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DFB Strafen revisited

oder

Wo man ernste Zweifel haben kann…

Vorwort

Liebe Leser, alle Vereine machen immer mal wieder Bekanntschaft mit der DFB-Gerichtsbarkeit. Als Fußballfan schüttelt man dann stets den Kopf über diese Institution. Aber eigentlich zu Recht? Bereits letztes Jahr zu dieser Zeit haben wir mal über dieses Thema gebloggt, als wir selber zu Gast beim DFB-Sportgericht waren. Für so etwas wird man dann für eine Blogger-Award nominiert. Das Thema scheint euch also zu interessieren. Gewisse Überschneidungen mit dem Artikel vom letzten Jahr lassen sich einfach nicht vermeiden. Aber wir wollen doch noch mal von vorne anfangen und erneut die Frage stellen, auf welchen Grundsätzen der DFB urteilt, und ob er sich an staatliche und eigene Grundsätze hält.

Wichtig ist uns Folgendes: Unter Juristen ist es sehr üblich, seine Meinung (!!) als die einzig wahre zu verkaufen und zu behaupten, so müsse es sein. Das tun wir hier ausdrücklich nicht. Da vieles einfach unklar ist, kann man sehr vieles auch komplett anders sehen.

Wir haben nun mal auf die Verlinkung aller Zitate vorläufig verzichtet. Werden nachgeholt, kleiner -äh – produktionstechnischer Fehler. Ausdrücklichen Dank bei solchen juristischen Berichten gilt der Korrekturinstanz.

Einleitung / Rechtsgrundlage für die DFB-Gerichtsbarkeit

So ein Verbandsgericht ist erst einmal sinnvoll. Das muss man immer vorab wissen und sollte es auch nie vergessen. Die Alternative wäre nämlich sonst, dass man jedes Foul (= fahrlässige Körperverletzung?) vor einem ordentlichen Gericht behandelt. Das würde nicht nur die Möglichkeiten von ordentlichen, staatlichen Gerichten sprengen, es wäre auch unsinnig, da der DFB als Hüter der Regeln des Fußballes „sachnäher“ ist, wie der Jurist das so schön sagt. Das ist also alles in Ordnung und über die Sperren von Fußballern regt man sich in der Praxis auch eher weniger auf. Ob man nun für eine rote Karte zwei oder vier Spiele gesperrt wird, das dürften die Herren in Frankfurt schon sehr gut wissen. Da unterstellt man ihnen auch eine gewisse Sachkompetenz und Erfahrung. Wir würden also nicht unsere Zeilen verschwenden, wenn sie nur darüber urteilen würden.

Tun sie aber nicht. Und sie tun es deswegen nicht, weil die Straf- und Verfahrensordnung des DFB und die Satzung des DFB einfach mehr vorsieht. Diese will eben auch Mitgliedsvereine für Fehlverhalten bestrafen. Das ist per se auch noch nicht schlimm, wenn es um wirkliches Fehlverhalten, wie z.B. Lizenzensierungsregeln geht. Da hat man immer noch die Sachnähe. Problematisch wird es in einem ganz anderen Bereich: nämlich in der Bestrafung von Fanverhalten. Hier fehlt die Sachnähe und die Legitimation wird alleine deswegen schon zweifelhafter. Aber stellen wir sie noch nicht in Frage. Was sagt denn der BGH zu einem solchen Verbandsgericht? Sehr schön ist hier ein Urteil aus dem Jahre 1994, wo es um Reitsport geht und der BGH folgende schöne Sätze prägt:

„Die Schaffung, Fortschreibung, Überwachung und Durchsetzung dieser Regeln ist nach dem Verständnis der geltenden Rechtsordnung ebensowenig eine staatliche Aufgabe wie die Organisation des Spitzen- und Breitensports, als deren Teil sie verstanden werden muß. Sie ist vielmehr eine von den Verbänden, die sich die Pflege und Organisation der jeweiligen Sportart zum Ziel gesetzt haben, in Ausübung ihrer Verbandsautonomie (Art. 9 GG) zu erfüllende Aufgabe.“

Kurz: Wenn du Regeln aufstellst, dann überwache sie auch selber und schaffe deine eigene Gerichtsbarkeit, die dann auch in den meisten Fällen einen Gang vor die ordentlichen Gerichte ausschließt.

