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Yalla Hapoel! Oder: Jo Digger, was gehtn (in Israel)?

Liebe Leser,
es begab sich zu einer Zeit, da überlegten sich zwei Drittel des Blogs, eine Reise ins Heilige Land anlässlich eines Couchsurfing-Rückbesuchs zu unternehmen. Die Flüge ergaben dann noch zweieinhalb Tage Istanbul am Ende der 15-tägigen Morgenlandfahrt. Von Tel Aviv (inkl. Spielbesuch Hapol Tel Aviv – MS Ashdod) über Jerusalem, das Tote Meer, Bethlehem, Tiberias am See Genezareth, Nazareth, Akko und Haifa ging es dann weiter an den Bosporus.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAUnverzichtbar: Klagemauer und Tempelberg in Jerusalem

Zwölf Tage durften wir eine unfassbare Vielfalt von Menschen, Kulturen und Religionen erleben. Was uns an Gastfreundschaft entgegengebracht wurde, lässt sich kaum in Worte fassen.

Einer der Höhepunkte gleich zu Beginn der Reise war der Besuch des Ligaspiels von Hapoel Tel Aviv gegen MS Ashdod. Von diesem möchten wir euch jetzt genauer berichten, ist ja schließlich ein Fußballblog.
Im Vorfeld schon hatten wir Kontakt zu den Jungs von Haadumim aufgenommen. Die Fangruppierung („Die Roten“) versucht – soweit wir das verstanden haben – durch Anteilskäufe den Club zu übernehmen, was bei der erfolgreichen Basketball-Abteilung bereits geklappt hat. Völlig selbstverständlich sagten die Haadumim-Leute zu, uns Karten für Gate 5, den Ultrà-Block des Vereins, zu organisieren. Was wir dann vor Ort erlebten, überstieg unsere Erwartungen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAStreetart in Tel Aviv

Es ist der 2. März und Schabbat, daher ruht der komplette öffentliche Nahverkehr in Tel Aviv. Erst mit Sonnenuntergang sollen wieder Busse fahren, doch wir sind eh gern zu Fuß unterwegs – auch wenn die nicht einmal hundertjährige Stadt nicht allzu viel Sehenswertes hergibt. Schöner ist der Stadtteil Jaffa (Yafo), in dem auch das Bloomfield-Stadion liegt, doch wir sind im Zentrum von Tel Aviv untergebracht und haben somit rund drei Kilometer per Pedes hinter uns.

OLYMPUS DIGITAL CAMERADas Bloomfield-Stadion von außen…

Am Stadion kommen wir sehr früh an, denn die Anstoßzeit war nach MEZ ausgewiesen und unsere Haadumim-Kontaktleute sollten eigentlich auch früher vor Ort sein. Sei’s drum – so erleben wir noch indirekt mit, wie der dritte Verein der Stadt, Bnei Jehuda Tel Aviv, gegen Hapoel Be’er Sheva 1:0 gewinnt. Dass Schabbat ist, hindert offensichtlich keinen Spieler daran, seine Arbeit zu verrichten.

Die Orangen teilen sich mit Hapoel Tel Aviv und Maccabi das Stadion, was zumindest in dieser heutigen Konstellation wenig Probleme mit sich bringen soll. Ganz anders ist bekanntlich das Verhältnis zwischen Hapoel und Maccabi. Das schlimmste Derby des Landes wird gegen Beitar Jerusalem mit seiner offen rassistischen Gesinnung ausgetragen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA… und von innen

Endlich treffen nach einiger Zeit ein paar Rote am Bloomfield-Stadion ein, vereinzelt sind auch FCSP-Utensilien zu erkennen. Wir kommen schnell in Kontakt mit manchen Jungs (Mädels sind nur sehr wenig im UHTA-Block zu finden). Ein kurzes Bier in der Bar neben dem Stadion – Trinken auf der Straße ist in Israel verboten – dann geht es auch schon ins Getümmel.

Liebe UHTAs, wie auch immer ihr das geschafft habt – aber „Gate 5“ stand auf jeden Fall nicht auf unseren Tickets. Jedi-Gedankentricks sorgen ebenfalls dafür, dass wir FCSP-Aufkleber allen Regeln zum Trotz mit in den Block bekommen. Wir fühlen uns sehr geehrt!

OLYMPUS DIGITAL CAMERAFröhliche UHTAs

Das Bloomfield-Stadion ist ein schmuckloser Bau, der mit sensationellen 14.413 Plätzen eines der kleineren UEFA-Elitestadien ist. Gate 5 wird dementsprechend von Klappsitzen gestört, die sich aber hervorragend zum Hüpfen eignen. Wir haben das letzte Heimspiel vor den Play-Offs der Saison erwischt, doch wirklich übervoll ist es nicht. Den umgewandelten Sitzplätzen entsprechend dürfen nicht so viele Gäste in die Stehplatzblöcke, wie eigentlich möglich wären.

