Ihr Guten,
nehmen wir es vorweg: Wahrscheinlich haben die Wenigsten erwartet, dass diese Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli von 1910 zu einer Veranstaltung würde, die es in Sachen Nervenkitzel mit einem Hitcock-Streifen aufnehmen könnte. Und das wurde sie auch nicht.
Wir werden dieses Mal nicht in der epischen Breite der letzten Jahre erzählen. Zum einen, weil es schlichtweg nicht so viel Erwähnenswertes gibt, zum anderen, weil unser Mann für die detaillierte Analyse in fünfstelliger Wortanzahl gar nicht kommen konnte. Also beschränken wir uns auf das Wesentliche und schreiben rund ein Zehntel der Menge von 2012.
Relativ pünktlich ging es an diesem Novemberabend los und die Formalia blieben wie im vergangenen Jahr. Vorgezogen wurde die Ehrung von eines langgedienten Mitgliedes, weil die rüstige Dame zeitig ins Bett wollte. Es sei ihr gegönnt. 70 Jahre Mitgliedschaft, das muss man erst einmal schaffen. Nach dem Totengedenken folgte dann der Bericht des Präsidiums respektive Stefan Orth (SO).
Orth ging auf die wesentlichen Punkte des abgelaufenen Jahres ein, darunter der jüngste Verlust von Walter Frosch, vor allem aber auf das sehr positive Bild der Zeit seit der letzten JHV. Stadionauslastung ist top, wir bewegen uns im deutschen Profifußball auf dem sechsten und in ganz Europa (!) auf dem 13. Platz. (Von der Auslastung her! Nicht von der insgesamten Zuschauerzahl.)
Der Umzug des Fanladens und die Einweihung der Fanräume wurden zu Recht als eines der Highlights der vergangenen zwölf Monate gewürdigt, ebenso das erfolgreiche Festival „Fußball und Liebe“. Im Kampf gegen Homophobie und Sexismus habe der FCSP deutliche Zeichen wie die Regenbogenfahne auf dem Südkurvendach und den Aktionstag gesetzt, so SO.
Einer der wenigen kritischen Punkte der letzten Monate war die Kontroverse um „Bullen aus der Kurve“, der Streit zwischen USP und einem Fanclub um die Frage, wie der Polizeiberuf und das Ultrà-Selbstverständnis zueinander passen. SO sagte, man habe sich als Präsidium nicht eingemischt und sich auf die vorhandenen Moderationsmechanismen verlassen, wohl aber Stellung bezogen. Das Hausrecht liege beim Verein und man dulde keine Ausschlüsse bestimmter Berufsgruppen. Mittelmäßiger Applaus im CCH.
Eine erheblichen Stellenwert nahm in SOs Bericht das soziale Engagement von Fanszene und Verein. Kurz referierte er Kiezhelden und hob auch die Unterstützung von „Lampedusa in Hamburg“ hervor. Mit den geschickten Worten eines Politikers – auf der richtigen Seite! – forderte er dazu auf, den Menschen eine humanitäre Lösung zu bieten. Viel Applaus.
Mitgliederzuwachs, große Erfolge im Amateurbereich, ein wirtschaftlich gesund aufgestellter Verein mit Gewinnen und einer rekordverdächtigen Eigenkapitalquote von 44,8 Prozent – die Brust des Stefan Orth war nicht gerade schmal. Man wisse allerdings, dass das kommende Jahr wirtschaftlich schwieriger werde.
Er sprach über die neuen Sponsoren, die aktuellen Probleme mit der externen Domwache, wo man auf Reaktionen anderer Stellen angewiesen sei. Das verzögere womöglich den Bau der neuen Nordkurve, räumte SO ein. Sieben bis neun Monate müsse man dafür schon veranschlagen. Dafür ist endlich das Trainingszentrum an der Kollaustraße fertig, wovon nicht zuletzt die ohnehin schon erfolgreich Jugendarbeit enorm profitiere.
