oder
eine unsortierte unvollständige Einordnung
Liebe Leser,
heute war in Hamburg eine Demonstration zum Erhalt der Roten Flora und anderen Themen angemeldet. Das Ganze als „internationale Großdemo“ ausgerufen. Soweit die Fakten. Auch ein Teil von uns war vor Ort und versucht mal so etwas wie eine Einordnung und Verarbeitung. Eine Einordnung, die immer auf subjektiven Eindrücken beruht, die nicht den Anspruch einer Vollständigkeit erhebt und die bewusst keine abschließende politische Diskussion sein soll.
Wenn man sich so auf der Piazza vor der Roten Flora umsah, dann war da eine Ansammlung von Anwohnern, unserer Fanszene und vieler Menschen, die man wohl als „linksautonome Szene“ bezeichnen würde. versammelt. Machen wir uns auch nix vor: Genügend davon waren garantiert nicht nur für eine Latschdemo mit anschließendem Kaffee trinken gekommen.
Und aus unserer subjektiven Sicht (ca. 40 Meter hinter der Brücke), sah es auch so aus, dass mit dem Losgehen der vermummten ersten Reihe Böller gezündet wurden und die Polizei dies zum Anlass nahm, da rein zu gehen und es dann alles eskalierte.
Aber wenn man dieses Video sieht und insbesondere seine Tonspur hört, dann ist da kein Böller bevor die Polizei da reinmarschiert. Auch TAZ und Publikative (zur Zeit überlastet) berichten ähnlich. Das Ganze wirkt von der Einheit, die da rein geht, auch komplett planlos (man gucke mal, wie spät die sich die Helme aufsetzen). Also eine „gezielte Eskalation“ sieht für uns irgendwie anders aus. Das sieht eher wie schlecht vorbereitet, schlecht geplant und dann hektisch falsch reagiert aus.
Vereinzelt wird von Steinwürfen oben von der Brücke berichtet. Das mag sein, wenn man aber bedenkt, dass es sich um eine Brücke mit laufendem ICE Verkehr handelt und trotz Hubschrauber kein Polizist nach oben auf diese Brücke guckt, erscheint das eher unwahrscheinlich. Der ICE Verkehr fuhr selbst noch, als das Ganze schon fröhlich am eskalieren war. Dagegen spricht auch, dass diese Einheit, die da rein geht, keine Helme auf hat. Wenn die vorher Steine bekommen hätten, hätten die Helme auf, oder?
Dieses ganze Reingehen (aus welchem Grund auch immer) ist dann natürlich der berühmte Funke in ein Pulverfass und danach eskalierte das Ganze innerhalb von wenigen Sekunden zu einer ausgewachsenen Straßenschlacht. Hier gibt es eben keinen Klügeren, der nachgibt.
Nun ist ein „die haben aber angefangen“ immer etwas albern, aber eine Sache, die man den ganzen Tag beobachten konnte ist eine eben so übermotivierte wie planlose Polizei und dazu ein ordentlicher Straßenkampfmob, der auch Bock hatte sich an dieser Polizei abzuarbeiten.
Nachdem das ganze zu Beginn schon eskaliert war und eine grob 20 minütige Straßenschlacht tobte, kam dann „von hinten“ (Richtung Neuer Pferdemarkt) weitere Polizei und kesselte die gesamte Piazza. Die Staatsmacht ließ erst noch Leute aus der Schanze, was dazu führte, dass alles, was nicht in der ersten Reihe stand und „linksautonom“ aussah erstmal verschwand und sich aus der Schanze zurückzog. Der verbleibende „links-bürgerliche“ Teil der Demo wurde ebenso gekesselt wie Besucher der Restaurants wie z.B. das O-Feuer. Die Polizei zog dann diesen Kessel immer enger, stellte sich in mehreren Reihen auf, wobei eine Reihe Leute mal raus ließ, die andere nicht. Irgendwann wurde dann auf diesen hinteren „bürgerlich-linken“ Teil eingeknüppelt, wobei ein Grund dafür nicht zu erkennen war. (Was ausdrücklich nicht heißt, dass da nun nix passiert ist, aber mitbekommen haben wir nix).
Das Absurde war, dass in den Cafes und Bars business as usual herrschte. Im O-Feuer lief fröhlich Bundesliga, während draussen direkt vor der Scheibe die Straßenschlacht herrschte. Ob die Polizei irgendwann die Läden geschlossen hat, wissen wir nicht, als wir nach Schallplatten stöberten, hat uns keiner der Polizisten daran gehindert.
Irgendwann kamen wir mit Glück aus dem Kessel raus und konnten uns in Richtung Heiligengeistfeld bewegen. Dort sammelte sich dann eine Sponti, die mit Bengalos und Rufen in Richtung Innenstadt zog. Erstmal ohne Polizei aber unter dem Bau von Barrikaden. Die Polizei dann irgendwann hinterher und nach einem Gerenne blieben wir ratlos zurück.
Der Rest des Abends war nur noch unübersichtlich. Gruppen, die irgendwo demonstrierten. Polizei die mehr oder minder wahrlos Leute kontrollierte und wenn es die falsche Einheit war auch gerne mal attakierte. Und nun sitzen wir hier und haben Fragezeichen im Gesicht.
Wem nutzt das? Wohl eher der Polizei, die nun wieder ihren heldenhaften Kampf gegen die Chaoten durch die Presse blasen kann und damit ggf. vorhandene Sympathien von „bürgerlichen“ Kreisen einschränken kann. Mankönnte nun sagen: „Klar, das hat die Polizei geplant“. Aber seien wir ehrlich: Sieht das wirklich geplant aus? Was nun nicht heißen soll, dass es vielleicht doch diesen Plan gegeben hat. Dann war die Durchführung aber sehr delitantisch.
Demonstrieren im Sinne eines „Außenstehende aufmerksam machen“ war dies definitiv nicht. Und man kann sich natürlich fragen, ob man denn das planlose Einknüppeln der Polizei nutzen muss, um in die Eskalationspirale einzusteigen. Bei aller verständlichen Wut: Gewinnen kann man diese Steigerungsspirale nicht. Was jetzt nicht Verteidigung in Frage stellen soll und schon gar nicht muss sich jemand von der Polizei entspannt zusammenknüppeln lassen.
Muss man das Konzept einer Demo überdenken? Eine solch große Gruppe hat nur bedingt einen Aktionskonsens, wie das immer so schön in linken Kreisen heißt. Wir halten nicht wirklich was von Gewalt, aber Gewalt, die kein wirkliches Ziel hat, ist noch unsinniger, als Gewalt überhaupt. Nebenbei kann man keine herrschaftsfreie, gewaltfreie Welt als Utopie haben und durch Gewalt durchsetzen.
Aber wie schon gesagt: Wir sind keine Politprofis. Und daher nurungeordneten Gedanken zu diesem Tag.
(Zum Fußball dann Morgen oder Montag was)