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Ein politischer Skandal…

oder

Kein guter Deal

Vorwort

Vieles hat schon der Frodo geschrieben, der das „Vergnügen“ hatte, gestern auch bei dem angesetzten Hintergrundgespräch dabei zu sein. Das kann man lesen und dann unseren Text vergessen. Oder ihn als zweite Sicht lesen, denn nähern wir uns dem Ganzen etwas anders. Und zwar, indem wir einfach mal Fragen stellen, Rechtsquellen wälzen und uns dann fragen, wer hier eigentlich über den Tisch gezogen wurde.

Vorbemerkung / Man kann es eigentlich auch sein lassen…

Der Bericht der Arbeitsgruppe liegt uns vor, sollte auch öffentlich sein (wenn er dies zum Zeitpunkt des Onlinestellens ist, dann findet ihr hier den Link). Und mit einem solchen Zitat wollen wir die Betrachtungen auch beginnen:

„Es war in der AG unstrittig, dass die polizeilichen Maßnahmen für die Einhaltung eines geordneten Veranstaltungsablaufs auf rechtsstaatlicher Grundlage erfolgen und für Fußballveranstaltungen dieser Art und Größe unverzichtbar sind. In Anerkennung der oft schwierigen Handlungsbedingungen war es deshalb auch nicht Ziel der AG-Arbeit, einzelne polizeitaktische Maßnahmen und Einsatzverhalten zu bewerten.“

Es ist schon harter Tobak, wenn so etwas in einem Bericht steht, bei dem (Zitat laut Übersteiger) „jeder hinter jedem Komma“ steht. Da kann man schon nicht mal mehr von einem kleinsten gemeinsamen Nenner sprechen, denn was dann in dem Bericht folgt, ist ein Persilschein für sämtliche einzelnen Polizeimaßnahmen, obwohl diese doch nicht bewertet werden sollten.

Formulierungen wie „Durch den aus Sicht der Polizei notwendigen Einsatz von Pfefferspray…“ finden sich zuhauf in dem Abschlussbericht und werden unkommentiert und unwidersprochen (denn man wollte ja nicht darüber reden) aufgenommen – und damit schlichtweg zur Wahrheit für den Leser erhoben.

Eigentlich könnte man hier auch die Beschäftigung mit dem Bericht abbrechen. Wenn ich (laut Überschrift) ein Geschehen aufarbeiten und analysieren möchte, wenn ich (laut Einleitung) daraus Folgerungen für die Zukunft ziehen will, dann kann ich nicht einfach das Verhalten einer Konfliktpartei unkommentiert und unreflektiert in einen solchen Bericht einfließen lassen.

Warum hier Fanladen und Verein nicht einfach aufgestanden sind und ein fröhliches „Fickt euch, macht eure Lügenscheiße doch alleine!“ in die Runde geworfen haben, kann man wohl nur mit den alltäglichen Sachzwängen erklären. Weh tut es trotzdem, und zwar nicht zu knapp.

Irgendwann muss man sich auch als FCSP fragen, ob diese Sachzwänge einen Tritt in den Arsch der eigenen Fans wirklich rechtfertigen. Und hier muss man den Verein mehr ansprechen, als das Fanprojekt. Denn der Verein hat kommerziell (z.B. Erlaubnis zum Bierverkauf) etwas zu verlieren. Wann ist mir also das Bier näher als die Moral? Und wann nicht mehr?

Stadionverbote?

Aus dem ganzen Komplex resultieren insbesondere zwei Stadionverbote, die man doch als kritisch ansehen kann, um das mal so neutral wie möglich zu formulieren. Man kann ohne weiteres spekulieren, dass diesem white washing ein Deal im Sinne von Stadionverbot weg gegen netten Bericht zugrunde lag. In diese Richtung wird von Publikative spekuliert und ohne jetzt den Wahrheitsgehalt dieser Spekulation bewerten zu wollen, kann man auf dieser Grundlage ja weiter gehen.

Vielleicht war dies ja der „Sachzwang“, der die Unterschrift unter einen solchen Bericht rechtfertigt? Man kann sich auch da fragen, ob dies nicht ein äußerst zweifelhafter Deal wäre, so nach dem Prinzip „Lieber ehrenvolles Stadionverbot, als schäbiger Stadiongang“, aber nun ja. Immerhin wäre hier mal zugunsten von Fans gedealt worden. Das ist ja selten genug bei diesem Verein.

