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Wiedervorlage: Die ZIS-Vorauslage

oder

Wenn SKB und ZIS nur Geldverschwendung sind

Vorwort

Liebe Leser, dieser Bericht ist bitte sehr vorsichtig zu lesen. Er differenziert ganz bewusst und versucht, sich ganz gezielt in die Lage von Einsatzleitern vor Ort zu begeben. Viele Leute haben schon über die geleakte sogenannte „Vorauslage“ der ZIS geschrieben. Verlinkt sei mal der Bericht bei Publikative. Es ist aber mal interessant, das Ganze noch etwas genauer zu betrachten und dabei den Schwerpunkt auf unser Spiel in Kaiserslautern (ergänzt durch unseren Besuch in Duisburg, um auch mal Busanreisen zu dokumentieren) zu legen. Warum auf dieses? Ganz einfach, wir sind ein FCSP-Blog und wenn wir eine Fanszene einschätzen können, dann ja wohl (hoffentlich) die eigene. Und durch die hohe Anzahl der Mitreisenden sollten auch viele unserer Leser zu einer eigenen Einschätzung kommen können.

Die ganze Betrachtung kommt dabei ganz bewusst von der Sicherheitslogik her und nicht von der Freiheitslogik des Betroffenen. Es soll einfach gezeigt werden, dass selbst in einer Polizeistaatlogik (um mal ein bisschen polemisch zu werden) sehr viel schief läuft bei der Begleitung von Fußballeinsätzen.

Die Lage

Fangen wir also erstmal damit an, was in diesem Bericht über unser Spiel beim FCK so stand:

Zitat Beginn

2.1 Vorauslage

Nach Angaben der Polizei Hamburg wurden mit Stand vom 13.05.2013 ca. 2.600 Tickets im Kartenvorverkauf abgesetzt. Insgesamt wird mit 3.000 bis 3.500 anreisenden St. Pauli-Fans nach Kaiserslautern (KL) gerechnet, von denen etwa 850 bis 1.000 direkt aus dem Großraum Hamburg anreisenden [sic!] werden. Unter den Gästefans werden sich voraussichtlich ca. 100 Personen der Kategorie B sowie 30 bis 40 der Kategorie C befinden.

Bei den B-Fans handelt es sich überwiegend um Angehörige der Gruppierung „Ultras St.
Pauli (USP)“, die vornehmlich in schwarzer Bekleidung anzutreffen sind oder zum Teil auch braune Trainingsjacken und schwarze Wollmützen mit dem Emblem der „USP“ tragen („Che Guevara“-Kopf und die Buchstaben „USP“). Die C-Fans aus St. Pauli setzen sich sowohl aus Ultras der „USP“ als auch aus Angehörigen der Gruppierungen „Reisegruppe Kiez“ und „St. Pauli Warriorz“ zusammen.

Da die auswärtige Risikofanszene durchgängig linksorientiert ist, sind bei einem Aufeinandertreffen mit politisch rechts gerichteten Personen körperliche Angriffe zu erwarten. Dafür reicht es aus, wenn dem Gegenüber eine entsprechende Gesinnung unterstellt wird (z.B. durch das Tragen von „Thor Steinar“-Bekleidung).

Die Polizei Hamburg teilt mit, dass bei einigen Auswärtsspielen des Gastvereins pyrotechnische Erzeugnisse durch Einzelpersonen gezündet worden sind. Diese Personen stammen jedoch nicht aus dem Kreis der Ultraszene, von der derartige Störungen grundsätzlich nicht zu erwarten sind. Im Rahmen der Einlasskontrollen wird jedoch darauf hingewiesen, dass es im Falle einer (zu erwartenden) geschlossenen Ankunft (insbesondere) der mit einem Sonderzug anreisenden auswärtigen Ultras zu (ggf. geplanten) Drucksituationen am Einlass kommen kann (Kassen-/Blocksturm). In der Vergangenheit wardies nach Erkenntnissen der Polizei Hamburg mehrfach geplant, konnte jedoch aufgrund entsprechender Polizeipräsenz überwiegend verhindert werden.

Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass ein Teil der Gästefans bereits bei der Ankunft am Spielort größere Mengen alkoholischer Getränke konsumiert haben wird, insbesondere die Kuttenträger. Im Rahmen der An- oder Abreise, insbesondere bei Unterwegshalten an Tank- und Rastanlagen, können Diebstahlsdelikte durch (busreisende) Gästefans nicht ausgeschlossen werden.