Was die Profis betrifft betrifft, wurde auch zur Trennung von Michael Frontzeck kurz noch einmal Stellung bezogen – nichts Anderes jedoch gesagt, was sich nicht vorher schon in den Medien lesen ließ. Man habe keinen gemeinsamen Weg trotz vieler guter Gespräche gefunden und sich schließlich nicht die Pistole auf die Brust setzen lassen. Verhaltener Applaus. Doch mit Vrabec und den guten Umstruktuierungen (weniger Leihverträge) sei man auf einem guten Weg, fand Orth. Ende des Berichts des Präsidiums
Es gab nur wenig Rückfragen. Jemand wollte wissen, was aus dem per JHV-Beschluss 2012 festgelegten Rollstuhlfahrer-Plätzen werde, die noch nicht da sind. Michae Meeske dazu: Zunächst wird im VIP-Bereich Ausgleich geschaffen; wenn die neue Nord steht, sollte alles passen. Der Frage nach Stützpfeilern im Sichtbereich der Nordkurve wie auf der Süd wurde noch ausgewichen. Das sei noch nicht entschieden. Unklar sei auch, ob ein möglicher Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums an der Kollaustraße erfolge und mit welchen Kosten das verbunden sein könnte. Solange habe man auch noch niemand informiert.
Zwischenzeitlich waren etwas mehr als 500 Mitglieder anwesend. Der scheidende Kassenprüfer gab seinen Bericht ab – Zahlen langweilen uns, das könnt ihr alle irgendwo nachlesen. Unterdessen wurde die bis dahin anwesende Mannschaft entlassen, ääh, freigestellt, ääh, es wurde ihr freigestellt, zu gehen. So oder ähnlich drückte sich SO aus.
Natürlich hatte auch der Aufsichtsrat etwas zu sagen. Dr. Christoph Kröger (CK) sprach über die sportliche Lage mit Auf-und-Ab, über die beeindruckende neue Gegengerade, die Umbenennung des Harald-Stender-Platzes und auch noch einmal über die Personalie Frontzeck. Der Aufsichtsrat sei verwundert über ihn gewesen und bekräftige, dass man sich als Verein nicht unter Druck setzen lasse. Nachtreten werde man aber nicht.
Bei dem Ziel, langfristig in den Top 25 in Deutschland zu landen, sei man derzeit im Soll, so CK. Er lobte die Arbeit von Rachid Azzouzi und das solide Wirtschaften, das man sich so vor zehn Jahren nicht hätte vorstellen können. Doch der Aufsichtsrat wäre nicht der Aufsichtsrat, wenn er nicht auch einmal mahnen müsse. Die wirtschaftliche Lage dürfte in der Zukunft schwieriger werden; Projekte wie die externe Domwache und das Museum seien richtig, aber nicht einfach. Die wirtschaftlichen Grenzen des FCSP müsse man im Auge behalten. Derzeit können die finanziellen Verpflichtungen nur mit weiteren Gewinnen bedient werden. Ein Puffer sei nötig.
Kurz erwähnte CK den Untersuchungsausschuss, der wegen der Mehrkosten bei der Kollaustraße eingesetzt wurde. Dazu später mehr. Die Kommunikation des Vereins sei bezüglich des Neubaus der Nordkurve noch verbesserungswürdig, meint der Aufsichtsrat. Ansonsten könne man sich gar nicht viel beklagen in diesem Jahr. Das Museum sei auf einem guten Weg und bei Kiezhelden mache man einen guten Job, so CK. Apropos Museum: Sehr sehenswert war der Vorgeschmack, den der Museumsverein im Foyer präsentierte. Wir sind sicher, da kommt Großes!
Weiter im Text: CK kam auch auf die Fans zu sprechen. Insgesamt geben die Anhänger ein gutes Bild aus sicht des Aufsichtsrates ab. Kröger kramte Geschehnisse wie den 12:12-Protest gegen das „Sicheres Stadionerlebnis“-Papier der DFL hervor. So etwas wie mahnende Worte gab es der Hinsicht, als dass ein Auseinanderdriften Fans-Verein sowie Fans untereinander zu vermeiden sei. Das Spiel stehe im Mittelpunkt, so CK, einzelne Fangruppen dürften sich wichtiger nehmen, als sie sind.
Der ersten Andeutung folgten konkrete Worte in Bezug auf den USP-„Bullen“-Konflikt. Diesen sieht der Aufsichtsrat auf eine positive Art und Weise als gelöst an. Nicht zu vergessen sei, dass gerade auf Fan-Perspektive die Nicht-Ahndung polizeilichen Fehlverhaltens ein riesiges und auf breiter Basis unterschätztes Problem sei.
CK forderte die Fans auf, immer ein wenig vor der eigenen Haustür zu kehren, auch wenn beim FCSP vieles aus einer sehr glücklichen Umgebung heraus betrachtet wird. Entwicklungen wie in Braunschweig, Aachen und anderswo erfordern die Solidarität mit antifaschistischen Initiativen. Viel Beifall, Ende des Bericht des Aufsichtsrats.