Im weiteren Urteil differenziert der BGH da noch ein bisschen und sagt, dass ein Gang zu den ordentlichen Gerichten insbesondere dann ausgeschlossen ist, wenn es sich um ein sogenanntes echtes Schiedsgericht nach den §§ 1025 ff ZPO handelt. Und die letzte Instanz im DFB-Rechtszug („Ständiges Schiedsgericht“) hat nach dem, was man so an Stellungnahmen findet, wohl die Eigenschaften eines echten Schiedsgerichtes und würde damit den Gang vor ein ordentliches Gericht ausschließen. Es gibt aber auch Grenzen für eine Sportgerichtsbarkeit. So will der BGH folgendes nachprüfen, wenn es sich nicht um ein echtes Schiedsgericht handelt:

„ Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unterliegenden – Bestimmungen des maßgeblichen vereinsinternen Regelwerks, die Einhaltung eines elementaren, rechtstaatlichen Normen und der eigenen Verfahrensordnung des Verbandes entsprechenden Verfahrens, die Fehlerfreiheit der dem Spruch zugrundeliegenden Tatsachenermittlungen sowie bei sozial mächtigen Verbänden wie dem Beklagten auf ihre Billigkeit (sonst auf grobe Unbilligkeit) überprüfen.“

Kurz: die Einhaltung elementarer, rechtsstaatlicher Normen soll überprüft werden. So ähnlich wird es auch bei echten Schiedsgerichten formuliert, wo eine Überprüfung auf Willkür oder grobe Unbilligkeit von den Gerichten als Hilfskrücke herangezogen wird. Nur gibt es dazu sehr wenig Urteile und Stellungnahmen. Man geht davon aus, dass so ein Schiedsgericht sich an diese Regeln hält. Nur die „deutsche ordre public“ soll Grenze sein. Das ist dann wieder so ein Begriff aus dem Kochbuch der Juristen, den man einem Nichtjuristen beinahe nicht mehr erklären kann. Gemeint sind damit die wesentlichen Grundsätze des Rechts und Juristen verstehen diesen Begriff eher eng, auch wenn er sehr weit klingt.

Fallbeispiel Nr. 1 / Das berühmte Bayern-Hof-Urteil

In diesem Zusammenhang ist auch das Urteil des LG Hof (32 O 216/11) in Sachen Bayern Hof. Ganz grob liegt diesem Urteil folgender Sachverhalt zugrunde: Bayern Hof bekam vom Verbandsgericht (des bayerischen Fußballverbandes) zwei Punkte abgezogen und wäre damit abgestiegen. Grund war ein Becherwurf, der auf den Schiedsrichter gezielt war, aber den Hofer Trainer traf. So zumindest das Urteil des Verbandsgerichtes. Das LG Hof führt nun in seinem Beschluss (es war eine einstweilige Rechtssache) folgendes aus:

„Er hat Tatsachen glaubhaft gemacht, aus denen sich ergibt, dass die dem Urteil zugrunde liegende Tatsachenfeststellung bei objektiver, an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Tatsachenermittlung nicht nachvollziehbar ist. Dabei ist voranzustellen, dass vereins- und verbandsrechtliche Maßnahmen der Kontrolle durch staatliche Gerichte nur begrenzt unterliegen. Das Gericht darf deshalb nur prüfen, ob eine verbandsrechtliche Grundlage für die Ordnungsmaßnahme gegeben ist.“

Auch hier wieder „rechtsstaatliche Grundsätze“ und noch ein weiterer Punkt „ob eine verbandsrechtliche Grundlage gegeben ist“

In der Folge sah das LG Hof die rechtsstaatlichen Grundsätze in der Beweisermittlung als nicht gegeben an, denn auf einem Video, welches von Bayern Hof vorgelegt wurde, war kein Treffer beim Trainer zu sehen. Das LG Hof setzte damit das Urteil einstweilig aus.

Das bemerkenswerte ist, dass es alle Parteien bei diesem Beschluss beließen und Bayern Hof letztendlich nicht abstieg. Insbesondere ist die Passivität des Bayerischen Fußballverbandes bemerkenswert, denn in diesem Urteil steht nicht viel weniger, als dass das Verbandsgericht in der Beweiserhebung rechtsstaatliche Grundsätze nicht eingehalten hat. Eine solche Ohrfeige für das eigene Verbandsgericht unkommentiert und unangefochten stehen zu lassen, das spricht schon Bände.

Aber zurück zum Allgemeinen

Was kann man vielleicht aus diesen ganzen Zitaten verallgemeinern? Und ja, das ist jetzt mal unsere eigene Meinung, die garantiert nicht zwingend stimmen muss.

