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Sicherheit und Ordnung auf Schalke durchgesetzt

oder

das eigentliche Problem

Vorwort

Liebe Leser, wir haben zur Zeit ein kleines zeitliches Problem, sodass unsere Berichterstattung zu Spielen unseres geliebten Vereines ein bisschen dünn ausfällt. Das wird leider noch ein bisschen so bleiben, befürchten wir. Wir hoffen aber bald wieder regelmäßiger aus der Welt des FCSP berichten zu können.

Auch vieles Andere bleibt leider ungesagt auf der Strecke. So manches aus der Welt des passiven und aktiven Sports will mitgeteilt werden, aber es fehlt einfach die Zeit. Trotzdem wollen wir euch mal wieder mit ein, zwei kleinen Blogposts unterhalten. Man verzeihe aber trotzdem, dass es vielleicht nicht ganz so in die Tiefe geht, wie ihr es gewöhnt seid. Auf juristischer Seite wollen wir auch mal allgemein auf den Kollegen Düllberg verweisen, der viele juristische Fragen rund um das Fansein in seinem Blog verwurstet.

Trotzdem beleuchten wir mal den Polizeieinsatz auf Schalke etwas näher.

Sachverhaltsannahme

Es ist immer etwas schwierig, in solchen Fällen eine wirkliche endgültige Beurteilung zu schreiben. Das liegt daran, dass ja niemand den ganzen Sachverhalt wirklich überblickt. Man muss sich aus den unterschiedlichen Quellen eine Wahrheit zusammenreimen. Wir nehmen mal folgende Lage an (!), sagen aber gleich, dass dies nicht die wahre Wahrheit ist:

Im Schalker Block wird eine mazedonische Fahne gezeigt. Und zwar eine inoffizielle, weil es zwischen Griechenland und Mazedonien einen Streit um Namen, Symbole und so etwas gibt. Irgendwelche nationalistische Kackscheiße, die man nur mit „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel“ kommentieren kann. Gezeigt wurde diese Fahne, weil die Ultras Gelsenkirchen irgendwie dicke mit einer Gruppe aus Skopje sind. Warum die nun mit einer solchen Gruppe befreundet sind, erschließt sich uns eher gar nicht, wenn an diesen Zeilen auch nur ein Funken Wahrheit ist.

Der Gästeblock war sowieso schon ziemlich am rocken (Pyro, Böller etc. pp) und tickte nun wohl aufgrund dieser Fahne vollkommen aus. Es wurde angeblich Platzsturm und alles Mögliche angedroht. (Hier sagen wir mal, dass da wohl an der Wahrheit herumgeschraubt wurde!)

Die Fahne wird nicht auf Bitten abgenommen und wird dann von der Polizei unter Zurhilfenahme von Pfeffer und Knüppel entfernt.

Später wird davon gesprochen, dass diese Fahne den „Tatbestand der Volksverhetzung“ erfüllt habe. Empörung und Kopfschütteln ist die Folge, Schalke stellt sich hinter seine Fans. Und eigentlich nur der Polizist aus dem Kasperletheater namens Wendt findet den Einsatz voll schnafte.

Aber wie sieht das denn nun rechtlich aus?

Das nun Folgende ist eine rein juristische Betrachtung. Da sind Emotionen mal ganz bewusst außen vor gelassen. UND sie ist nicht abschließend. Sie soll nur mögliche Überlegungen darstellen, um dann zum eigentlichen Problem zu kommen. Nur damit das klar ist.

Das Schalke Unser schreibt in seinem Artikel was von „Ende des Rechtsstaates“ und so müssen sich die Betroffenen gefühlt haben. Ohnmächtig, unschuldig und überfordert.

In einer Juraklausur darf man Dinge, die offensichtlich sind (z.B. bei Mord, dass jemand tot ist) in einem kurzen Satz ohne weitere Begründung abhandeln. Man soll so Platz und Zeit für die eigentlich wichtigen Punkte bekommen. So wollen wir es hier auch halten:

Eine Volksverhetzung im Sinne des § 130 StGB kann man hier nicht einmal andenken. Es fehlt an JEDEM Tatbestandsmerkmal.