Eingeschoben wurde nun der Bericht des Untersuchsausschusses. Welche Ursachen haben die Steigerungen bei den Kosten des Baus des Trainingszentrums, wie könne man die gemachten Fehler in Zukunft vermeiden? Fazit: Das nächste Mal bitte einen Generalunternehmer. Der schwarze Peter wurde ein bisschen Helmut Schulte und Architekt Uwe Herzberg zugeschrieben. Irgendwann sei man finanziell gesehen im Blindflug gewesen, worauf auch das Präsidium zu spät reagiert habe.
Zuständigkeiten müssten nach Auffassung des Untersuchungsausschuses besser und direkter verteilt werden, sodass individuell Veranwortung übernommen wird. Man solle sich nicht so sehr scheuen, externe Mitarbeiter mit der nötigen Expertise für Großvorhaben ins Boot zu holen. Außerdem wünsche man sich mehr Transparenz. Ende des Bericht des Untersuchungsausschusses.
Tjark Woydt dankte dem UA, fand den Bericht aber zu negativ. Details müsse man intern diskutieren. Insgesamt stimme das mit dem Generalunternehmer allerdings, die meisten Botschaften seien angekommen. Seiner Meinung nach bleiben die Mehrkosten zwar ärgerlich, aber kein Beinbruch. Den Eindruck, dass es an der Kollaustraße von dem Moment an besser wurde, als die Verantwortlichkeiten von Bernd-Georg-Spies zu ihm wanderte, wollte er nicht mit persönlichen Unzulänglichkeiten begründet haben. Schließlich fielen von Woydt noch ein paar Sätze in Sachen Spannungsfeld von Ehrenamt und Beruf. Na denn.
Vom Amateurvorstand gab es die wenig erfreuliche Meldung, dass sich gerade erst tags zuvor die American-Football-Abteilung aufgelöst hatte. Zum einen die bekannten finanziellen Löcher, vor allem aber die fehlende Spielberechtigung ohne Jugend-Team im Nacken, die letzlich ein Herrenteam ohne Ausnahmegenehmigung gar nicht möglich machte, habe der Abteilung das Genick gebrochen. Zudem es gar keine Abteilungsleitung mehr gab. Außerdem wurde unter anderem über das leidige Thema Sporthalle gesprochen.
Es waren mittlerweile 555 Personen im Saal anwesend, als die AFM berichtete. Man blicke auf ein unauffälliges Geschäftsjahr zurück, nicht einmal runde Jubiläumszahlen bei den Mitgliedern gäbe es. Die Eröffnung der Fanräume sei natürlich positiv hervorzuheben. Zuletzt gab es Anfang November den Start einer Werbekampagne, da die AFM mittlerweile über so viele Mitglieder verfüge, dass so viele neue gar nicht mehr zu mobilisieren können. Insgesamt flutscht aber alles.
Wenig zu sagen gab es auch vom Ehrenrat. Dieser musste sich nur ein einziges Mal im vergangenen Jahr einschalten, obwohl es mittlerweile fast 20.000 FCSP-Mitglieder gibt. Eine Arbeit ohne Beanstandung – hach, wie ist das schön.
Soweit, so gut. Wenig überraschend wurde entlastet und das bisschen gewählt, was es zu wählen gab. Christoph Wolff wird Kassenprüfer, die sechs Kandidaten für den Wahlausschuss werden die sechs vorhandenen Plätze einnehmen. Auf die kommt im nächsten Jahr natürlich einiges an Arbeit zu.
Und nachdem der einzige Antrag wegen Hinfälligkeit schon wieder zurückgezogen war, jede Menge erfolgreiche Sportler geehrt wurden und einige finstere Gestalten schon aus Langeweile das Zünden von Pyrotechnik forderten, ging diese Jahreshauptversammlung 2013 des FC St. Pauli schon deutlich vor 23 Uhr zu Ende.
Haben wir uns alle zu sehr lieb? Nein. Dass es so ruhig, ja regelrecht schnarchnasig zuging, darf man auch mal gern positiv hervorheben. Wir haben im Augenblick das Präsidium, die Geschäftsstelle, den Aufsichtsrat und viele weitere Gremium offenbar mit den richtigen Leuten besetzt. Das soll und wird bestimmt nicht heißen, dass „denen da oben“ jetzt widerspruchsfrei aus der Hand gefressen wird. Aber seien wir mal ehrlich: So zufrieden, wie wir in den letzten Monaten mit dem FC St. Pauli als Verein sind – einfach mal glücklich sein. Stürmische Jahre und das Superwahljahr 2014 kommen bestimmt.