Ein Verband ist dann abschließend zuständig und darf selber Recht sprechen, wenn er sich a) an rechtsstaatliche Grundsätze hält und b) für seine Urteile eine verbandsrechtliche Grundlage hat. Dies gilt damit auch für den DFB. Und genau diesen Maßstab muss man nun in unserer Untersuchung anwenden.

Fangen wir doch mit letzterem mal an:

Gibt es eine verbandsrechtliche Grundlage?

Die gibt es, denn sowohl die Satzung des DFB in ihren §§ 38 bis 44, als auch die eigens für die Sportgerichte erlassene „Rechts- und Verfahrensordnung“ (nachfolgend RuV genannt) sind eine verbandsrechtliche Grundlage. Aber bereits hier kann man doch rechtstaatliche Bauchschmerzen bekommen, denn sehr bestimmt sind diese Grundlagen nicht. Der § 44 regelt die möglichen Strafen, u.a. auch Punktabzüge (Punkt l) und die Versetzung in niedrigere Klassen (Punkt m), aber auch Platzsperren, Austragung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, Lizenzentzug und Geldstrafen bis zu 250.000 Euro. In § 1 Abs. 2 RuV heißt es dann – und wir zitieren mal wörtlich –

„Sportliche Vergehen, d.h. alle Formen unsportlichen Verhaltens aller in Nr. 1.
genannten Angehörigen des DFB, werden mit den in § 44 der Satzung des DFB aufgeführten Strafen geahndet.“

Sprich: Machst du Mist, bekommst du irgendwas von den oben genannten Sachen. Weiter definiert wird „unsportliches Verhalten“ nebenbei nicht. In § 9 findet sich nur eine „insbesondere“ Formulierung, die deutlich macht, dass sie nicht abschließend ist. Sie enthält nicht nur die grauenhafte Extremismustheorie, nein sie ist auch immer noch sehr unbestimmt: „Eines unsportlichen Verhaltens gemäß § 1 Nr. 4. macht sich insbesondere schuldig, wer sich politisch, extremistisch, obszön anstößig oder provokativ
beleidigend verhält.“ Man kann sich nebenbei fragen, ob Karikaturen mit „Bullenschweine“ drin unter dieses „insbesondere“ fallen. Stören tut dies aber nach der Gesetzgebungstechnik nicht, denn es ist ja nur insbesondere.

Fallbeispiel Nr. 2 / Die Papierschlangen aus Hoffenheim

Was das konkret bedeutet, durfte die TSG Hoffenheim von 1899 in dem 113 Jahr ihres Bestehens erfahren, denn die geworfenen Luftschlangen wurden vom DFB Sportgericht ausdrücklich als „unsportliches Verhalten“ gewertet und mit 10.000 Euro Geldstrafe geahndet.

Da kann man schon erhebliche Bedenken aus rechtstaatlicher Sicht bekommen, denn das stark unbestimmte „unsportliche Verhalten“ kann zu allen möglichen Strafen führen. Nun ist eine Unbestimmtheit alleine kein Grund für eine fehlende Rechtstaatlichkeit, denn sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe können sich verfestigt haben und sind dann wieder rechtstaatlich zulässig. Und das sieht auch das AG Karlsruhe (12 C 75/07) so, als es zu einem Fall aus dem Schach (!!) folgendes schrieb:

„Soweit der Beklagte die Sanktion auf eine Unsportlichkeit stützen will, reicht die einzige in Frage kommende Grundlage in der Satzung, nämlich § 19 Nr. 1.b, hierfür nicht aus. Zwar gestehen die staatlichen Gerichte den Vereinen hinsichtlich der Subsumtion eines Geschehens unter eine bestimmte Satzungsnorm einen erheblichen Beurteilungsspielraum zu zum Schutz vor Willkür und offenbarer Unbilligkeit müssen aber Tatbestand und Rechtsfolge einer Sanktion schon zur Zeit der Verletzungshandlung feststehen. Weit gefasste Satzungstatbestände – wie hier derjenige des „unfairen Verhaltens“ – sind zwar grundsätzlich zulässig, der Inhalt der Verbotsnorm muss sich aber im konkreten Fall durch eine Zusammenschau von Satzung, Vereinsübung sowie Gleichbehandlungsgebot und Übermaßverbot noch objektiv bestimmen lassen.“ (die im Urteil wieder vorhandenen Verweise sind für eine bessere Lesbarkeit gestrichen)

Liebe Leser: Seien wir mal ehrlich: Hättet ihr euch vor der letzten Saison vorstellen können, dass das Werfen von Papierschlangen ein „unsportliches Verhalten“ ist? Hättet ihr gedacht, dass die DFB Gerichtsbarkeit dies unter diese Worte einordnet?