Nur wenn man den Sachverhalt mal wie folgt festhält (ohne zu wissen, ob dies nun stimmt): Es laufen Ermittlungsverfahren gegen die beiden und zwar wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung. Diese sind noch in der Schwebe, es gab aufgrund der Ermittlungsverfahren auf Anregung der Hamburger Polizei Stadionverbote, nun gibt es die gemeinsame Bitte des Vereines und der Polizei an den DFB, diese Stadionverbote aufzuheben, dieser tut dies nicht.

Erste Reaktion, auch von uns: „F**k dich DFB“. Vielleicht gab es selbst „Signale“, dass man als DFB die Verbote aufhebt? Man kann das nur spekulieren, was wir hier nicht wirklich tun wollen. Ziehen wir uns also auf das zurück, was wir können, nämlich Richtlinien uns angucken und auf den oben genannten Sachverhalt anwenden. Und da ist es bemerkenswert: Der DFB verhält sich vollkommen richtig und absolut im Einklang mit seiner Stadionverbotsrichtlinie! „vollkommen richtig“ zumindest in der Anwendung seiner eigenen Normen, das ist jetzt mal rein juristisch verwandt. Sehen wir uns mal die Normen an:

“§ 6 Aufhebung oder Reduzierung des Stadionverbotes bei Änderung der Tatsachengrundlage

Das Stadionverbot ist von der festsetzenden Stelle aufzuheben, wenn der Betroffene nachweist, dass

– das dem Stadionverbot ausschließlich zugrunde liegende Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO oder nach einer entsprechenden Regelung des JGG eingestellt worden ist;

– er in einem Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden ist;

– sonst die Voraussetzungen der in § 4 genannten Fälle nicht erfüllt sind.

Im Falle einer Einstellung des zugrunde liegenden Ermittlungsverfahrens

– nach § 153 StPO soll die festsetzende Stelle das Stadionverbot auf Antrag des Betroffenen noch einmal im Hinblick auf Bestand und Dau-er überprüfen;

– nach § 153a StPO kann die festsetzende Stelle das Stadionverbot auf Antrag des Betroffenen noch einmal im Hinblick auf die Dauer überprüfen.“

und

„§ 7 Reduzierung, Aussetzung oder Aufhebung des Stadionverbotes in anderen Fällen

( 1 ) Das Stadionverbot kann

– bereits bei Erlass auch ohne Antrag des Betroffenen gegen Auflagen ausgesetzt werden oder

– zu einem späteren Zeitpunkt auf Antrag des Betroffenen gegen Aufla- gen ausgesetzt, in seiner Dauer reduziert oder ganz aufgehoben werden, wenn dies beispielsweise

– nach Art und Umständen der Tat,

– aufgrund der Einsicht des vom Stadionverbot Betroffenen,

– des jugendlichen Alters oder

– aus anderen vergleichbaren Gründen unter Beachtung der Zielsetzung des
Stadionverbotes zweckmäßig erscheint.

[…]

( 3 ) Die Maßnahmen nach Abs. 1 sind nur zulässig, wenn der Betroffene:

– bisher nicht als „Wiederholungstäter“ auffiel

– bei Begehung der Tat keine erkennbar kriminelle Einstellung zeigte und die Folgen seiner Tat gering waren

– einsichtig ist und

– die hohe Wahrscheinlichkeit bietet, dass er sich zukünftig sicherheitskonform verhalten wird.

Bei Stadionverboten der Kategorien B und C (§ 5 Abs. 2) kommen diese Maßnahmen in der Regel jedoch frühestens nach Ablauf der Hälfte der Stadionverbotsdauer in Betracht.

Ohne ihn jetzt ganz kopieren zu wollen, muss man wissen, dass wir hier über ein Stadionverbot der Kategorie B sprechen, weil damit u.a. Stadionverbote gemeint sind, die u.a. auf Ermittlungsverfahren basieren, die eine Straftat gegen „Leib und Leben“ als Grundlage haben. Und das ist z.B. eine Körperverletzung.

