollte so dahin.
Und huch. Schon in Darmstadt. Man saß doch gerade erst bequem. Die Polizei fuhr die große Sicherheitsschiene, hatte den Supermarkt im Bahnhof geschlossen gelassen, ließ einen nur in Shuttlebusse einsteigen und zeigte sich massiv präsent. Auch wenn man dann sehr freundlich und höflich behandelt wird, so ist das doch Knast-Feeling. Und selbst wenn es im Knast gutes Essen gäbe, draußen ist irgendwie schöner. Und wenn man dann die Shuttlebusse erstmal zu lässt und die Leute dumm rumstehen lässt, dann helfen auch nette Musikbeschallung und freundliche Worte nur bedingt.
Bei einigen FCSP-Menschen muss man auch ein bisschen am Verstand zweifeln. Glas ist brüchig. Da haut man nicht drauf. Auch wenn man betrunken ist. Irgendwann ist die Scheibe kaputt. Muss echt nicht sein.
„Justus zum Trinken“ erhoffte man sich dann in einem Biergarten der Uni. Der mit dem Ansturm von ca. 2000 durstigen Kehlen aber leicht überfordert war. Meckern wir hier mal nicht rum. So eine Mensa hat nun ja auch nicht Mensch und Material ohne Ende und es ist ja schon super, dass die öffnen und versuchen den durstigen Kehlen Herr zu werden. Danke dafür. Dass es Leute gibt, die da dann noch Süßigkeiten klauen, übersteigt unseren Verstand.
Ab ins Stadion. Ja, solche Bruchbuden haben heutzutage schon Charme. Ein richtiger alter Stehwall, offene Architektur und eine kleine alte Haupttribüne. Schon weit vor Beginn war die Euphorie mit Händen zu greifen. Außer vielleicht im Gästeblock.
Sympathisch macht die Bruchbude alleine nicht. Und das Auftreten der Mannschaft war eher unsympathisch (Schauspieler und Meckerer vor den Herren, bekamen dann ihren unverdienten Freistoß und verwandelten diesen). Sympathisch sind aber allemal diejenigen, die einen Verein ausmachen. Die Fans. Was da so an subkulturellen Lappen am Zaun hängt, spricht für eine sehr angenehme Fanszene. Genießt eure Zeit in Liga 1.
So war nach Abpfiff und Platzsturm die Aggression gegen den Gästeblock auch auf drei Typen beschränkt, die einfach nur albern waren, so vermummt. so aggressiv, so alleine. Und als dann endlich die Bestätigung da war, dass Aue wirklich nur 2-2 gespielt hatte (die Anzeigentafel zeigte nebenbei da noch ein 2-0 für Heidenheim an), konnte auch der Gästeblock den Platz stürmen und kurze Zeit später merkte auch die Polizei, dass es albern ist, da behelmt rumzustehen und Leute zu trennen, die sich gerade in den Arm fielen und freiwillig Schals tauschten. Zwar meinte sie noch zweimal da irgendwelche Stunts zu fahren, aber insgesamt war es eine entspannte Party.
Haben wir jetzt was über das Spiel gesagt? Müssen wir was über das Spiel sagen? Nein!
Die Rückfahrt mit den Shuttlebussen war wieder mehr als blödsinnig organisiert, denn anstatt schon mal einen Haufen wegzufahren, wartete man auf Godot, den Weltfrieden und die Sendung des heiligen Geistes. Das dies nach einem Abstieg und dem entsprechenden genervt sein Level sehr problematisch hätte werden können, sei nur mal angemerkt. Das man unserem Organisationsleiter von Seiten des Haupteinsatzleiter ein anderes Prozedere versprochen hatte, ebenso nur angemerkt.
Wir kamen zum Bahnhof und mit Kalla, Himmelmann, Ewald, Meggie und Oke ging es zurück nach Hamburg. Es mag beim FCSP eine Meldung sein, dass Präsidium, Trainer, Sportdirektor und zwei Spieler (Danke dafür Jungs, das ist ja nicht immer ganz einfach, mit so einer freudetrunkenen Meute zu fahren) sich in den Sonderzug schwingen. Dass bei uns jedes Mal die Aufsichtsratsvorsitzende den Partywagen schmeisst, geht da gerne mal unter. Danke dafür. Und frag mal den Hopfner, ob er das schon mal gemacht hat.
Das war es die Saison 2014/2015. Wir spielen nächste Saison in einem neuen, fertigen Stadion. Wir spielen zweitklassig. In einem erstklassigen Zuhause. Das alte Millerntor ist dann ganz Geschichte. Und viele Konstanten des FCSP sind Geschichte. Eine davon, dass wir nach vier Jahren immer die Liga wechseln. Guckt mal nach, wann dies das letzte Mal nicht der Fall war. Da hat Heinz Spundflasche noch gekickt.
So gilt es nun eine neue Geschichte zu schreiben. Mit Ewald, mit euch, mit uns. 24 Punkte sind elf mehr als in der Hinrunde und die beste Rückrunde seit 2011/2012. Da kann und muss man drauf aufbauen. Mit alten Spielern und neuen Spielern. Es wird schmerzhafte Abgänge geben (Lasse? Daube! Schachten? Da jetzt irgendwelche MoPo-Meldungen zu kommentieren, ist unter unserer Würde.) und es wird neue Helden geben. Neue Spieler, die irgendwann woanders Torschützenkönig werden (Glückwunsch Alex und Rouwen). So ist der Lauf des Profigeschäftes.
Und doch ist der FC St. Pauli eben mehr als 90 Minuten, wie es so schon in wilden Punkmitgrölern heißt. Und deswegen haben wir St. Pauli in unserm Herzen tätowiert.
Über die Party beim Knust werden fürchterlichste Dinge aus Spielerkreisen berichtet. Aber das lest bitte hier nach. Einige Spieler spielen einfach bei St. Pauli. Bei anderen kommt etwas im Hirn an. So einfach, so bitter.
Ach ja: Relegation. „Die nördlichste Zweite Liga aller Zeiten“, wäre doch ein geiler Claim für Sport 1, oder? Ach ja: Eine Serie kann gerne brechen. Beide bisherigen Bundesligajahre der Lilien hatte nämlich eine Konstante: beim Meister.
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Top! Alles auf den Punkt geschrieben und formuliert. Wie so oft. Du solltest Blogger werden…
[…] Bericht pathos93: “Erleichterung und Mahnung” – Bericht MagischerFC: “[Gastbeitrag] Der alte Mann und der Klassenerhalt” – Bericht Patrick Gensing: “Gekommen um zu bleiben…” – Bericht […]
[…] http://www.breitseite-stpauli.de/14-15-34.htm https://www.magischerfc.de/?p=7729 http://patrick-gensing.info/2015/05/25/gekommen-um-zu-bleiben-ewald-lienen-rettet-den-fc-st-pauli/ […]
[…] kräftig durch, ist auf den letzten Metern zu sehen. Grund wohl eine zu Bruch gegangene Scheibe. Man erinnere sich an Darmstadt. Gleiches Malheur, hat da nur niemanden interessiert. Fakt ist: Scheiben sind nicht zum euphorisch […]