Ich glaube niemand wird hier „Na klar, das ist doch so etwas von unsportlich!“ brüllen. Kurz: Man muss schon bei diesem Urteil erhebliche Bedenken und Bauchweh haben. Das AG Karlsruhe führt weiter sinngemäß aus, dass man nicht einfach so per Beschluss des Verbandsgerichtes eine bisherige Übung (in seinem Fall die Remieabsprache, in unserem Fall das Werfen von Papierschlangen) sanktionieren kann, man dies aber natürlich im Rahmen der Verbandsautonomie per geänderter Satzung machen kann. Hat der DFB bisher aber nicht.

Und da haben wir den Salat, warum das akzeptieren der Strafe durch Hoffenheim und vorher auch durch unseren geliebten Verein so problematisch ist. Unbestimmte Rechtsbegriffe können ausgefüllt werden und sind dann wieder okay. Mit der Akzeptanz der Strafe wird also das Papierschlangewerfen immer mehr zu einem unsportlichen Verhalten. Noch ist das nicht so verfestigt, dass nicht der FCSP oder ein anderer Verein jetzt noch in die Berufung und dann eventuell auch vor ordentliche Gerichte gehen könnte, aber es ist schon auf dem besten Wege dahin, denn neben den beiden genannten bekam ja auch der BvB eine entsprechende Strafe.

Kurz: Die Vereine schießen sich hier selber ins Knie und das mit Anlauf und Schwung.

Trotzdem bleibt die „Gesetzgebungstechnik“ „unsportliches Verhalten“ kann zu allen genannten Strafen führen natürlich sehr bedenklich. Da ist das Urteil des AG Karlsruhe auch deutlich. Tatbestand UND Sanktion muss vor der Tat bestimmbar sein. Das ist schon äußerst schwierig, wenn ein „unsportliches Verhalten“ von Geldstrafe bis zu Lizenzentzug alles auslösen kann. Zumindest, wenn man denn die Satzung für voll nimmt. Aber da kommen wir gleich noch drauf zurück.

Und man darf nicht vergessen: „unsportliches Verhalten“ ist die Allzweckwaffe der DFB Gerichtsbarkeit gegen alle unerwünschten Dinge. Das wird auch im Folgenden deutlich.

Man vergleiche das auch mal mit der berühmten Hoffenheimer Tröte. Papierschlange vs. Hochtöner. Es ist bemerkenswert, dass die DFB Gerichtsbarkeit auch dabei ein unsportliches Verhalten sah. Dieses aber als geringfügig ansah. Hochtöner vs. Papierschlange: Was liebe Leser, wäre für euch geringfügiger? Ja, es ist als Jurist immer problematisch, dass „gesunde Volksempfinden“ zu befragen, aber immerhin ist in der Theorie auch die DFB Justiz durch uns indirekte Mitglieder des DFB legitimiert.

Aber zurück zu den Grundlagen

Denn neben diesem „unsportlichen Verhalten“ regeln nur noch die §§ 7 und 9 Tatbestände, die sanktionswürdig gegenüber Vereinen (und Kapitalgesellschaften, die am Spielbetrieb teil nehmen; und nur auf diese Frage wollen wir uns ja konzentrieren) sind. § 9 regelt zusammen mit § 9a, der eine Zurechnung von Fanverhalten vorsieht insbesondere Diskriminierung. Erstaunlicherweise ist § 9 dabei sehr detailliert ausformuliert und wird schon von sich aus bestimmt sein. § 7 hingegen liest sich wie folgt:

㤠7
Strafen gegen Vereine und Tochtergesellschaften in einzelnen Fällen 1. Bei Bundesspielen gelten für Vereine und Tochtergesellschaften unter anderem folgende Strafen:
a) für Spielen ohne Genehmigung Geldstrafe bis zu € 30.000,00;
b) für schuldhaft verspätetes Antreten oder schuldhaftes Nichtantreten zu einem Spiel Geldstrafe bis zu € 50.000,00;
c) für nicht ordnungsgemäße Platzherrichtung und nicht ausreichenden Ordnungsdienst Geldstrafe bis zu € 50.000,00;
d) für mangelnden Schutz des Schiedsrichters, der Schiedsrichter-Assistenten oder des Gegners Geldstrafe bis zu € 100.000,00;
e) für schuldhaftes Herbeiführen eines Spielabbruchs Geldstrafe bis zu € 100.000,00;
f) für Spielenlassen eines Spielers ohne Vorlage eines ordnungsgemäß erstellten Spielerpasses oder ohne Vorlage der vom DFB oder der DFL herausgegebenen Spielberechtigungsliste Geldstrafe bis zu € 1.000,00;
g) für Spielenlassen eines nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers Geldstrafe bis zu € 10.000,00;
h) für nicht ordnungsgemäße Erfüllung von Auflagen Geldstrafe bis zu € 30.000,00;
i) für das Mitwirkenlassen gedopter Spieler (§ 6), die Verabreichung von Dopingmitteln, die Weigerung, Dopingkontrollen zuzulassen sowie jede Beteiligung an diesen Handlungen oder ihre Duldung und bei Verstößen gegen die Anti-Doping-Richtlinien Geldstrafe bis zu € 150.000,00 für jeden Einzelfall; j) für aktive oder passive Bestechung Geldstrafe bis zu € 250.000,00.
2. In den Fällen der Nr. 1. Buchstaben i) und j) ist der Versuch strafbar.
3. Anstelle einer verwirkten Platzsperre kann eine Spielaustragung unter Ausschluss der Öffentlichkeit festgesetzt werden, falls dies aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint.
4. Bei Vergehen, die mit einer höheren Geldstrafe als € 2.500,00 bedroht sind, kann in schwerwiegenden Fällen an Stelle oder neben der Geldstrafe eine weitergehende Strafe nach § 44 der Satzung des DFB verhängt werden.
Gleiches gilt in Wiederholungsfällen und in Fällen der Tatmehrheit.
5. Die Strafbestimmungen der Nr. 1. finden sinngemäße Anwendung auch auf Mitgliedsverbände, die mit ihren Mannschaften an Bundesspielen teilnehmen

Was ihr da nicht lest und auch nirgendwo anders lest ist eine Strafe für Abbrennen von Pyrotechnik. Auch da beruft sich das Sportgericht wieder auf unsportliches Verhalten. Teilweise auch in Einheit mit „unzureichendem Ordnungsdienst“.

Wieder bemerkenswert: Während das undefinierte unsportliche Verhalten keine Höchstrafe kennt, darf für den nicht ausreichenden Ordnungsdienst nur bis zu 50.000 Euro verhängt werden. Auch hier muss man Bauchweh bekommen. Bauchweh insbesondere dann, wenn man bedenkt, dass der DFB für Vereine schwer zu kontrollierendes Fanverhalten für die Begründung des „unsportlichen Verhaltens“ nutzt und die Vereine in solchen Fällen ein Verschulden im klassischen juristischen Sinne selten bis nie treffen wird. Bei einem unzureichenden Ordnungsdienst wird jedoch meistens Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegen. Sowieso schert sich die Strafordnung anscheinend wenig um ein Verschulden im juristischen Sinne. Im Notfall wird Fanverhalten zugerechnet.

Man kann hier Bauchweh bekommen. Nein, falsch man muss hier Bauchweh bekommen, denn immerhin ist der Grundsatz „nulla poena sine culpa“ laut Wikipedia eine „wesentliche Rechtsregel“, die in Deutschland Teil des Rechtsstaatsprinzip ist. Dieser Grundsatz wird hier durch Verbandsrecht über § 9a ausgehebelt und dies nicht nur für Diskriminierung, sondern für jegliches Fanverhalten. Und so wird Dynamo Dresden auch aus dem Pokal der nächsten Saison ausgeschlossen, obwohl das Verbandsgericht Dynamo bescheinigt, dass der Verein keine Schuld trifft.

Schon hier kann man sich fragen, ob „wesentliche Rechtsregel“ = „rechtsstaatliche Grundsätze“? Diese Frage kann man stellen, beantworten wollen wir sie nicht abschließend. Aber ohne wirklich auf die Praxis der Anwendung der Regeln eingegangen zu sein, kann man alleine bei der RuV des DFB erhebliche Bedenken haben.

Man kann auch Bedenken haben, weil das Ganze ein erhebliches Demokratiedefizit offenbart. Ein Gesetzgeber, welcher „Alle Schweinereien sind strafbar, dafür gibt es Geldstrafe bis lebenslange Haft“ als Strafgesetzbuch auf den Markt wirft, stiehlt sich auch aus seiner Verantwortung Strafen im einem demokratischen Prozess zu entwickeln und zu bewerten. Und der DFB als Verband, als Verein muss demokratisch aufgebaut sein. Mal ganz davon ab, dass der Bestimmtheitsgrundsatz wohl auch eine „wesentliche Rechtsregel“ sein wird.