Wenn man sich das so ansieht, dann kann man § 6 gleich in die Tonne treten, weil das Ermittlungsverfahren noch läuft. Gehen wir auch mal davon aus, dass die sonstigen Voraussetzungen des § 4 erfüllt sind.

Bleibt noch der § 7 und da kommen wir in das schöne Gewässer der unbestimmten Rechtsbegriffe und der „kann“ Vorschriften. Man kann hier lange über die Frage diskutieren, ob man denn einsichtig ist, wenn man vorbringt nur Notwehr begangen zu haben. Man kann lange diskutieren, ob ein Ultra die hohe Wahrscheinlichkeit bietet, sich zukünftig sicherheitskonform zu verhalten (wir hoffen inständig, dass er dies nicht tut), aber man muss das alles nicht. Denn was steht da so schön? „frühstens nach Hälfte der Dauer des Stadionverbotes“. Und wenn uns nicht alles täuscht, dann sind die Stadionverbote bis Ende der nächsten Saison (2013/2014) und zwar zum Ende der letzten, bzw. zum Beginn dieser Saison. Sprich: Wie man es auch dreht und wendet: Die Hälfte der Zeit ist frühstens am Ende dieser Saison erreicht.

Und nun müssen wir mal uns in die Situation des DFB versetzen. Natürlich macht sich dieser Verband sein Recht selbst und hält sich gerne auch mal dran, wie wir an dieser Stelle schon erwähnten. Aber in dem Spannungsfeld zwischen Politik und Fans kann man verstehen, dass man die Wendts und Schünemanns dieser Welt nicht wecken will, indem man seine eigene Richtlinie missachtet. Denn dann liegt vielleicht wirklich mal ein „lascher Umgang“ mit Stadionverboten vor, der ansonsten nur von den Hardlinern behauptet wird. Und auch ein anderer Aspekt spielt da rein: Wenn der DFB will, dass die Vereine diese Richtlinie beachten, dann muss er durch Vorbild führen. Sprich: Das nicht durch eigenes Handeln aufweichen.

Bevor hier jemand uns nun zuviel Verständnis für den DFB vorwirft, sei direkt eingeworfen, dass dies natürlich eine isolierte Betrachtung ist, die etwas ganz entscheidendes ausklammert: Stadionverbote an sich sind Unrecht. Sie beruhen auf Ermittlungsverfahren und damit auf ungeklärten Sachverhalten und sind damit nichts anderes als eine Strafe ohne Verurteilung. Mit den Aufhebungsvorschriften, wie auch mit den Anhörungsvorschriften des § 5a wird eine Rechtsstaatlichkeit vorgegaukelt, die eben nicht vorhanden sein kann, weil das System an sich bereits die Unschuldsvermutung aushebelt. Und nur in diesem Unrechtskonstrukt verhält sich der DFB richtig. Im wahrsten Sinne also folgerichtig. Gerecht oder moralisch richtig macht es dieses Verhalten nicht.

Dazu nebenbei auch ein sehr lesenswerter Artikel aus Kaiserslautern.

Bleibt also abzuwarten, ob und wann unsere Jungs wieder ins Stadion gehen können. Man kann sich immer fragen, ob verhandeln hier der richtige Weg ist und ob nicht eine Revolution richtiger gewesen wäre. Entweder in dem man von Anfang an als FCSP die Stadionverbote ignoriert hätte oder dieses Ignorieren aufgenommen hätte, nach dem die Hamburger Polizei um eine Aufhebung gebeten hat.

Und nun der politische Skandal

Innere Sicherheit ist ein wichtiges Thema in Deutschland, es wird meistens von Hardlinern dominiert, jedoch der Schutz der Bürger vor Gefahren ist die wichtigste Aufgabe von staatlichen Konstrukten. Die Gewährung eines angstfreien und geregelten Lebens ist DIE Hauptlegitimation für das Konstrukt „Staat“.

Und nun steht in dem Abschlussbericht folgendes:

„Im Zusammenhang mit dem „Bannerklau“ waren polizeiliche Maßnahmen nicht zulässig.“

„Der „Tatbestand“ des sog. „Bannerklau“ ist für die Polizei kein Grund zur Ergreifung von
Maßnahmen im Sinne der Gefahrenabwehr. “

Der Bericht stellt fest, dass so ein Bannerklau ziemlich eskalierend aufgrund der damit verbundenen Demütigung ist. Das mal in einem Satz zusammengefasst.

