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Ein Wochenende mit den Refugees

Liebe Leser,

einige Tage haben wir euch trotz vieler Ereignisse nicht mehr auf dem Laufenden gehalten. Unser schreibwütigstes Drittel ist derzeit auf Reisen, während der Rest von uns rotiert. Es gibt wahrlich einiges zu erzählen!

Am vergangenen Freitagabend machten wir uns erstmals selbst ein Bild von der Lage in der St.-Pauli-Kirche am Pinnasberg. Sicherlich habt ihr schon einiges davon gelesen, so zum Beispiel bei den tüchtigen Kollegen vom Ostblock. Unser Eindruck ist ein ganz ähnlicher: Die Zuflucht, die die afrikanische Flüchtlinge bei Pastor Wilms und seinen Leuten gefunden haben, ist eine echte Oase in der Hamburgischen Tristesse.

Wir wollen nicht behaupten, dass das Schlafen und Essen mit zig anderen Leuten in einem Kirchenschiff oder die anderen Umstände paradiesisch seien. Doch der ganze Ort strahlt eine so friedliche Atmosphäre aus, dass es einfach schön ist, dort zu Besuch zu sein. Die „Embassy of Hope“ – „Botschaft der Hoffnung“ im Kirchgarten lädt die Leute aus dem Viertel und von außerhalb zu Begegnungen ein, was viel genutzt wird. Kommt selbst vorbei in der Kirche, sprecht mit den Gestrandeten und lernt diese freundlichen Menschen kennen!

Nachdem wir einen ersten Eindruck der Lage gewinnen konnten, bereiteten wir uns auf die Demo am Sonnabend vor. Also flugs zwei Transpis bemalt und die nötigen Absprachen getroffen. Die Demo am nächsten Tag selbst verlief sehr gut, mit geschätzten 1.500 Teilnehmern war das „Randgruppen-Thema“ auch gar nicht mal schlecht besetzt. Man sollte nicht vergessen, dass parallel dazu die Ereignisse in Glinde Kräfte banden.

Kritisieren müssen wir, dass manche immer wieder vom „NATO-Krieg“ sprechen. Wir wollen keinen Historikerstreit vom Zaun brechen, aber der Bürgerkrieg in Libyen wurde sicher nicht von der NATO ausgelöst. Zweifellos aber muss Europa endlich mehr Verantwortung für die hierher geflohenen Menschen aus Afrika übernehmen, deren Probleme nicht zuletzt dem Erbe des Kolonialismus geschuldet sind.

Am Ölmühlenplatz fand am Samstagnachmittag eine große Soli-Veranstaltung für die Lampedusa-Gruppe statt. Herrlicher Sonnenschein und viele tolle Menschen schufen eine zauberhafte Atmosphäre, die wir lange genießen konnten. Die Jungs der Notgemeinschaft Peter Pan ließen sich nur ein wenig bitten, bis sie am frühen Abend vor dem Knust ihr Soli-Konzert zum besten gaben.

So spaßig die Nummer war, so stieß der Schrabbelpunk bei den Refugees selbst offenbar nicht auf sehr viel Gegenliebe. Wie man hört, waren Künstler von potentiell beliebteren Musikrichtungen nicht zu bekommen, was sehr schade ist. Unseren Spaß hatten wir, aber um die Hamburger sollte es eigentlich weniger gehen.

Nundenn, wir zogen im Anschluss noch einmal weiter zur Kirche. Schließlich gibt es immer etwas zu tun. Nach einigen sortierten Kleiderspenden entschlossen wir uns spontan, bei der Nachtwache der Ossis mitzumachen – auch wenn ein Teil von uns die „Nacht“ größer schrieb als die „Wache“. Hier noch einmal von uns der Appell: Wer Zeit zu entbehren hat, sollte sich unbedingt in der St.-Pauli-Kirche melden, denn „Nachtwächter“ werden dringend gesucht.

Nach einigen Stunden Schönheitsschlaf auf der heimischen Matratze begaben wir uns am Sonntagnachmittag erneut zu den Refugees. Wegen Gottesdienst und Konzert hatten zahlreiche Helfer das Nachtlager vorübergehend aus dem Kirchenschiff verlegt, sodass der Betrieb wohl recht normal weitergehen konnte. Und immer wieder kamen Menschen vorbei, die auf unterschiedlichste Weise ihre Hilfe anboten.

Überwältigt sind wir und auch die vielen anderen Helfer davon, wie viele Menschen sich engagieren. Seien es die vielen großartigen Sachspenden, die Zeit und Arbeit, die einige in die Unterstützung der Flüchtlinge stecken, oder einfach die Welle an Solidarität, die spürbar ist. Manchmal möchte man nur dastehen und heulen vor Rührung.

Klar, die Unterbringung in der St.-Pauli-Kirche ist keine optimale Lösung. Doch eine Zweckentfremdung ist das bestimmt auch nicht. Man mag von der Kirche an sich halten, was man will – aber das, was dort so unbürokratisch an humanitärer Hilfe geleistet wird, ist außergewöhnlich. Unsere Hochachtung vor der logistischen Meisterleistung inmitten des Chaos, mit der die Refugees dort versorgt werden.

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