Das Verhältnis der (Problem)Fans des FC St. Pauli zur Polizei ist derzeit sehr angespannt. Weisungen der Polizei oder des Ordnungsdienstes werden nur widerwillig oder gar nicht befolgt. Bei einem polizeilichen Einschreiten gegen St.Pauli-Anhänger ist mit einer starken Solidarisierung der Fans zu rechnen. Insbesondere im Stadion muss beim Einschreiten von Ordnern und/oder Einsatzkräften auch erwartet werden, dass diese sofort angegriffen werden.

Das Verhältnis der Problemfans beider Anhängerschaften zueinander wird übereinstimmend als rivalisierend eingestuft. Bei einem unkontrollierten Aufeinandertreffen von B-/C-Fans aus KL und St. Pauli ist daher mit verbalen Provokationen und unmittelbar beginnenden, gruppendynamischen Auseinandersetzungen zu rechnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es nach Spielende zu einem „Platzsturm“ kommt (siehe hierzu auch Nr. 10).

2.2 Reisewege/Reisemittel

Durch den FC St. Pauli wird ein Sonderzug mit einer Kapazität von 850 Personen eingesetzt, der bereits seit mehreren Wochen ausverkauft ist. Unter den Mitreisenden werden sich nach Angaben der Polizei Hamburg alle zuvor genannten Problemfans befinden.

Folgende
Fahrtzeiten sind bekannt:
[hier mal gekürzt]

Fast alle übrigen St. Pauli-Fans werden (überwiegend individuell) aus dem regionalen Umfeld des Spielortes bzw. dem restlichen Bundesgebiet anreisen.

Zitat Ende. Hier noch ein paar Ausschnitte aus dem Bericht über das Spiel in Duisburg (da ist viel Wiederholung drin, daher hier nur ein „best off“):

„Unter den Gästefans werden sich voraussichtlich 80 bis 100 Personen der Kategorie B sowie 20 bis 30 der Kategorie C befinden. Bei den B-Fans handelt es sich überwiegend um Angehörige der Gruppierung „Ultras St. Pauli (USP)“, die vornehmlich in schwarzer Bekleidung anzutreffen sind oder zum Teil auch braune Trainingsjacken und schwarze Wollmützen mit dem Emblem der „USP“ tragen („Che Guevara“-Kopf und die Buchstaben „USP“). Die C-Fans aus St. Pauli setzen sich sowohl aus Ultras der „USP“ als auch aus Angehörigen der Gruppierungen „Reisegruppe Kiez“ und „St. Pauli Warriorz“ zusammen.“

„Im Rahmen organisierter Busreisen wurden durch den „Fanladen“ und den Fanclub „Nordsupport“ insgesamt drei Reisebusse der Firma „Hamburg […]“ (aKz.: HH-[…]) angemietet. Auf den beiden erstgenannten und durch den „Fanladen“ angemieteten Reisemitteln können sich erfahrungsgemäß fünf bis zehn B-Fans befinden.“ (Kennzeichen und Firma der Reisebusse von uns gekürzt)

Erstmal sacken lassen

Bevor wir auf den Text eingehen, lassen wir ihn erstmal wirken und fragen uns, auf welcher Grundlage das alles passiert. Die ZIS ist entstanden durch einen Beschluss der Innenministerkonferenz und ist in NRW angesiedelt. Soweit ersichtlich, gibt es keine wirkliche gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit der ZIS. Nur für die dort ebenfalls geführte „Gewalttäter Sport“-Datei gibt es eine Verordnung, weil vorher Gerichte das Fehlen genau dieser bemängelt hatten. Ziel der ZIS ist es – laut Eigenbeschreibung – „die Koordination und Durchführung des aufgabenorientierten Informationsaustausch“. Kurz: Sie sammelt Informationen über uns Fußballfans und gibt sie weiter. Das mag man nicht mögen und kann man auch sehr kritisch sehen, aber im polizeiinternen Bereich (sprich: zwischen den Behörden der Länder) haben Gerichte das für unproblematisch erklärt. Und rein theoretisch ist das ja auch gar nicht doof. Wenn wirklich echte Informationen ausgetauscht werden würden, dann würde man bei einem vollkommen unproblematischen Spiel wie Paderborn nicht von einer Polizei empfangen, die Bürgerkrieg erwartet.