Umso erstaunlicher sind dann die die oben zitierten Sätze. Nein, sie sind nicht erstaunlich, sondern eine Leugnung der wichtigsten polizeilichen Aufgabe. Diese hat laut Polizeigesetz dann einzugreifen, wenn es konkrete Gefahren für die Sicherheit- und Ordnung abgewehrt oder beseitigt werden müssen. Und zwar sowohl für die Allgemeinheit, wie auch für einen Einzelnen (§ 3 SOG HH).

Man lese nun die Definition für die öffentliche Sicherheit: „Die öffentliche Sicherheit umfasst nach allgemein anerkannter Definition die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen und die Funktionsfähigkeit von Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates.“

Subjektive Rechte, wie das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) sind da nun ausdrücklich genannt. Und sehr konkret war die Gefahr ja nun definitiv.

Kurz: Die Polizei erklärt, dass sie sich an ihre eigenen Gesetze nicht halten will. Man stelle sich mal den Aufschrei bei folgendem Sachverhalt vor. Kai Diekmann ruft bei der Polizei an: „Ja Diekmann hier, hier malen gerade Leute mein Auto mit Anarchiezeichen voll.“ Polizei: „Lassen sie mich kurz überlegen. Der „Tatbestand“ der „Schmiererei“ ist für die Polizei kein Grund zur Ergreifung von Maßnahmen im Sinne der Gefahrenabwehr. Tschüüüüüsssss.“

Undenkbar oder? Und genau das passiert hier. (Das die Polizei auch Strafverfolgung machen muss, sei hier mal kurz ausgeblendet.)

Mal ganz davon ab, dass der Bericht selber davon ausgeht, dass ein Bannerklau zu einer Massenschlägerei führt, sprich auch eine weitere konkrete Gefahr für weitere Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit droht.

Sprich: Die Polizei verhindert hier laut ihrem eigenen Bericht bewusst keine Straftaten, obwohl sie es könnte. Ob dies ein „pflichtgemäßes Ermessen“ ist, sei mal sehr stark angezweifelt. Klar ist allemal folgendes: Ginge es hier nicht um Fußballfans (sind sowieso alle Verbrecher), würde die Springer-Presse nicht zu gehen.

Und den Rest schenken wir uns einfach.

Der Frodo hat ja die Kunst immer noch irgendwo das Gute zu sehen und auf eine Besserung zu hoffen, aber in einer Zeit in der die Polizei anscheinend nur noch tätig wird, wenn sie gerade Bock drauf hat und wie sie Bock hat und sich dagegen kein Widerstand erhebt, blieben wir sehr pessimistisch. „Alle Macht geht vom Volke aus.“ steht im Grundgesetz. Man mag das immer mehr bezweifeln und es durch „Alle Macht geht von den Staatsorganen selber aus.“ ersetzen. Keine gute Entwicklung, wenn uns jemand fragt.

3 Kommentare

  1. Nur kurz, ich bin ja größtenteils mit Euch einer Meinung, trotz meines unerschütterlichen Glaubens an einen positiven Verlauf der Dinge, selbst bei einem Gegentor zum 1:2 in der 84.Minute und einer Ecke, bei der der Torwart nach vorne läuft 😉
    Die vielen Zitate mit „laut Ansicht der Polizei“ o.ä. werden, da geb ich Euch recht, von der Mehrheit sicher als gegebene Wahrheit hingenommen. Das ist so, das ist schade bis mehr als ärgerlich.
    Trotzdem ist dies eben (um sich mal auf kackende Korinthen zurückzuziehen) eben auch NUR die Sicht der Polizei, und nicht die Sicht der anderen Beteiligten an dieser AG.
    Nicht zuletzt, da ja der Feltes-Report und der Lagebericht der Polizei eben auch die Grundlage für die Arbeit in der AG waren, die ja nun doch auch sehr gegenteilige Sichtweisen/Herangehensweisen haben.

    Aber, nochmal: Für die schnell lesende Masse ist dies sicher eine Spitzfindigkeit, die schnell überlesen wird. Ein „und andere Parteien sehen das anders!“ wäre an vielen Stellen schön gewesen, keine Frage.

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