Beachtlich die „Auswärtsschwäche“ von MS Ashdod. Gingen unsere Jungs noch von 200 Mitgereisten aus der nicht einmal 40 Kilometer entfernten Stadt aus, sind tatsächlich nicht einmal 20 Ashdod-Fans im Gästeblock. Dabei hätte der Club durch einen Sieg sogar noch die Spitzengruppe für die Play-Offs erreichen können.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAMäßig gefüllt, vor allem der Gästeblock

Zu sehen bekommen die wenigen Ashdod- und die zahlreichen Hapoel-Fans ein mäßiges Spiel. Wir kennen den israelischen Fußball nicht gut, doch insgesamt lässt sich der Spielverlauf etwa mit deutschem Zweitliga-Niveau vergleichen. Ashdod geht früh in Führung, der Ausgleich erfolgt per (schmeichelhaftem) Foulelfmeter kurz vor der Halbzeitpause. Insgesamt unternimmt Tel Aviv mehr fürs Spiel, wird aber nicht mehr belohnt. Es bleibt beim 1:1.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAYalla Hapoel, so viel können wir auch mitsingen!

Natürlich interessiert uns aber viel mehr als mäßiger Fußball – den kennen wir ja zu genüge von Daheim – wie die UHTAs ihren Club unterstützen. Wir könnten hier jetzt Wasser auf die Mühlen derer gießen, die sich am Ultrà-Dauer-Lalala stören. Doch andere Länder, andere Sitten, da will man nicht mit den Scheuklappen der eigenen Maßstäbe respektlos werden.

Festzuhalten bleibt: Die Hapoel-Ultras singen dauerhaft und lang. Es gibt Gesänge über mehrere Minuten, die wenig spielbezogen sind – beim Gegentor wurde man allerdings auf bemerkenswerte Art und Weise deutlich lauter. Spontaneität hat wenig Raum, dafür Leidenschaft und Energie. Wo wir können, singen wir mit, doch wer des Hebräischen nicht mächtig ist, belässt es beim lauten und knackig zusammengezogenen „Yalla Hapoel!“

OLYMPUS DIGITAL CAMERAEine wohlverzierte Toilette in Jerusalem

OLYMPUS DIGITAL CAMERAZwischenzeitlich findet man immer Zeit für ein Gespräch. Wir erfahren an unserem ersten Tag in Israel bereits eine Menge Dinge über Land, Leute und Fußball. Viele der UHTAs sind interessiert und relativ gut informiert über die aktuelle Lage beim FCSP. Doch als wir, die wir uns mit braunweißen Utensilien unverkennbar als Hamburger outen, ein „Jo Digger, was gehtn?“ mit hebräischem Akzent vernehmen, überkommt uns schon ein kleiner Kulturschock. „Das ist XY, eine unserer Ultrà-Legenden, der war schon bei Sankt Pauli“, klärt man uns auf.

Die Jungs, bei denen wir stehen, sind sehr herzlich. Beide Seiten freuen sich wie Kinder über einen Schal-Tausch und Sticker, wir werden dazu mit frischgedruckten UHTA-T-Shirts beschenkt. B, G und O bieten an, jederzeit bei Fragen und Problemen in Israel zu helfen und hoffen, wie wir, auf ein baldiges Wiedersehen. Für uns steht fest: Der nächsten Gesandtschaft aus Tel Aviv wollen wir einen ebenso tollen Empfang bieten.

Auch wenn unser Besuch im Bloomfield-Stadion für sich genommen nicht zu toppen war, folgten noch etliche Erlebnisse in Israel, die uns den Atem raubten. Wir erlebten – nicht nur in der Altstadt von Jerusalem, sondern auch in zahllosen Gesprächen – welche teils absurden Ausprägungen die Religiosität in der Gesellschaft des zerrütteten Landes annimmt. Wer gerne seinen Haushalt auf koschere Küche umstellen möchte, frage uns jetzt um Rat.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAIm Nachal Arugot bei En Gedi am Toten Meer

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir ließen uns von der Judäischen Wüste in ihren Bann ziehen und dümpelten auf dem Toten Meer. Wir feierten traditionell den Schabbat (inklusive Synagogenbesuch), aßen Fisch am See Genezareth und wandelten auf den Spuren der Kreuzfahrer. Abschließend überwältigte uns noch Istanbul mit seinen Bauwerken aus vergangenen Zeiten und herrlicher orientalischer Küche.

Ein seltener „Länderpunkt“, tolle Begegnungen mit spannenden Menschen, überwältigende Landschaften, imposante Bauwerke, schmerzende Füße und viel, viel Religion – wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Wir bedanken uns bei allen, die uns so viel (Gast-)Freundschaft entgegengebracht haben, auch wenn sie diese Zeilen wohl kaum lesen können. Wir versuchen es einmal mit einem einfachen „???? ??“ und freuen uns auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen – egal, in welchem Land.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAIstanbul in der Abenddämmerung

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