Es ist bemerkenswert, dass die Polizei sich auch noch einen Tag später auf diese Begründung zurückzieht. Sie ist absurd, unsinnig und lässt einen mit Kopfschütteln zurück. Okay, in der Strafverfolgung ist es nicht Aufgabe der Polizei, Straftatbestände absolut zu prüfen. Das ist Aufgabe von Staatsanwaltschaft und Gerichten. Die Polizei darf bereits bei einem Verdacht handeln und – so schlimm das klingt – sie darf auch polizeiliche Zwangsmittel einsetzen, um einem Verdacht nachzugehen. Ist auch logisch, wenn man mal folgenden Sachverhalt sieht: Mann steht mit blutigem Messer über Leiche, Polizei kommt, Mann rennt weg. Das die Polizei ihn hier auch mit Gewalt (z.B. Bein stellen) aufhalten darf, leuchtet irgendwie ein. Das der Mann sich später als Unschuldig herausstellt, weil er nur Passant war, der Leiche sah und Messer aufhob, ändert daran nix. Deswegen ist im Bereich der Gewalt halt Verhältnismäßigkeit so wichtig und deswegen ist „erst Schießen, dann fragen“ auch nicht so ohne Weiteres erlaubt.

Aber es geht hier halt nicht um Strafverfolgung. Mag die Polizei sowieso nicht, da ist sie nämlich nur „Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft“. Viel schöner, ehrenhafter und immer mehr der Schwerpunkt der Polizei ist die präventive Gefahrenabwehr. Umso erstaunlicher, dass sie diesen Begründungsweg in der Öffentlichkeit nicht gewählt hat. Vielleicht weil es nicht so griffig ist? Weil es nicht so die schöne Keule ist? Wir wissen es nicht. Aber betrachten wir doch mal diese Eingriffsmöglichkeit:

Was in der Theorie sehr großartig klingt, nämlich Straftaten zu verhindern, bevor sie passieren, ist in der Praxis leider gar nicht großartig. Bevor man sich da überhaupt in Einzelheiten verliert, ist das auch dem letzten klar, denn wir greifen in einem Zeitpunkt ein, in dem noch nichts Verbotenes passiert ist. Und Prognosen sind bekanntlicherweise immer dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen.

Was hätte denn hier verbotenes passieren können? Klar, Massenschlägerei, POAK stürmt die Nordkurve, Körperverletzungen etc. pp.

In unserem Rechtssystem darf die Polizei dann präventiv eingreifen, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung droht. Dieser Begriff ist äußerst problematisch, wenn es um seinen „Ordnungsteil“ geht, das sei hier aber mal ausgeklammert. Er ist sehr unbestimmt und wird dafür auch kritisiert.

Aber hier wollen wir mal annehmen, dass die Gefahr konkret war und dass eine Massenschlägerei die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet.

Nur kurz: Da der Gästeblock in der Schalker Arena hermetisch abgeriegelt ist und zwar durch Beton und feste Türen, kann man hier natürlich daran zweifeln, wie konkret denn ein Sturm der POAK Fans aus dem Gästeblock denn so ist.

Muss die Polizei sich denn nicht zuerst an die POAK-Fans halten? Immerhin wollen die doch Straftaten (konkret: Schalkern auf die Nuss hauen) begehen?

Gute Frage. Und da sind wir bei der Verantwortungsverteilung des Sicherheits- und Ordnungsrecht. Dann wird es wirklich eklig. Vorab: Das Ganze ist vollkommen schuldunabhängig. Ob sich Schalker mit dem Zeigen der Fahne irgendwas strafrechtlich zu Schulden kommen lassen, ist so etwas von egal.