Nun offenbart das Papier aber auch seinen Verteiler. Und dieser beinhaltet mit „Bundesliga“ und „Berlin DB AG“ zwei Empfänger, die nicht im Polizeikreis sind. Nun kommt das bei dem von uns zitierten Text nicht so heraus, aber wenn man mit dem Bus anreist, dann sind da selbst die Kennzeichen der Busse enthalten. Es ist schon bemerkenswert, dass so unbestimmte Empfänger wie „Bundesliga“ solche doch sensiblen Daten erhalten. Vielleicht will z.B. ein Busunternehmer aus Unna nicht so ganz an die große Glocke hängen, dass er BVB-Ultras fährt? Und immerhin steht jeder Busunternehmer in einem Konkurrenzverhältnis zur Deutschen Bahn. Es wird hier in einen sehr breiten Verteiler gepustet. Und ohne Abstufung, wen was anzugehen hat. Sprich: Was soll die Bahn mit Kennzeichen von Bussen?

Ist denn so eine Weitergabe erlaubt? Da wir uns hier im Bereich der Polizei NRW befinden und eine gesonderte Rechtsgrundlage nicht zu erkennen ist, müssen wir wohl auf das Polizeigesetz NRW zurück greifen. Alleine das zeigt schon die Problematik: Obwohl ein Spiel z.B. null Berührungspunkte mit dem Bundesland Nordrhein-Westfalen hat, gelten plötzlich dessen Landesnormen.

Polizeigesetze sind uns bei unseren Abhandlungen ja bereits mehrfach begegnet und man ist hier in einer äußerst problematischen Rechtsmaterie. Polizeigesetze behandeln Prävention. Sie sollen der Polizei ein Handeln ermöglichen, bevor etwas passiert. Ein auf den ersten Blick logischer Gedanke. Dass derartige Prognosen stets sehr schwierig sind, darf man allerdings nicht vergessen. Dementsprechend bleiben viele Normen in Polizeigesetzen vage, um der Polizei Flexibilität zu gewähren. Und gerne vergisst der Gesetzgeber dabei, dass er auch einen Schutzauftrag gegenüber dem Bürger hat. Diesen dann durchzusetzen überlässt er wiederum den Gerichten. Warum? Weil auch viele Bürger diesen Schutzauftrag vergessen. Argumente, die mit „Wenn ich nichts gemacht habe, dann…“ beginnen, sind jedem bekannt.

Und so einen Gummiparagraphen haben wir auch in § 29 des Polizeigesetzes NRW, denn danach ist die Weitergabe erlaubt, „soweit dies zur Erfüllung ihrer [gemeint ist die Polizei] Aufgaben oder zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder zur Abwehr schwerwiegender Beeinträchtigung der Rechte einer Person erforderlich ist“. (Zitat ist ein bisschen redaktionell umgestellt)

Liebe Leser, selbst bei dieser sehr offenen Formulierung kann man sich wirklich fragen, ob sie die Rechtsgrundlage dafür gibt, dass die Deutsche Bahn (und die Bundesliga!) Kennzeichen von Bussen erfährt und weiß, wie einzelne Fans durchs Bundesgebiet reisen. Würde man der Bahn nur einen Ausschnitt geben, auf welchen Strecken erhöhtes Aufkommen von Fans des Vereines A, B oder C zu erwarten ist, dann würde man das problemlos in diese Norm bekommen, alleine schon um irgendwelches Gedränge zu vermeiden, z.B. weil gerade heute beim Spiel Osnabrück – St. Pauli zwischen Bremen und Osnabrück der Schienenersatzverkehr geplant war. Da soll und muss die Polizei auch präventiv tätig werden und was ist bessere Prävention, als so etwas zu kommunizieren? Soweit so unproblematisch. Problematisch wird es eben bei konkreten Gruppennamen und konkreten Busdaten. Diese haben bei der Bahn einfach nix zu suchen. Wie schon erwähnt: Gerade ein Busunternehmer hätte gute Gründe, solche Sachen nicht der Bahn zu melden. Immerhin ist man ggf. Konkurrenz.

Gleiches gilt für die Weitergabe an die „Bundesliga“. Nun mag die Anzahl der Busse für den gastgebenden Verein noch von Interesse sein (z.B. um entsprechenden Parkraum vorzuhalten), aber warum auch hier Kennzeichen und Infos, welche Gruppe welchen Bus gemietet hat, weitergegeben werden, ist wahrscheinlich auch ausschließliches Geheimnis der Polizei.

