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Gefahrengebiet weggebürstet. Eine Nachlese

Liebe Leser,

nun melden wir uns zum ersten Mal als das auf zwei Köpfe reduzierte Blog. An dieser Stelle wünschen wir dem scheidenden Vater unserer schönen Netzpostille alles Gute und vermissen ihn jetzt schon. In weiteren Sentimentalitäten möchten wir hier nicht schwelgen, das kriegt Senior schon persönlich auf den Weg. Außerdem kommen immer wieder große Herausforderungen auf uns zu – es ist auch wirklich nicht eben wenig, was da auf den Straßen der Stadt passiert. Das führt uns zum Thema.

Wir haben nicht allzu viel in den letzten Tagen von uns gegeben. Seitdem das Gefahrengebiet am 4. Januar wirksam wurde, war täglich kreativer Protest gefragt. Da ist es nicht so unseres, sich hinter den Rechner zu klemmen und halbkluge Sachen in die Tasten zu hämmern, die schon am nächsten Tag keinen Bestand mehr haben. Nun aber ist es wieder Geschichte, das GröGaZ, und auch die „Gefahreninseln“ sind wieder im Meer der Geschichte verschwunden.

Und nu?

Olaf, Michael, Wolfgang – wer auch immer nun wirklich diesen Mist ausgeheckt hat – der Griff ins Klo war tiefer als der von Meister Röhrich in „Werner – Beinhart!“. Das solltet ihr bei der ganzen Negativpresse der vergangenen Tage irgendwie selbst gemerkt haben. Grundgütiger! Neben selbst konservativen Stimmen auch noch die US-Botschaft gegen sich aufzubringen, dazu gehört schon verdammt viel Hirnschiss. Sucht euch am besten baldestmöglich einen sonnigen Platz in irgendeinem Aufsichtsrat oder freut euch auf die Pension. Etwas besseres als den Rücktritt könnt ihr der Stadt nicht mehr bieten.

Altona, Schanze, Sankt Pauli – das war ein bisschen geil. Einen kreativen Protest wie diesen, bunt und vielfältig, das haben wir lange nicht erlebt. Dass es angesichts so vieler stinkiger Menschen auf der Straße kaum zu Entgleisungen der Zivilisten kam, finden wir positiv bemerkenswert. Was nicht bedeutet, dass nicht doch immer mal ein paar Dummbatzen auf die Idee kommen, ohne Not eine Flasche, einen Stein oder einen Böller zu schmeißen. Aber auf die Gesamtheit der Gegängelten und Gedemütigten gerechnet, kann man nicht von einer Gewalt suchenden Szene sprechen.

Die Klobürste… schöner kann man eine derart absurde Maßnahme seitens der Behörden nicht ins Lächerliche ziehen. Mit diesem Widerstandssymbol haben sich die Guten in Hamburg selbst ein Denkmal gesetzt. Und letztlich hat die Klobürste ihren Zweck erfüllt und die Gefahrenscheiße aus der Stadt geschrubbt. Wer noch einmal auf die Idee kommen sollte, ein solches Monstrum zu installieren, soll wissen: Wir werden die Klobürste wieder ausgraben. Seid also gewarnt!

Das bringt uns zu einem wichtigen Punkt: Spätestens jetzt muss dringend die Frage gestellt werden, wie es sein kann, dass sich in der Hamburger Polizei Legislative und Exekutive derartig vermischen. Richterlicher Beschluss? Initiative des Parlaments? Wozu, wenn man ein Polizeigesetz wie in Hamburg hat. Nein, so kann es ganz gewiss nicht weitergehen. Unser Jurist ist just in diesem Moment nicht mehr am Ruder, deswegen lehnen wir uns nicht so weit aus dem Fenster. Aber wir können nur inständig hoffen, dass Lehren aus diesem Desaster gezogen werden und wieder so etwas wie Gewaltenteilung in der Hansestadt einzieht.

Eine Lehre sollten die Ereignisse des 28. Dezember auch für die lokalen, regionalen und überregionalen Medien sein. Haben euch Streiber und seine listige Bande so richtig schön verarscht, dass ihrs irgendwann selber gemerkt habt, wie? Polizeimeldungen sind nicht identisch mit der Wahrheit, das sollte jetzt auch in dem dümmsten oder bequemsten Journalistenschädel angekommen sein. Großes Lob hingegen an die Kollegen von Mittendrin, die die etablierte Presse mit ihrem Elan und ihrer Gewissenhaftigkeit ganz schön alt aussehen lassen.

Vor allem aber ist es jetzt, nachdem der Sekt geleert ist, an der Zeit, zu den Problemkernen der Stadt zurückzukehren. Viel zu sehr ließ die Debatte über Gewalt und Gewaltverzicht die grundlegenden Themen in den Hintergrund treten. Ja, wir haben große politische Probleme in Hamburg, und das sind zweifellos solche Felder wie Wohnungsnot, Verdrängung, Ignoranz gegenüber Menschen mit geringem Einkommen und der fehlende politische Wille, einen Gegenentwurf für das Versagen der europäischen Flüchtlingspolitik zu liefern.

Es sind sehr unterschiedliche Themen, die am 21. Dezember und auch jetzt am 18. Januar auf dem Programm der Demonstrationen stehen. Uns scheint es oft zielführender, wenn sich solche politische Veranstaltungen auf einen kleineren Komplex beschränken. Doch das Gefühl, keine Recht auf diese Stadt zu haben, das vereint viele Menschen.

Wir betonen: viele. Nicht alle. Am eigenen Leibe durften wir feststellen, dass einige gute Leute in der Betrachtung selbst elementarer Dinge weit von dem abweichen, was wir für richtig halten. Von den Kommentarspalten der Zeitungen wollen wir gar nicht erst sprechen. Vergessen wir das nicht! Sind wir wirklich mehr? In vielen Fragen nicht. Es bleibt wichtig, miteinander zu reden und auch einige derjenigen ins Boot zu holen, von denen wir uns am liebsten gleich wieder abwenden würden, wenn sie den Mund aufmachen. Wir kommen nicht weiter, wenn wir nur unser eigenes Süppchen kochen und große Teile der Bevölkerung für dumm erklären.

Und dennoch, dieser unsägliche Senat tut verdammt wenig dagegen, dass sich eine Menge Hamburger ausgegrenzt und ignoriert fühlen. Bleiben wir beim kulinarischen Bild: Die versalzene Suppe wird die Kaspertruppe im Rathaus noch ausschlürfen müssen. In der einen Hand die Klobürste, reichen wir mit der anderen gern den Löffel.

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