Sie müssen nur eine Gefahr verursacht haben. Haben sie. Haben die POAK Fans auch. Und zwar unmittelbarer, weil sie ja diejenigen waren, die losgehen wollten. Nun ist das Polizeirecht prinzipiell so, dass zuerst gegen diejenigen Vorgegangen werden soll, die unmittelbar die Gefahr verursachen.

Also rein zu den PAOK-Fans? Ganz so einfach ist das nicht, denn das Polizeirecht kennt noch den Zweckveranlasser. Sprich jemanden, der mittelbar die Gefahr verursacht –
durch sein Verhalten und nicht einfach, weil er da ist. Anders als der Rautenfan, der alleine schon durch seine Anwesenheit provoziert und eine Gefahr heraufbeschwört, machen die Schalker das ja doch relativ bewusst. Und wenn es ihnen nicht bewusst war, welche Wirkung diese Fahne hatte, dann hatte man es ihnen ja gesagt. Fahne weg = alles easy im Gästeblock (maßlose Übertreibung, ist jedem klar, oder?). Eine Überlegung, die man nicht von der Hand weisen kann, oder?

Und dann darf die Polizei wählen. Und zwar unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und der Effektivität der Gefahrenabwehr.

Und böse Menschen denken nun: Klar, geht sehr viel einfacher, so ein paar Schalker Ultras umzuboxen, die man kennt, die sich aufgrund von Totalüberwachung immer zweimal überlegen, ob sie sich wehren (Widerstand gegen Staatsgewalt, Yeah), die Fahne zu holen und alles ist gut, als sich mit so einem griechischem Mob rumzuhauen, den man nicht kennt, der einen Ruf wie Donnerhall hat, der Böller und mehr dabei hat und drüben wird weiterhin mit der Fahne gewedelt. Effektivität ist da ein sehr hässliches Wort. Dieses Tatbestandsmerkmal ist schnell und einfach erfüllt. Effektiv ist die breite Anwendung von Knüppel und Pfeffer immer.

Und dann sind wir wieder in dem, was jeder Jurastudent so hasst. Dem Gesinnungsaufsatz der Verhältnismäßigkeit. Und hier wollen wir euch alleine lassen. Ist das verhältnismäßig, in eine Tribüne mit vielen Ahnungslosen und Unbeteiligten reinzuspazieren und großflächig polizeiliche Zwangsmittel einzusetzen? Man kann hier seine Zweifel haben, man kann aber auch Wendt-mäßig sagen „ist halt kein Kinderspielplatz, da rockt es auch mal“. Und in der Logik der Polizei geht der Unbeteiligte ja auch zur Seite, wenn 200 Behelmte kommen und sagen „Tschuldigung, wir müssen hier mal durch“. Und wenn er eben nicht zur Seite geht, dann behindert er eine polizeiliche Maßnahme und ist damit nicht mehr Unbeteiligter, sondern Störer. Pfeffer Marsch.

Um es kurz zu machen: Man bekommt ohne Weiteres diesen Einsatz über das Polizei- und Ordnungsrecht begründet und als „rechtmäßig“ tituliert.

Und dann ist es eben nicht das Ende des Rechtsstaates (siehe Wikipedia-Definition), auch weil dieser Begriff wenig aussagt. Nein, das Problem liegt ganz woanders.

Und das ist des Pudels Kern

Wir möchten nicht wissen, wieviele Leser nun vollkommen wutentbrannt diesen Artikel weggeklickt haben. Aber liebe Leute, das Problem ist nicht die Polizei und auch ACAB greift eben viel zu kurz. Das Problem ist eine Gesellschaft, welche „Sicherheit“ und „Ruhe“ und „Reibungslosigkeit“ zum Non plus ultra erklärt und gar nicht sieht, dass sie jegliche Schranken überschritten hat.

Wer sich nicht konform zur Mehrheit verhält, gerät immer mehr in den Fokus von Repression und (polizeilichem) Druck. Und dabei sprechen wir nicht einmal von irgendetwas, was strafbar wäre, sondern von ganz normalem menschlichem Verhalten, was als „störend“ oder potentiell sicherheitsgefährdend pauschal verboten wird.