Aber gucken wir auf die Praxis

Es ist schon erstaunlich, dass in der Praxis die in § 7 genannten Fälle eigentlich eine unbedeutende Rolle spielen. Mal vielleicht der Schutz des Schiedsrichters (Bierbecherwürfe) oder der unzureichender Ordnungsdienst, aber in letzter Zeit sind die meisten Urteile aufgrund von „unsportlichem Verhalten“ ergangen. Der Fan schreit Willkür und es ist schon bemerkenswert, welche Spannbreite die Urteile haben. Nehmen wir hier mal vier Vereine im Vergleich, die doch häufiger durch den Einsatz von Pyrotechnik und anderer Ausschreitungen immer wieder auffallen, dies zwar in unterschiedlicher Intensität, aber die vier Vereine Bayern, Rauten, Frankfurt und Dresden sind alle unter den Bekannten „Tätern“, wenn es um „Ausschreitungen“ geht. Wenn man hier die jeweils letzten Verfahren sieht, dann stellt sich folgendes Bild da (Recherche über dfb.de):

Bayern München: 15.000 Euro für drei gemeinsam verurteilte Fälle. Dabei war auch ein Flitzer (=unzureichender Ordnungsdienst) enthalten. Eine von uns gefundene Datenbank findet bei Bayern insgesamt 10 DFB Strafen für 2012/2011 (davon einige gegen Bayern II verhängt)

Rauten: 40.000 Euro für zwei Handlungen. Unter anderem die berühmte Fahnenabfackelung von CFHH. Die eben zitierte Datenbank findet 9 Strafen in den Jahren 2012/2011

Dynamo Dresden: Ausschluss aus dem DFB Pokal. Hier geht es um die Vorkommnisse beim Pokalspiel in Hannover. Hier ist es neben Pyro zu einem Platzsturm und einem Blocksturm gekommen. Geschätzt werden die Verluste von Dresden auf 1 Millionen Euro. Das mag zu hoch erscheinen, aber so um die 200.000 Euro werden es wohl mindestens sein. Für Dresden finden sich 11 Strafen in der Datenbank.

Eintracht Frankfurt: Das Verfahren läuft noch. Diskutiert wird von Platzsperre bis zu hoher Geldstrafe alles. Die Datenbank findet 9 Urteile gegen Frankfurt.

Soweit so unspektakulär. Man könnte hier aber auch mal eine –zugegeben problematische – Analogie zum Strafrecht spannen. Die Strafe soll sich an „Schuld und Sühne“ bemessen, sagt da das Bundesverfassungsgericht. Und in der Strafzumessung ist die Schuld des Täters, sein Vorverhalten, aber bei einer Geldstrafe auch seine persönliche Leistungsfähigkeit zu beachten. Und auch der DFB hält sich grundsätzlich an solche Punkte, so bekommen 3. Ligisten z.B. geringere Geldstrafen als Bundesligisten. Zumindest grundsätzlich. Und auch begründet er die Strafe gegen Dresden damit, dass diese ja „vorbelastet“ seien.

(Wir blenden hier mal den rechtsphilosophischen Gedanken aus, wie unmöglich eigentlich die Begriffe und die Art der Zumessung ist. Wir bleiben nun mal bei der Praxis.)

Man kann bei der Bewertung der einzelnen Fälle dann schon Bauchweh bekommen. Sind sie denn auch willkürlich? Willkür als Rechtsbegriff definiert sich als Fehlen jeglichen sachlichen Grundes, so dass die Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht.

Um dies wirklich zu bejahen oder zu verneinen müsste man natürlich in die Einzelanalyse der Strafen gehen. Welche Rechtsgüter sind wirklich betroffen und was ist schlussendlich wirklich passiert. Das DFB Verbandsgericht erhebt dabei die unterbrechungsfreie pünktliche Durchführung eines Spieles zu einem sehr schützenswertem Rechtsgut und bestraft insbesondere diese sehr hart (siehe Hoffenheim, siehe Rauten). Da kann man schon auf den Gedanken kommen, dass hier sachfremde Erwägungen (Sky meckert sonst) in das Urteil eingeflossen sind. Bemerkenswert ist auch, dass Bayern trotz ähnlich vieler Pyroshows immer noch nur 15.000 Euro Strafe bekommt. Und die jucken (persönliche Verhältnisse) Bayern bei einem Umsatz von 300 Millionen nicht wirklich. Nun sind die Bayern Fans immer so clever gewesen, dass ihre Pyroshows nicht für eine Unterbrechung des Spieles gesorgt haben, aber immerhin sind sie auch regelmäßig dabei.