Noch etwas fällt auf. Es werden ja nicht nur Daten von B- und C-Fans gesammelt und weitergegeben, sondern es werden ja auch die Anreisedaten von A-Fans zusamengestellt und in diesen weiten Verteiler gepustet. A-Fans sind Fans, die selbst von der Polizei (!!!) als vollkommen unproblematisch gesehen werden! Wie eine solche Datenerhebung und Weitergabe unter § 29 passen soll, weiß wahrscheinlich niemand.

Aber nun zu uns!

Informationen sind nur dann wirklich nützlich, wenn sie stimmen. Nur so kann eine örtliche Polizei flexibel und auch Ressourcenschonend ihre Kräfte einsetzen. Und steht ein wichtiger Kritikpunkt: Wenn man sich mal die Vorauslage zu Kaiserslautern ansieht, dann sehen wir da kein Potential für ein Hochrisikospiel und dies wird ja auch dadurch deutlich, dass man Bier im Stadion erwerben konnte. Trotzdem setzte die Polizei auf dem Hinweg nicht nur auf eine komplette Fantrennung, sondern lies auch einen Hubschrauber über dem Marsch fliegen, um dann per Twitter anzukündigen, dass man den nun abziehe, weil ja alles gut verlaufen sei. Wenn man mal dem oben zitierten Geschreibsel glauben will, dann war die auch nicht anders zu erwarten (oder wie schrieb jemand so schön auf Twitter „was ist daran so bemerkenswert?“) und der Hubschrauber war schlichtweg nur eines: Steuergeldverschwendung. In der Vorauslage wird nur vor „unkontrolliertem“ Aufeinandertreffen von B- und C-Fans gewarnt, von denen es bei uns gerade einmal 100 geben soll.

Leider veröffentlicht die Polizei Kaiserslautern keine Anzahl der eingesetzten Beamten, aber wir gehen mal vorsichtig davon aus, dass uns ca. 200 begleitet haben. Laut der Pressemitteilung wurden selbst Kollegen aus dem Saarland angefordert. Wenn man mal 200 Polizisten in unserer Begleitung annimmt, dann hatte also jeder von der Polizei (!!!) als problematisch angesehene Fan zwei Polizisten direkt an seiner Seite. Man kann hier sehr gut die Frage nach der Verhältnismäßigkeit stellen. Oder glaubt man dem ZIS-Bericht nicht? So oder so: Hier wird Geld ausgegeben, ohne die entsprechende Wirkung zu haben.

Nur seien wir ehrlich, man kann auch an der Qualität der Berichte stark zweifeln. Es ist bezeichnend, dass es die Polizei Hamburg nicht schafft, die Gruppe, die sie seit zehn Jahren auf dem Kieker hat, richtig zu bezeichnen. Oder kennt ihr die Ultras St. Pauli? Wir nicht. Wir kennen nur Ultrà Sankt Pauli und ja, das ist ein Detail, aber gerade Details sind doch wichtig, wenn ich eine differenzierte Herangehensweise haben will.

Dazu noch ein bisschen Realsatire (das mit den Mützen) und noch mehr falsche Informationen. (Oder hat jemand einen Sonderzug vom Verein FC St. Pauli gesehen? Nebenbei hatte dieser laut vermietender Firma auch eine andere Anzahl an Plätzen.) Fertig ist der Zweifel, dass die Informationen, die für Polizeiarbeit (!!) wirklich wichtig sind (B, C welche Gruppen? Etc.) der Wahrheit entsprechen.

Oder drücken wir es mal anders aus: Wenn selbst die paar Fakten, die wir nachprüfen können und wollen, mit Fehlern nur so durchsetzt sind, dann spricht das kaum für die Qualität der anderen Informationen. Würdet ihr euch als Einsatzleiter darauf verlassen, insbesondere, wenn ihr die Ohren richtig lang gezogen bekommt, wenn das alles schief geht? Definitiv nicht. Also fahrt ihr Hubschrauber und Bürgerkriegsausstattung für nix und wieder nix auf.

Die Kollegen bei Publikative überlegten ja so ein bisschen, was eigentlich die Quellen für diese Infos sind, und viele dieser Infos werden garantiert von unseren sogenannten szenekundigen Beamten zusammengestellt und/oder gefiltert. Die Fehlerhaftigkeit dieser Informationen unterstützt die Theorie, die ich (@headnutHH) schon vor Jahren gegenüber unserem damaligen Innensenator vertreten habe: In dieser Form braucht SKBs kein Mensch. Nicht einmal Sicherheitsfanatiker. Sie sind reine Geld- und Zeitverschwendung.

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