Man blicke nur auf die heutzutage üblichen Verbote, irgendwo Alkohol zu trinken. Natürlich passiert dann auch weniger (effektiv!) und die breite Öffentlichkeit findet das daher super. Ob es verhältnismäßig ist, jedem Menschen das Feierabendbierchen in der Bahn, auf dem Platz zu verbieten? Wen interessiert diese Frage? Hier wird etwas, was grundsätzlich nicht stört (es geht hier nicht um den übermäßigen Alkoholgenuss oder lautes Singen und Grölen im betrunkenen Zustand) und nicht verboten ist, kriminalisiert und für „Sicherheit- und Ordnung“ verboten.

Und zugespitzt wird das Ganze eben im Fußballkontext. Verhalten, welches vor ein paar Jahren noch ein Schulterzucken verursachte (z.B. Plakate, die sich unfreundlich mit dem Gegner beschäftigen) werden nun polizeilich verfolgt. Hinzu kommt, dass „die breite Öffentlichkeit“ eine Hochrüstung der Polizei mitträgt und gutheißt, welche auch der deutschen Polizei so problematische Mittel wie Pfefferspray an die Hand geben.

Es ist eben nicht wie früher, wo die Polizei Feuerwehrtechnik (siehe verlinktes Video) einsetze und ansonsten in Mantel und Hut erschien. Nein, heute haben wir es mit einer perfektionierten, anonymen Kampftruppe zu tun. Und wer einen Kampfhund an die lange Leine lässt, der muss sich nicht wundern, wenn er diese Leine ausnutzt.

Das Ganze geschieht in einem Klima, in denen sich Innenminister mit Law-and-Order-Forderungen überbieten und jede Straftat, jeder Gefängnisausbruch, jede Randale beim Fußball zu der lauten Forderung nach „Konsequenzen“ führt. Wie soll in einem solchen Umfeld ein Einsatzleiter der Polizei handeln? Ruhig? Deeskalierend? Abwartend? Und damit seinen Arsch risikieren? Nein, er wird auf die Verhältnismäßigkeit scheißen und das effektivste Mittel wählen.

Wir müssen eben gesellschaftlich dazu zurück kommen, dass Freiheit nicht nur die des anders Denkenden, sondern auch die des anders Handelnden ist. Und müssen akzeptieren, dass nicht jede Straftat verhinderbar ist und präventive Gefahrenabwehr enge Grenzen hat. Und dies muss gesetzlich mit einer Einschränkung des Sicherheits- und Ordnungsrecht passieren.

5 Kommentare

  1. Hallo Eric,

    wie schon im Bericht selber geschrieben: Wir haben das wirklich zu Ende geprüft. Wir haben nur aufgezeigt, wo eine juristische Rechtfertigung hinlaufen könnte. In diesem Zusammenhang kann man auch gut auf den Artikel der Ultras Gelsenkirchen zum gleichen Thema verweisen:

    http://ultras-ge.de/?p=3781

    Wir als FCSP Fans erinnern uns aber auch immer schmerzlich an die gerichtliche Auseinandersetzung um einen Kartenverkauf an Hansa Rostock. Da wurde der Verein (!!!) in erster Instanz auch als Störer gesehen. Man sieht, wie weit dieser Begriff teilweise gesehen wird. Erst das OVG korrigierte diese Ansicht (ohne das Endergebnis zu ändern).

    Man kann da sehr gut anderer Meinung sein. Mal sehen, wie es hier die Gerichte sehen, wenn dies vor Gericht kommt.

  2. […] einmal und hoffentlich letztmalig zu Schalke vs. PAOK und was da so los war: magischerfc.de: Sicherheit und Ordnung auf Schalke durchgesetzt, darin […]

  3. Moin,
    ist das Absicht, dass hier überall POAK statt PAOK steht?
    Lieben Gruß

  4. Nö, it’s a bug, not a feature

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