Der Vergleich Frankfurt / Dresden

Liebe Leser, was würdet ihr von einem staatlichen Richter halten, der folgendes zu Protokoll gibt:

„Für Diebstahl wird es bei mir nur Geldstrafe geben. In die Freiheit eines Menschen will ich nicht eingreifen.“

Moralisch vielleicht sehr viel. Aber seien wir ehrlich: Die Entscheidung, welcher Strafrahmen im allgemeinen Anzuwenden ist, ist nicht der eines Richters, sondern der eines Parlamentes.

Mal ganz davon ab, dass man eine gewisse Befangenheit unterstellen könnte. Und die Staatsanwaltschaft würde diese wohl auch unterstellen.

Nun ziehe man mal die – zugegeben nicht ganz 100 % richtige – Analogie zum DFB. Hier sagte der Vorsitzendes des DFB Sportgerichtes Lorenz in Bezug auf Frankfurt – Leverkusen folgendes zum Sportinformationsdienst (SID):

„Eine sportliche Strafe werde „aus grundsätzlichen Überlegungen nicht erwogen, weil man mit einem Urteil wegen Zuschauer-Ausschreitungen nicht in den sportlichen Wettbewerb eingreifen will““

Sachfremde Erwägungen? Immerhin ist in der RuV genau dieser Punktabzug als Strafe auch für Zuschauerausschreitungen vorgesehen. Wir zumindest finden keine Einschränkung in den Bestimmungen des DFB. Und nun erinnere man sich. Man kann dann als Verband selber Recht sprechen, wenn man sich an seine eigene Verfahrensordnung hält. Herr Lorenz erklärt hier öffentlich, dies nicht zu tun. Das mag gute Gründe haben, aber dann muss die Verfahrensordnung geändert werden. So muss man doch erhebliche Bauchweh bekommen, wenn es um das Recht des DFB geht, selber Recht zu sprechen. Und das dies sachfremde Erwägungen sein können, kann man sich auch denken. Willkür?

Wird es dann, wenn man bedenkt, dass Herr Lorenz sich genau an diesen Spruch nicht gehalten hat. Denn zumindest in unserem Verständnis ist der DFB Pokal ein sportlicher Wettbewerb und aus diesem hat genau das von Herrn Lorenz geleitete Gericht Dynamo Dresden ausgeschlossen.

Seien wir ehrlich: Dynamo Dresden hat hier einen Elfmeter ohne Torhüter um vor die ordentlichen Gerichte zu gehen. Man kann nur hoffen, dass sie diese Chance nutzen.

Und auch etwas anderes ist bedenklich

Dann äußert sich Vizepräsident Koch, immerhin promovierter Jurist auch noch in der Bildzeitung und auf der DFB Seite wie folgt:

„“Nur wenn die Täter aufgespürt und dem Kontrollausschuss gemeldet werden, können Vereine drakonischen Strafen auf Dauer entgehen.“ Geisterspiele oder ein Zuschauerausschluss würden sich nur verhindern lassen, wenn die Vereine einen Weg finden, die Täter ausfindig zu machen. „Die Eintracht ist jetzt am Zug““

Wir lassen es jetzt mal bewusst außen vor, dass sich hier ein privater Verband als Ersatzstaat aufspielt und alleine dies schon extrem problematisch ist und ein „rechtsfreier Raum“, den die konservative Seite des politischen Spektrums doch sonst immer gerne ablehnt.

Wir wollen mal einige andere Aspekte im Hinblick auf unsere Frage, ob und wie der DFB berechtigt ist, Strafen auszusprechen in den Vordergrund stellen:

Seit wann muss ein Täter ermitteln? Nun ist es wirklich so, dass natürlich auch das Verhalten des Täters nach der Tat in die Strafzumessung mit einfließt. Man mag Eintracht Frankfurt hier schon ungern als Täter der Tag betiteln, denn ähnlich wie Dynamo Dresden sind sie ja wohl eher Opfer ihrer Fans. Aber nehmen wir das mal als gegeben hin. Nur ähnlich wie im Strafrecht findet sich nirgendwo eine Pflicht zur Selbstermittlung, so dass der hier formulierte Zwang zur eigenen Ermittlung wohl doch sachfremd ist. Das Geständnis mag strafmildernd sein, das Nichtgeständnis ist jedoch nie strafschärfend. Auch dies könnte man wohl als einen wichtigen Rechtsgrundsatz des Strafrechtes bezeichnen. Das dieser hier mit Füßen getreten wird, könnte man auch als sehr problematisch im Hinblick auf unseren Maßstab „wesentliche Rechtsgrundlagen“ ansehen. Müsste man selbst wohl.

Eine andere wesentliche Rechtsgrundlage ist wohl die Unabhängigkeit von Richtern und Gerichten. Wenn man dies so sieht, dann muss man feststellen, dass diese Äußerung zumindest sehr schlechter Stil ist. Wahrscheinlich kratzt sie auch erheblich an der Unabhängigkeit der Richter.

Versuchen wir ein Fazit

Der DFB spricht Recht. Er darf dies auch. Aber ob er sich wirklich an die dafür notwendigen Regeln hält, bleibt doch fraglich. Eine Reform der Fußballgerichtsbarkeit ist längst überfällig, wenn man nicht die Revolution (zu Fall bringen vor einem öffentlichen Gericht) riskieren will. Vielleicht hilft aber auch nur die Revolution. Chancen dafür böten sich zu genüge.

Ein Kommentar

  1. Liebe Macher von Magischer FC!

    Der Blog DFB Strafen revisited ist außerordentlich interessant, weil fundiert, kompetent und mit den richtigen Fragestellungen. Ich beschäftige mich mit dem Thema auch schon länger und will es als Mitglied eines Buli Vereins ggf. zur nächsten Mitgliederversammlung im November 2014 zum TOP machen, indem das Präsidium, sprich der Vorstand von der MV aufgefordert werden soll, klären zu lassen, ob DFB Sanktionen ggf. rechtsstaatliche Normen verletzen, wenn sie Handlungen abseits des eigentlichen Spielgeschehens ahnden, wofür nicht die Sportgerichtsbarkeit des Verbandes, sondern eher Justiz und Ordnungsbehörden zuständig wären. Das ist insoweit von Bedeutung, als dass die damit verbundenen Ausgaben auch die Satzungskonformität tangieren. Die MV entlastet den Vorstand für dessen Arbeit, zu der die wirtschaftliche Rechenschaftslegung gehört. Sind die DFB Strafen nicht rechtskonform, müssten diese Ausgaben unter Vorbehalt gestellt oder gänzlich abgelehnt werden. Ein Gewissenkonflikt für die Mitglieder – wer schadet schon gern dem eigenen Verein, aber auch für den Vorstand selber. Zwar werden die DFB Sanktionen gegenüber den ausgegliederten Profibereichen, in der Regel KGaAs, verhängt – wohl um den e.V. zu umgehen, sind aber spätestens mit der Bilanz und der Entlastung des Vorstandes wieder Thema des Vereins und der MV. Zudem fungiert der Vorstand in Personalunion als Aufsichtsgremium der KGaA und müsste eigentlich aufgrund seiner Haftung nach AG von Rechts wegen selber aktiv werden. Tut er aber nicht. Kurzum: der DFB stürzt die Vereine mit seiner Vorgehensweise in ein rechtliches Dilemma, das trotz der Brisanz kurioserweise bisher kein Club im Grundsatz gerichtlich angefochten hat. Dieser Aspekt ist in den Bewertungen der Sache bisher noch kaum erörtert worden. Und obwohl man dem eigenen Verein helfen will, ist es dort den handelnden Personen lieber, besser nicht daran zu rütteln und stattdessen das Damoklesschwert weiter über den eigenen Köpfen schweben zu lassen. Solidarität ist ein Fremdwort in der Szene, eine konzertierte Aktion der Verein nicht in Sicht. Alle hoffen auf ein Grundsatzurteil am Rand irgendeines Prozesses um Regressforderungen wie aktuell im Fall eines Kölner Hools, der letzte Saison in Paderborn randaliert hat. Ob ihnen der Richter den Gefallen tut, bezweifle ich. Die Regressforderungen werden wegen der fehlenden Verhältnismäßigkeit oft abgeschmettert (z.B. Becherwurf im Stadion 20.000 € vs. in der Fußgängerzone bestenfalls 10 €). Ob die DFB Strafe gegen den betreffenden Verein, hier der 1. FC Köln, überhaupt rechtens ist, wird das Gericht wohl nicht klären wollen. Am Ende sind die Vereine die Dummen.

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